Perspektiven des Wasserkraftwerksprojekts Obere Isel aus energiewirtschaftlicher Sicht unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte
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1 Perspektiven des Wasserkraftwerksprojekts Obere Isel aus energiewirtschaftlicher Sicht unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte Studie im Auftrag der INFRA Project Development GmbH Kurzfassung 15. Juni 2012 DI Dr. Jürgen Neubarth OG Andreas-Hofer-Straße 28a 6020 Innsbruck Tel. +43 (0)
2 Kurzfassung 1 Kurzfassung Die INFRA Project Development GmbH entwickelt und plant gemeinsam mit den Gemeinden Prägraten und Virgen das Wasserkraftwerk Obere Isel mit einer Engpassleistung von 46,5 MW und einer Jahreserzeugung von rd. 130 GWh/a. Das Kraftwerk soll zusätzlich durch einen Tagesspeicher mit in Summe m 3 Speichervolumen ergänzt werden. Zur Einbindung der Bevölkerung sowie als Plattform für eine öffentliche Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts wird der Planungsprozess u. a. durch die sog. Iselforen begleitet. Nach den Themenbereichen Tourismus und Ökologie wird beim 3. Iselforum am 29. Juni 2012 das Thema Wirtschaftlichkeit des Kraftwerksprojekts im Fokus stehen, das in den vergangenen Wochen zum Teil sehr kontrovers diskutiert wurde. Vor diesem Hintergrund wurde die von der INFRA Project Development GmbH mit der Kurzstudie Perspektiven des Wasserkraftwerksprojekts Obere Isel aus energiewirtschaftlicher Sicht unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte beauftragt, deren Ergebnisse beim 3. Iselforum diskutiert und anschließend veröffentlicht werden. Ausbau erneuerbarer Energien: Stromversorgungssystem im Wandel Auf Grund der gegenüber Wasserkraft, Biomasse und Geothermie deutlich höheren Ausbaupotenziale werden Wind- und Sonnenenergie den mit Abstand größten Beitrag zur Erreichung der ehrgeizigen Ziele der EU leisten, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in der EU 27 von rd. 16 % im Jahr 2005 auf 31 bis 34 % im Jahr 2020 und auf über 80 % bis 2050 zu erhöhen. Aber auch in Österreich wird trotz des vergleichsweise hohen technischwirtschaftlichen Ausbaupotenzials der Wasserkraft von rd TWh/a eine deutlich verstärkte Nutzung der Wind- und Sonnenenergie erforderlich werden, wenn eine Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und Importen im Stromsektor erreicht werden soll. Jedoch bringen die Wind- und Sonnenenergie vor allem durch ihre ausgeprägten Schwankungen im Tages- und Jahresverlauf sowie eingeschränkte Prognostizierbarkeit von allen erneuerbaren Energien auch die größten Herausforderungen für das bestehende Stromversorgungssystem mit sich. Bereits heute zeigt sich daher, dass die bestehenden Erzeugungs- und Netzstrukturen nur bedingt geeignet sind, den steigenden Anteil der Stromerzeugung aus fluktuierenden erneuerbaren Energien effizient zu integrieren. Wasserkraftwerke mit Speicherfunktion können durch die Möglichkeit einer bedarfsorientierten Betriebsweise sowie ihre schnelle Regelfähigkeit den Ausgleich fluktuierender erneuerbarer Energien unterstützen. Entsprechend wird in der energiepolitischen Diskussion über die weitere Entwicklung des europäischen Stromversorgungssystems im Ausbau der vorhandenen Speicher- und Pumpspeicherkapazitäten auch ein wichtiger Baustein zur Umsetzung der EU Energie- und Klimaziele gesehen. Gerade in Österreich steht mit der Wasserkraft damit nicht nur eine Technologie mit den tendenziell geringsten Erzeugungs- und Systemkosten zur Verfügung, sondern gleichzeitig eine Technologie mit der grüner Strom durch grünen Strom ausgeregelt werden kann. Entsprechend kann aus energiewirtschaftlicher Sicht die Speicher-
3 Kurzfassung 2 wasserkraft eine sinnvolle und im Vergleich zu Strom-zu-Strom -Speichertechnologien auch sehr wirtschaftliche Option zur Abdeckung des steigenden Speicherbedarfs darstellen. Marktumfeld für Wasserkraftprojekte Im Gegensatz zu den mittel- und langfristig prinzipiell sehr positiven energiewirtschaftlichen Randbedingungen für den Bau neuer Wasserkraftwerke, lässt sich jedoch nicht nur in Österreich sondern in praktischen allen europäischen Ländern in den letzten drei bis vier Jahren eine tendenziell ungünstige Entwicklung der Preise im Strom- und z. T. auch im Regelenergiemarkt feststellen. Diese kurzfristige Entwicklung führt vor allem bei potenziellen Investoren zu bewertungsrelevanten Unsicherheiten, die eine Entscheidung über den Bau von Anlagen, die sich im Wettbewerbsmarkt refinanzieren müssen, maßgeblich beeinflussen können. Insgesamt befinden sich derzeit die Strompreise an den Großhandelsmärkten auf einem vergleichsweise moderaten Niveau Abb. 1 zeigt hierzu beispielhaft die Preisentwicklung der für Österreich relevanten Leipziger Strombörse EEX. Die Ursachen hierfür liegen zum einen in den aktuell niedrigen Preisen für Erdgas und CO 2 -Zertifikaten. Zum anderen wird die Preisbildung im deutsch-österreichischen Spotmarkt durch den starken Zubau der erneuerbaren Energien wesentlich beeinflusst (sog. Merit Order-Effekt). Dies führt u. a. zu einer Reduzierung der Peak-Preise während der Mittagszeit bei hoher PV-Einspeisung sowie sehr niedrigen teilweise sogar negativen Strompreisen während lastschwachen Zeiten an Wochenenden oder der Nacht und gleichzeitig hoher Windstromerzeugung. [ 2012 /MWh] ,5 27,1 35,0 33,2 52,3 56,9 41,7 69, ,1 46,2 51,7 44,4 48,1 47,4 46,9 47,3 47,6 47,6 Basepreis EEX-Spotmarkt Basepreis EEX-Forward Abb. 1: EEX-Spotmarktpreise und -Forwardnotierungen (Phelix Baseload Year Future vom ) im Geldwert 2012 (Daten: EEX; für 2012 Spotpreise bis und Monats- bzw. Quartalsforwards ab 1.6.) Gerade für Wasserkraftwerke, die typischerweise eine sehr lange Planungs- und Genehmigungs- sowie Bauphase haben (6-10 Jahre), können die aktuellen Spot- und Forward- Notierungen im Strommarkt jedoch nur eingeschränkt im Rahmen einer Investitionsentscheidung berücksichtigt werden, da diese nicht notwendigerweise die langfristige Entwicklung der Marktpreise widerspiegeln. In wie weit dabei die strompreisdämpfenden Effekte der er-
4 Kurzfassung 3 neuerbaren Energien zukünftig durch steigende Gas- und CO 2 -Zertifikatspreise wieder ausgeglichen werden können, ist aus heutiger Sicht nicht eindeutig zu beantworten, da die langfristig Entwicklung dieser Commodity-Preise von einer hohen Unsicherheit gekennzeichnet ist. Jedoch ist zu erwarten, dass die Gas- und CO 2 -Preise ausgehend von ihrem aktuell niedrigen Niveau eher wieder steigen als langfristig weiter fallen werden, wovon sowohl Lauf- als auch Speicherkraftwerke durch die dadurch steigenden Großhandelspreise profitieren können. Da grundsätzlich alle Erzeugungs- und Speichertechnologien außerhalb von geförderten Einspeisetarifen für erneuerbare Energien von diesem schwierigen Marktumfeld betroffen sind, besteht die Gefahr, dass die für eine Umsetzung der ehrgeizigen Ausbauziele für erneuerbare Energien langfristig erforderlichen flexiblen Backup- und Regelkraftwerke nicht in dem notwendigen Umfang errichtet werden. Entsprechend wird auf politischer Ebene bereits über ggf. notwendige regulatorische Maßnahmen wie Kapazitätsmärkte diskutiert, die sicherstellen sollen, dass ein langfristig stabiles Investitionsklima für neue flexible Erzeugungs- und Speicherkapazitäten und damit auch für die Speicherwasserkraft geschaffen wird. Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel Gerade bei Speicherkraftwerken mit ihrer Möglichkeit, gezielt in teuren Stunden zu produzieren, können die jahresmittleren Strompreise für eine Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht unmittelbar herangezogen werden. Im Rahmen dieser Studie wurde daher das Kraftwerk Obere Isel mit seinen gegebenen technischen und hydrologischen Parametern im Speicheroptimierungsund -simulationsprogramm SOPSIM der abgebildet und der Einsatz für die Jahre 2004 bis 2011 stundenscharf mit der Zielfunktion einer Maximierung der Erlöse optimiert, wobei zusätzlich eine Variation der Speichergröße zwischen 0 und 1 Mio. m 3 durchgeführt wurde (Abb. 2) Erlöse in Mio /a ,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 Speichervolumen in Mio. m 3 Abb. 2: Erlöspotenziale des Kraftwerks Obere Isel im day ahead-eex-spotmarkt 2004 bis 2011 in Abhängigkeit unterschiedlicher Speichergrößen
5 Kurzfassung 4 Das Ergebnis der Simulationsläufe zeigt zum einen, dass das derzeit projektierte Speichervolumen von in Summe m 3 am unteren Ende eines Bereichs liegt, in dem eine weitere Vergrößerung des Speichervolumens nur noch einen vergleichsweise geringen Effekt auf die Erlöspotenziale in den Jahren gehabt hätte. Das projektierte Speichervolumen liegt damit innerhalb einer aus energiewirtschaftlicher Sicht sinnvollen Bandbreite, zumal ein Kraftwerk mit einem deutlich kleineren Speicher auch den Nachteil hätte, am Regelenergieoder einem zukünftigen Kapazitätsmarkt nur eingeschränkt teilnehmen zu können. Zum anderen zeigen die Ergebnisse, dass durch die Einsatzoptimierung gegenüber dem Basepreis (Abb. 1) ein im Mittel um 18 % höherer spezifischer Preis pro MWh in den Jahren hätte erlöst werden können. Auch wenn dieses Upside-Potenzial in den vergangenen 3 Jahren auf etwa 12 % zurückgegangen ist, wird bei einer mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus fluktuierenden erneuerbaren Energien wieder steigenden Volatilität im Strommarkt der Mehrwert eines Speichers mittel- und langfristig jedoch zumindest auf das mittlere Niveau der vergangenen 8 Jahre steigen können. Was heißt dies nun für die im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Kraftwerks Obere Isel aus energiewirtschaftlicher Sicht anlegbaren spezifischen Erlöse? Wird eine im Vergleich zu verfügbaren langfristigen Strompreisprognosen konservative Entwicklung des Strompreises nach 2020 von /MWh und ein gegenüber dem Basepreis moderates Upside-Potenzial durch den Speicherbetrieb von % unterstellt, liegt das Erlöspotenzial bei einer reinen Spotvermarktung (day ahead) zwischen 58 und /MWh. Dabei ist jedoch nicht berücksichtigt, dass von vielen Marktteilnehmern eine deutlich steigende Volatilität im Strommarkt und damit ein höheres Upside-Potenzial zum Basepreise erwartet wird. Auch kann grundsätzlich durch die Optimierung des Speichereinsatzes am Intraday-Markt sowie Erlöse aus dem Regelenergiemarkt und einer möglichen zukünftigen Kapazitätsprämie für die Bereitstellung gesicherter Leistung ein zusätzlicher Mehrwert für das Kraftwerk Obere Isel geschaffen werden als konservative Abschätzung lassen sich hierfür /MWh darstellen. Im Ergebnis zeigt die qualitativ-quantitative energiewirtschaftliche Analyse damit eine Bandbreite der spezifischen Erlöse von 61 bis /MWh, die für das Kraftwerk Obere Isel für den Zeitraum 2020 bis 2030 als realistisch eingestuft werden können.
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