Direktabbau Reißen mit Hydraulikbaggern Einsatzerfahrungen, Möglichkeiten, Tendenzen Dipl.-Ing. Stefan Oppermann Zeppelin Baumaschinen GmbH, Garching www.zeppelin.com Der Direktabbau oder allgemein das mechanische Lösen von festen Materialien aus dem natürlichen Lagerungszustand gewann in den letzten Jahren nicht nur als Nischenanwendung immer mehr an Bedeutung. Mit Entwicklung der Hydraulikbagger ergaben sich für das Gewinnungsverfahren Reißen neue Anwendungsmöglichkeiten. Speziell durch immer größer werdende Hydraulikbagger (und damit stärkere Maschinen) sind wir heute in der Lage, in Gewinnungsbereiche vorzustoßen, die die bekannten Anwendungsergebnisse des herkömmlichen Reißverfahrens mit Kettendozern weit übertreffen. 1 Einleitung 1.1 Gründe für mechanisches Lösen Wo und wann wird die Methode des Reißens angewendet? Diese Frage wird oft gestellt. Es gibt gewichtige Gründe, die für das Reißen als Alternative gegen das Bohren & Sprengen als Gewinnungsverfahren sprechen. Zum Beispiel gehören dazu: Umweltauflagen der Behörden Kostenreduzierung (fallweise möglich) Erforderliche Materialselektierungen Besseres Kornband für die Weiterverarbeitung (weniger und oft nicht brauchbare Feinanteile) Lösen und Laden mit einer Maschine möglich (Personalreduzierung) Die Liste ließe sich weiter fortsetzen. 1.2 Einteilung der Gesteine Gewinnbarkeit Aus der Diskussion der Gründe, die für einen Direktabbau sprechen, folgt sofort die Frage, welches Material läßt sich überhaupt reißen? In der bekannten DIN 18300, wo eine Gesteinsklassifizierung hinsichtlich ihrer Gewinnbarkeit vorgenommen wird, werden sieben Bodenlassen (BK) unterschieden. Die beiden letzten Klassen BK 6 leicht lösbarer Fels BK 7 schwer lösbarer Fels sind Gegenstand unserer Anwendungen im Direktabbau. Anknüpfend an diese Einteilung hat die Einschätzung der Gewinnbarkeit (bzw. Beurteilung der Reißbarkeit) größte Bedeutung in der Vorbereitung von Reißeinsätzen. Anhand ausgewählter Materi- 1
albeispiele (Kaolinsand, Kalkstein, Schiefer (-ton), Granit,...) wird die Problematik der Beurteilung der Reißbarkeit aufgezeigt. Die Kenntnis weiterer Informationen aus der Geologie (Materialart, Entstehung, Mineralbestandteile), den Lagerungsverhältnissen (Schichtung, Klüftung) und einiger gesteinsmechanischer bzw. physikalischer Eigenschaften (Druck- und Zugfestigkeit, Seismische Wellengeschwindigkeit) sind wichtige Voraussetzungen, um die Reißbarkeit anstehender Materialien beurteilen zu können. Fehlen diese Informationen, sind Untersuchungen dazu notwendig. Ziel solcher Untersuchungen ist es, eine Antwort zu geben auf folgende Fragen: Ist das Reißen möglich? Welche Maschine wird benötigt (Größe, Gewicht, Kraft)? Was kann die Maschine leisten (t/h)? Welche Kosten sind zu erwarten ( /t)? 2 Reißeinsätze mit Hydraulikbaggern Viele solcher Überlegungen und Untersuchungen führten bis heute zu sehr erfolgreichen Reißeinsätzen mit Hydraulikbaggern. Es ist ein deutlicher Trend hin zum Hydraulikbagger für das Reißen zu verzeichnen. Der Kettendozer als klassischer Reißdozer tritt etwas in den Hintergrund, er wird aber weiterhin seine Einsatzberechtigung behalten. 2.1 Einsatzvorteile Hydraulikbagger Entscheidende Einsatzvorteile, die der Hydraulikbagger insbesondere als Tieflöffelbagger aber auch als Hochlöffelbagger besitzt, haben zu diesem Trend geführt. So zum Beispiel können wesentlich größere Reißkräfte mit heutigen Hydraulikbaggern im Vergleich zu den größten Reißdozern umgesetzt werden. Wir (Zeppelin, CATERPILLAR) vergleichen unseren Tieflöffelbagger CAT 385 (ca. 90 t Einsatzgewicht, 382 KW) mit dem größten CATERPILLAR Dozer D11R CD (113 t Einsatzgewicht, 634 KW). Die Grabkinematik des Tieflöffelbaggers ermöglicht ein nahezu 100-prozentiges Umsetzen der installierten Kräfte in nutzbare Reiß und Grabkräfte. Reißeinsätze mit Hydraulikbagger Reißkraft Losbrechkraft Gewichtskraft Max. Grabkraft Bild 1: Kräfte beim Tieflöffelbagger 2
Ein aus heutiger Sicht wichtiger Punkt ist, daß Hydraulikbagger sowohl zum Lösen (wie Kettendozer auch) als auch zum Laden genutzt werden können. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit eines Hydraulikbaggers in Reißeinsätzen ist seine Ausrüstung, die speziell auf die Einsatzverhältnisse angepaßt wird. 2.2 Reißausrüstungen für Hydraulikbagger Zwei unterschiedliche Tätigkeiten (Lösen, Laden) des Hydraulikbaggers erfordern angepaßtes Werkzeug zum Lösen (Reißzahn) und Laden (Löffel, Schaufel). Das Vertikalreißen mit Tieflöffelbaggern zeichnet sich durch häufiges Wechseln zwischen Reißzahn und Tieflöffel aus. Diese Arbeitsweise erfordert eine Schnellwechseleinrichtung, mit der in kurzer Zeit der Wechsel zwischen Zahn und Löffel vorgenommen werden kann. Moderne hydraulische Schnellwechseleinrichtungen ermöglichen Wechselzeiten von ca. 20 maximal 30 Sekunden zwischen den Werkzeugen. Bild 2: Reißsystem Zahn, Felstieflöffel, hydraulischer Schnellwechsler Solche Ausrüstungen sind derzeit für Maschinen bis ca. 200 t Einsatzgewicht verfügbar und im Einsatz. 2.3 Erfahrungswerte zur Lösbarkeit Erfahrungswerte aus vergangenen und laufenden Einsätzen werden aufmerksam verfolgt. Sie ermöglichen eine relativ gute Einordnung unserer Maschinen in Bezug auf die Lösbarkeit fester Materialien. Nachfolgende globale Übersicht zeigt die Zuordnung zwischen seismischer Wellengeschwindigkeit, dem zu gewinnenden Material, der Bodenklasse (DIN 18300) und der Maschinengröße, die minimal zum Lösen erforderlich ist. 3
Tafel 1: Wellengeschwindigkeit (v s ), Material, Maschinengröße v s ( BK Material - Bezeichnung Lösbar mit 1.200 1.700 6 Leichter Fels a) Lockergestein b) stark klüftiger und fester oder angewitterter mürber Fels 1.700 1.900 7 Schwerer Fels a) Klüftig b) Dünnbankig fest oder dickbankig mürb 1.900 2.300 7 Schwerer Fels a) schwach klüftig b) Ergußgesteine, grobstückig c) Findlinge, engverzahnt 2.300 3.000 7 Nahezu geschlossen anstehend, relativ dicht gelagert, sprödbrüchig > 3.000 7 Geschlossen anstehend, sehr dicht gelagert, sehr hart Kettendozer bis ca. 25 t (v s bis 1.400 Kettenbagger (17 25 t) (v s bis 1.600 Kettenbagger (40 70 t) (v s bis 1.800 Kettendozer (40 50 t) (v s bis 1.800 Kettenbagger mit Reißzahn (40 70 t) (v s bis 2.100 Kettendozer (50 60 t) (v s bis 2.100 Kettenbagger mit Reißzahn (70 130 t) (v s bis 3.000 Kettendozer (60 70 t) (v s bis 2.600 Kettendozer (über 80 t) (v s bis 3.000 Kettenbagger mit Reißzahn (70 130 t) (v s über 3.000 bis? Bzw. Sprengen! 2.4 Einsatzbeispiele Einige ausgewählte Maschineneinsätze mit Hydraulikbaggern unterschiedlicher Größenordnung werden stellvertretend vorgestellt. Tieflöffelbagger, eingesetzt in der Schlackerückgewinnung im Kaolin- bzw. Kalksteinabbau im Schieferton im Sandstein Hochlöffelbagger, eingesetzt im Kalksteinabbau In allen Einsätzen stellen sich entsprechend den Einsatzbedingungen und der Gerätegröße mögliche Leistungen ein. 4
3 Leistungen Relativ genau lassen sich Reiß- und Ladeleistungen an im Einsatz befindlichen Geräten feststellen. Diese Meßergebnisse sind bei der Vorauskalkulation künftiger Fälle sehr hilfreich. Allerdings verbleiben ein Restrisiko bzw. gewisse Ungenauigkeiten bei der Prognose. Sie lassen sich nicht vermeiden, da uns die Natur seltenst homogene Material- und Lagerungsverhältnisse eingerichtet hat. Durch umfassende Voruntersuchungen können diese Risiken eingegrenzt werden. Die zu erwartenden Reiß- und Ladeleistungen sind von vielen Faktoren abhängig. Zum Beispiel von: Materialart Festigkeiten (Druck, Zug) Schichtung (Mächtigkeiten, Einfallen) Kluftsystem (Ausprägung, Einfallen) Störungen (Brüche, Verschiebungen, Auswaschungen,...) Diese vielfältigen Einflüsse lassen sich nur schwer verallgemeinern. Für die Prognose sind immer Einzelfallbetrachtungen notwendig. Am Beispiel der Materialart Kalkstein (und damit sind hier die durch Vertikalreißen gewinnbaren Kalksteine gemeint!) wird die mögliche Schwankungsbreite für zu erwartende Reiß- und Ladeleistungen aufgezeigt. In der nachfolgenden Grafik (Bild 3) werden für zwei verschiedene Einsätze ( leichter und schwerer Einsatz) in Abhängigkeit von der Maschinengröße (Einsatzgewicht) die möglichen Reißund Ladeleistungsbereiche dargestellt. Leistungen Reißen + Laden im lösbaren Kalkstein 800 700 600 800 Leistung t/h 500 400 300 200 100 300 150 400 200 550 300 400 0 69 85 Einsatzgewicht (t) 125 185 II - Schwerer Einsatz I - Leichter Einsatz Bild 3: Reiß- und Ladeleistungen im lösbaren Kalkstein 5
4 Kosten Für die Kosten solcher Einsätze gilt genau wie für die Leistungen, daß für laufende Einsätze Kosten erfaßt und ausgewertet werden. Im Prognosefall muß man auch hier auf kalkulatorische Kostenermittlungen zurückgreifen, wobei die gemachten Erfahrungen hinsichtlich Verschleiß der Maschine, deren Ausrüstung, Reparaturen usw. ebenfalls in die Kalkulation künftiger Fälle einfließen. Für das o.g. Beispiel Kalkstein, aufbauend auf den vorab gemachten Leistungsberechnungen, wurden solche kalkulatorischen Kostenrechnungen sowohl für den leichten als auch für den schweren Einsatz erstellt. Kosten pro Tonne für Reißen + Laden im lösbaren Kalkstein 0,70 0,60 0,50 0,62 0,58 /t 0,40 0,30 0,47 0,43 0,20 0,10 0,26 0,00 69 85 Einsatzgewicht (t) 0,23 125 0,22 185 0,18 II - Schwerer Einsatz I - Leichter Einsatz Bild 4: Mögliche Kosten Die Ergebnisse sind im Bild 4 als möglicher Kostenrahmen dargestellt. Deutlich erkennbar ist der Trend, daß mit zunehmender Gerätegröße eine Senkung der spezifischen Kosten ( /t) bei Auslastung der möglichen Maschinenleistung eintritt. Dies ist u. a. erklärbar durch: Größere Maschinen haben lange Einsatzzeiten (Jahre), bevor sie ausgetauscht werden. Größere Maschinen haben bei entsprechendem Design ihrer Werkzeuge (Zahn, Löffel) weniger Lösearbeit als kleinere Maschinen im selben Material zu leisten. 6
5 Zusammenfassung Hydraulikbagger in der mechanischen Gewinnung sind heute keine Seltenheit mehr. Baugrößen und Ausrüstungen ermöglichen immer breitere Einsatzmöglichkeiten. Im Vortrag wurden Gründe genannt, die die verstärkte Anwendung der Direktgewinnung erfordern, Einsatzmöglichkeiten heutiger Maschinen aufgezeigt und deren Leistungsfähigkeit und die zu erwartenden Kosten fallweise dargestellt. Auch in Zukunft ist damit zu rechnen, daß diese Gewinnungsmethode ihren festen Platz behält und weiter ausgebaut werden wird. Quellen Der vorliegende Beitrag wurde auf dem Steine-Erden Kolloquium Sprengstofflose Feststeingewinnung im Tagebau und Βauwesen vorgetragen. [1] Eymer, W. (1995): Grundlagen der Erdbewegung; Kirschbaumverlag, Bonn [2] Caterpillar: Handbuch für Reißeinsätze; Achte Ausgabe; CATERPILLAR INC. Peoria, Illinois Autor Dipl.-Ing. Stefan Oppermann Zeppelin Baumaschinen GmbH Zeppelinstrasse 1-5, D-85748 Garching bei München Tel.: +49 (0) 89/32000-440 Fax: +49 (0) 89/32000-500 e-mail: Internet: www.zeppelin.com 7