Rede beim Verabschiedungsappell des Panzergrenadierbataillons 411, Kürassier-Kaserne in Viereck, 2. Dezember 2011

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Transkript:

Rede beim Verabschiedungsappell des Panzergrenadierbataillons 411, Kürassier-Kaserne in Viereck, 2. Dezember 2011 Sehr geehrter Kommandeur, lieber Oberst Marlow, Meine Damen und Herren! Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten vom Ausbildungsund Schutzbataillon Kunduz, gehören zu den ersten, die vor Ort erleben werden, wie der Abzug Deutschlands aus Afghanistan endlich beginnt. Bereits von Februar an wird die Truppe reduziert und deutsche Soldaten kommen nach Hause. Es war ohnehin nie die Rede davon, auf ewig am Hindukusch zu bleiben. Zugegeben: Nach menschlichem Ermessen sind zehn Jahre - und so lange dauert der Einsatz ja mittlerweile eine furchtbar lange Zeit. Historiker lächeln über zehn Jahre: Für sie ist das kaum mehr als ein Wimpernschlag in der langen, langen Menschheitsgeschichte. Für Nichthistoriker sind zehn Jahre kein Klacks. Wir brauchen nur daran zu denken, was zehn Jahre aus einem Menschen machen, der unsere Welt betritt: Ein Kind lernt in dieser Zeit zu laufen, zu essen, zu lesen, zu rechnen und zu sprechen, vielleicht auch 1

schon schüchtern zu küssen. Es lernt in dieser Zeit das Wichtigste fürs ganze Leben. Das Afghanistan von heute ist nicht mehr das Afghanistan von 2001: Das Land ist sicherer, stabiler und fortschrittlicher geworden auch und gerade dank des Einsatzes unserer Soldaten. Dass sich viele Politiker und übrigens auch Militärs am Anfang mehr erhofft hatten, bestreite ich nicht. Man muss in der Lage sein, auch sich selbst zu kritisieren und unrealistische Ziele zu revidieren. Heute wissen wir: Da waren viele und beileibe nicht nur in Deutschland zu blauäugig. Deshalb sollten wir uns Hochmut oder Besserwisserei im Rückblick sparen. Übrigens: Viele derer, die heute ganz genau wissen, was falsch gelaufen ist, waren damals genau dort, wo alles entschieden wurde. Achten Sie mal drauf! Es ging bei diesem Einsatz immer darum, den Afghanen so zu helfen, dass sie eines Tages weitestgehend selbst für ihre Sicherheit sorgen können. Nicht ohne Grund steht das Einsatz-Kürzel ISAF übersetzt für: Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe. Genau deshalb bilden wir afghanische Polizisten und Soldaten aus. 2

Ich bin Mitte Oktober zum dritten Mal in Afghanistan gewesen, in Mazar-e-Sharif, Hazrat-e-Sultan, Taloqan und auch dort, wo Sie bald sein werden: in Kunduz. Ja, Kunduz ist ein gefährliches Pflaster, naja, eher ein gefährlicher Sand. Und doch, für Zivilisten unvorstellbar: Liebe Familien, die Sie zu Hause bleiben müssen, glauben Sie mir, die Truppe hält das aus, mehr noch, sie lebt es und sie lacht auch. Die Frauen und Männer der Bundeswehr schaffen das: sofort abschalten, wenn mal Ruhe ist, und dann plötzlich wieder hellwach sein. Ihnen gelingt beides: der Tunnelblick und der Allessehende-Blick, so, als hätten sie Augen auch am Hinterkopf. Und wenn s einmal eng wird, dann wird alles ausgeblendet, was wir Politiker ihnen so gern erzählen über unsere Sicherheit, über den islamistischen Terrorismus und dem Dienst am Vaterland. Wenn s einmal eng wird, dann zählt nur der Kamerad links und der Kamerad rechts, das Abrufen des so oft Geübten, dann zählt nur das gemeinsame Überleben. Übrigens: Wenn Sie sich in einem solchen Augenblick an keines meiner Worte mehr erinnern ich könnte ganz gut damit leben. 3

Nicht nur Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten, haben schwere Monate vor sich. Denn all die lieben Menschen, die Sie ziehen lassen, gehen auch in einen Einsatz, sie sind im Co-Einsatz. Denn der, der nach Afghanistan zieht, hinterlässt Lücken im Alltag, zu Hause, in der Heimat. Er hinterlässt Lücken als Kumpel, als Sohn oder Tochter, als Vater, als Freundin, Freund oder Mann. Liebe Soldatinnen und Soldaten, Sie werden also fehlen, man wird Sie sehr vermissen. Nun, wäre ja auch noch schöner, wenn s nicht so wäre. Und wenn Sie wieder da sind, werden Sie sich verändert haben, Sie werden reifer, stärker, abgeklärter, motivierter und zu Recht stolz sein. Vielleicht aber auch nachdenklicher, ruhiger, zweifelnd, hinterfragend und belastet sein, weil Erlebtes nicht einfach an den Rand gedrängt werden kann. Ganz gleich, sie sind dann in der Familie und bei den Kameraden in den richtigen Händen. Reden Sie miteinander, nicht erst nach dem Einsatz, tun Sie es vorher offen und ehrlich und vor allem im Einsatz und verschonen Sie ihre Partner nicht. Wenn es Ihnen schlecht gehen sollte, sagen Sie es. Leben Sie keine Scheinwelt, nur weil zwischen Ihnen knapp 5.000 Kilometer liegen. Man wird Ihnen in diesen Monaten nur Friede, Freude, Sonnenschein 4

nicht abnehmen und vielleicht misstrauisch, das wäre fatal. Vertrauen Sie einander und nehmen sich gegenseitig mit, mit in den Einsatz und mit nach Hause. Einen Satz werden Sie mittlerweile schon tausendmal gehört haben. Aber lieber einmal zu viel als einmal zu wenig: Kommen Sie bitte gesund zurück. 5