FINANZIERUNG DER BUNDESFERNSTRAßEN Impulsreferat anlässlich der Sitzung des Verkehrsausschusses der IHK für München und Oberbayern München, 11. Juni 2013 Hochschule Heilbronn Institut für Nachhaltigkeit in Verkehr und Logistik (INVL) 1
Aufgabenstellung Ausgangssituation in Bezug auf die (Straßen-)Verkehrsinfrastruktur Investitionsstau bei Neu- und Ausbaumaßnahmen (Realisierungsgrad BVWP 2003: ca. 35 % bis 2015) Erhaltungs- und Unterhaltungsrückstände (mehr als 20 % des Netzes substanziell schadhaft) Verkehrsbezogene Abgaben (Energiesteuer, Kfz-Steuer) in Höhe von mehr als 50 Mrd. Euro p.a. Inhaltliche Erwartungen an die Zukunft Auflösung des Investitionsstaus ( Auskömmlichkeit der Finanzierung) Aufbau eines geschlossenen Finanzierungskreislaufs Straße Unabhängigkeit von kurzfristigen Haushaltsentscheidungen ( Fernstraßenfonds ) Einbeziehung aller Nutzer, v.a. von Fahrzeughaltern aus dem Ausland Keine Mehrbelastung der Verkehrsteilnehmer Nachhaltige Finanzierungslösungen für alle Verkehrsträger, insbesondere auch für die Schiene und den ÖPNV 2
Mittelbedarf und Mittelverfügbarkeit: Gesamtbedarf Bundesfernstraßen Erforderlicher Finanzmittelbedarf bei vollumfänglicher Finanzierung (Beträge p.a.) Investitionen Gesamtbedarf Neubau und Ausbau Erhaltung Unterhaltung 5,0 7,9 Mrd. Euro 3,0 3,3 Mrd. Euro 1,5 Mrd. Euro 9,5-12,7 Mrd. Euro Tatsächlich zur Verfügung stehende Mittel (2012) Haushaltsmittel ( Steuereinnahmen ) Lkw-Mauteinnahmen (netto) Verfügbare Mittel 3,6 Mrd. Euro 3,5 Mrd. Euro 7,1 Mrd. Euro Deckungslücke 2,4-5,6 Mrd. Euro 3
Reformmodelle für eine auskömmliche Bundesfernstraßenfinanzierung Ansatzpunkte Gesamtdeckungsgrundsatz ( 7 HGrG) Verlässlichkeit durch Zweckbindung Vollständigkeitsprinzip (Art. 110 GG) Verlässlichkeit durch Sonder-/Nebenhaushalte? Reformmodelle vermehrte Zweckbindung Umstellung auf Gebührenfinanzierung haushaltsexterne Finanzierung heutiges Modell zweckgebundene Steuern zweckgebundene Gebühren Fernstraßenfonds 4
Steuerfinanziertes Modell Erforderliche Abgabenhöhe Energiesteuer 6,3 bis 14,7 Cent/Liter Wenigfahrer(Pkw): 43 bis 110 Euro/Jahr Vielfahrer (Pkw): 107 bis 276 Euro/Jahr Kraftfahrzeugsteuer 64 bis 121 Euro/Jahr (Pkw) nicht fahrleistungsabhängig Vorteile vorhandene Instrumente (Bundessteuern) sehr geringe Erhebungskosten Nachteile Eingeschränkte Verursachungsgerechtigkeit (v.a. bei der Kfz-Steuer) Wettbewerbsprobleme Inland/Ausland (Güterkraftverkehr, Tankstellen in Grenznähe) Fehlende Verlässlichkeit der Zweckbindung in der Vergangenheit 5
Gebührenfinanziertes Modell Ausgestaltungsoptionen: Flexibilität hinsichtlich Entfernungsabhängigkeit ( Maut ) oder Zeitabhängigkeit ( Vignette ) Auswahl der von der Gebührenpflicht erfasste Fahrzeuge Festlegung des gebührenpflichtigen Straßennetzes Detaillierungsgrad des Erhebungssystems (z.b. Gültigkeitsdauer der Vignetten) Erforderliche Höhe der Gebührensätze (Pkw) bei vollständiger Nutzerfinanzierung Autobahn-Vignette 114 bis 227 Euro/Jahr nicht fahrleistungsabhängig Autobahn-Maut 2,9 bis 6,2 Cent/km Wenigfahrer: 44 bis 93 Euro/Jahr Vielfahrer: 218 bis 465 Euro/Jahr Kernnetz-Maut 1,7 bis 2,9 Cent/km (BAB) Wenigfahrer: 40 bis 66 Euro/Jahr 0,9 bis 1,4 Cent/km (B) Vielfahrer: 156 bis 262 Euro/Jahr 6
Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle Steuerfinanzierung Finanzierung über Gebühren oder Entgelte Vignette (zeitabhängig) Maut (fahrleistungsabhängig) niedrige Systemkosten steuerartabhängige Einbeziehung ausländischer Nutzer durchschnittliches Lenkungspotenzial vorhandenes Instrument geringeakzeptanz als Verkehrsfinanzierungsinstrument moderate Systemkosten technisch relativ einfache Einbeziehung ausländischer Nutzer relativ geringes Lenkungspotenzial relativ rasche Einführung möglich denkbare Akzeptanz als Verkehrsfinanzierungsinstrument hohe Systemkosten Einbeziehung ausländischer Nutzer technisch aufwändig hohes Lenkungspotenzial längere Einführungsphase derzeit relativ geringe Akzeptanz 7
(Zwischen-)Ergebnis und Diskussionsgrundlage 1. Bei der Finanzierung der Bundesfernstraßen besteht dringender Reformbedarf 2. Ziel muss die Schaffung einer ausreichenden und dauerhaft verlässlichen Finanzierung sein 3. Im steuerfinanzierten Modell konnte die geforderte Verlässlichkeit (bislang) nicht hergestellt werden 4. Eine Gebührenlösung erleichtert grundsätzlich eine verlässliche Zweckbindung, garantiert diese aber nicht 5. Die unterschiedlichen Modelle unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich Abgabenhöhe, Realisierungszeitraum, Systemkosten, Lenkungspotenzial und der Möglichkeit zur Einbeziehung ausländischer Nutzer 6. DerFernstraßenfonds ist eine mögliche rechtlich anspruchsvollere Weiterentwicklung des gebührenfinanzierten Systems 7. Voraussichtlich wird es mit Reformen zu einer Zusatzbelastung der Straßenverkehrsteilnehmer kommen dem steht aber eine höhere Qualität des Netzes sowie ggf. mehr Verursachergerechtigkeit entgegen 8. Lösungsansätze für andere Verkehrsträger wurden bislang nicht in vergleichbarer Tiefe wie für den Straßenverkehr untersucht bzw. dargestellt 8
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