Wissen für alle Altersgruppen: Der Informationsbedarf krebskranker Menschen

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Transkript:

Wissen für alle Altersgruppen: Der Informationsbedarf krebskranker Menschen Dr. sc.hum. Birgit Hiller Krebsinformationsdienst Deutsches Krebsforschungszentrum 16. Fortbildungssymposium für Krebskrankenpflege Lebensphasen mit Krebs - Gemeinsamkeiten und Gegensätze Heidelberg, 29.

Seite 2 Nationales Referenzzentrum für Krebsinformation

Seite 3 Rückblick 1986: Telefondienst 1999: Internet www.krebsinformationsdienst.de 2001: E-Mail-Service, krebsinformationsdienst@dkfz.de 2006: Anruf kostenlos, Erweiterung der Öffnungszeiten 2010: Nationales Referenzzentrum für Krebsinformation Eröffnung der ersten Außenstelle (UCC Dresden)

Seite 4 Thema Krebs Inzidenz: Immer mehr Menschen werden krebskrank. Prävalenz: Immer mehr Menschen leben mit der Erkrankung. Veränderte Strukturen: CCCs, Organzentren, Onkologische Zentren, immer mehr Menschen werden ambulant behandelt. Individualisierte Therapie: Neue Prognosefaktoren, Targeted Therapies bestimmen die Behandlung. Partizipative Entscheidung: Patienten sollen mitentscheiden, auswählen, eigenverantwortlich handeln. Informationsflut: Medien, Broschüren, Bücher, medizinische Call Center, Internet bieten Fakten, aber auch Meinungen, Standpunkte, Werbung

Seite 5 Lotse gesucht Als unstrittig gilt, dass Vermittlungsinstanzen erforderlich sind, die verständliche, leicht zugängliche Informationen bieten und bei deren Gewinnung sowie Verarbeitung beraten und unterstützen. Prof. Dr. Marie-Luise Dierks "Gesundheitsmonitor 2009" "Es liegen für alle Krebskranken und ihre Angehörigen niederschwellige, zielgruppengerechte und qualitätsgesicherte Informations-, Beratungs- und Hilfsangebote vor." Bundesministerium für Gesundheit: Nationaler Krebsplan, Handlungsfeld IV "Stärkung der Patientenorientierung"

Seite 6 Unterschiede im Informationsbedürfnis? These "Ältere Krebspatienten haben einen geringeren Informationsbedarf als jüngere Betroffene. Junge Patienten wollen so viel Information wie möglich, so früh wie möglich" Giacalone A et al. (2005): Cancer and aging. Ann Oncol 16 (12): 1982-1983. doi: 10.1093/annonc/mdi391 Stimmt das? Es gibt nur sehr wenige verlässliche vergleichende Untersuchungen zum Informationsbedarf. Es gibt viele Untersuchungen, zum Beispiel zur Nutzung unterschiedlicher Informationsquellen, aus denen indirekt altersspezifische Unterschiede ableitbar sind.

Seite 7 Nutzung unterschiedlicher Medien Männliche Krebspatienten: Nutzung Telefon Nutzung E-Mail 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 0-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80+

Seite 8 Ältere Nutzer o h n e Informationsbedarf? Inzidenz lt. Krebsregister/ RKI Brustkrebs Anruferaufkommen KID 0-44 11,0% 13,5% 45-59 30,7% 44,5% 60-74 37,7% 38,8% Brustkrebs RKI Brustkrebs KID >=75 3,2% 20,5% 0% 10% 20% 30% 40% 50%

Seite 9 Ältere Nutzer m i t Informationsbedarf? Inzidenz lt. Krebsregister/ RKI Prostatakrebs Anruferaufkommen KID 0-44 0,4% 45-59 11,5% 11,0% Prostatakrebs RKI 60-74 62,2% 70,2% Prostatakrebs KID >=75 18,0% 26,8% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

Seite 10 Beispiel "Mein Enkel ist erst sechs Monate alt und hat ein Neuroblastom. Die Ärzte wollen nichts machen, und mein Sohn und meine Schwiegertochter haben anscheinend aufgegeben. Sie sind zurzeit noch mit dem Kind in der Klinik und sagen am Telefon nur das Notwendigste. Kann man denn gar nichts tun?" Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, S1-Leitlinie Neuroblastom (www.leitlinien.net): Bei Säuglingen mit Neuroblastomen im Frühstadium ist abwartendes Beobachten vertretbar, da die Tumoren spontan regredieren können.

Seite 11 Beispiel "Mein Hautarzt hat bei mir ein Melanom festgestellt und will unbedingt, dass ich es entfernen lasse. Ich bin, nach langem Warten auf unser Wunschkind, im 6. Monat schwanger und möchte nichts riskieren, was dem Baby schadet. Gleichzeitig habe ich die totale Panik, dass der Krebs streuen könnte. Was soll ich tun?" Etwa ein Drittel der Patientinnen mit Melanom sind im gebärfähigen Alter. Der Einfluss einer Schwangerschaft auf die Melanomentstehung wird kontrovers diskutiert. Melanome können, wenn auch selten, plazentar metastasieren. Die Therapie erfordert eine Abwägung zwischen den Risiken für die Mutter und der Möglichkeit, das Kind vor Nebenwirkungen der Behandlung zu schützen. Vom zweiten Trimenon an sind prinzipiell fast alle Therapieoptionen umsetzbar. Pagès C et al. (2010): Management and outcome of metastatic melanoma during pregnancy. Br J Dermatol 162: 274-281

Seite 12 Beispiel "Ich bin 76, noch aktiver Bergsteiger und voller Lebenswillen. Umso mehr hat es mich getroffen, dass meine Ärzte nach meiner Darmkrebs-Operation auf die ursprünglich geplante Chemotherapie verzichten wollen. Fängt man jetzt in Deutschland an, an alten Menschen zu sparen?" 28.6.2009: Warnhinweis der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.v.: "Die Empfehlung, auch ältere Patienten mit einer Kombinationstherapie mit Oxaliplatin und 5-FU/FS zu behandeln, wird aufgrund aktueller Daten derzeit überprüft, da ein mögliches Sicherheitsrisiko vorliegen kann. (...) Nicht betroffen davon ist die Empfehlung, ältere Patienten über 70 Jahre bei entsprechender Indikation und ECOG Status mit einer Fluoropyrimidin-Monotherapie zu behandeln."

Seite 13 Unterschiede im Informationsbedürfnis? These "Ältere Krebspatienten haben einen geringeren Informationsbedarf als jüngere Betroffene. Junge Patienten wollen so viel Information wie möglich, so früh wie möglich." Stimmt das? Es gibt nur sehr wenige verlässliche vergleichende Untersuchungen zum Informationsbedarf. Es gibt viele Untersuchungen, zum Beispiel zur Nutzung unterschiedlicher Informationsquellen, aus denen indirekt altersspezifische Unterschiede ableitbar sind. DIE Krebspatientin, DEN Krebspatienten gibt es nicht! Der Informationsbedarf hängt von Persönlichkeit, Bildung und sozialen Umständen, Krankheitssituation und Allgemeinzustand sowie Lebenserwartung und Krankheitswahrnehmung ab, aber auch von kulturellen bzw. traditionsgeprägten Rahmenbedingungen. Das Alter eines Patienten bestimmt alle diese Faktoren mit.

Seite 14 Informationsangebot erweitern Nationales Referenzzentrum für Krebsinformation Informationsbedürfnisse erfassen: Nutzerbefragungen, Nichtnutzeranalyse Bedürfnisse und Bedarf trennen Bedarf wie Bedürfnis können sich im Verlauf einer Erkrankung wandeln zielgruppenspezifisch, aber immer bedürfnisorientiert informieren und beraten Informationsangebote mit gleichem Inhalt in unterschiedlichen Medien und in unterschiedlichen Präsentationsformen vorhalten (Infoblätter, Broschüren, Entscheidungshilfe, Telefon, E-Mail, Internet)

Seite 15 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!