Ingo Scheulen und Ökofinanz-21 Zwei Kompetenzführer und Pioniere nachhaltiger Geldanlagen
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- Franka Walter
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1 Ingo Scheulen und Ökofinanz-21 Zwei Kompetenzführer und Pioniere nachhaltiger Geldanlagen Name: Ingo Scheulen Funktion/Bereich: Vorsitzender Organisation: Ökofinanz-21 e.v. Liebe Leserinnen und liebe Leser, das Thema Nachhaltigkeit gewinnt im Bereich der Geldanlage zunehmend an Bedeutung. Anfangs noch belächelt, entwickelt sich die nachhaltige Geldanlage vom Nischendasein in Richtung Mainstream, zumindest was das Marketing der Produktanbieter betrifft. Gerade in den letzten beiden Jahren konnte der Markt sein Volumen auch tatsächlich mehr als verdoppeln und steht damit prinzipiell für beeindruckendes Wachstum, allerdings auf noch bescheidener Basis. Trotz Fukushima und Co. ist der Anteil am Gesamtmarkt immer noch (zu) gering, d.h. bis zum Mainstream, unter dem Aspekt der Relevanz bei den Anlegern, liegt noch ein Weg vor der Branche. Um das Thema zu fördern, organisieren wir mit den wichtigsten Leuchttürmen im Markt die Initiative Nachhaltige Geldanlagen Im ersten Schritt lassen wir die führenden Akteure der Branche die Chancen und Herausforderungen und den Status-Quo reflektieren. Es freut uns sehr, dass wir in dieser Serie mit Ingo Scheulen, einen ausgewiesenen Nachhaltigkeitsexperten und Vorsitzenden des Ökofinanz-21 e.v. dem Zusammenschluss nachhaltiger Vermögensberater in Deutschland interviewen dürfen. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr NetSkill-Team Seite 1
2 Sehr geehrter Herr Scheulen, Frage 1: Ökofinanz-21 u. Ingo Scheulen als Experten nachhaltiger Geldanlagen Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt im Bereich der Geldanlage zunehmend an Bedeutung. Anfangs noch belächelt, entwickelt sich die nachhaltige Geldanlage dank Fukushima und Co. vom Nischendasein in Richtung Mainstream zumindest, was das Marketing der Anbieter angeht. Ökofinanz-21 hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2003 dem Thema verschrieben. Daher freut es uns, dass wir Sie im Rahmen unserer Initiative Nachhaltige Geldanlagen 2020 als einen der Branchen-Pioniere vorstellen dürfen. Wie haben Sie bzw. Ökofinanz-21 dieses Thema für sich entdeckt? Was zeichnet Ökofinanz-21 nachhaltig in der Branche der Nachhaltigen Geldanlagen aus? Sind Sie persönlich (auch) Überzeugungstäter? Wie verlief Ihr Weg zum Vorsitzenden von Ökofinanz-21 und wie haben Sie persönlich die Entwicklung der Branche miterlebt und begleitet? Wenn wir von Nachhaltigkeit reden, ist das keine akademische Debatte um Begriffe. Es geht vordergründig nicht um edleres Geld, sondern um ganz existenzielle Fragen unseres Lebens, unseres Wirtschaftens. Was ist wichtig? Was müssen wir bewahren? Was müssen wir weiterentwickeln und verbessern? Welche Folgen hat das, was wir tun? Für die Natur, für das Zusammenleben, für die Nachgeborenen? Auf die eine oder andere Frage stößt jede und jeder im Lauf des Lebens. Bei dem einen war es die Aufrüstung in Zeiten des Kalten Krieges. Andere sind zum Nachdenken gekommen über den Raubbau an den Ressourcen, die Zersiedelung der Landschaft, über den Verlust des Zusammenhalts in der Gesellschaft, den Egoismus der so genannten Eliten, die Unverantwortlichkeit der Atomkraft oder über das Aussterben der Orang-Utans. Es gibt mehr als tausend Gründe. Bei mir persönlich war es vermutlich ein grundlegendes Gerechtigkeitsempfinden, das ich aus meinem Elternhaus mitbekommen habe. Ich erinnere mich, dass ich mich mit 14 Jahren im Rahmen eines Referats für die Schule mit der Rassendiskriminierung in den USA befasst habe. Die Gewalt gegen Schwache und gegen Andersdenkende hat mich aufgewühlt. Das I have a dream des 1968 ermordeten Martin Luther King hat mich seither nicht mehr losgelassen. Man muss nicht alles als gottgegeben hinnehmen. Viel später, als ich schon viele Jahre für einen großen Versicherungskonzern tätig war, wurde mir bewusst, dass Geld die Welt regiert und meistens Übles damit angerichtet wurde und wird. Nachdem ich mittlerweile eine Familie mit zwei Kindern hatte, wollte ich meinen Lebensunterhalt nicht länger irgendwie verdienen und meine Lebenswünsche und Ziele dabei ausblenden. So bin ich mit anderen dazu gekommen, Geld, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zusammenzubringen. Seit 1995 habe ich mein eigenes Maklerbüro für Ökologische Finanzdienstleitungen, was damals noch ziemlich exotisch war. Seite 2
3 In den folgenden Jahren traf ich immer wieder auf einzelne Berufskollegen, die einen ähnlichen Weg eingeschlagen hatten. Am Rande einer Fachkonferenz beim Institut IMUG entstand die Idee, ein Berater- Netzwerk aufzubauen. So gründeten wir 2003 den Verein ökofinanz-21. Die 21 steht dabei für die Agenda einer nachhaltigen Entwicklung im 21. Jahrhundert, wie sie auf der UN-Konferenz 1992 erstmals formuliert worden ist: Wir haben die Verpflichtung, mit unserer Erde so umzugehen, dass wir den nächsten Generationen nicht die Chancen auf ein gutes Leben verbauen. Frage 2: Nachhaltigkeit aus Sicht der Produktanbieter? Nach Fukushima und anderen Katastrophen könnte man meinen, dass sich die Finanzbranche im fundamentalen Wandel befände. Große Unternehmen schreiben sich Nachhaltigkeit in Großbuchstaben auf ihre Brust und Kombinationen mit Green und Co. schmücken die Produktpaletten vieler Anbieter. Befasst man sich jedoch näher mit einzelnen Unternehmen finden sich manchmal kaum mehr als ein paar Fonds oder andere Produkte, die das Label Nachhaltigkeit wirklich verdienen. Haben wir nichts dazugelernt? Ist Nachhaltigkeit am Ende vielfach doch noch aktuell vor allem eine Marketing-Maßnahme (Green Washing), zur Ansprache von Gutmenschen, ein Trend, auf den man als Finanzunternehmen aufspringen muss oder besteht doch die Hoffung, dass sich die Branche in der Breite nachhaltig(er) ausrichtet? Wie ideologisch muss man Ihrer Meinung nach als Anbieter das Thema angehen? Wenn sich grundlegend etwas ändern soll, braucht die Menschheit offenbar immer wieder leidvolle Erfahrungen, seien es Kriege, Naturkatastrophen oder atomare Kernschmelzen wie die vor einem Jahr in Japan. Tschernobyl war schon wieder vergessen. Ein zynisches Sprichwort lautet: Durch Schaden, heißt es, wird man klug. Drum ist einer nicht genug. Immerhin: Die Energiewende hat inzwischen die politische Ebene erreicht. Deklarationen über Nachhaltigkeit, Green Economy und Social Responsibility gibt es mittlerweile reichlich. Wenn wir uns anschauen, wer alles die Leitsätze des Global Compact unterzeichnet hat und welche Unternehmen im Nachhaltigkeits-Index von Dow Jones gelistet sind, dann reiben wir uns die Augen. So wunderten sich im vergangenen Jahr viele, dass in manchen Nachhaltigkeitsfonds Titel von BP (> Bohrplattform im Golf von Mexico), Tepco (> Fukushima) oder Monsanto (> gentechnisch verändertes Saatgut) vertreten waren. Geprüfte Riester-Produkte enthielten andere Toxine wie z.b. Firmentitel von Streubombenproduzenten. Seite 3
4 Ihre Fragen richten sich zu Recht darauf, wie glaubwürdig ein Nachhaltigkeitsansatz ist. Viele Menschen lassen sich nicht mehr so leicht abspeisen. Und in Zeiten der schnellen Internet-Kommunikation haben Lügen noch kürzere Beine als ohnehin schon. Trotzdem ist es nicht so einfach herauszufinden, wo Grünwäscher und wo Überzeugungstäter am Werk sind. Was ist OK, was geht gerade noch und was geht gar nicht? Das ist zwar letztlich eine persönliche Wert-Schätzung. Die Produktanbieter und die Berater haben jedoch die Aufgabe, für Transparenz zu sorgen. Unter dem Dach des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) erarbeiten wir in einer Arbeitsgruppe derzeit ein Handwerkszeug, das Orientierung in die ungeordnete Vielfalt bringen soll. Damit soll einerseits der Einstieg in das Grüne Geld erleichtert werden. Zum Anderen werden anhand von Kernfragen die Investmentfonds unter die Lupe genommen. Etwa um Ostern herum werden wir in einem ersten Schritt das FNG-Fondsprofil präsentieren. Frage 3: Nachhaltigkeit aus Sicht der Anleger und Anlageberater? Laut einer Studie vom SD-M mit Unterstützung vom Bundesumweltministerium und Allianz Global Investor, spielen Nachhaltigkeitsaspekte auch im Rahmen von Bundespensionsfonds bisher keine Rolle. Der Staat als Vorbild wirkt unglaubwürdig. Auch Privatanleger setzen aktuell eher auf altbewährte Kapitalanlagen. Wie der aktuelle Marktbericht des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) vom November 2011 zeigt, ist der Anteil nachhaltiger Investments am deutschen Gesamtmarkt im Bereich Publikumsfonds, Mandate und sonstige Finanzprodukte mit 0,9 Prozent noch immer gering. Wo bleibt Ihrer Meinung nach da die Verantwortung der Anleger? Zählt bei aller Klage gegen die Gier am Schluss für Anleger in der Regel doch vor allem die Rendite? Wie kann man institutionelle und private Anleger für das Produkt Nachhaltige Geldanlage umfassender interessieren als dies heute der Fall ist? Wie gelingt es, auch die Marktpartner wie Sparkassen und Volksbanken, Allfinanzdienstleister und andere Vermögensberater für das Thema umfassender als heute zu gewinnen? Wir müssen nicht daraum herum reden: Trotz des überdurchschnittlichen Wachstums im Bereich nachhaltiger Geldanlagen haben wir es immer noch mit einem Nischenmarkt zu tun. Dieser hat jedoch inzwischen eine Größenordnung erreicht, dass sich immer mehr konventionelle Banken, Kapitalanlagegesellschaften und Versicherer mit Themen der Nachhaltigkeit beschäftigen, aber selten aus echter Überzeugung. Und oftmals ohne wirkliche Kompetenz. Sie stellen im Grunde die alte Frage, was zuerst da ist: die Henne oder das Ei. Wer muss zuerst handeln? Der Anleger/die Anlegerin oder die Produktanbieter? Derzeit schieben sich beide Seiten den Schwarzen Peter zu. Die Finanzakteure rechtfertigen sich für ihr geringes Engagement mit der fehlenden Nachfrage seitens ihrer Kundinnen und Kunden. Sparer und Anleger äußern zwar in allen Umfragen der letzten Jahre, Seite 4
5 sie hielten die Beachtung ethisch-ökologischer Werte bei der Geldanlage für wichtig. Leider wüssten sie zu wenig darüber und auch nicht, wie und wo sie das bekommen könnten.wer macht was mit meinem Geld? Will ich das? Was ist mir wichtig? Bei allem Nachdenken und Umdenken über die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft wird der Umgang mit Geld immer noch zu oft ausgeblendet. Gerade die Medien haben hier eine besondere Verantwortung. Der ungeregelte und somit ungehemmte Finanzkapitalismus hat wenige reich gemacht, er beschert uns eine Krise nach der anderen und treibt inzwischen ganze Staaten in die Fast-Insolvenz. Auf diesem Nährboden konnte Gier gedeihen. Gleichzeitig wurde der Geiz zum Mainstream. Alles muss noch billiger werden: Lebensmittel, Kleidung, Unterhaltung und Arbeit! Aber das ist ein eigenes Thema. Ja, die Anleger haben eine Verantwortung. Sie können sich nicht damit herausreden, dass andere den Markt beherrschen und das Sagen haben. Gute Arbeit hat ihren Preis. Und eine solide und verantwortliche Geldanlage soll eine auskömmliche Rendite haben. Das Streben nach Extraprofiten und Outperformance ist nicht nachhaltig. Das sehen immer mehr unserer Kundinnen und Kunden auch so. Insofern beobachten positive Zeichen einer Änderung. Der Staat sollte mit gutem Beispiel voran gehen gerade in diesen Zeiten von Haushaltsenpässen und Verschuldung. Andere Länder machen es uns bereits vor: Die Altersversorgung der Öffentlichen Beschäftigten wird zum Beispiel in Norwegen transparent nach strengen Sozial- und Umweltkriterien organisiert. Warum sollte das in Deutschland nicht auch gehen? Frage 4: Blick in die Zukunft Das Jahr 2012 hat gerade begonnen. Das ist ein idealer Zeitpunkt, auf ein sehr ereignisreiches Jahr zurück und nach vorne zu blicken. Wie bewerten Sie das vergangene Jahr 2011 für die Branche und Ökofinanz-21? Was erwarten Sie vom gerade begonnenen Jahr 2012? Das vergangene Jahr hat uns mehrere Ereignisse beschert, die für sich genommen und insgesamt Gründe genug sind, das Althergebrachte zu Überdenken und Neues zu denken. Beim Denken und Reden darf es aber nicht bleiben. Der Klimawandel lässt sich beispielsweise nicht mit Verweis auf die knappe Haushaltslage oder die vorrangige Euro-Krise aufhalten. Im Unterschied zu früheren Jahrhunderten wissen wir heute viel mehr. Wir können die möglichen Folgen unseres Tun und unseres Nicht-Tuns abschätzen. Wir sind also viel besser dran als die Generationen unserer Groß- und Urgroßeltern. Seite 5
6 In Bezug auf die Finanzbranche und speziell auf ökofinanz-21 als Lotsen im turbulenten Fahrwasser der Finanzmärkte sind wir optimistisch. Das verwundert vielleicht, nachdem gerade 2011 die Leitindizes zwischen 15 und 20% eingebrochen sind. Die Arbeit von Beraterinnen und Beratern ist anspruchsvoller und anstrengender geworden. Wir haben aber der Mehrzahl unserer konventionellen Kolleginnen und Kollegen ein paar Dinge voraus: Uns interessiert Wertentwicklung nicht nur im Blick auf Rendite, sondern im Wortsinne. Geld an sich ist kein Wert. In einem Gedicht eines unbekannten Verfassers fand ich die Worte: Schenk mir dein Herz / denn ich habe keins /... sagte das Geld. Als (noch kleine) Lobby für Nachhaltigkeit werden wir 2012 weiter an Weiterentwicklung des Grünen Geldes arbeiten. Wir haben darüber hinaus ein ehrgeiziges Ziel: Die Frage nach der Wichtigkeit ethischökologischer Kriterien bei der Vermittlung von Anlageprodukten muss obligatorisch für die Beratung werden. Allein für Ihre Altersversorgung legen die Deutschen jedes Jahr rund 90 Milliarden Euro neu an. Damit könnte viel Positives bewegt werden. Wir sind bislang wenige. Je mehr Mitglieder und Unterstützer wir finden, umso eher können wir der Macht der großen Platzhirsche etwas entgegen setzen. Nach drei großen Börsenkrisen (2000, 2008, 2011) und weiterer Abkoppelung der Finanz- von der Realwirtschaft möchte ich zum Schluss eine ketzerische Frage in die Debatte geben: Inwieweit eignen sich Finanzprodukte, die an den Börsen (in ihrer jetzigen Form als Casinos) gehandelt werden, überhaupt noch für eine wirklich nachhaltige Geldanlage? Vielen Dank für das Interview! Seite 6
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