Gleichwohl, es gab eine deutliche Trennung zwischen den Klerikern und Mönchen auf der einen Seite und den Laien auf der anderen Seite.
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- Steffen Franke
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1 4) Adelige in der Kirche Die Kirche des Mittelalters war auf engste mit der sozialen Situation der Umgebung verbunden. Sie war daher ganz wesentlich eine Adelskirche. Mochte die Distanzierung von den Zwängen der Welt, insbesondere durch die Mönche, mochte auch die Weltflucht, insbesondere durch die Eremiten, zu wichtigen Merkmalen vieler religiöser Gemeinschaften gehören, so blieb in der Realität die Dominanz adeliger Personen auch in weltflüchtigsten Gemeinschaften erhalten. Gleichwohl, es gab eine deutliche Trennung zwischen den Klerikern und Mönchen auf der einen Seite und den Laien auf der anderen Seite. Es gibt zwei Arten von Christgläubigen. Einer Gruppe ist der Gottesdienst anvertraut und ihnen sind Gebete und die Schau Gottes gegeben. Sie sollen von allen weltlichen Sorgen befreit sein, so daß sie den Dienst an Gott umso besser auf sich nehmen und erfüllen können. Die andere Gruppe stellen die Laien dar. Ihnen ist gegeben, weltliche Dinge zu besitzen. Ihnen ist erlaubt, Ehegatten heimzuführen, das Land zu bebauen, über Menschen Gerichtsurteile zu fällen, Streitfälle zu entscheiden, Geschenke auf den Altären zu hinterlegen, Zehnten an Kirchen zu entrichten, und so mögen sie ihr Seelenheil gewinnen, wenn sie üble Taten vermeiden und Gutes tun. Die religiös-soziale Sonderstellung des Klerus ist durch die Kirchenreformen des 11. und 12. Jahrhunderts erst eigentlich herbeigeführt worden. Als Ergebnis stellte sich auch eine juristische Präzisierung ein. Die Gesetzessammlung von Gratian, die um das Jahr 1140 angefertigt wurrde, verwidmete viele Abschnitte darauf, die Priester und Bischöfe als gesonderte Gruppe herauszustellen, ihnen besondere Pflichten aufzuerlegen und sie vor Verleumdungen und Angriffen der Laien zu schützen. Die Ehelosigkeit der Priester ist erst in dieser Zeit der Kirchenreform, also im 11. und 12. Jahrhundert zur bindenen Pflicht gemacht worden. Der Dienst unmittelbar am Altar, die Vermittlung des Kontaktes zum Himmlischen wurde zu einer exklusiven Aufgabe der Priester. Ebenso haben sich die Mönche in den Klöstern, von den Laien getrennt, aber durch Schenkungen und Gebete mit ihnen vielfach verbunden, nun mehr als jemals zuvor als die treuesten Anhänger der christlichen Lehre und als die strengsten Befolger ihrer Gebote angesehen. Die Distanzierung von den Laien war notwendig, auch und gerade in den Augen vieler Laien, damit der Klerus seine Aufgabe vollgültig wahrnehmen konnte, für das Seelenheil aller zu sorgen: durch Messen, durch Gebete, durch persönliche Askese. Es hat also im Laufe des frühen und hohen Mittelalters Veränderungen gegeben, die zwischen den Jahren 1050 und 1120 kulminierten.
2 2 Dennoch - die Wandlungen im Verständnis des geistlichen Amtes änderten nichts an der herausgehobenen Position des Adels in der Kirche. So waren bis ins 13. Jahrhundert unter denen, die als Heilige verehrt wurden, fast ausschließlich Adelige. Der Adelsheilige gehörte zum Typus einer religiösen Verehrung, die edle Gesinnung mit edler Abstammung aufs engste miteinander verband. Der Adelsheilige verband vornehme Abstammung mit edler Gesinnung, vor allem aber mit einem vorbildlichen Lebenswandel. Die zahlreichen Heiligenviten versäumen nicht, die Herkunft zu rühmen. Die Verbindung zum Adel war jedermann offensichtlich. Indes zeichnete sich das Leben eines als Heiligen Verehrten dadurch aus, daß er sich von der adeligen Lebensweise distanzierte. Dies galt insbesondere für den Waffendienst. Ein Heiliger kämpft mit den Waffen des Geistes. Auch er ist ein Kämpfer, ein militans, aber auf andere Weise, als mit kriegerischen Mitteln. Und schließlich propagieren die Heiligenviten einen Typus, der Herrschsucht ablegt, Macht insgesamt verschmäht und sich in Demut übt. Indes wurden die so geschilderten Personen dann doch in hohe geistliche Ämter berufen. Die Demut war dann zur Voraussetzung für eine Machtposition geworden. Nur derjenige, der Macht verschmäht, sei befähigt, sie zu besitzen. Dies war die Lehre Heiligenlegenden. Ein hohes geistliches Amt konnte eigentlich - so die Auffassung der maßgeblichen Zeitgenossen, d.h. der Adeligen - nur von einem Mächtigen, aus einer mächtigen Familie abstammend, eingenommen werden. Einem Rangniederen zu gehorchen, und mochte er auch Bischof sein, viel denjenigen schwer, die als mächtige Adelige selbst Herrschaft ausübten. Als König Heinrich IV. im Jahre 1075 einen Nichtadeligen zum Kölner Erzbischof einsetzen wollte, klagten die Kölner Kleriker, daß der Kandidat häßlich und unansehnlich sei, vor allem aber daß er von niederer Herkunft sei, daß sein Familie obskur sei. Als Leiter eines großen Bistums sei er ungeeignet. Die Gegenleistung der großen geistlichen Herren, der Bischöfe, aber auch der Äbte war enorm. Sie hatten Dienste für den König zu leisten. Dies hieß, daß sie den reisenden König und sein Gefolge auf ihre Kosten in ihrer bischöflichen Pfalz bzw. im Kloster aufzunehmen und zu verpflegen hatten. Die Kosten dieser Beherbungspflicht waren enorm. Noch aufwendiger waren die Pflichten, die der Reichsdienst verlangte, wenn es um die Bereitstellung von Kriegern für den König ging. Im 10 und 11. Jahrhundert bestand das Aufgebot der Könige in Deutschland und Frankreich zum überwiegenden Teil aus Mannen, die den Bistümern und den Abteien des Reiches Gehorsam schuldeten. Daß den Geistlichen selbst das weltliche Schwert versagt war, daß sie selbst keine Gewalt ausüben durften, war anerkannt und durch kirchliches Recht verbürgt.
3 3 Die Vasallität der Bischöfe bestand selbst wiederum aus Adeligen. Kirchenlehen waren begehrt. Zwar war der Adelige damit der betreffenden Kirche zu Gehorsam verpflichtet, zu Rat und Hilfe, indes konnte durch die Übertragung des Lehen der eigene Besitz beträchtlich erweitert werden. So haben etwa die Landgrafen von Hessen und Thüringen während des 11. und 12. Jahrhundert den größten Tel ihres Länderkomplexes durch Lehen der Mainzer Erzbischöfe zusammengebracht. Nicht immer waren die Lehensmannen der Kirche, von denen sie die Lehen empfingen, treu ergeben. Die Konkurrenz im Kampf um die Macht konnte schnell in Feindschaft umschlagen. Die Vorgtei schloß die Befugnis ein, im Auftrag der Kirche über deren Leute Gericht zu halten, Strafen zu verhängen und vor allem die Kirche und ihre Besitzungen und ihre Hörigen vor Angriffen zu beschützen. Aus dieser Vogtei konnten Herrschaftsrechte über den kirchlichen Besitz entstehen. Nicht wenige Klöster, selbst Bischofskirchen klagten über ihre eigenen adeligen Vögte, die, statt die ihnen anvertrauten Kirchen zu schützen, sie selbst mit Gewalt heimsuchten, die, statt die klösterlichen Eigenleute vor der Gewalt fremder Herren zu bewahren, sie ausplünderten. Die Einbeziehung des Kirchengutes in das adelige Familiengut wurden durch die Vogtei erleichert. Das, was adelige Familien an Klöstern und anderen Kirchen an Schenkungen vergaben, konnte so mittels der Vogtei weiterhin unter der Kontrolle der eigenen Familie gehalten werden. Indessen, die Gefahr war damit heraufbeschworen, daß das Kloster, von einer Familie gefördert, zugleich aber auch für die eigene Herrschaft eingesetzt, in die innerdynastischen Konflikte so stark involviert werden würde, daß die Existenz des Klosters und der Kirche auf dem Spiel stand. Die Entfremdung von Klostergut gefährdete die wirtschaftliche Basis der mönchischen Gemeinschaft. Indem die adeligen Vogteiherren auch in die innerklösterlichen Belange eingriffen, die freie Abtwahl durch die Mönche behinderten, ja selbst den Abt aussuchten, wenn sie sich nicht gar selbst als Äbte, als Laienäbte einsetzten, indem sie also die Autonomie des Klosters mißachteten, enzogen sie ihm damit auch die Möglichkeit, ein gottgefälliges Leben zu führen. Die religiösen Aufgaben konnten von solchen Klöstern am wenigsten geleistet werden, deren Disziplin gelockert wurden, die Eingriffen adeliger Herren ausgesetzt waren, deren Leiter allein nach dynastisch-politischen Geschichtspunkten ausgesucht worden waren. Nicht selten wurden sogar die eigenen Familienmitglieder zu Äbten erhoben. So vererbte Balduin, Graf von Flandern im 10. Jahrhundert, die Abtei Lobbes seinem Sohn, dieser wiederum seinem Bruder. Spätere Klosterchronisten haben zu Recht festgestellt, daß diese Kirche einer geistlichen Leitung entbehrte und von Laien beherrscht wurde, die über diese Kirche so wie über ein Erbgut verfügten.
4 4 Dagegen wandten sich zu allen Zeiten religiöse Reformer. Insbesondere die Institution des Laienabbatiats, die Tatsache, daß ein Klosterfremder, der nicht einmal die Ordensgelübde abgelegt hatte, ein Kloster leitete, in dem er noch nicht einmal lebte, der es vor allem auf das Klostergut abgesehen hatte, dies erregte das Mißfallen zahlreicher geistlicher Autoren. Aber auch gegen andere Erscheinungen weltlicher Beeinflussung der Klöster, dann aller Kirchen, begann sich Widerstand zu regen. Vereinzelt wurde schon im frühen 10. Jahrhundert anders gehandelt. Im Jahre 910 hat in der Nähe von Dijon in Burgund der mächtige Lehnsherr des französischen Königs, Herzog Wilhelm von Aquitanien ein Kloster gegründet. Diesem Kloster wurde ausdrücklich freie Abtwahl zugestanden. Der Gründer verzichtete für sich selbst und alle seine Nachfahren auf jegliche Vogteirechte. Aber auch dieses Kloster bedurfte des Schutzes. Deswegen verfügte Herzog Wilhelm, daß der Bischof von Rom die Schutzherrschaft über das Kloster übernehmen solle. Das Kloster wurde der Kirche des Hl. Petrus übergeben. Daß damit einem weit entfernten Herrn, dem Papst, die Pflicht des Schutzes übertragen wurde, war ein gewagtes Experiment. Aber die Chance bestand, die klösterliche Gemeinschaft aus den ansonsten üblichen engen Bindungen an eine Adelsfamilie zu lösen. Und die Chance bestand, der römischen Kirche und damit dem Papst ein einzigartiges Prestige zu verleihen, als Schützer über eine Kirche, weit von Rom entfernt und gleichwohl mit dem Papsttum aufs engste verbunden. Die Freiheit von adeliger Bevormundung war das Ziel. Erreicht wurde sie durch eine Unterordnung unter die römische Kirche. Das Programm hieß libertas, Freiheit, und konkreter libertas romana, römische Freiheit. Das neue Kloster, im Jahre 910 gegründet, trug den Namen Cluny. Die Gründung dieses Klosters sollte zum Beginn einer einzigartigen Erfolgsgeschichte werden. Nicht allein, daß Cluny andere abhängige Klostergemeinschaften gründete, nicht allein, daß Cluny so zur Zentrale eines festgefügten Ordens wurde, der seit dem Ende des 10. Jahrhunderts in vielen Ländern Europas präsent war, nein die Verfassung von Cluny wurde zum Vorbild auch für andere Klostergründungen, die das Modell der libertas romana übernahmen. Eines dieser Klöster ist Hirsau im Schwarzwald. An der Stelle eines früheren, aber inzwischen zerfallenen Klosters hat der Graf von Calw im Jahre 1059 ein neues Kloster gegründet. Zunächst ganz im Stile des älteren Adelsklosters gestaltet, dessen Abt nach dem Willen des Gründers ein- und abgesetzt wurde, erhielt schließlich Hirsau im Jahre 1075 die integra libertas durch die Grafen von Calw. Sie verzichteten auf alle Eigenkirchenrechte. Sie gewährten die freie Abtwahl, sogar die freie Wahl des Vogtes. Als Garant dieser Rechtsordnung fungierte der Papst. Dieses Privileg wurde zum Vorbild für weitere Klöster, die ähnliches von ihren adeligen Eigenkirchenherren erlangten. Die Verleihungen wurden so häufig, daß für diesen Typ des Urkundentextes ein Formular aufgesetzt wurde. Es stellt sich die Frage, welche Interessen die adeligen Herren und Familien daran hatten, so weitreichende Privilegien auszustellen, die doch ihre Einflußmöglichkeiten stark einschränkten. Nun, faktisch blieben die engen Beziehungen zwischen Stifterfamilie und Kloster weiterhin bestehen. Ja, sie
5 5 wurden noch intensiviert, denn durch die Reformen und die strengere Lebensweise stiegen die Chancen, daß das Kloster langfristig bestehen konnte und nicht zum Opfer familiärer Intrigen und Auseinandersetzungen wurde. Der Klosterbesitz konnte besser erhalten werden. Insgesamt also günstige Ausgangsbedingungen für eine langfristige Existenz. Günstige Bedingungen auch dafür, daß die Erinnerung an den Stifter und an jeden einzelnen seiner Familienmitglieder und Nachkommen erhalten blieben, insofern die Mönche regelmäßig für sie Totengedächtnisse abhielten. Die Namen der adeligen Gönner wurden in Memorialbücher eingetragen. Die Klosterreform mit dem Ziel einer strengeren Lebensweise kam also den Interessen der adeligen Familien durchaus entgegen, die so en geistliches und zugleich geistiges Zentrum erhielten, wo die Erinnnerung an die Vorfahren bewahrt, das Gebet für ihr Seelenheit geleistet und das Familienbewußtsein gepflegt wurde. Das adelige Familienkloster blieb so eigentlich erhalten, nur seit dem 10. Jahrhundert und in Deutschland seit dem 11. Jahrhundert unter veränderten Bedingungen. Die Freiheit der Kirche, ein Programm, das zunächst die Klöster, später dann auch Bischofskirchen in Anspruch nahmen, schuf erst den Entfaltungsraum für ein strengeres, geregeltes Klosterleben, damit auch die Möglichkeit der langfristigen Existenz und damit auch die Gewähr, daß das Kloster auch tatsächlich die eingegangen Verpflichtungen erfüllte, d.h. Gebete und Messen für das Seelenheil der Verstorbenen verrichtete, die dem Kloster Schenkungen hinterließen. So konnten über Generationen bestehende Bindungen entstehen zwischen adeligen Familien und den von ihnen geförderten Klöstern. Beispiele: Familienkloster Weingarten, Maria-Laach für die frühen Pflalzgrafen, Rheinhardsbrunn für Thüringen, Über diese Bedeutung der Klöster für die Verfestigung adeligen Familienbewußtseins und für die Familientradition werde ich in der nächsten Vorlesungsstunde noch näher eingegehen. Zunächst einmal gilt die die Ergebnisse dieser Vorlesung festzuhalten: Kirche und Welt waren auf engste verwoben. Wer Macht besaß, besaß sie auch im kirchlichen Bereich. Adelige Herrschaft umfaßte auf vielfältige Weise auch kirchliche Einrichtungen: 1) Indem Adelige selbst hohe kirchliche Ämter einnahmen 2) indem sie die Besetzung kirchlicher Ämter beeinflußten oder gar in ihrem Sinne lenkten 3) indem Fürsten - und besonders die Könige - Kirchen zum Dienst heranzogen 4) indem die Kirchen Adeligen zu ihren Lehensmannen machten 5) indem Adelige Klöster und Kirchen gründeten, sie kontrollierten und sie in ihre Herrschaft einbezogen. und 6) schließlich, indem Adelsheilige ein wirkmächtiges Prestige für die betreffende Familie verliehen.
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