Grußwort anlässlich der Oskar-Schlemmer-Preis-Verleihung an Katharina Grosse am 21. Mai 2014 in Stuttgart
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- Hermann Martin
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1 Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Staatssekretär Jürgen Walter Grußwort anlässlich der Oskar-Schlemmer-Preis-Verleihung an Katharina Grosse am 21. Mai 2014 in Stuttgart Es gilt das gesprochene Wort! Sehr geehrte Frau Professorin Lange, sehr geehrter Herr Professor Kittelmann, sehr geehrter Herr Prof. Hubbert, sehr geehrte Oskar-Schlemmer-Preisträgerin Katharina Grosse, sehr Mitglieder der Fachjury, sehr geehrte Damen und Herren, zuerst möchte ich den Jurorinnen und Juroren für ihre Sondierungsarbeit herzlich danken. Frau Dr. Nicole Fritz, Kunstmuseum Ravensburg Frau Anette Kulenkampff, documenta-geschäftsführerin Frau Dr. Julia Voss, FAZ Herr Rektor Ernst Caramelle, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe Herr Direktor Johan Holten, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden Frau Direktorin Pia Müller-Tamm, Staatl. Kunsthalle Karlsruhe Frau Direktorin Christiane Lange, Staatsgalerie Ebenso herzlich danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zur Organisation der Preisverleihung und Ausstellung beigetragen haben.
2 - 2 - Abstraktion, Mechanisierung, Technik und Erfindung - das sind laut Oskar Schlemmer die Zeichen unserer Zeit, wie er 1925 notierte. Damit beschrieb der vor 125 Jahren in Stuttgart geborene, universale Künstler und Bauhauslehrer die Welt, in der er lebte. Und lotete zugleich die neuen Möglichkeiten aus, die sich der bildenden Kunst boten. Diese Möglichkeiten lesen sich wie eine Beschreibung der wesentlichen Elemente, die wir im Werk von Katharina Grosse finden: Abstraktion, die einen hohen Grad an Unabhängigkeit beansprucht; Lösung vom klassischen Malutensil des Pinsels; Mechanisierung des Farbauftrags durch den Einsatz von Sprüh-Technik; sowie die kontinuierliche Erfindung neuer Farbräume, die keine Grenzen kennen. Katharina Grosse, Sie sind die erste Trägerin des Oskar-Schlemmer-Preises, des Großen Staatspreises für Bildende Kunst, der von der Landesregierung neu geschaffen wurde und aktuelle künstlerische Positionen würdigt. Ursprünglich hieß er Hans-Thoma-Preis, wurde aber aus den nachfolgend zu erläuternden Gründen umbenannt. Der ab 2014 biennal vergebene Oskar- Schlemmer-Preis ist mit Euro dotiert und wird abwechselnd von einer Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart und der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe flankiert. Die nächste Preisverleihung und Werkpräsentation wird somit 2016 in Karlsruhe stattfinden. Warum haben wir den Preis umbenannt? Der Hans-Thoma-Preis hat eine lange Tradition. Doch junge zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler konnten sich mit dem heimatverbundenen Schwarzwälder und seiner 19. Jahrhundert- Malerei schon lange nicht mehr identifizieren.
3 - 3 - Auch möchte ich auf die posthume Verehrung hinweisen, die Thoma in konservativen Kreisen und leider auch bei den Nazis genoss. Natürlich hatte Thoma dies nicht gewollt - aber mit welcher Begründung sollte eine Auszeichnung, die zukunftsweisende künstlerische Aktivitäten fördern will, ausgerechnet seinen Namen tragen? Thomas Werk fand zu seinen Lebzeiten und darüber hinaus großen Erfolg. Es erscheint daher angemessener, seinen Namen für einen Preis zu verwenden, der das künstlerische Lebenswerk einer im Kunstbetrieb arrivierten Persönlichkeit ehrt. Und somit gibt es auch weiterhin einen Hans-Thoma-Preis - nur mit einem anderen Förderzweck. Oskar Schlemmer haben wir als neuen Namensgeber gewählt, weil er einer der bedeutendsten Wegbereiter der Moderne und ein herausragender Künstler aus Baden-Württemberg ist. Oskar Schlemmer ist damit prädestiniert, unserem neuen, großen Landeskunstpreis für eine aktuelle Position den Namen zu geben. Mit diesen zwei Auszeichnungen, dem Hans-Thoma-Preis und dem Oskar- Schlemmer-Preis hat das Land Baden-Württemberg eine neuartige Preisstruktur entwickelt: Eine Preisstruktur, die das Geschaffene würdigt UND das erst noch zu Schaffende fördert. Neben Aktualität und Innovation verbindet sich noch ein weiterer Aspekt mit dem Namen Oskar Schlemmer - und verleiht dem Kunstpreis damit Symbolwert: Oskar Schlemmer wollte mit seiner Kunst einen Beitrag zur geistigen Freiheit des Menschen leisten.
4 - 4 - Schlemmers Auffassung von der Eigengesetzlichkeit der Kunst musste in Zeiten des Nationalsozialismus, in der Kunst ein Instrument politischer Propaganda war, auf heftige Gegenwehr stoßen. In einem Brief von 1934 an Klaus Graf von Baudissin, in früheren Jahren Oberkonservator der Staatsgalerie Stuttgart und bekennender Nationalsozialist, setzt sich Schlemmer vehement für die Freiheit der Kunst ein: Die Kunst dient! - Ja, in einem letzten, höchsten Sinn. Nicht in einem ersten. Sonst ist sie Sklavendienst. Nehmen sie der Kunst ihre Freiheitsrechte und sie stirbt tatsächlich. Nehmen sie ihr die Lust am Spiel, am Fabulieren, am freien Erfinden und Gestalten und sie wird vegetieren aber nicht leben. 1 Die Freiheit der Kunst muss ohne wenn und aber gegen Vereinnahmung und Restriktion verteidigt werden. Auch dafür setzt der Name unseres Preises ein Zeichen. Die zusätzlichen finanziellen Mittel, die das Land für den Oskar- Schlemmer-Preis bereitgestellt hat, zeigen: Die Kunstförderung ist dieser Regierung ein großes und ernstes Anliegen. Erlauben Sie mir daher noch ein paar allgemeine Ausführungen zu unserer Kunstpolitik. Um die spezifischen Anforderungen einer vielfältigen Kunstlandschaft beständig im Blick zu haben, praktizieren wir eine Politik des aktiven Dialogs mit der Kunstszene in Baden-Württemberg. Während wir uns in Kunstdialogen und Expertengesprächen für die Zukunftsfähigkeit der Kunst einsetzen, verlieren wir aber auch die Vergangenheit nicht aus dem Auge, die - wie die heftigen Debatten in den letzten Monaten gezeigt haben - zudem ein sehr aktuelles Thema ist: ich meine die Provenienzforschung, die für uns von großer Bedeutung ist. 1 Oskar Schlemmer am 17. Juni 1934 an Klaus Graf von Baudissin, dem nationalsozialistischen Direktor der Staatsgalerie Stuttgart. Aus: Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus, hrsg. v. Uwe Fleckner, Oldenburg 2007, S. 58.
5 - 5 - Deshalb haben wir als erstes Bundesland in Baden-Württemberg die Anschubfinanzierung des Bundes mit eigenen Mitteln fortgeführt. Nun müssen wir als nächsten Schritt in Zusammenarbeit mit unseren Kunstmuseen die vorhandenen Stellen verstetigen. Wie wir alle wissen: die Kunstproduktion ist kein Instrument der Bildungs- oder Sozialpolitik. Kunst ist autonom und gibt sich ihre Gesetze selbst. Trotzdem ist sie nicht selbstreferentiell, denn sie setzt menschliche Existenz in Bezug zur Gesellschaft. Kunst muss nicht auf die Masse schielen. Sie darf auch das eine oder andere Mal scheitern. Aber Kunst- und Bildungseinrichtungen haben den Auftrag, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger für Kunst zu begeistern und sie in die Lage zu versetzen, sich mit Kunst und Kultur auseinander zu setzen. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass möglichst allen Gruppen der Gesellschaft die Teilhabe an der Kultur durch ästhetische Erlebnisse ermöglicht wird. Und: ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass die kulturellen Einrichtungen in Baden-Württemberg sehr engagiert diesem Auftrag nachkommen. Überall werden beispielsweise spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche angeboten. In der Regel aus dem vorhandenen Etat und den vorhandenen personellen Ausstattungen. Und oft werden dafür Räume umgewidmet. Dafür ganz herzlichen Dank! Meine Damen und Herren, wir sollten aber nicht verkennen, dass unsere Kunsteinrichtungen nicht vom Lob allein leben, sondern sie brauchen eine gute finanzielle Ausstattung. Dafür wird sich unser Ministerium auch in den nächsten Monaten ganz vehement einsetzen.
6 - 6 - Aber wir brauchen auch eine gesellschaftliche Diskussion über den Nutzen der Kunst und ein möglichst großes bürgerschaftliches Engagement. Und wir müssen uns mit der Wirtschaft in den Dialog begeben, welchen Beitrag zur Förderung der Kunst sie leisten kann. Eine entsprechende Veranstaltung meines Ministeriums ist in Vorbereitung. Wir alle sind dazu aufgerufen, zu werben und zu argumentieren, dass Mittel für die Kunst Investitionen in unsere Zukunft sind. Kunst und Kultur halten unsere Gesellschaft zusammen, sie ist treibende Kraft für ihre Erneuerung. Deshalb geben wir nie zu viel, sondern immer zu wenig für Kunst und Kultur aus. Und: die gesellschaftliche Diskussion um die Legitimation von Kunst dürfen wir nicht denjenigen überlassen, die uns glauben machen wollen, Kultur sei ein Luxus. Sondern wir müssen selbst aktiv in diesen Diskurs eingreifen. Ganz aktiv greift seit Jahren unsere heutige Preisträgerin in den Diskurs um die Kunst ein. Keine Fläche ist zu groß, keine Farbe zu schillernd. Die Arbeiten von Katharina Grosse lassen sich nicht von cleaner Architektur oder sauberen Fassaden abschrecken. Ihre Stärke liegt im Gegenteil in der ungebändigten Macht der Farben. Ihre Werke erobern Ausstellungsräume, Möbel und Gebäude. Es wäre zu wünschen, dass sich die Kunst an sich in unserer Gesellschaft mit ähnlicher Kraft behaupten kann. Sehr geehrte Katharina Grosse: Indem Sie die Grenzen der Malerei beständig erweitern, geben Sie ihr Ihre eigenen Gesetze. Ihrem Eigensinn verdankt die zeitgenössische Kunst starke Impulse. Und wir als Betrachter dieser Grenzen überschreitenden Farbräume erfahren etwas, was für Menschen existenziell ist: Freiheit!
7 - 7 - Wir brauchen die Kunst - jeder Einzelne von uns - als Korrektiv des Bestehenden, als Hinterfragung des Istzustandes und immer wieder als Grenzerweiterung! Sehr geehrte Katharina Grosse, das Land Baden-Württemberg verleiht Ihnen heute den Oskar-Schlemmer-Preis für Bildende Kunst. Dieser Zukunftspreis wird Ihnen zuerkannt für die grenzensprengenden Impulse, die Sie der Kunst und uns allen geben! Ich gratuliere Ihnen als der ersten Oskar-Schlemmer- Preisträgerin sehr herzlich. Vielen Dank.
Wenn wir das Váray-Quartett so wunderbar musizieren hören, spüren wir, wie uns Kunst und Kultur berühren.
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