ETH-Vorlesung Agrartechnik II

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1 Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Agroscope ETH-Vorlesung Agrartechnik II Motortechnik Marco Landis 13. April 2017

2 Verbrennungskraftmaschinen Mit äusserer Verbrennung Dampfmaschine Dampfturbine Stirlingmotor Mit innerer Verbrennung Hubkolbenmotor Drehkolbenmotor Gasturbine Benzinmotor (Ottomotor) Dieselmotor 2

3 Funktionsprinzip Verbrennungsmotor Drehmoment am Schwungrad 3

4 Benzin- und Dieselmotor Benzinmotor Dieselmotor Charakteristik Vorteil Nachteil Äussere Gemischaufbereitung Fremdzündung Verdichtung um 10:1 Lastregulierung durch Drosselung λ bleibt ungefähr gleich: 0,9... 1,1 Innere Gemischbildung Selbstzündung Hohe Verdichtung, um 20:1 Lastregulierung durch Treibstoff-Menge λ ändert, > 1,2 hohe Leistungsdichte guter Vollastverbrauch gute Abgasbehandlungsmöglichkeiten tiefer Verbrauch, guter Wirkungsgrad lange Lebensdauer Leistungssteigerung durch Auflandung schlechter Teilwirkungsgrad schlechte Emissionen (ohne Nachbehandlung) hoher Preis grosses Gewicht laut träge (ohne Aufladung) schlechte Emissionen (ohne Nachbehandlung) 4

5 Funktionsablauf eines Viertaktmotors Ansaugen Verdichten Arbeiten Ausstossen 5

6 Volllastkennlinie 6

7 Interpretation Kennlinie 7

8 Interpretation Kennlinie 8

9 Motorkennfeld A B -- Linien gleicher Leistung -- Linien mit gleichem spezifischem Treibstoffverbrauch (g/kwh) A: 92 % Last 65 % Drehzahl 207 g/kwh spez. Verbrauch B: 60 % Last 100 % Drehzahl 247 g/kwh spez. Verbrauch Beispiel: 60 kw-traktor Leistungsbedarf 60 % = 36 kw A: 207 g/kwh 7,45 kg/h B: 247 g/kwh 8,89 kg/h A B: - 1,44 kg/h = - 16 % 9

10 Abgasbestandteile Abgasbestandteile bei Volllast Abgasbestandteile bei Volllast Abgas 99.6% Schadstoffe 0.4% Stickstoff Stickoxide Kohlendioxid Sauerstoff Kohlenmonoxid Kohlenwasserstoffe Schwefeldioxid Partikel Wasserdampf 10

11 CO, HC Kohlenmonoxid CO giftig, geruchlos, unsichtbar Entsteht bei unvollständiger Verbrennung, abhängig von lokaler Verfügbarkeit von O 2 (Luftverhältnis, Gemischbildung, Verwirbelung) Schädlichkeit Verbindet sich mit den Blutkörperchen und verhindert dadurch den Sauerstofftransport, wirkt daher als Atemgift. Kohlenwasserstoffe HC verschiedene flüchtige Kohlenwasserstoffe, tragen bei zur Bildung von bodennahem Ozon. Entsteht bei unvollständiger Verbrennung, abhängig von Brennstoffaufbereitung / Tropfengrösse (Einspritzsystem, Zerstäubung, Verdichtung, Temperatur) Schädlichkeit z.t. krebserregend, Dieselgeruch 11

12 NOx Stickoxide NOx Zusammenfassung der Stickstoffverbindungen NO und NO 2 Entsteht bei hohen Verbrennungstemperaturen durch die Reaktion von Luftstickstoff mit Sauerstoff. Schädlichkeit Erkrankung der Atemwege Vielfältige Schädigung von Pflanzen und empfindlichen Ökosystemen Wichtige Vorläufersubstanz für die Bildung von sauren Niederschlägen und Ozon/Sommersmog Stickstoffmonoxid NO Farbloses Gas, oxidiert zusammen mit Luft zu NO 2, Veränderung der Lungenfunktion MAK: 25 mg/m 3 Stickstoffdioxid NO 2 Chlorartig riechendes Gas, bildet mit Wasser Salpetersäure, giftig MAK: 5 mg/m 3 12

13 Partikel Partikel PM Entstehen durch unvollständige Verbrennung Schädlichkeit Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislaufsystems, Zunahme der Sterblichkeit sowie des Krebsrisikos, Einfluss auf den Treibhauseffekt, Besonders die sehr kleinen Partikel (Feinpartikel, Nanopartikel) sind schädlich, da sie in die Zellen eindringen. Es ist zu unterscheiden zwischen PM10: Alles was kleiner ist als 10mm Dieselruss: Durchschnittlich 0.1mm 13

14 Lungengängigkeit der Partikel Quelle: HUSS Umwelttechnik Nürnberg) 14

15 Gesetzgebung für Traktoren und Motorkarren Quelle: BAFU 2012: Entwicklung der CH-Gesetzgebung im Bereich der Abgasemissionen von Motorfahrzeugen und Maschinen 15

16 Dieselrusspartikel aus Landwirtschaft rund 19 % Gesamt: 1'669 t/jahr Davon 300 t von LW Dieselrussanteile Verkehr und Nonroad % 0% 2%1% 0% 19% 3% 6% 2% 1% Landwirtschaft 38% Personenwagen leichte Nutzfahrzeuge schwerer Nutzfahrzeuge Reisebus Linienbus Baumaschinen Industrie Landwirtschaft Forstwirtschaft Gartenpflege/Hobby Schiffe Schiene Militär 13% 14% Quelle: BAFU 2013 Entwicklung der CH-Gesetzgebung im Bereich der Abgasemissionen von Motorfahrzeugen und Maschinen 16

17 Problematische Abgasbestandteile (Partikel und NOx) Verhalten von Russ - NOx - Kraftstoffverbrauch NOx Partikel spezifischer Kraftstoffverbrauch 17

18 PM [g/kwh] Technik zum Ereichen der Stufe IIIA AGR: Abgasrückführung 0.3 AGR Stufe III A (NOx+HC) Stufe II Stufe IV Stufe III B NOx [g/kwh] Leistungsklasse kw 18

19 Abgasrückführung Ansaugluft AGR-Kühler AGR-Regelventil Ein Teil des Abgases wird zurückgeführt. Das rückgeführte Abgas weist einen geringeren Sauerstoffanteil auf und nimmt nicht mehr aktiv an der Verbrennung teil. Verbrennungstemperatur sinkt, es entstehen weniger Stickoxide NOx. 19

20 Abgasstufe 3B und 4 (Einführung ab ) Abgasnachbehandlung wird notwendig! Partikelfilter (Reduktion der Partikel) SCR-Systeme (Reduktion der Stickoxide) 20

21 PM [g/kwh] be [g/kwh] Technik zum Ereichen der Stufe IIIB AGR: Abgasrückführung DPF: Dieselpartikelfilter SCR: Selective catalytic reduction be: spezifischer Treibstoffverbrauch PM: Partikelmasse NOx: Stickoxide 0.3 AGR Stufe III A (NOx+HC) DPF Stufe II Verbrennungsoptimierung 0.1 SCR Stufe IV Stufe IIIB NOx [g/kwh] Leistungsklasse kw 21

22 Funktionsweise eines geschlossenen Partikelfilters Rohabgase gereinigte Abgase Das Abgas durchströmt die porösen Trennwände des Filters. Dort lagert sich der Russ ab. Damit der Filter nicht verstopft, wird der Russ periodisch oder kontinuierlich zu CO 2 und wenig Asche verbrannt. 22

23 Filtermaterial eines Keramikfilters Siliziumcarbid Quelle: HUSS Umwelttechnik Nürnberg 23

24 Reduktion des Partikelausstosses Filterwirksamkeit 100'000'000 10'000'000 Partikelanzahl [1/cm 3 ] (log) 1'000' '000 10'000 1' Vor Filter Nach Filter Umgebung 1 Messpunkt 1 Messpunkt 2 Messpunkt 3 Messpunkt 4 Messpunkt 5 Messpunkt 6 24

25 Regenerationssysteme Aktive Systeme (periodische Regeneration) Elektrische Beheizung Diesel-Brenner Wechselfilter Passive Systeme (kontinuierliche Regeneration) Vorgeschalteter Katalysator Katalytische Beschichtung Additivbeimischung Abgastemperatur [ C] Partikelfilter mit Dieselbrenner aufgebaut auf Hoflader Schäffer Betriebsstunden [h] Filtergegendruck [mbar] Abgastemperatur [ C] beschichteter Partikelfilter eingebaut in Lindner Geotrac Betriebsstunden [h] Filtergegendruck [mbar] 25

26 Abgasgegendruck Wartung DPF Rohabgase gereinigte Abgase US-Tier4-Vorschrift für Offroad-Dieselmotoren: Minimale DPF-Wartungs- und Reinigungsintervalle ( )! P < 130 kw minimal 3000 h P > 130 kw minimal 4500 h Gilt nur für OEM-Ausrüstungen (nicht für Nachrüstungen) Zeit 26

27 Ascherückstände Fendt Farmer 411 Vario Deutz-Fahr Agrotron K100 HSM 805 HD Ölsorte normal oil Low-SAPS normal oil Low-SAPS normal oil Low-SAPS Laufzeit [h] Ölnachfüllung [l] < 1 < 1 Asche [g] Asche [g/100 h] Veränderung Aschemenge [%] -63% -44% -59% Die Filterasche besteht hauptsächlich aus: - Calciumoxid - Phosphaten - Sulfaten 27

28 SCR System In das Abgas wird eine Harnstofflösung eingespritzt, welche im Katalysator die Stickoxide beseitigt Verbrauch zirka 5 % des Kraftstoffverbrauches Ad-Blue Tank Einspritzpumpe Dosierung Motor Eindüsung SCR-Katalysator Harnstoff-Zersetzung (NH 2 ) 2 CO + H 2 O -> 2NH 3 + CO 2 (NH 2 ) 2 CO -> NH 3 + HNCO HNCO + H 2 O -> NH 3 + CO 2 SCR-Katalysator 4NH 3 + 4NO + O 2 -> 4N 2 + 6H 2 O 2NH 3 + NO + NO 2 -> 2N 2 + 3H 2 O 8NH 3 + 6NO 2 -> 7N H 2 O Sperrkatalysator 4NH 3 + 3O 2 -> 2N 2 + 6H 2 O 28

29 Harnstofflösung Für den Einsatz in SCR-Systemen wird eine wässrige 32,5 % Harnstofflösung eingesetzt. Genormt nach DIN und ISO Markenname AdBlue Eigenschaften: - Klare Flüssigkeit - Gebindegrössen ab 10 Liter - Kristallisiert bei -11 C 29

30 Vergleich DPF - SCR DPF SCR + Keine zusätzlichen Betriebsstoffe + Geringerer Treibstoffverbrauch durch optimalere Motoreinstellung + Massive Reduktion der Partikelanzahl + Durch geringeren Treibstoffverbrauch auch CO 2 Einsparung - Filterreinigung notwendig - Zusätzlicher Betriebsstoff (Beschaffung, Lagerung, Betanken) - Treibstoff-Mehrverbrauch, insbesondere während aktiven Regenerationen) - Partikelanzahl bleibt hoch 30

31 PM [g/kwh] be [g/kwh] Technik zum Erreichen der geplanten Stufe V AGR: Abgasrückführung DPF: Dieselpartikelfilter SCR: Selective catalytic reduction be: spezifischer Treibstoffverbrauch PM: Partikelmasse NOx: Stickoxide 0.3 AGR Stufe IIIA (NOx+HC) DPF Stufe II SCR Stufe IV Stufe IIIB NOx [g/kwh] Leistungsklasse kw 31

32 SCRT-System Treibstofftank Ad-Blue Tank Steuerung Einspritzpumpe Dosierung NO X Motor p T Eindüsung Oxidations- Katalysator Partikelfilter SCR- Katalysator Sperr- Katalysator CO HC PM NO X CO 2 H 2 O N 2 Quelle: Deutz 32

33 Kohlenwasserstoffe 33

34 Vergleich Benzin / Diesel Einheit Benzin bleifrei 95 SN Diesel SN Dichte kg/m Viskosität bei 40 C mm 2 /s Flammpunkt C min. 55 Siedeverlauf 70 C 22-48% 100 C 46-71% 150 C min. 75% 250 C 65% 350 C 85% Heizwert MJ/Liter Oktanzahl (ROZ) / Cetanzahl - 95 min. 49 / 51 C- / H- Anteile % 87 / / 14 34

35 Pflanzenöl 35

36 Treibstoffbedarf Dieselverbrauch Schweiz (2011) Dieselverbrauch Landwirtschaft Tonnen Tonnen = 150 Mio. Liter RME-Potenzial ( t Öl) 22 Mio. Liter entspricht Dieseläquivalent 23,5 Mio. Liter Im besten Fall könnten ca. 1 / 6 des Dieselverbrauchs der Landwirtschaft durch RME gedeckt werden 36

37 Rapsöl als Treibstoff Drei grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten: Filtrierung Rapsöl, reines Rapsöl, Naturdiesel Umesterung Rapsmethylester (RME, Biodiesel) Mischung RG4A, JuniorDiesel Für die Beimischung zum fossilen Dieseltreibstoff ist nur RME geeignet! 37

38 Spezifikation der Rapsöl-Treibstoffe Einheit Diesel SN Naturdiesel (V DIN 51605) RME EN Rapsölmischung (RG4A) Dichte bei 15 C kg/m Viskosität (40 C) mm 2 /s max Flammpunkt C min. 55 min. 220 min Filtrierbarkeitsgrenze (CFPP) C Cetanzahl - min. 49 min. 38 min Heizwert MJ/kg

39 Umrüstung Eintanksystem Vorwärmung, Isolation der Treibstoffleitungen grössere Leitungsquerschnitte zusätzliche Filtereinheiten Anpassung der elektronischen Steuerung ev. Anpassung der Einspritztechnik und Glühkerzen (noch) nicht für moderne Common-Rail Motoren geeignet Zweitanksystem Rapsöl- und Dieseltank Rapsöl-Vorwärmung Zusätzliche Filter und Treibstoffpumpe Temperatur- und Öldrucksensoren Motor starten und abstellen im Dieselbetrieb, Umschaltung auf Rapsölbetrieb bei genügender Motorbelastung / Temperatur auch für Common-Rail Motoren geeignet 39

40 Umrüstung auf Pflanzenöl 40

41 Rapsmethylester RME Biodiesel FAME (Fatty Acid Methyl Ester) Durch Umesterung werden weitgehend dieselähnliche Spezifikationen erreicht, insbesondere Viskosität und Cetanzahl. Anwendung: keine Motoranpassung nötig, von vielen Motorherstellern freigegeben jedes Mischverhältnis mit fossilem Diesel möglich Treibstoffsensor in Entwicklung für optimale Einspritzregelung Für viele Dieselmotoren freigegeben Einhaltung der aktuellen Emissionsgrenzwerte möglich 41

42 Herstellung RME Umesterung: Chemische Verfahrenstechnik im Batch-Verfahren Zugabe von Methanol und Katalysator (z.b. Natronlauge) Heizen (50 80 C) und Rühren: beim Umesterungsvorgang trennen sich Methylester und Glyzerin Abscheiden der Glyzerinphase Ausdestillieren des überschüssigen Methanols, waschen des RME 42

43 Bioethanol Herstellung Von der Glucose zum Bioethanol: C 6 H 12 O 6 2 C 2 H 5 OH + 2 CO ,5 kj/mol 1 kg Glucose 511g Ethanol + 489g CO 2 + Energie Alkoholische Gärung (Hefe) Fermentation bei C während Stunden Destillation (Maischekolonne) thermische Abtrennung, Destillation zu % Alkohol Rektifikation und Entwässerung Aufkonzentrierung zu 99,9%-igem Ethanol Bioethanolanlage in Nebraska 43

44 Bioethanol Kennzahlen Dichte 0,8 kg/liter Heizwert 26,8 MJ/kg, bzw. 21,3 MJ/Liter Benzinäquivalent 0,66 Liter Oktanzahl 107 Ausbeute: 1 ha Getreide (5300 kg Ertrag) 1900 Liter Ethanol 1 ha Kartoffeln ( kg Ertrag) 3400 Liter Ethanol 1 ha Zuckerrüben ( kg Ertrag) 7500 Liter Ethanol 44

45 Bioethanol Konkurrenz zur Nahrung? Zuckerhaltige Rohstoffe: Zuckerrohr Zuckerrübe Zerkleinerung Extraktion Glucose einfach Stärkehaltige Rohstoffe: Kartoffel Getreide Mais Maischebereitung Verflüssigung mit Enzymen Verzuckerung Glucose aufwändig Cellulosehaltige Rohstoffe: Holz Stroh Altpapier / Karton Celluloseaufschluss Hydrolisierung mit Säure oder Enzymen Glucose schwierig 45

46 Bioethanol am besten beigemischt Als Reintreibstoff in Ottomotoren: In angepassten Reinethanolmotoren, Einsatz von Benzin nicht mehr möglich. Als Mischtreibstoff in Benzinmotoren: Zumischung bis 5 % Bioethanol zum Benzin nach Norm SN möglich, keine Motormodifikation nötig Zumischung bis 25 % Bioethanol zum Benzin technisch möglich mit geringen Motormodifikationen (Gasohol) Zumischung bis 85 % Bioethanol zum Benzin möglich mit FFV-Fahrzeugen (Flexible Fuel Vehicles) 46

47 Speicherung ist ein Problem Quelle: Toyota 47

48 Power to Gas Quelle: New Holland 48