Trinkprobleme und wie sie in Sozialer Arbeit auftauchen können Alkohol und Soziale Arbeit: Wie Konsum/Trinkprobleme in der Sozialen Arbeit auch auftauchen können!
Alkoholismus: u. deren Probleme Literaturempfehlungen zum Thema Kruse, G., Körkel, J., Schmalz, U.: Alkoholabhängigkeit erkennen und behandeln mit literarischen Beispielen. Psychiatrie- Verlag, 2000 Feuerlein, W.: Alkoholismus Missbrauch und Abhängigkeit. Entstehung Folgen Therapie (4. Überarbeitete Auflage). Stuttgart 1989
Störungen durch Alkohol im ICD 10 Welche Phänomene treten mit Alkoholkonsum auf? F 10.0 F 10.1 F 10.2 F 10.3 F 10.4 F 10.5 F 10.6 F 10.7 F 10.8 F 10.9 Akute Intoxikation (Rauschzustand) Schädlicher Gebrauch Abhängigkeitssyndrom Entzugssyndrom (z. B. Tremor, Schweißausbrüche, Angst, Schlaflos) Entzugssyndrom mit Delir Psychotische Störung (z. B. Alkoholhalluzinose, alkoholischer Eifersuchtswahn) Alkoholbedingtes anamnestisches Syndrom (z. B. Korsakow-Syndrom) Alkoholbedingter Restzustand auch nach Abstinenz anhaltende Veränderung von Kognition, Affekt, Verhalten u. Persönlichkeit Andere alkoholbedingte psychische Verhaltensstörungen Nicht näher bezeichnete alkoholbedingte psychische Verhaltensstörungen Mit allen Störungen muss überall in der Sozialen Arbeit gerechnet werden!!
Trinkprobleme und wie sie in Sozialer Arbeit auftauchen können Das besondere Thema: Entzugserscheinungen und was Soziale Arbeit damit zu tun hat!
Das Alkoholentzugssyndrom: Diagnostik Wie sehen Hinweiszeichen auf einen Alkoholentzug aus? Erst 1953 als zusammengehörig erkannt! Psychomotorische Erscheinungen: Tremor, Muskelverkrampfungen Psychische Phänomene: unruhiger Schlaf, Missempfindungen, allgemeine Unruhe, Ängstlichkeit Gastrointestinale Erscheinungen: mangelnder Appetit, Übelkeit, Brechreiz, Magenschmerzen, Diarrhoe Kardiovaskuläre u. vegetative Symptome: Schweißausbrüche, Blutdruckerhöhung, erhebliche Schwankungen der Pulsfrequenz Psychische Beeinträchtigungen: vermehrte Reizbarkeit, Verstimmung mit ängstlicher Färbung, Rastlosigkeit, Unruhe Wenn Sie drei der folgenden Symptome beobachten, dringlich prüfen, ob es Anzeichen eines (Alkohol-)Entzugs sind!
Das Alkoholentzugssyndrom: Diagnostik Wann kann man sicher von einem Alkoholentzug sprechen? 1. Nachweis des Absetzens/Reduzierens der Substanz 2. Symptome lassen sich nicht durch eine vom Substanzkonsum unabhängige körperliche Krankheit erklären. Bei deutlichen Hinweiszeichen auf einen aktuellen Entzug: Zusammen mit dem Klienten Klarheit über die Ursachen der körperlichen und psychischen Verstimmungen schaffen = Klärung und Aufklärung Entsprechende Unterstützungsleistungen vermitteln = Überleitung zu geeigneter Hilfestellung
Entzugssymptomatik: Alkoholdelir Komplikation = Alkoholdelir ("delirare" lat. wahnsinnig, "tremens" lat. zittern) Psychose als höchste Form eines Alkoholentzugssyndroms. Tritt 2-6 Tage nach Trinkabbruch gewöhnlich nachts auf, kaum prädisponierende Merkmale bekannt. Psychopathologisch: örtliche u. zeitliche Desorientierung, psychomotorische Unruhe, illusionäre Verkennungen, optische Halluzinationen, gesteigerte Suggestibilität. Körperlich-vegetativ: grobschlägiger Tremor, Schlafstörungen, Tachykardien (Pulsbeschleunigung), vermehrt Fieber u. Schwitzen, vermehrt Krampfanfälle.
Entzugssymptomatik: Alkoholdelir Komplikation = Alkoholdelir ("delirare" lat. wahnsinnig, "tremens" lat. zittern) Lebensbedrohliche Krise (Letalität in Abhängigkeit von der Therapie zw. 7-20 %): Atmung, Kreislauf, Temperaturregulation, Stoffwechsel u. Bewusstseinslage können an die Grenze der Dekompensation kommen mit der Folge hochgradiger Selbst- u. Fremdgefährdung. Notwendig wird Intensiv- o. Wachstation u. medikamentöse Unterstützung. Klingt nach 2-5 Tagen ab: Nach einem kritischen Schlaf (Terminalschlaf) o. allmählich. Bei Anhaltspunkten für das Auftreten eines Alkoholdelirs sofortige intensivmedizinische Hilfe!
Alkoholentzugssyndrom und Soziale Arbeit Was hat Soziale Arbeit bei Entzug zu beachten? Menschen, die eine körperliche Abhängigkeit von einer Substanz (z. B. Alkohol) entwickelt haben, erleiden nach Absetzen oder Reduktion der Substanz unangenehme körperliche Entzugssymptome. Weil diese Symptome nach erneutem Konsum umgehend abklingen, sind diese Entzugserscheinungen oft der Grund, erneut zu konsumieren. 1. Klienten, die eine Änderung ihres Konsumverhaltens vorhaben, müssen über diese Zusammenhänge informiert und darauf vorbereitet werden. 2. Es gibt medizinische Möglichkeiten (auch ambulant), Entzugssymptome zu mildern. 3. Bei schwerwiegenden Entzugssymptomen ist eine stationäre Entzugsbehandlung/Entgiftung angeraten!
Entzugsbehandlung: Arten Entzugsbehandlung: selbständig organisiert professionelles Angebot Allein Mit Unterstützung aus sozialem Nahfeld Ambulant als eigenständige Behandlung Stationär Als Vorstufe für eine anschließende Therapie (Lang- o. Kurzzeittherapie) Entkopplung von Therapie wichtig! Pflichtversorgung: Kostenträger = Krankenkassen u. Sozialhilfeträger
Entzugsbehandlung: Ziele Ziele einer Entzugsbehandlung: "Auszeit" aus dem Szenealltag, Erholung u. Wiederherstellung von körperlicher Gesundheit Zeit für psychische Stabilisierung u. Orientierung geben Rückfällen so rasch wie möglich entgegenwirken, um Ausprägung dramatischer Konsumformen zu verhindern u. Resignation zu verringern Zahl der mittel- u. längerfristigen drogenfreien Intervalle erhöhen Voraussetzung für Aufnahme einer Entwöhnungsbehandlung oder für Aufnahme einer Substitution schaffen Herstellen einer Behandlungsfähigkeit bei akuten/lebensbedrohlichen Erkrankungen Herunter-Dosieren um Drogennot- u. -todesfälle zu vermeiden Ziel ist nicht immer Abstinenz oder Änderung des Lebens!
Entzugsbehandlung: Professionelle Angebote Professionelle Entzugsbehandlung: "Kalter" Entzug Ohne medikamentöse Linderung. In einigen Einrichtungen nichtmedikamentöse Angebote zur Symptomdämpfung (Bäder, Massagen, Beschäftigung, Vitamine). In einigen Einrichtungen ohne weitere Hilfe = Leidensdruck erzeugen. "warmer" Entzug = medikamentengestützt
Entzugsbehandlung: Professionelle Angebote Professionelle Entzugsbehandlung: Verfahren: Abruptes Absetzen der Droge "Herausschleichen = Abdosieren Entgiftung = ausschließlich somatische Behandlung ohne weitergehende psychosoziale Angebote Entzug = biopsychosoziale Interventionen Qualifizierter Entzug = mit therapeutischen Interventionen Chancen, die Behandlungsform entsprechend den Bedürfnissen des Klienten zu wählen!
Entzugssymptomatik: Postentzug Postentzugssymptome = protrahiertes Entzugssyndrom schnelle Stimmungsänderungen verminderte Fähigkeit, intrapsychische Spannungen u. Stimmungen auszugleichen - Angst, Unruhe, Reizbarkeit, Depression Appetitlosigkeit Schlafstörungen allgemeines Unwohlsein Beeinträchtigung von Konzentration, Aufmerksamkeit, Denk- u. Merkfähigkeit leichte Hyperalgesie (Schmerzempfindlichkeit) Demaskierung ursprünglicher Persönlichkeitsstörungen wieder einsetzende Libido Dauer ca. 4-6 Wochen = begünstigt Rückfallgefährdung
Entzugssymptomatik: Postentzug Was hat Soziale Arbeit bei Postentzugssymptome zu beachten? Klienten über mögliche Symptome informieren und Umgangsweisen damit vorbereiten. Psychosoziale Versorgung gewähren = emotionale Zuwendung, Verständnis, warmes therapeutisches Klima, Gesprächsangebote über Bewältigung des Entzugs u. dabei entstehender Probleme. Unterstützung der Betroffenen bei der Orientierung auf Nachfolgemaßnahmen = Standpunktbildungen, Entwicklung von Eigenorientierungen, Therapieperspektiven u. Motivationsunterstützung für geplante Vorhaben Nicht nur Aufgabe von Drogenberatung/Drogentherapie!
Trinkprobleme und wie sie in Sozialer Arbeit auftauchen können Das besondere Thema: Noch immer oft zitiert Das Jellineksche Alkoholismusmodell!
Der Alkoholismus"-Begriff Wie wurde starkes Trinken in der Nachkriegszeit beschrieben? Systematisierung des Alkoholismus als Unterscheidung in Alkoholmissbrauch und Alkoholkrankheit durch Jellinek zwischen 1952 und 1960 Einteilung des Alkoholismus in: Trinkformen (Missbrauch, Abhängigkeit) Alkoholismustypen (Gamma-, Delta-, Epsilon-Alkoholismus) Phasen (linear-progressive Entwicklung) 1968 sozialrechtliche Anerkennung des Alkoholismus als Krankheit
Das Alkoholismusmodell von Jellinek Wie werden Alkoholmissbrauchsformen definiert? Alpha-Alkoholismus Periodisches Konflikt- u. Erleichterungstrinken mit beabsichtigtem Betrinken. Erreichen einer psychischen Abhängigkeit. Toleranzentwicklung Kein Kontrollverlust Vorstufe zum krankhaften Gamma-Alkoholismus Beta-Alkoholismus Kontinuierliches Gelegenheitstrinken (bestimmte Trinksitten, Freizeitgestaltung, Genuss u.a.) Keine psychische u. physische Abhängigkeit Organschäden möglich Vorstufe zum krankhaften Delta- Alkoholismus
Das Alkoholismusmodell von Jellinek Gamma-Alkoholismus Periodisches exzessives Trinken mit beabsichtigtem Betrinken; Erreichen einer psychischen u. physischen Abhängigkeit Ausgeprägte Toleranzentwicklung bei progredientem Verlauf bis zu deren Zusammenbruch Abstinenzfähig (!) Kontrollverlust (!) Wie sehen Alkoholkrankheitsformen aus? Delta-Alkoholismus Gewohnheitsmäßiges tägliches Trinken über längere Zeit Spiegeltrinker Kein obligater Kontrollverlust (!) psychische u. physische Abhängigkeit Organschäden möglich Abstinenzverlust (!) Epsilon-Alkoholismus/Dipsomanie Episodisches Trinken mit Kontrollverlust, meist periodisch, ausgelöst durch persönliche Krisen
Das Alkoholismusmodell von Jellinek Der Maurer (von Thomas Gsella) Loblied auf einen Spiegeltrinker Er schuftet treu und unverwandt mit Muskeln eines Bären. Ein Haus erwächst aus seiner Hand - lasst uns den Mauer ehren! Er pfeift den Damen hinterher die blütenzartsten Weisen. Er pfeift pro Schicht drei Kästen leer - lasst uns den Maurer preisen! Er trägt die Hose nicht wie du keusch überm Hosenboden. Die Ritze auf, die Birne zu - lasst uns den Maurer loben
Jellinek s Alkoholismusmodells in der Kritik Warum gerät diese Einteilung in Trinkformen in die Kritik? Suggeriert ein einheitliches Krankheitsbild, das in der Praxis so nicht zu finden ist. Empirisch relativ gut unterscheidbar nur der Gamma- u. Delta-Alkoholismus = eignet sich nur für die Grobdiagnose von Trinkmustern, aber nicht von Krankheitsbildern. Ansonsten finden sich viele Übergänge u. Mischformen = keine so klaren Abgrenzungen möglich, wie das Modell vorgibt. Kaum Anhaltspunkte für die Therapie.
Das traditionelle Alkoholismusmodell und seine Phasen Wie beschreibt Jellinek die Dynamik des Alkoholismus? Voralkoholische Phase Prodromalphase Kritische Phase Chronische Phase Tod Abstinenzbehandlung Aufhellungsphase Labilitätsphase Wiederanpassungsphase
Das Phasenmodell des Alkoholismus: die voralkoholische Phase Wie wird die voralkoholische Phase beschrieben? Unbestimmte Dauer Ausbildung einer rein psychischen Abhängigkeit, Weitgehende Einbindung des Trinkens in übliche Trinksitten Übergang vom Genussmittel zur Droge Hinweiszeichen u. a.: Suche nach Geselligkeit als Möglichkeit zum Trinken. Das gelegentliches Erleichterungstrinken zum Abbau von Anspannung geht über in Regelmäßigkeit. Das gesellige Trinken wird zugunsten eines Wirkungstrinkens aufgegeben.
Das Phasenmodell des Alkoholismus: Prodromalphase Was kommt dann? Die Prodromalphase? ½ Jahr bis 5 Jahre Zunehmende, aber rein psychische Abhängigkeit, Zunehmende Anpassung des Organismus an die Alkoholwirkung Erhöhung der Alkoholtoleranz Häufig wiederkehrendes Verlangen u. peinigende Gedanken nach Alkohol Gelegentliche Gedächtnisausfälle bei geringen Trunkenheitsgraden Heimliches Trinken Hastiges, gieriges Trinken Hinweiszeichen u. a.: Schuldgefühle wegen des Trinkens Ablehnung von Gesprächen über das Trinken
10 bis 15 Jahre Das Phasenmodell des Alkoholismus: Kritische Phase Wie wird die kritische Phase beschrieben? Entwicklung des Verlustes der Selbstkontrolle über das Trinken Zunehmende physische u. psychische Bindung an den Alkohol Ausbildung von Entzugserscheinungen mit zunehmender Schwere Entwicklung eines alkoholbedingten Psychosyndroms Abnahme der Fähigkeit, das Trinken mit anderen zu beenden Suche nach Rechtfertigungsgründen für das Trinken Beginnende soziale Auffälligkeiten Anhaltende Selbstvorwürfe Hinweiszeichen u. a.: Nichteinhalten von Versprechen u. Vorsätzen (Abstinenzversuche, Änderung des Trinksystems) Beeinträchtigungen im Sexualverhalten (Libido u. Potenz) Heftige Stimmungsschwankungen (Selbstmitleid, Aggression, Depression)
Das Phasenmodell des Alkoholismus: Chronische Phase Die chronische Phase als Endpunkt? Unbestimmte Dauer Alkohol wird zum zentralen Lebensinhalt Zwanghaftes Trinken und verlängerte Räusche Auftreten schwerer Entzugserscheinungen Voll ausgebildete Bindung an den Alkohol Hinweiszeichen u. a.: Verschlechterung des Körperzustandes Deutlicher Persönlichkeitsabbau Beeinträchtigung der Denkvorgänge Unfähigkeit, bestimmte Tätigkeiten zu beginnen Undefinierbare Ängste Zusammenbruch aller Erklärungsversuche für das Trinken Tagelange Räusche Zuflucht zu technischen Produkten (Haarwasser, Brennspiritus, Rheumamittel)
Jellinek s Alkoholismusmodells in der Kritik Warum gerät die Einteilung in Krankheitsphasen in die Kritik? Scheinbar keine eigene Biographie, sondern nur noch Krankheitsstadien = steht einer differenzierten Betrachtung des Einzelfalls entgegen. Karrieremodell lässt individuelle Entwicklungen u. Besonderheiten übersehen = hinderliche Generalisierungen. Jeweils gegebene Möglichkeiten, Freiheitsgrade u. damit auch Verantwortlichkeiten werden übersehen = behindert ressourcenorientiertes Arbeiten. Suggeriert einen naturgegebenen Verlauf, dem der einzelne ausgeliefert ist = Sichtweise auf Betroffene als Objekte einer Entwicklung. Gefahr der Abgabe von Verantwortung für das eigene Tun u. der Entwicklung von Heilserwartungen an Professionelle durch die Betroffenen.