Betreff: Stellungnahme Private Haltung von exotischen/gefährlichen Tieren; Aktenzeichen

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Transkript:

MENSCHEN FÜR TIERRECHTE. Tierversuchsgegner Baden-Württemberg e.v. Geschäftsstelle Alexanderstraße 13, 70184 Stuttgart Alexanderstraße 13 70184 Stuttgart Tel: 0711/61 61 71 Vorab per E-Mail: poststelle@mlr.bwl.de Fax: 0711/61 61 81 Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz - Baden- Württemberg Postfach 10 34 44 70029 Stuttgart E-Mail: info@tierrechte-bw.de Internet: www.tierrechte-bw.de Betreff: Stellungnahme Private Haltung von exotischen/gefährlichen Tieren; Aktenzeichen 34-914225 A. Einleitung Der Verein MENSCHEN FÜR TIERRECHTE - Tierversuchsgegner Baden-Württemberg e.v. setzt sich seit 1983 (anfangs Bürger gegen Tierversuche Süd e. V.) aktiv für die Rechte der Tiere ein. Durch die Teilnahme in diversen Gremien (u.a. Landestierschutzbeirat Baden-Württemberg) wirkt der Verein politisch auf bessere Gesetze zugunsten der Tiere hin. Zudem vermittelt er der breiten Öffentlichkeit Einblicke in das Leben der Tiere und macht durch unterschiedliche Aktionen auf aktuelle Missstände aufmerksam. B. Begriffsklärung Um sich mit der Problematik der privaten Haltung von exotischen, sowie gefährlichen Tieren auseinandersetzen zu können, müssen die Begrifflichkeiten exotisch und gefährlich betrachtet werden. Das Wort exotisch hat seinen Ursprung vom griechischen εξωτικός exōtikós, sowie dem lateinischen exoticus, und bedeutet so viel wie auswärtig, fremdländisch. Als Exoten werden nach unserem Verständnis dementsprechend im Allgemeinen Wildtiere und deren Nachzuchten bezeichnet, die weder in Deutschland heimisch sind noch als domestiziert angesehen werden können - und die somit an das Zusammenleben mit Menschen nicht gewöhnt sind. Zu den sogenannten Exoten zählen verschiedenste Säugetiere, Vögel, Fische, Reptilien und Amphibien, Insekten und Spinnentiere. Ist ein anderes Lebewesen nicht an das Zusammenleben mit Menschen gewöhnt, birgt das unter Umständen Gefahren, die sowohl Mensch, als auch Tier betreffen. Daher ist eine strikte Trennung zwischen exotisch und gefährlich kaum sinnvoll. Wann ein Tier als gefährlich gilt und welche Gefahren von einem Tier ausgehen, ist häufig nicht subjektiv zu beantworten, da das Verständnis von Gefahr dicht mit den Empfindungen Angst und Furcht verknüpft sind. Juristisch gesehen wird die Gefahr vor allem im Gefahrenabwehrrecht verwandt, woraus sich ergibt, dass eine Gefahr durch Tiere in erster Linie bedeutet, dass die Möglichkeit einer Körperverletzung durch ein Tier besteht. Obwohl von einigen Tierarten keine mittelbare Gefahr ausgeht, 1 Bankverbindung: Kreissparkasse Böblingen IBAN: DE60603501300000022349 BIC: BBKRDE6BXXX Mitglied bei: Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.v. ALTEX alternatives to animal experimentation Als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt.

kommt es beim Zusammentreffen von diesen Tieren mit dem Menschen aufgrund von Panikreaktionen (z.b. Sturz, Herzinfarkt) trotzdem regelmäßig zu Verletzungen. Auch der Schweregrad einer mittelbaren oder unmittelbaren Verletzung kann von einem kleinen Hämatom bis hin zu lebensbedrohlichen Verletzungen oder bleibenden Schäden reichen und damit stark variieren. Eine Ab- bzw. Einstufung der Gefahr sollte daher erfolgen. 1 C. Fragestellungen Welche Probleme sehen Sie bei der privaten Haltung von exotischen/gefährlichen Tieren? Sehen Sie den Schwerpunkt der Problematik im Bereich der privaten Haltung von exotischen Tieren oder im Bereich der privaten Haltung von gefährlichen Tieren? Als problematisch ist vor allem die Haltung dieser Tiere in Privathaushalten anzusehen. Denn im Vergleich zu anderen Haltungsformen ist es schwer bis gar nicht möglich, diese Haltungen (ausreichend) zu überwachen. Bereits die Beschaffung exotischer und/oder gefährlicher Tiere unterliegt keiner (ausreichenden) Kontrolle. Mit nur wenigen Klicks ist es schnell und relativ kostengünstig möglich, aus einem großen Sortiment exotischer und/oder gefährlicher Tiere auszuwählen. Auch in Zoogeschäften und auf Tierbörsen gibt es inzwischen vom Axolotl bis hin zu diversen Zwerggeckos eine große Auswahl an Tieren, die Interessierte ohne größere Hindernisse erwerben können. Die Käufer verfügen oft nicht über fundierte Artkenntnisse, eine Beratung seitens des Händlers findet in den meisten Fällen ebenfalls nicht oder nur unzureichend statt. Sowohl die endgültige Größe als auch die hohe Lebenserwartung oder die (kosten)intensive Pflege werden beim Kauf unterschätzt oder schlichtweg nicht bedacht. Exoten, die beim Tierarzt vorstellig werden, sind häufig aufgrund fehlerhafter Haltung oder Fütterung erkrankt. Nicht immer wird dies rechtzeitig erkannt, was letztlich für den vorzeitigen Tod des Tieres verantwortlich sein kann. Ohne eine entsprechende Spezialisierung stoßen auch Tierärzte bei der Vorstellung eines exotischen Patienten in ihrer Sprechstunde schnell an ihre Grenzen; eine Fachpraxis ist meist nicht in erreichbarer Nähe. Auch wenn die Behandlung nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt, ist in den meisten Fällen keine fachgerechte tiermedizinische Versorgung möglich. Nicht allein aufgrund mangelnder fachlicher Expertise, sondern auch, weil die meisten Praxen nicht für derartige Patienten ausgestattet sind (z.b. geeignetes Narkosegerät, Medikamente, Sicherheitsvorkehrungen um das Personal zu schützen etc.). Krankheitsprophylaxe und -heilung können folglich häufig nicht im erforderlichen Maß erfolgen, wodurch den Tieren unnötige Schmerzen, Leiden oder Schäden zugemutet werden. Endo- und Ektoparasiten, Brucellose, Salmonellose u.a. werden durch die Exoten eingeschleppt und stellen eine Gefahr für Mensch und (heimische) Tierarten dar. 2 3 4 5 Die hohen Mortalitätsrate nehmen ihre Anfänge jedoch nicht erst in der Privathaltung. Bei einem erheblichen Anteil der legal importierten Wildtiere handelt es sich um Naturentnahmen. 6 1 Vgl. Beckstein, R.: Gefährliche Tiere in Menschenhand-Sicherheitsrelevante Rechtsgrundlagen für die Haltung von gefährlichen Tieren wildlebender Arten, S.13-15. 2 Colomb-Cotinat, M. et al. (2014a): Salmonelloses chez des jeunes enfants et exposition aux reptiles domestiques: investigation en France métropolitaine en 2012. Bulletin épidémiologique hebdomadaire 1-2: 2-7. 3 Colomb-Cotinat, M. et al. (2014b): Cas publiés de salmonelloses chez les jeunes enfants secondaires à une exposition aux reptiles : revue bibliographique 1993-2013. Bulletin épidémiologique hebdomadaire 1-2: 8-16. 4 Travis, D. et al. (2011): The spread of pathogens through trade in wildlife. Rev. sci. tech. Off. int. Epiz. 30 (1): 219-239. 5 Novak, M. (2010): Parasitisation and localisation of ticks (Acari: Ixodida) on exotic reptiles imported into Poland. Ann Agric Environ Med 2010, 17, 237 242. 2

Damit einhergehen meist hohe Mortilitätsraten. Während des gesamten Prozesses - vom Fang bis zum Endkunden - sterben bereits zahlreiche Tiere. Anders als häufig angenommen, sterben weitaus mehr Tiere bei den langen Lagerungen bei den Zwischenhändlern, als während des Transports. 7 8 9 10 Neben den direkten Folgen des Artensterbens, durch das Fangen von Tieren - darunter auch bedrohte und geschützte Arten - aus der Natur, kann es durch potentiell invasive exotische Arten außerdem zur Verdrängung heimischer Arten kommen. Wobei Wildfänge ein höheres Invasionspotential als gezüchtete Arten haben. 11 Die artgerechte Fütterung einiger Schlangenarten verlangt Lebendfutter. Tote Küken, Mäuse oder Ratten werden von ihnen als Futter nicht akzeptiert. Für die Tiere, die lebend verfüttert werden sollen, bedeutet das Stress und zum Teil einen langen und qualvollen Tod. Auch für diese sogenannten Futtertiere muss eine artgerechte Haltung gewährleistet sein. Die Haltung von Schlangen, die ausschließlich Lebendfutter fressen, ist aus Gründen des Tierschutzes abzulehnen. Viele der sogenannten Exoten haben - zumindest in der Theorie - in Gefangenschaft eine hohe Lebenserwartung. Graupapageien bspw. können in Gefangenschaft bis zu 60 Jahre alt werden. Dies wird vom Tierhalter nicht bedacht oder ist schlichtweg nicht bekannt, zumal sich ein solcher Zeitraum schwerlich im Voraus planen lässt. Lebensumstände (Job, Wohnungswechsel, neuer Lebenspartner, Kinder) ändern sich oder man wird des Tieres überdrüssig. Die Tiere werden in andere private Hände weitergereicht, ausgesetzt oder im Tierheim abgegeben. Die ohnehin überfüllten deutschen Tierheime stehen vor dem Problem, dass sie in den meisten Fällen nicht für Exoten ausgestattet sind. Es bedarf spezieller Unterbringung, Ausstattung (Lampen, Thermometer etc.), sowie Fütterung und dafür geschultes Personal. Dies ist kostenintensiv. Benötigt werden eine bessere finanzielle Förderung und eine bedarfsgerechte Ausstattung. Hinzu kommt, dass diese Tiere kaum Chancen auf Vermittlung haben. Dafür ausgerichtete Auffangstationen sind rar und die wenigen Vorhandenen sind ebenfalls überfüllt. Daher müssen weitere Kapazitäten für die Aufnahme von exotischen bzw. gefährlichen (Wild-)Tieren geschaffen werden. 6 Dies belegt u.a. die Antwort der damaligen Bundesregierung vom Oktober 2012 auf eine Kleine Anfrage der SPD, in der der Wildfang-Anteil bei CITES-geschützten Importen aufgeführt wird und bei vielen Arten bis zu 100 Prozent beträgt. 7 Rubec& Cruz (2005): Monitoring the chain of custody to reduce delayed mortality of net-caught fish in the aquarium trade. SPC Live Reef Fish Inf. Bull. 13: 13-23. 8 Steinmetz et al. (1998): Untersuchungen zur Transportmortalität beim Import von Vögeln und Reptilien nach Deutschland. Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Bonn. Hier v.a. Tab. 16 mit detaillierten Verlustraten in den verschiedenen Phasen vom Fang bis zum Einzelhändler. 9 Manig, I. (1997): Untersuchungen zur Organisation, zum Tierschutz und zur Seuchenprophylaxe beim Import und beim Vertrieb von Zierfischen in der Bundesrepublik Deutschland, Inaugural-Dissertation, Justus-Liebig-Universität Gießen. 10 De Oliveira et al. (2008): Tolerance to temperature, ph, ammonia and nitrite in cardinal tetra, Paracheirodon axelrodi, an Amazonian ornamental fish. Acta Amazonica 38(4): 773-780. 11 Carrete & Tella (2008): Wild-bird trade and exotic invasions: a new link of conservation concern? Front Ecol Environ 6(4): 207 211. 3

Welche Instrumentarien sollten im Rahmen möglicher staatlicher Reglementierungen ggf. zur Anwendung kommen (z.b. Melde- und Registrierpflichten, Erlaubnispflichten, Haltungsverbote und -beschränkungen, Sachkundeverpflichtungen usw.)? Grundsätzlich sollten bundeseinheitliche Regelungen getroffen werden. Dazu gehört die flächendeckende Umsetzung des Gefahrtiergesetzes, welches bislang in acht Bundesländern vollzogen wird. Damit ist eine private Haltung von besonders gefährlichen, vor allem giftigen Tieren nur noch in wenigen Ausnahmefällen möglich. Des Weiteren sollte eine Anzeigepflicht für (potentiell) gefährliche Tiere eingeführt werden. Hierfür ist es notwendig, dass die Tiere anhand eines einheitlichen Kriterienkatalogs eingestuft werden können. Tierhalter sollten vor der Anschaffung eines gefährlichen und/oder exotischen Tieres einen Sachkundenachweis erbringen. Die Prüfung zum Erlangen der Sachkunde soll von einem fachkundigen Tierarzt abgenommen werden (FTA Reptilien, FTA Wildtiere-und Artenschutz, FTA Ziervögel, FTA Fische etc.). Vorab sind zukünftige Tierhalter dadurch dazu angehalten, sich mit der artgerechten Haltung und Pflege eines exotischen und/oder gefährlichen Tieres auseinanderzusetzen. Der Sachkundenachweis sollte verpflichtend bereits beim Kauf eines Tieres vorgelegt werden, zudem muss der Verkäufer dies in seinen Unterlagen entsprechend dokumentieren. Das bedeutet, sowohl Käufer als auch Verkäufer sind dafür verantwortlich, dass ein Tier nur durch Nachweis entsprechender Sachkunde den Besitzer wechselt. Neben einem Sachkundenachweis für Tierhalter, sollte außerdem jeder einzelne Händler über einen Sachkundenachweis über die jeweiligen Tierarten verfügen. In Erwägung gezogen werden sollte die Einführung einer Rücknahmepflicht innerhalb einer festzulegenden Frist durch den Handel. Anzunehmen ist, dass dadurch vor dem Kauf eine ausführlichere Beratung des Kunden von Seiten des Händlers stattfindet. Volljährigkeit und der Nachweis einer Tierhalterhaftpflichtversicherung müssen verpflichtend sein. Die Haltung von Schlangen die ausschließlich Lebendfutter fressen ist abzulehnen. Grundsätzlich verboten werden müssen zudem Importe von Wildfängen in die EU, sowie gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere. Sollen die Instrumentarien auf bestimmte Bereiche (Gefahrentiere, bestimmte Tierarten) beschränkt sein? Können Positiv-/Negativlisten sinnvoll eingesetzt werden? Die Haltung von exotischen und/oder gefährlichen Tieren in Privathaushalten soll grundsätzlich untersagt werden. Ebenso der Handel mit solchen Tierarten. Ein erster Schritt dahingehend ist das Verbot der Haltung von Wildtieren, die dem Menschen aufgrund bestimmter Merkmale gefährlich werden können bzw. das normale Maß an Pflege überschreiten. Einer allgemeinen Positiv- bzw. Negativliste stehen wir kritisch gegenüber. Aufgrund der großen Artenvielfalt, die gehandelt wird, kann eine Negativliste niemals Anspruch auf Vollständigkeit haben. Neue Tierarten, die ebenfalls den Kriterien der Negativliste entsprechen, wären nicht auf der Negativliste vermerkt und könnten demnach verkauft werden. Obwohl MENSCHEN FÜR TIERRECHTE- Tierversuchsgegner Baden-Württemberg e.v. sich grundsätzlich gegen die Haltung von Exoten und/oder gefährlichen Tieren ausspricht, kann eine Positivliste als eine Verbesserung der derzeitigen Situation angesehen werden. Eine Positivliste könnte zumindest einige Tiere von der privaten Haltung ausschließen und so zu deren Schutz beitragen. Allerdings sind Kriterien für die Positivliste sorgfältig und in Zusammenarbeit mit fachkundigen Personen (bspw. Tierärzten, Mitarbeiter von Tierschutz- und Naturschutzverbänden, Biologen) festzulegen. 4

Wie soll im Falle von Beschränkungen mit bestehenden Haltungen umgegangen werden; soll ggf. Bestandsschutz gelten oder sollen Übergangsregelungen zur Anwendung kommen? Wie sollten diese Übergangsregelungen aussehen? Der Status quo lässt es nicht zu, bestehende Haltungen aufzulösen und die Tiere in geeignete Auffangstationen abzugeben. Trotzdem sollte nicht generell die Rede von Bestandsschutz sein. Mit einer Übergangsregelung können bestehende Haltungen bis zum Tod des Tieres zulässig sein, sofern der Tierhalter die gesetzlichen Vorgaben (Anzeigepflicht, Sachkunde, Zuverlässigkeit, Haftpflichtversicherung und sichere Unterbringung) erfüllt. Die zuständige Behörde muss dies aktiv überwachen. Sehen Sie realistische Möglichkeiten, derartige Regelungen mit vertretbarem Aufwand behördlich zu vollziehen? Gibt es geeignete Ansatzpunkte, die es Behörden ermöglichen, Kenntnis von solchen Tierhaltungen bzw. vom Erwerb der fraglichen Tiere zu erhalten? Solange die private Haltung von exotischen bzw. gefährlichen Tieren noch nicht untersagt ist, müssen Tierbesitzer ihre Tierhaltung bei der zuständigen Behörde anzeigen. Dies sollte sowohl für bereits bestehende Haltungen, als auch Halterwechsel oder einer Neuanschaffung - sofern dies weiterhin erlaubt sein sollte - verpflichtend gelten. Denkbar wäre außerdem eine Anzeigepflicht bei Weiterveräußerung. Halten Sie Verbote oder Beschränkungen im Bereich des Tierhandels, speziell bei Tierbörsen und beim Internethandel mit Tieren für sinnvoll und umsetzbar? Beschränkungen bzw. Verbote in diesen Bereichen des Tierhandels sind nicht nur sinnvoll, sondern ein notwendiges Kontrollinstrument. Die Überwachung des Tierhandels muss intensiviert werden. Auflagen für Tierbörsen sollten in einer Verordnung des Bundes rechtsverbindlich gemacht werden und nicht, wie bislang, Empfehlungscharakter haben. Entsprechend der AVV zum Tierschutzgesetz sollte eine Tierbörsenverordnung 12 die Teilnahme gewerblicher Tierhändler ausschließen. Auch über den Handel mit Exoten und gefährlichen Tieren hinaus lässt sich ein Vollzugsdefizit der Behörden feststellen. Die Intensivierung der behördlichen Überwachung im Bereich Tierschutz ist daher dringend erforderlich. D. Zusammenfassung Exotische und gefährliche Tiere sind heutzutage einfach und kostengünstig zu erwerben, ohne einen Sachkundenachweis oder andere Qualifikationen für die Haltung dieser Tiere nachweisen zu müssen. Die Folge sind u.a. Fütterungs- und Haltungsfehler, die wiederum kranke Tiere und hohe Mortalitätsraten nach sich ziehen. Außerdem sind sich viele Tierhalter beim Kauf der Tiere nicht über laufende Kosten, Größe und Lebenserwartung des Tieres bewusst. Häufig landen die Tiere in den ohnehin überfüllten Tierheimen, die für Exoten meist nicht ausgerichtet sind. Spezielle Auffangstationen sind rar und die Wenigen haben ihre Kapazitäten bereits überschritten. Artenschutzprobleme nehmen - vor allem durch die hohe Zahl der Wildfänge - zu. Potentiell invasive exotische Tierarten verdrängen ggf. zunehmend die heimischen Arten. Durch den Import exotischer Tierarten nimmt die Einschleppung von Krankheiten zu, welche ein Risiko sowohl für den Menschen als auch für andere Tiere darstellen. 12 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vom 9. Februar 2000: Nach 12.2.1.4. sind Tierbörsen dadurch gekennzeichnet, dass Tiere durch Privatpersonen feilgeboten und untereinander getauscht werden. 5

Für den Schutz von Mensch und Tier ist ein flächendeckendes Gefahrtiergesetz erforderlich. Daneben würde ein verpflichtender Sachkundenachweis dafür Sorge tragen, dass zukünftige Tierhalter vorab Sachkunde bezüglich Haltung und Pflege erwerben. Spontankäufen kann so entgegengewirkt werden. Eine Negativliste ist abzulehnen. Als erste Verbesserungsmaßnahmen kann die Einführung einer Positivliste in Betracht gezogen werden. Insgesamt muss aber bereits beim Tierhandel interveniert werden. Wildfänge sowie gewerbliche Tierbörsen müssen grundsätzlich untersagt werden. Ebenso untersagt werden muss die Haltung von Tierarten, die ausschließlich Lebendfütterung akzeptieren. Die Behörden als Kontrollinstanz müssen stärker in den Vordergrund treten. Stuttgart, den 09.11.2017 i.a. Stephanie Kowalski (Tierärztin) MENSCHEN FÜR TIERRECHTE- Tierversuchsgegner Baden-Württemberg e.v. 6