Die endodontische Revision und deren Planung Endodontic retreatment and planning
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- Christian Hoch
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1 Die endodontische Revision und deren Planung Endodontic retreatment and planning Dr. Ralf Günther Holzgerlingen Zusammenfassung Endodontische Behandlungen können Erfolgsprognosen von 60% und 95% aufweisen. Revisionsbehandlungen schneiden dabei deutlich schlechter ab als Primärbehandlungen. Eine gründliche anamnestische, klinische sowie röntgenologische Diagnostik sind unverzichtbare Hilfsmittel um prospektiv den jeweiligen Behandlungsfall korrekt einzuschätzen, Probleme rechtzeitig zu erkennen und die Behandlung in organisatorischer, finanzieller und rechtlicher Hinsicht korrekt zu planen. Dennoch gibt es allgemein gültige Regeln der endodontischen Behandlung, allen voran steht der geradlinige Zugang ins Kanalsystem! Summary Endodontic treatments could have success rates between 60% und 90%. Endodontic retreatment has a significant lower success rate than vital cases. Anamnestic, clinical as well as radiografic diagnostics are inalienable aids to estimate the respective case of treatment correctly bpeforhands, to recognise problems on time and to plan the treatment in organizational, financial and juridical regard correctly. Schlüsselwörter Endodontie Revision Behandlungsplanung Diagnostik Zugangskavität Keywords endodontics retreatment treatment planning diagnostics access cavity
2 Einleitung Eine erfolgreiche endodontische Primärbehandlung kann in der heutigen Zeit durch Anwendung vieler technischer Verbesserungen, allen voran das Dentalmikroskop, Erfolgsquoten zwischen 85% und 95% aufweisen [6]. Eine Revisionsbehandlung weist dagegen im Vergleich zur Primärbehandlung eine deutlich schlechtere Prognose von nur 60% bis 80% [7,13,8] auf. Ohne Zweifel stellt daher die endodontische Revision eine der schwierigsten und herausfordernsten Behandlungen innerhalb der Zahnmedizin dar. Zahlreiche Schwierigkeiten können dem jeweiligen Behandler mit unter enorme Probleme bereiten und damit die Prognose der Behandlung weiter negativ beeinflussen. Eine gründliche allgemeinmedizinsche sowie spezielle Anamnese ist daher Voraussetzung, um patientenbezogene Schwierigkeiten bereits im Vorfeld der Behandlung abschätzen zu können. Durch genaue Kenntnis der eigenen Erfahrungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten auf dem Gebiet der endodontischen Revision muss im Einzelfall abgewogen werden, welcher Behandler sich der gegebenen Situation stellen möchte. Mit welchen Schwierigkeiten während einer Revisionsbehandlung zu rechnen sind und wie diese möglichst frühzeitig erkannt werden können, soll nachfolgend diskutiert werden [7]. Klinische Diagnostik Um Informationen über den Zustand der pulpalen, sowie über die periapikalen Gewebe zu erhalten, wird bei der ersten intraoralen Inspektion des erkrankten Zahnes routinemäßig eine Sensibilitätsprobe und ein Perkussionstest durchgeführt. Bei der anschließenden in Augenscheinnahme der Schleimhäute auf das Vorhandensein von Fistelöffnungen, muss unbedingt auch auf eine engmaschige parodontale Sondierung des Sulkus geachtet werden. Oftmals verlaufen Fisteln im parodontalen Ligament, gekennzeichnet durch eine einzelne, punktuell auftretende pathologische Sondierungstiefe mit einer maximalen Breite von ein bis zwei Millimetern. Da dieser Befund in keinster Weise eine kausale Erkrankung des Parodonts darstellt, sollte hier auch niemals eine Wurzelglättung im Sinne einer Cuerettage durchgeführt werden. Die erste klinische Untersuchung wird durch die Palpation der periapikalen Region vestibulär und oral komplettiert. Abschließend wird immer ein aktueller Zahnfilm erstellt. Sehr kritisch sollte sowohl klinisch als auch röntgenologisch die koronale Restauration beurteilt werden. Für das weitere Vorgehen während einer endodontischen Revision, muss das Vorhandensein eines koronalen Lecks (sog. Leakage) unbedingt ausgeschlossen werden. Nur auf diese Weise kann eine Desinfektion der intraradikulären Bereiche zuverlässig und ohne weiteres Nachfließen von weiteren Bakterien in das Pulpenlumen erfolgen [4,11]. Röntgenologische Diagnostik Anhand des Zahnfilms muss nun eine erste Einschätzung des Revisionsfalles erfolgen. Dabei ist insbesondere auf Details zu achten, können doch eine Vielzahl von Schwierigkeiten innerhalb des Zahnes verborgen liegen, die auf den ersten Blick nicht ohne weiteres zu erkennen sind (Abb.1-4). Da in 97% aller endodontischen Misserfolge die Ursache in verbliebenen Bakterien innerhalb des Kanalsystems zu suchen ist [12,10], muss eine mögliche Ursache für das Verbleiben der Bakterien in Hohlräumen des Kanalsystems gefunden werden. In diesem Zusammenhang sollte der erste Blick der Anzahl der bis dahin behandelten Kanäle gelten. Nicht selten weisen untere Inzisivi zwei [16], untere Prämolaren in 24% aller Fälle ebenfalls zwei [5] und obere Molaren sogar in 90% der Fälle vier oder mehr [15] Kanäle auf.
3 Abb.1: Längsfraktur der distal Wurzel Abb.2: Entfernter Zahn 37 und Anfärben mit regio 37 mit J -förmiger distaler Methylen blau (Vergrößerung 1:6,5) Aufhellung Abb.3: Frakturiertes Instrument mesial 37 Abb.4: Entferntes Instrument regio 37 (Vergrößerung 1:16,7) Sollten alle denkbaren Kanalkonfigurationen erfasst worden sein, so ist unbedingt die Größe der apikalen Aufbereitung bzw. der präparierte Konus (so genannter Shape) zu beurteilen. Bei zu geringer Aufbereitungsgröße kann eine ausreichende Desinfektion mittels Spülkanülen bis 1mm vor den physiologischen Apex nicht stattgefunden haben [2,3]. Zuletzt ist die Länge der bisherigen Wurzelkanalfüllung ausschlaggebend. Bei deutlich zu kurzer Wurzelkanalfüllung muss der verbliebene Hohlraum des Wurzelkanals bis zum physiologischen Apex als Ursache einer Läsion endodontischen Ursprungs (LEO = Lesion of endodontic Origin) oder als Auslöser von subjektiven Beschwerden des Patienten angesehen werden. Zu beachten bleibt jedoch, das der physiologische Apex vom röntgenologischen Apex bis zu 4mm entfernt liegen kann [9]! Zu diesem Zeitpunkt der klinischen und röntgenologischen Untersuchung sollte dem Behandler die mögliche Ursache einer persistierenden Infektion innerhalb des Kanalsystems bekannt sein. Die Frage nach dem daraus resultierenden Behandlungsumfang sowie des dafür benötigten Zeitfensters ist nicht immer ganz einfach zu beantworten. Eine Vielzahl von Schwierigkeiten und Hindernisse können während einer Revisionsbehandlung den Behandler mitunter vor enorme Probleme stellen. Es muss daher genau geprüft werden, ob eine endodontische Behandlung überhaupt möglich ist und vorhersagbar zum gewünschten Ziel führen wird. Nach Bargholz, Hör und Zirkel [1] stellt das Ziel dabei die vollständige Abwesenheit von subjektiven und objektiven Befunden (Schmerz, Missempfindungen, Fisteln, Abszesse, apikale Parodontiden, Knochenverdichtungen oder Sinusbodenveränderungen) dar. Es empfiehlt sich daher zur präziseren präendodontischen
4 Diagnostik immer eine exzentrische Röntgenaufnahme des betreffenden Zahnes anzufertigen. Das Vorhandensein von Verblockungen, Stufen, Transportationen oder gar Perforationen sind so unter Umständen frühzeitig zu erkennen und das Behandlungsprotokoll ist darauf auszurichten. Besondere Aufmerksamkeit verdienen metalldichte Verschattungen innerhalb des Wurzelkanalsystems. Die Entfernung von Stiften oder Schrauben wird sicherlich nach völlig anderen Behandlungsprotokollen durchzuführen sein, wie die Entfernung von Silberstiften oder gar von Instrumentenfragmenten. Selbst bei der Entfernung von Guttapercha muss mit so genannten Carrier-Systemen gerechnet werden, bei welchen der zentral gelegene Kunststoffstift, ursprünglich als Träger für die Guttapercha während der Wurzelkanalfüllung gedacht, entfernt werden muss. Die Homogenität oder Randständigkeit einer Wurzelkanalfüllung kann auf dem Röntgenfilm eventuell eine Unterscheidung von Guttapercha und Sealer- oder Pastenfüllungen erlauben. Sollten außerdem noch Resorptionen, starke Krümmungen des Kanalverlaufs, offene Foramina bei jugendlichen Zähnen oder durch Zustand nach Wurzelspitzenresektion, oder gar Wurzelfrakturen vorhanden sein, so wird eine möglichst exakte Behandlungsplanung von immer entscheidenderer Bedeutung. Zuletzt muss entschieden werden, ob trotz Lösung aller endodontischen Probleme, der Zahn nach erfolgreichem Abschluss der endodontischen Behandlungsphase noch erfolgreich und langfristig mit Zahnersatz versorgt werden kann. Sollte auf Grund zu geringer biologischer Breite oder eines voraussichtlich zu geringem Ferrule Effekt [14], die Eingliederung einer Krone nicht mehr möglich werden, so ist von der Revisionsbehandlung Abstand zu nehmen. Primäre und sekundäre Zugangskavität So gegensätzlich und unterschiedlich die theoretisch anzunehmenden Behandlungsoptionen auch sein mögen, eines ist für den Erfolg einer endodontischen Revision in allen Fällen gemein: der perfekte koronale Zugang! Ohne direkte Sicht in das Kanallumen ist eine vorhersagbare Revision nicht möglich. Aus diesem Grunde soll an dieser Stelle der koronale Zugang zum Kanalsystem noch einmal besonders beleuchtet werden. Sollte ein vorhandener Zahnersatz in irgendeiner Weise am Rand Insuffizienzen aufweisen, so ist ein koronales Leakage wahrscheinlich. Weicht die klinische Krone stark von der natürlichen Zahnachse ab, oder ist Karies unter der Krone zu vermuten, so ist in diesen Fällen der Zahnersatz auf jeden Fall vor der Behandlung zu entfernen. Der einwandfreie, vollständige und geradlinige Zugang in die Wurzelkanäle ist von entscheidender Bedeutung für die Sicht und dem späteren einwandfreien Arbeiten von rotierenden Nickel-Titan (NiTi)-Instrumenten innerhalb des Wurzelkanalsystems. Nach Ausschluss eines koronalen Leakage und dem Anlegen der primären Zugangskavität in das ehemalige Pulpenkavum, wird zuerst das Kavum gereinigt und desinfiziert. Dabei wird der Pulpenboden unter Sicht (hohe Perforationsgefahr bei dünnen Pulpenböden) von allen Rückständen des koronalen Verschlusses, von Guttapercharesten oder Karies befreit. Nachdem auf diese Weise alle bereits bearbeiteten Kanaleingänge dargestellt wurden, muss nach eventuell nicht gefundenen Kanaleingängen gesucht werden. Dies lässt sich anhand der Entwicklungslinien des Zahnes am Pulpenboden in vielen Fällen relativ leicht bewerkstelligen. Beim Anlegen der nun folgenden sekundären Zugangskavität, müssen alle Überhänge oder Dentinbrücken welche die Kanaleingänge verdecken könnten, restlos entfernt werden (Abb.5 und 6). Regelmäßig kann dabei eine Wanderung der Kanaleingänge nach lateral beobachtet werden. Bei gewissenhaftem Anlegen der sekundären Zugangskavität und anschließendem Sondieren der oberen Kanalabschnitte, sollten die so genannten Scoutfeilen senkrecht im Kanal stehen bleiben und in der Achse des Zahnes aus der Zugangskavität herausragen. Ein Überkreuzen der Feilen innerhalb der Zugangskavität ist dabei zu vermeiden. In welcher Weise nun weiter verfahren werden kann, hängt stark von der jeweiligen Situation und vom Ausgangsbefund ab.
5 Abb.5: Zustand nach Trepanation von Abb.6: Zustand nach sekundärer Zugangskavität Zahn 26, die roten Punkte kennzeichnen in Zahn 26 die tatsächliche Lage nach sekundärer Zugangskavität Schlussfolgerung Auf Grund zahlreicher möglicher endodontischer Schwierigkeiten und nur begrenzt zur Verfügung stehender diagnostischer Möglichkeiten im Vorfeld, stellt die Planung einer endodontischen Revisionsbehandlung oftmals eine große Herausforderung dar. Von der korrekten Einschätzung des vorliegenden Behandlungsfalles hängt die entsprechende Aufklärung des Patienten über Risiken, Vor- oder Nachteile sowie die Kosten ab. Sollte es daher zu einer dramatischen Fehleinschätzung der geplanten Behandlungszeit kommen, so werden hiervon wiederum in direkter Weise die kalkulatorischen Kosten, sowie der organisatorische und terminliche Ablauf der Praxis unmittelbar betroffen sein. Eine exakte und gewissenhafte Diagnostik der angefertigten Röntgenaufnahmen, eventuell auch in zwei verschiedenen Ebenen, sowie gründliche klinische Befundung, sind daher eine Conditio sine qua non für eine erfolgreiche endodontische Revisionsbehandlung sowohl in fachlicher, wie auch in organisatorischer und finanzieller Hinsicht!
6 Checkliste Revisionsdiagnostik: 1) Sensibilität 2) Perkussion 3) Sondierungstiefen (ggf. Knochensounding) klinisch 4) Fisteln 5) Apikaler Druckpunkt ) Koronales Leakage 7) Längsfraktur klinisch / röntgenologisch ) Röntgenbefund 9) Unbehandelte Kanäle röntgenologisch 10) Apikale Aufbereitung groß genug 11) Wurzelkanalfüllung lang genug 12) Endodontische Behandlung möglich? Koronaler Zugang Krümmungen Entfernung frakturierter Instrumente Entfernung von Guttapercha Entfernung von Silberstiften Entfernung sog. Carrier-Systemen Entfernung von Sealern / Pasten Entfernung von Stiften / Schrauben Handhabung von Transportationen Handhabung von Perforationen Handhabung von Verblockungen / Stufen Handhabung von Resorptionen (intern / extern / zervikal) Handhabung von offenen Foramina Z.n. WSR (Wurzelspitzenresektion) Handhabung von Wurzelfrakturen 13) Kann der Zahn später prothetisch sinnvoll versorgt werden? Ferrule Effekt Krafteinleitung 14) Extraktion? Abb.7: Checkliste Revisionsdiagnostik vor Behandlungsbeginn
7 Literatur 1 Bargholz C, Hör D, Zirkel C: Endodontische Behandlungsplanung. In: Praxisleitfaden Endodontie. München: Urban & Fischer Boutsioukis C, Gogos C, Verhaagen B, Versluis M, Kastrinakis E, van der Sluis LWM: The effect of apical preparation size on irrigant flow in root canals evaluated using an unsteady Computational Fluid Dynamics model. Int Endod J 2010; 43: Boutsioukis C, Gogos C, Verhaagen B, Versluis M, Kastrinakis E, van der Sluis LWM: The effect of root canal taper on the irrigant flow: evaluation using an unsteady Computational Fluid Dynamics model. Int Endod J 2010; 43: Cheung GS. Endodontic failures changing the approach. Int Dent J. 1996; 46(3): Review 5 Cleghorn BM, Christie WH, Dong CCS: The Root and Root Canal Morphology of the Human Mandibular Second Premolar: A Literature Review. J Endodont 2007; 33(9): Gemeinsame Stellungnahme der DGZMK und der DGZ V Stand: 11/2000: Zur Prognose von Wurzelkanalbehandlungen. DZZ 2001; 56: Friedman S. Considerations and concept of case selection in the management of posttreatment endodontic disease (treatment failure). Endodontic Topics 2002 (1): Friedman S: Treatment outcome and prognosis of endodontic therapy. In: Orstavik D, Pitt Ford TR (Hrsg.): Essential Endodontology. Blackwell Science, Oxford UK 1998, Hoer D, Attin T: The accuracy of electronic working length determination. Int Endod J. 2004; 37: Nair PNR: On the causes of persistent apical periodontitis: a review. Int Endod J. 2006; 39: Oliver CM, Abbott PV: Correlation between clinical success and apical dye penetration. Int Endod J. 2001; 34(8): Siqueira JF, Rocas IN: Mikrobiologie endodontischer Infektionen. Endodontie 2006; 15(2): Sjögren U, Hägglund B, Sundqvist G, Wing K: Factors affecting the long-term results of endodontic treatment. J Endodont 1990 (16): Stankiewicz NR, Wilson PR: The ferrule effect: a literature review. Int Endod J. 2002; 35: Verma P, Love RM: A micro CT study of the mesiobuccal root canal morphology of the maxillary first molar tooth. Int. Endod J 2010; 44: Vertucci FJ, Seelig A, Gillis R: Root canal morphology of the human maxillary second premolar. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endodon 1974; 38: 456
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