Evangelische Kirchengemeinde Poppenweiler Gottesdienst am Pfingsten 1. Korinther 2,12-16 (Pfarrer Häcker)
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- Eduard Armbruster
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1 Evangelische Kirchengemeinde Poppenweiler Gottesdienst am Pfingsten 1. Korinther 2,12-16 (Pfarrer Häcker) Liebe Gemeinde! In einer sizilianischen Bergstadt liebte es ein Pfarrer, die großen Geheimnisse Gottes möglichst sichtbar zu machen. Und so ließ er durch den Kirchendiener gleich nach dem Pfingstevangelium eine weiße Taube in die Luft werfen. Nicht den Heiligen Geist selbst natürlich, aber wenigstens seine irdische Symbolgestal. Und alle wussten: Wem sich die Taube auf die Schulter oder den Kopf setzt, dem ist eine besondere Erleuchtung durch den Heiligen Geist gewiss. Beweise dafür gab es genug: Vor einigen Jahren war die Taube dem Seminarlehrer auf die Schulter geflogen, und er hatte danach ein geistvolles Buch geschrieben. Oder einmal hatte sie sich dem jungen eingebildeten Grafen auf den Kopf gesetzt, und der ließ eine neue Wasserleitung bauen, "die Wasserleitung des Heiligen Geistes" wie sie die Dorfbewohner nannten. Oder der undurchsichtige Verwalter des städtischen Armenhauses fasste den Entschluss, mit unterschlagenen Geldern eine Kapelle errichten zu lassen, die "Kapelle Santo Spiritu". Dann kam ein neuer Pfarrer aus dem unfrommen Norden. Der hielt nichts von diesem Aberglauben und nannte die Taube einfach einen "Vogel". Wenn er auch gegen diesen Unfug wetterte, so traute er sich doch nicht, den Flug der weißen Taube am Pfingstfest zu verbieten. Aber er ordnete an, dass alle Türen und Fenster der Kirche weit offen bleiben müssten. Ohne sich darum zu kümmern, flog die Taube dreimal hin und her und setzte sich dann (Sie ahnen es:) dem neuen Pfarrer auf die rechte Schulter. Ihm war das sehr peinlich, aber das ganze Kirchenvolk geriet darüber außer sich und applaudierte lange voller Freude. Und die Erleuchtung? Geduld! Bei Leuten aus dem Norden dauert alles ein bisschen länger. Doch der Heilige Geist wird schon dafür sorgen, dass er ein guter Pfarrer wird, der ihnen gerne alles sichtbar macht, was sie glauben sollen. Diese kleine Geschichte habe ich gefunden, als ich mich auf die Suche machte auf die Suche danach, wer denn den Heiligen Geist nun wirklich hat. Denn darum streiten sich die vielen Kirchen unserer Tage: die katholische mit den evangelischen Kirchen, die wiederum
2 mit den Kirchen der Pfingstbewegung ganz zu schweigen von der unübersehbaren Anzahl sonstiger Freikirchen... Doch nicht erst seit ein paar Jahrzehnten, sondern von Anfang an streiten sich Christen über die wahre Erleuchtung und den richtigen Zugang zum Heil, das Gott schenkt. Die Briefe des neuen Testaments zeugen davon, und wer sie liest, kann erschrecken über die Unstimmigkeiten, die bereits in der ersten Christengeneration zur Tagesordnung gehörten. Heute wird uns ein Fenster in das zerstrittene Seelenleben der korinthischen Christen geöffnet. Ich lese aus dem Anfang des 1. Korintherbrief des Paulus es scheint wirklich ein drängendes Problem gewesen zu sein: 12 Wir haben aber nicht den Geist dieser Welt erhalten, sondern den Geist, der von Gott kommt. Darum können wir erkennen, was Gott uns geschenkt hat. 13 Davon reden wir nicht in Worten, wie sie menschliche Weisheit lehrt, sondern in Worten, die der Geist Gottes eingibt. Von dem, was Gott uns durch seinen Geist offenbart, reden wir so, wie sein Geist es uns lehrt. 14 Menschen, die sich auf ihre natürlichen Fähigkeiten verlassen, lehnen ab, was der Geist Gottes enthüllt. Es kommt ihnen unsinnig vor. Sie können nichts damit anfangen, weil es nur mit Hilfe des Geistes beurteilt werden kann. 15 Wer dagegen den Geist hat, kann über alles urteilen, jedoch nicht von jemand beurteilt werden, der den Geist nicht hat. 16 Es heißt ja in den Heiligen Schriften:»Wer kennt den Geist des Herrn? Wer will sich herausnehmen, ihn zu belehren?«und das ist der Geist, den wir empfangen haben: der Geist von Christus, dem Herrn. Beim ersten Hören könnte man meinen, Paulus schreibe hier gegen die Ungläubigen, die Weltmenschen, die sich nicht um Christus und seine Predigt von Gott scheren. In der Theologie aber ist man sich einig, dass hier innerchristliche Streitigkeiten angesprochen sind, die den neuen Glauben in seinen Fundamenten bedrohten. Es gab ja noch keine verbindlichen Grundlagen, kein neues Testament, wie wir es heute haben. Ständig stellte sich die Frage: Wer hat denn nun Recht mit seiner Sicht der Dinge? Wer deutet richtig, was mit Christus geschehen ist? Und wer läuft Gefahr, das Wirken Jesu vollkommen falsch auszulegen?
3 Mir wäre um einiges wohler, liebe Pfingst-Gemeinde, wenn sich die Frage endlich beantworten ließe. Doch aus meiner Sicht gibt s immer noch keine eindeutige Lösung des Problems, welche Kirche oder Glaubensrichtung denn nun wirklich den Heiligen Geist besitzt und welche nicht. Es bleibt offen, wie wir mit dieser Frage umgehen. Obwohl wenn ich Paulus richtig verstehe, weiß er eine Antwort: Wir haben aber nicht den Geist dieser Welt erhalten, sondern den Geist, der von Gott kommt schreibt er den korinthischen Christen. Wen meint er mit wir? Gab es doch bereits in Korinth erste Spaltungstendenzen wir würden heute konfessionelle Unterschiede dazu sagen. Nur wenige Sätze weiter beklagt sich der Apostel über die Gruppenbildung. Da gab es die Gruppe derer, die sich auf ihn, Paulus, beriefen, während andere den Petrus als ihren Lehrmeister auserwählt hatten. Eine dritte Gruppe scharte sich um einen gewissen Apollos, während wieder andere keinen anderen als Christus selbst zur einzig gültigen Autorität erhoben. Schon damals also hatte jede Richtung ihr eigenes Päpstchen. Die Tatsache, dass Paulus am Anfang seines Briefs von wir redet, zeigt, dass er diese Spaltung nicht anerkennt. Im Gegenteil: Bevor er auf die Unterschiede kommt, beschwört er die Einheit. Und zwar die Einheit, die aus dem Geist Gottes kommt, der sich in Christus zeigt: Das ist der Geist, den wir empfangen haben: der Geist von Christus, dem Herrn. Darin wird für mich wenigstens eins deutlich: Gottes Geist sät keinen Spaltpilz, sondern er will, dass alle, die Jesus als ihren Herrn bekennen, sich im gleichen Boot wissen. Auch wenn die einen vorne und die anderen weiter hinten sitzen, dritte lieber nach rechts und die vierten eher nach links tendieren. Und doch sitzen sie alle in ein und demselben Boot, das da Kirche heißt. Paulus bedrängt geradezu die Christen in Korinth, sich nicht durch den Ungeist des Spaltpilzes, der Besserwisserei und Rechthaberei auseinanderbringen zu lassen. Dieses Thema durchzieht auch seine anderen Briefe, ja wir finden es im ganzen Neuen Testament. Leider muss ich fragen: Hat sich was gebessert seit damals, liebe Gemeinde? Sind sich Christen heute einiger als am Anfang? Ich fürchte fast, dass sich in den ersten 2000 Jahren christlicher Geschichte nicht wirklich viel gebessert hat. Heißt das möglicherweise, dass Gottes Geist nicht wirkt oder wirken darf? Das hoffe ich nicht! Denn das wäre der GAU, der größte anzunehmende Unfall für unseren Glauben. Wir leben als Christen davon, dass Gott selbst mit seinem Geist in und durch uns wirkt, denn von uns aus können wir nicht so leben, wie Gott es will.
4 Deshalb habe ich im Rest der Bibel ein bisschen nach dem Heiligen Geist gesucht, und habe einige Spuren gefunden. Die erste Spur ist die Taufe: Und es begab sich zu der Zeit, dass Jesus aus Nazareth in Galiläa kam und ließ sich taufen von Johannes im Jordan. Und alsbald, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass sich der Himmel auftat und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Schon immer verbinden Christen die Taufe mit dem Heiligen Geist. Wer getauft ist, gehört zu Gott und wird von nun an mit der Kraft des Heiligen Geistes ausgerüstet. So zumindest in der Theorie. Dass dies bei Jesus so war, wird niemand bestreiten. Ob dasselbe allerdings auch für normal Sterbliche gilt, bleibt umstritten. Bei den Kirchen der Pfingstbewegung, für die heute ein ganz besonderer Tag ist, ist die Gabe des Geistes eng verknüpft mit dem eigenen Glauben: Wer da glaubt und getauft wird, wird selig; wer aber nicht glaubt, geht verloren. Das kann dann dazu führen, dass ein getaufter Mensch nach einer Lebenskrise, in der sein Glaube nicht so stark war, eben nochmal getauft wird als hätte sich Gottes Geist eine Zeitlang von ihm abgewendet. Kann dies der Weisheit letzter Schluss sein, liebe Gemeinde? Ich entdecke darin keine frohe Botschaft, sondern ein Angst machendes System. Denn wer kann sich da noch sicher sein, dass er wirklich zu Gott gehört? Ich bin äußerst dankbar dafür, dass unsere Kirche die Kindertaufe schon lange vor dem eigenen Glauben gewährt. Kommt doch nirgends sonst die unverdienbare Liebe Gottes und seine Treue so deutlich zum Ausdruck! Ich habe einen geistig behinderten Neffen, der niemals sagen kann: Ich glaube. Sollte ihm deshalb die Taufe verwehrt werden? Da sei Gott vor! Allerdings gibt es trotzdem eine berechtigte Anfrage: Was, wenn ein als Kind getaufter Mensch überhaupt nicht wie ein Christ lebt? Gilt dann noch, dass der Heilige Geist in der Taufe über ihn gekommen ist? Oder was ist mit all jenen, die aus der Kirche austreten können sie sich noch auf ihre Taufe berufen und darauf, dass der Heilige Geist in ihnen lebt und durch sie wirkt? Sie merken, welche offenen Streitpunkte unter Christen herrschen, von Anfang an. Bei der Frage der Taufe übrigens sind sich die katholische und evangelische Kirche ziemlich einig, während die vielen neueren Kirchen, die nach der Reformation entstanden sind, sich oft wegen ihres unterschiedlichen Taufverständnisses getrennt haben. Die Spur der Taufe, die ich zunächst entdeckt habe, gibt also keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Heiligen Geist. Auch wenn ich persönlich kein größeres Geschenk kenne als die unverdienbare Liebeszusage Gottes, die sich in der Taufe kleiner Kinder
5 zeigt, bleibt trotzdem die Frage nach dem, was daraus wird. Denn ein Geschenk, das ungeöffnet im Regal verstaubt, verfehlt sein Ziel. Dann bin ich auf eine zweite Spur gestoßen: Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit schreibt Paulus in einem anderen Brief. Das heißt, dass sich der Heilige Geist dort erkennen lässt, wo seine Früchte sichtbar werden. In der Tat sind und bleiben wir als Christen aufgefordert, wo immer es möglich ist, diese Früchte des Geistes in unserem Leben wachsen zu lassen. So können wir mit unserem Tun zeigen, was Gott will. Doch leider gelingt das nicht immer. Ich denke da an jenen Griesgram, der an allem und jedem was zu meckern hat, oder an die Über-Helferin, die in ihrem ständigen Bemühen um die Mitmenschen allen nur noch auf den Geist geht. Oder an meine unkontrollierten Ausbrüche, die, wenn sich etwas Aufgestautes Bahn schafft, nicht nur gut tun. Vielleicht tragen auch Sie so etwas mit sich herum, das Ihnen selbst nicht gefällt. Doch wir alle gehören zur Gemeinde, wollen, wie Luther sagt, mit Ernst Christen sein. Wir alle meinen es ja nur gut, auch wenn das in unserem Umfeld nicht immer so ankommt. Kann durch solch fehlerhafte Menschen, wie wir es sind, der Geist Gottes wirklich wirken? So wichtig ich es finde, die Früchte des Heiligen Geistes ernst zu nehmen und in unserem Leben wachsen zu lassen auch diese Spur eignet sich nicht, um genau zu sagen, wer nun den Heiligen Geist hat und wer nicht. Denn das hieße: In guten Tagen und bei rechtem Verhalten ist der Heilige Geist da, in den anderen Zeiten nicht. Auch das führt, wie ich meine, nicht weiter... Bleibt eine dritte, letzte Spur, liebe Gemeinde: Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist sagt Jesus zu Nikodemus. Oder in Kurzform: Der Geist weht, wo er will. Diese Spur ist die undeutlichste, sie ist am wenigsten fassbar. Und irgendwie unbefriedigend, denn sie zeigt eines ganz deutlich: Gottes Geist lässt sich nicht greifen, nicht begreifen. Das aber verbietet, wenn ich es recht sehe, die Frage danach, wer denn nun den Geist Gottes hat und wer nicht! Bin ich also zusammen mit den Christen aller Zeiten mit meiner Suche nach dem Heiligen Geist auf dem Holzweg? In gewisser Weise schon. Denn es geht nicht darum, zu bestimmen, wer den Geist Gottes hat und wer nicht! Dieses Urteil steht uns nicht zu, sondern allein Gott. Wir können und sollen uns aber freuen, wenn
6 Gottes Geist unter uns wirkt und unser Leben immer wieder so gestaltet, wie Gott es will. Wie und wo aber Gott in seiner Freiheit wirkt, bleibt ihm überlassen. Das können wir weder beeinflussen noch dürfen wir es beurteilen. Schon gar nicht können wir im Letzten sagen, wer denn nun wirklich zu Gott gehört und wer nicht. Denn auch Menschen anderer Religionen ich nenne mal stellvertretend Mahatma Gandhi haben in ihrem Leben Spuren gelegt und Früchte ausgesät, die den Spuren und Früchten des Heiligen Geistes wie Zwillinge gleiche. Können, dürfen wir sagen, dass da nicht der Heilige Geist am Werk war? Ich bin, liebe Gemeinde, inzwischen gottfroh, dass es bis heute keine eindeutigen Erkennungsmerkmale dafür gibt, wer denn nun den Geist Gottes hat und wer nicht. Wichtig bleibt für mich nur eins: Dass wir in unserem Leben immer wieder Gottes Wirken zulassen! Dass wir, wo wir von einer Erkenntnis ergriffen oder von einer Liebe überfallen werden, uns nicht dagegen wehren, sondern dann tun, was wir können. Darin können wir als Getaufte die Früchte des Geistes in unserem Leben reifen lassen, und auch andere werden satt auf ihrer Suche nach dem wahren Leben. Die Summe aller Geistesfrüchte macht die Kirche, auf griechisch Kyriake, zur lebendigen Gemeinschaft derer, die zum Kyrios, zum Herrn, gehören. Ihren Geburtstag feiern wir heute. Weil aber Gottes Geist weht, wo er will, können wir ihm zutrauen, dass er auch in und bei uns wirkt. Dazu wünsche ich uns dieselbe augenzwinkernde und doch glaubende Gelassenheit, in der die sizilianischen Gläubigen ihrem neuen Pfarrer aus dem unfrommen Norden zugestehen, mit der Zeit und mithilfe des Heiligen Geistes doch noch ein rechter Pfarrer zu werden. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, alles Gute und Gottes Geist! Amen.
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