Die Forschungsbohrung Viernheim im nördlichen Oberrheingraben Eine länderübergreifende Kooperation zur Entschlüsselung der jüngeren Erdgeschichte
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- Hans Franke
- vor 6 Jahren
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1 Die Forschungsbohrung Viernheim im nördlichen Oberrheingraben G1 CHRISTIAN HOSELMANN Warum wurde im nördlichen Oberrheingraben gebohrt? Abb. 1: Lage der drei Forschungsbohrungen Viernheim, Heidelberg und Ludwigshafen im Heidelberger Becken. Der Oberrheingraben, der sich von Basel bis zur Untermainebene erstreckt, ist Teil einer zentralen geologischen Struktur in Europa. Seit mehr als 1 Mio. Jahren senkt sich dieser Raum ab, so dass in der jüngeren Erdgeschichte zum Teil über 1 m Sedimente in Form von Sanden, Kiesen, Tonen und Torfen abgelagert worden sind. Das Zentrum dieses Absenkungsprozesses liegt im Raum Heidelberg und erstreckt sich bis in das Hessische Ried. Dieses Gebiet wird als Heidelberger Becken bezeichnet. Durch die große Mächtigkeit der Sedimente wird die jüngere Erdgeschichte hier besonders hoch aufgelöst dokumentiert. Seit mehreren Jahren haben sich die Staatlichen Geologischen Dienste (SGD) von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen zur Aufgabe gemacht, diese Ablagerungen an mehreren Stellen zu durchbohren und das Kernmaterial wissenschaftlich zu untersuchen. Ziel dieser Bohrungen ist insbesondere die Klimaentwicklung des quartären Eiszeitalters (Quartär-System), also der letzten gut 2,5 Millionen Jahre, genauer zu entschlüsseln. Das Quartär ist in Mitteleuropa durch einen wiederholten Wechsel von Kaltzeiten und Warmzeiten bestimmt. Während die Kaltzeiten durch Eisvorstöße von Skandinavien und den Alpen gekennzeichnet waren, lagen die Jahresmitteltemperaturen in den Warmzeiten teilweise über den heutigen Werten. Durch die Auswertung des Klimaarchivs im nördlichen Oberrheingraben werden auch Aussagen zur künftigen Klimaentwicklung erwartet. Das Forschungsvorhaben wird wesentlich durch das Institut für Geowissenschafliche Gemeinschaftsaufgaben (GGA-Institut) in Hannover unterstützt, dessen Schwerpunkte in der geophysikalischen Vorerkundung, Bohrlochvermessung sowie Altersbestimmung der erbohrten Ablagerungen liegen. 87
2 Jahresbericht 26 Die gewonnenen Kerne sollen nach Abschluss der Bohrarbeiten für weitere wissenschaftliche Untersuchungen interessierten geowissenschaftlichen Instituten zur Verfügung gestellt werden. Aus Rheinland-Pfalz liegen bereits zwei 3 m lange Kerne aus dem Bereich Ludwigshafen vor. Der erste, 23 erbohrte Kern, ist schon detailliert untersucht worden und erste Ergebnisse konnten publiziert werden. In Baden-Württemberg wurde 26 bei Heidelberg mit einer Forschungsbohrung begonnen, die aber auf Grund technischer Probleme erst 27 fertig gestellt werden kann und bis Ende Meter Kerne erbohrt hatte (Abb. 1). Abb. 2: Die Bohrstelle ca. 2 km nördlich von Viernheim im Hessischen Staatswald. Der befestigte Vorplatz eines stillgelegten amerikanischen Bunkers war der optimale Standort für die Bohrarbeiten. Die Kerne konnten im Bunker frostfrei gelagert werden. Westen Mannheim m über NN Rhein sandig-kiesige Einheit sandige Einheit feinkörniger Zwischenhorizont? Tertiär ungegliedert Grabenrandblöcke Pliozän -2-3 Stand: Abb. 3: Stark vereinfachter geologischer West-Ost-Schnitt durch die Ablagerungen des nördlichen Oberrheingrabens. Der Schnitt konnte auf Grund der vorliegenden Ergebnisse erheblich verbessert werden. 88
3 CHRISTIAN HOSELMANN Die Forschungsbohrung Viernheim im nördlichen Oberrheingraben Abb. 4: Ein Kernrohr mit einem ein Meter langen Liner wurde gerade aus 215 m Tiefe geborgen. Die Forschungsbohrung Viernheim In Hessen wurde 26 im Auftrag des HLUG nördlich der Stadt Viernheim im Hessischen Staatswald die Forschungsbohrung Viernheim abgeteuft (Abb. 2). Die Endtiefe der Bohrung sollte bei 3 m liegen (Abb. 3). Für die weiteren Untersuchungen war es wichtig, dass das Kernmaterial in Liner gebohrt wurde, so dass der wissenschaftlichen Gemeinschaft qualitativ hochwertiges Kernmaterial zur Verfügung gestellt werden kann. Liner sind ein Meter lange PVC-Rohre mit einem Durchmesser von 1 cm, die durch das Bohrgerät meterweise in den Boden gerammt oder gedreht werden (Abb. 4). Am Ende Forschungsbohrung Viernheim Viernheim Osten m über NN 1 1 sandig-kiesige Einheit feinkörniger Zwischenhorizont Quartär Quartär Pliozän (Tertiär) sandige Einheit mit verschiedenen feinkörnigen Zwischenhorizonten pliozäne Tone mit Sandlagen paläozoisches Grundgebirge des Odenwaldes G r a b e n b l o c k km nach HAIMBERGER und HOSELMANN
4 Jahresbericht 26 der Bohrung erhält man somit 3 einzelne Bohrkerne, welche die erbohrten Sedimente nahezu störungsfrei enthalten. Mit den Bohrarbeiten wurde im Januar 26 begonnen. Die Arbeiten, die durch die Spezialfirma Daldrup & Söhne AG aus Ascheberg/Westf. ausgeführt wurden, fanden großes Interesse bei der Bevölkerung in Südhessen, so dass schon zu Beginn der Arbeiten an der Bohrstelle im Viernheimer Wald eine Informationstafel aufgestellt wurde, um über die Bohrarbeiten sowie das Gesamtprojekt zu informieren (Abb. 5). Begleitet wurden die Arbeiten durch einen Pressetermin und Informationsnachmittag an der Bohrstelle, der trotz schlechter Witterung eine rege Beteiligung fand (Abb. 6). Eine umfangreiche Berichterstattung in der lokalen wie auch überregionalen Presse sowie im Fernsehen verdeutlicht das Interesse an geowissenschaftlichen Themen, insbesondere, wenn sie in Zusammenhang mit der Klimaentwicklung stehen. Abb. 5: Schautafel informierte über die Bohrung sowie das Gesamtprojekt. Die Bohrarbeiten Die Bohrarbeiten gestalteten sich als äußerst schwierig und litten unter dem langen und harten Winter in 26. Der Einsatz der Bohrmannschaft hat sich aber letztlich gelohnt und Anfang Juni 26 konnte der letzte Meter Kern aus der Erde geholt werden. Zur weiteren wissenschaftlichen Untersuchung wurden die Kerne nach Einbeck-Grubenhagen, einer Außenstelle des GGA-Instituts, verbracht. Dort wurden die Kerne halbiert, um eine Hälfte als Archivkern aufzubewahren und auch noch in einigen Jahren unversehrt interessierten Wissenschaftlern zur Verfügung stellen zu können (Abb. 7). Abb. 6: Im Rahmen eines Pressetermins, der in Zusammenarbeit mit dem Geopark Bergstraße-Odenwald veranstaltet wurde, konnten sich Journalisten sowie interessierte Bürger über das Projekt umfassend informieren. Die ersten Ergebnisse der Bohrung und ein Rekord Die Kerne der obersten 225 m der Bohrung bestehen aus einer wiederholten Abfolge von Kiesen Sanden Schluffen Tonen und Torfen aus dem Zeitalter des Quartärs (Pleistozän-Serie). Dabei stellen die unterschiedlichen Sedimente auch Klimaanzeiger dar: Sande und Kiese (Kieslager) repräsentieren eher Abb. 7: Die aufgesägten Linerhälften eröffnen dem Geowissenschaftler einen detaillierten Blick in die Erdgeschichte. Hier sieht man im Tiefenbereich von 28 bis 32 m sandige Kiese, die im Wesentlichen vom Neckar geschüttet worden sind. Die Kiese bestehen vorherrschend aus Kalkstein-Geröllen des Muschelkalks und roten Sandstein-Geröllen des Buntsandsteins. 9
5 CHRISTIAN HOSELMANN Die Forschungsbohrung Viernheim im nördlichen Oberrheingraben m unter BAP Bohransatzsatzhöhe 96,95 m ü.nn, 9 T S K Kieslager Zwischenhorizonte pliozäne Sedimente 8 7 carbonatführender Sandkies; grau braun - Kieslager ungegliedert ,76 58,55 carbonatführender Lehmschluff; grau - Zwischenhorizont ungegliedert carbonatführender, kiesführender Sand; gelblich grau - Kieslager ungegliedert 73,9 carbonatführender Lehmsand; grau - Zwischenhorizont ungegliedert 8,72 carbonatführender, kiesführender Sand; grau - Kieslager ungegliedert 86,6 carbonatführender, kiesführender Sand; gelblich grau - Kieslager ungegliedert 123, carbonatführender Reinsand; grau - Zwischenhorizont ungegliedert 126, carbonatführender Reinsand; grau - Kieslager ungegliedert 131,23 carbonatführender Lehmsand; grau - Zwischenhorizont ungegliedert 134,18 carbonatführender Reinsand; grau braun - Kieslager ungegliedert 156,38 carbonatführender Lehmschluff; grau - Zwischenhorizont ungegliedert 162,5 carbonatführender, kiesführender Sand; dunkel grau - Kieslager ungegliedert 164,73 carbonatführender, stark humoser Schluff; dunkel grau - Zwischenhorizont ungegliedert 169,9 carbonatführender, kiesführender Sand; grau - Kieslager ungegliedert 185,33 Lehmschluff; oliv grau - Zwischenhorizont ungegliedert 187,42 carbonatführender Reinsand; oliv-grau - Kieslager ungegliedert 191, carbonatführender Schluffton; dunkel grau - Zwischenhorizont ungegliedert 2,4 carbonatführender Reinsand; grau - Kieslager ungegliedert 23,37 carbonatführender Sandschluff; grau - Zwischenhorizont ungegliedert 26, carbonatführender Reinsand; grau - Kieslager ungegliedert P l e i s t o z ä n ,21 carbonatführender Schluffton; grau - Zwischenhorizont ungegliedert 225, Lehmton; grau und rötlich braun, marmoriert - Pliozän ,7 Reinsand; hell grau - Pliozän 2,45 Lehmton; oliv grau und gelblich braun marmoriert - Pliozän 261, Reinsand; blass braun - Pliozän 27,44 323,1 333,4 3, Lehmton; oliv grau und gelblich braun marmoriert - Pliozän Reinsand; grau braun - Pliozän Schluffton; gelblich brau und oliv grau fleckig - Pliozän P l i o z ä n Abb. 8: Zusammengefasstes Profil der Forschungsbohrung Viernheim. Die Breite der Bohrsäule stellt die Korngröße dar: T= Ton; S = Sand; K = Kies. Charakteristisch für die Sedimente ist im Pleistozän die Wechselfolge von grobkörnigen Sanden und Kiesen (Kieslager) und feinkörnigen Tonen, Schluffen und Torfen (Zwischenhorizonte). In den Ablagerungen des Pliozäns dominieren pedogen stark überprägte Tone, in die wiederholt homogene Sande eingeschaltet sind. 91
6 Jahresbericht 26 B1/6 FB Viernheim - Übersicht m unter BAP Bohransatzhöhe: 96,95 m NN Gammalog GGA-Institut - gapi T S K P l e i s t o z ä n P l i o z ä n 3 Projekt: Forschungsbohrung Viernheim Bohrung: B1/6 FB Viernheim - Übersicht TK 25: 6417 Auftraggeber: Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie Rechtswert: Bohrfirma: Fa. K. Daldrup & Söhne AG Hochwert: Bearbeiter: Datum: Hoselmann, Christian Ansatzhöhe: Endteufe: 96,95 m NN 3, m Abb. 9: Im Bohrloch wurden vom GGA-Institut bis zu einer Tiefe von 238 m unter Geländeoberfläche verschiedene geophysikalische Messungen durchgeführt. Das hier abgebildete Gammalog stellt die natürliche Gammastrahlung des Gesteins dar. Hohe Werte sprechen für feinkörnige Ablagerungen und Torfe. Dagegen besitzen Kiese eine niedrige natürliche Gammastrahlung. Erläuterung der Legende vgl. Abb
7 CHRISTIAN HOSELMANN Die Forschungsbohrung Viernheim im nördlichen Oberrheingraben Die insgesamt 225 m erbohrten Sedimente aus dem Pleistozän stellen einen Rekord die bisher größte erbohrte Mächtigkeit aus diesem Altersabschnitt der Erdgeschichte in Hessen dar. Abb. 1: Eine Detailaufnahme des Tiefenbereichs von 86,6 bis 86,7 m erschließt eine Wechselfolge von kalkhaltigen Sanden und Torfen. Die vom Rhein abgelagerten Sande repräsentieren eine stärkere fluviatile Aktivität. Die Torfe sind dagegen Ausdruck einer zeitlich längeren landschaftlich-klimatischen Stabilität. kältere Klimate wohingegen die feinkörnigen Ablagerungen (Zwischenhorizonte) Anzeichen für wärmere Klimate sind. Der lebhafte Wechsel in den Bohrkernen zeigt, dass in den Sedimenten der Viernheim-Bohrung verschiedene Warm- und Kaltzeiten des Pleistozäns dokumentiert sind (Abb. 8 und Abb. 1). Ab einer Tiefe von 225 m unter Geländeoberkante bis zur Endtiefe von 3 m wurden Tone und Sande, zum Teil auch kohlige Ablagerungen aus dem Jungtertiär (Pliozän-Serie) erbohrt, die ein Alter von 2,5 bis 5 Millionen Jahren haben dürften. Im offenen Bohrloch wurden vom GGA-Institut verschiedene geophysikalische Vermessungen durchgeführt. Das Log der natürlichen Gammastrahlung der Gesteine zeichnet hierbei die verschiedenartigen Ablagerungen sehr gut nach (Abb. 9). Ausblick Im Dezember 26 wurde in Einbeck-Grubenhagen der 3. Workshop zum Projekt der Forschungsbohrungen im Heidelberger Becken durchgeführt. Dort konnten die ersten Ergebnisse der Forschungsbohrung Viernheim vorgestellt werden. Gleichzeitig wurden auch die weiteren Planungen zur Antragstellung von Projekten bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft diskutiert und beschlossen. Eine Kernhälfte der Forschungsbohrung Viernheim wurde dann zur Beprobung frei gegeben, so dass neben den Geologischen Landesdiensten verschiedene geowissenschaftliche Universitätsinstitute mittlerweile mehrere Tausend Proben für detaillierte Untersuchungen nehmen konnten. Schwerpunkte der Bearbeitung werden neben petrographischen Untersuchungen und Altersbestimmungen auch paläobotanische Arbeiten sein, die Aussagen zur Klimaentwicklung im nördlichen Oberrheingraben ermöglichen. In den nächsten Jahren werden somit noch interessante Forschungsergebnisse erwartet, die über die Grenzen von Deutschland hinaus Beachtung finden werden. 93
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