Kontextualisierung & Wiederholung. Theoretische Stationen in der materiellen Kulturforschung

Transkript

1 Kontextualisierung & Wiederholung Theoretische Stationen in der materiellen Kulturforschung

2 Evaluierung Tan-Nummern Fragebogen auf: muenster.de/geschichtephilosophie GeschichtePhilosophie/Evaluation/ Abschluß: :

3 Ziele der Vorlesung: Erwerb von Grundkenntnissen zum Forschungsstand materieller Kulturforschung in der Ethnologie Einführung in Fragestellungen, Methoden und Ergebnisse in ihrem jeweiligen historischem Kontext Erarbeitung der Arbeitsweisen von verschiedenen theoretischen Schulen anhand exemplarischer Studien Einblicke in Stellung und Bedeutung von Artefakten in verschiedenen Kulturen als Grundlage des ethnologischen Kulturvergleichs

4 21. Jhd.: multidisziplinäres intellektuelles Feld Visualität Materialität Kunst Materielle Kultur = Umgang mit Dingen Bedeutung Wahrnehmung Handlung Museum 19. Jhd.: Institutionelle Heimat der Ethnologie

5 Bisherige Vorlesungen 1. Ortsbestimmung: Materielle Kultur als Gegenstand ethnologischer Forschung 2. Sammeln und Archivieren: Kolonialismus und Museum 3. Form und Bedeutung: Franz Boas: Primitive Art (Prüfungstext) 4. Strukturalistische Analysen I: Lévi-Strauss, The Way of the Masks (Mythologie) 5. Film "Potlatch" Potlatch: : A strict Law bids us to dance" " (1974) 6. Strukturalistische Analysen der Kunst der Indianer II: Lévi-Strauss, The Way of the Masks (Plastik) & A. Rosman u. P. G. Rubel: Structural Patterning in Kwakiutl Art and Ritual (Prüfungstext( Prüfungstext) 7. Mary Nooter Roberts & Allen F. Roberts, Memory: Luba Art and the Making of History (Prüfungstext)

6 Adam Kuper, The Invention of Primitive Society "This book is a history of the ways in which anthropologists have thought about primitive society. Speculations about primitive society have a long and complicated ancestry, but I am concerned with the distinctive and novel version of this idea which crystallised, within anthropology itself, in the 1860s and 1870s, and which persisted until very recently ( ). The idea of primitive society is intimately related to other potent and beguiling notions concerning primitive mentality, primitive religion, primitive art, primitive money and so on. (1988: 1).

7 Kuper "The anthropologists took this primitive society as their special subject, but in practice primitive society proved to be their own society (as they understood it) seen in a distorting mirror. For them modern society was defined above all by the territorial state, the monogamous family and private property. Primitive society therefore must have been nomadic, ordered by blood ties, sexually promiscuous and communist

8 Handbook of Material Culture (2006) "The study of material culture formed a fundamental part of the major theoretical preoccupations and debates of the day (19th century). (... ) The West came to know itself and its place in the world primarily through a study of the artefactual Other.. Museums became great showcases for the display of a vanishing world. (...) In the process Melanesian, Polynesian, African and indigenous North American cultures became reified as things" (Introduction, S. 2).

9 Beispiele der Mainstream anthropology Franz Boas: Historischer Partikularismus Funktionalismus: Bronislaw Malinowski Strukturalismus: Claude Lévi-Strauss Symbolisch-Interpretativer Ansatz: Clifford Geertz Gemeinsame Prämissen 1. Holistischer Ansatz 2. Methode: Feldforschung

10 Bronislaw Malinowski 1884 Krakau Studium in Polen, Deutschland, Großbritannien Aufenthalt in Australien, Feldforschung Trobriand-Inseln Professor an London School of Economics 1942 Tod in USA

11 Malinowski in der Südsee

12 Auswahl Schriften Malinowski 1922 Argonauten des westlichen Pazifik 1929 Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest- Melanesien 1935 Korallengärten und ihre Magie

13 Aus Argonauten des westlichen Pazifik "Die Küstenbewohner der Südseeinseln sind oder waren vor ihrem Untergang von wenigen Ausnahmen abgesehen ausgezeichnete Seefahrer und Händler. Einige Stämme hatten sehr gute Typen großer seetüchtiger Kanus entwickelt, mit denen sie zu weiten Handelsfahrten oder Kriegs- und Eroberungszügen aufbrachen. Die Papua-Melanesier, die die Küste und die vorgelagerten Inseln Neuguineas bewohnen, bilden hiervon keine Ausnahme. Sie sind im allgemeinen wagemutige Seeleute, geschickte Handwerker und leidenschaftliche Händler. Die Zentren der Herstellung von so wichtigen Artikeln wie Töpferwaren, Steinwerkzeugen, Kanus, schönen Körben und wertvollem Schmuck sind auf mehrere Orte verteilt, wie es den Fähigkeiten der Einwohner, ihren Stammestraditionen und der Gunst der durch die Umgebung gebotenen Umstände entspricht. Von dort werden sie über weite Gebiete gehandelt, manchmal über Hunderte von Meilen" (Einleitung, S. 23).

14 Kula Ringtausch: rituelles Gabentausch-System mit verzögerter Reziprozität vgl. Karte aus Malinowski). Zwei Typen von Gegenständen werden jeweils in einer Richtung getauscht: Im Uhrzeigersinn zirkulieren Halsketten (soulava( soulava), in der Gegenrichtung zirkulieren Armreifen aus weißen Muschelring (mwali) kula-ringtauschs = Gegenmodell zum Potlatch: : wirtschaftliches Handeln ohne materiellen Profit

15 Regeln der Feldforschung / Malinowski Ein Ethnograph muss eine Skizze des sozialen Aufbaus anlegen: Gesetze und Regelmäßigkeiten müssen von Irrelevantem unterschieden werden, dies erfordert eine vollständige Übersicht über alle Phänomene, keine Fokussierung auf "Sensationelles" oder "Einzigartiges" "Ein Ethnograph, der sich vornimmt, nur die Religion oder nur die Technologie zu studieren oder nur die soziale Organisation, schneidet sich ein künstliches Untersuchungsfeld heraus und wird ernstlich in seiner Arbeit behindert"

16 Malinowski: "Tatsächlich gelangen mir bei meinen ersten ethnographischen Forschungsarbeiten an der Südküste Fortschritte erst, als ich allein war und entdeckte, worin das Geheimnis effektiver Arbeit im Feld liegt" Geheimnis = Regeln: Sprache lernen, konkrete Daten erheben: Zählung der Bevölkerung, Stammbäume, Dorfpläne, Aufzeichnung von Verwandtschaftsbezeichnungen, Führen von Feldtagebüchern

17 Der Feldforscher lebt mit den Einheimischen und wie sie "Ich komme unter meinem Moskitonetz hervor und finde um mich herum das Dorfleben, wie es sich zu regen beginnt oder wie die Leute in ihrer Arbeit schon fortgeschritten sind, je nach Tages- und auch Jahreszeit, denn sie stehen auf und beginnen ihre Arbeiten früh oder spät, wie die Arbeit dies fordert. Wenn ich meinen Morgenspaziergang durch das Dorf machte, konnte ich intime Details des Familienlebens sehen, Toilettemachen, Kochen, Essen". (S. 29)

18 Malinowski zu materieller Kultur: "Ein Kanu gehört zum materiellen Teil der Kultur und kann insofern beschrieben, photographiert und als Gegenstand in ein Museum gebracht werden. Aber und dies ist eine zu oft übersehene Wahrheit die ethnographische Realität des Kanus würde man einem Forscher zu Hause selbst dann kaum näher bringen, wenn man ein mustergültiges Exemplar vor ihm aufbauen würde" (S. 142).

19 Clifford Geertz 1926 San Francisco Studium in Harvard Seit 1970 Professor of Anthropology an der Universität Princeton

20 Auswahl Schriften Clifford Geertz The Religion of Java (1960) Agricultural Involution (1963) Interpretation of Culture (1973) Local Knowledge (1973) Kinship in Bali (1974) Works and lives (Künstliche Wilden) ) (1988) After the Fact (Spurenlesen)) (1995)

21 Reden über Kunst Wie wird über Kunst geredet?: Handwerk Technische Sprache Westliche Perspektive

22 Kunst für Clifford Geertz: Ort, an dem sich die grundsätzlichen Einstellungen eines Volkes oder einer Gemeinschaft zum Leben kristallisieren Lebensgefühl färbt Religion, Moral, Wissenschaft, Handel, Technologie, Politik, Vergnügungen, Gesetze, Organisation des Alltag Über Kunst nicht nur 'technisch' zu reden heißt, Kunst in den Kontext dieser anderen Ausdrucksformen menschlichen Daseins zu stellen und sie mit den Mustern der Erfahrung zu verbinden Fazit: Kunst muss in lokalen Kontexten verstanden werden

23 Geertz Ansatz: Verwobenheit von Kunst & Lebensgefühl Entzifferung von Zeichen: Erklärung der Wirkung von Strukturen Untersuchung der Geschichte von Zeichen und Symbolen, die Bedeutung transportieren Wirkung entsteht aus: Rolle, die Zeichen im Sozialleben einer Gesellschaft spielen Bedeutung impliziert Gebrauch, Bedeutung entsteht aus dem sozialen Gebrauch. Exemplarisch behandelt bei Luba: : Kunstgegenstände sind Zeichen, die auf die politische Ordnung des Königtums verweisen und erhalten ihre Bedeutung aus dem Gebrauch: Geschichte Machen