unserer Nachdenklichkeit, unserer Kreativität. Es gibt unter uns hier keinen, dem Gott nicht seine Einzigartigkeit geschenkt hätte.

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Transkript:

Liebe Gemeinde, große Gestalten beeindrucken uns mit ihren Leistungen. Ihr Lebenswerk wirkt oft über Jahrhunderte oder sogar wie bei Jeremia - Jahrtausende. Was war das für ein Mann, der in der Zeit von 626-585 v. Chr. in Jerusalem wirkte, das Volk Israel zur Umkehr aufrief und als Prophet das Wort Gottes in aller Öffentlichkeit verkündigte; der den Untergang von Jerusalem und die babylonischen Gefangenschaft ankündigte; der für seine Kritik am Götzendienst in den Block gelegt und vielfach mit dem Tod bedroht wurde. Eine eindrucksvolle Gestalt, die mit starken Bildern die Verfehlungen der Menschen anprangerte und auch den Konflikt mit dem König nicht scheute. Eine starke und aber auch zarte Persönlichkeit, die Gott gegenüber immer wieder über die großen Lasten klagte, die das Prophetenamt ihm auf erlegte. Wortgewaltig in seinen Gerichtsankündigungen, war er doch im Umgang mit Gott der persönlichste von allen Propheten. Aber wie hat alles angefangen? Wir kennen die große Gestalt. Aber die Anfänge liegen im Dunkeln. Der heutige Predigttext Zeuge jener Szene werden, in der diese große Gestalt zu ihrem Amt gekommen ist. Sie zeigt uns einen jungen Mann, der mit Gott im Gespräch ist. Er hat selbst nicht die Initiative dazu ergriffen. Gutes Wort kommt auf ihn zu. Dieses Ereignis wird mit dem gleichen Verb beschrieben, mit dem die Schöpfungsgeschichte die Erschaffung der Welt darstellt. Die Berufung zum Propheten ist also ein schöpferischer aber ein sehr einseitiger Akt. Jeremia sagt zunächst gar nichts. Gott stellt sich ihm vor und teilt ihm gleich mit, dass er ihn schon von Beginn seines Lebens an zum Propheten bestimmt hat. Jeremia wagt einen schüchternen Einwand. Er weiß, was dieses Amt bedeutet Ich bin zu jung hält er Gott entgegen. Doch der besteht auf seiner Entscheidung und diese ist eher ein Befehl als eine Berufung: Du sollst gehen, wohin ich dich sende und predigen alles, was ich dir gebiete. Da gibt es keinen Widerspruch und so wird Jeremia wider Willen ein großer Prophet. Liebe Gemeinde, wir können uns das heute gar nicht mehr vorstellen. Wir sind es nicht gewohnt, dass andere über unser Leben entscheiden. Wir teilen die Auffassung, dass jeder für sich selber Verantwortung übernehmen muss. Weil wir uns als autonome Menschen verstehen, wollen wir uns nicht von den Erwartungen

anderer Menschen und auch nicht von denen Gottes abhängig machen. An dieser Stelle tut sich ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem Menschenbild Jeremias und unserem heutigen Verständnis auf. Sieht Jeremia sich als Geschenk Gottes, den dieser mit Gaben beschränkt hat, so betrachten wir unser Leben gewissermaßen als einen Rohstoff, aus dem wir unsere Persönlichkeit erst selbst erschaffen müssen. Oder anders gesagt: Wir sehen nicht Gott, sondern uns selbst als Schöpfer unseres Lebens an. Und weil wir unsere Gaben nicht als uns von Gott anvertraute Geschenke verstehen, kann es für uns auch keinen Ruf, keine Aufgabe geben, zu der uns Gott beruft. Die Berufung Jeremias ist hart. Aber wir, die wir uns selbst erst verwirklichen müssen, um etwas zu sein, sind zunächst einmal arm. Wir besitzen keine gottgegebene Einzigartigkeit mehr, sondern müssen uns unsere Persönlichkeit durch Abgrenzung von anderen, durch Wettbewerb und Leistung selbst erarbeiten. Vielleicht erklärt dieser Unterschied, warum dem Wort Gottes heute die Schärfe und der Glanz fehlen, die dieses zu Jeremias Zeit hatte. Diese Erklärung bestätigt unser Predigttext. Die ersten Worte, die Gott an Jeremia richtet, sind eine Beziehungsaussage: Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleib bereitete. Schon vor der Geburt, noch als Jeremia ein Gedanke im Herzen Gottes war, gab es eine innige und schöpferische Verbindung zwischen ihm und dem werdenden Leben. Wenn Gott in unserem Text sagt: Ich kannte dich, dann hat das eine andere Bedeutung als wenn wir das von einem anderen Menschen sagen. Das hebräische Wort jada heißt nicht nur jemanden kennen, für ihn sorgen und in einer geistigen Beziehung zu ihm stehen. Jada heißt auch lieben. Die liebende Begegnung von Adam und Eva beschreibt das Alte Testament mit den Worten: Sie erkannten sich. Am Anfang steht also die schöpferische Liebe. Und darum ist die Menschwerdung des Menschen kein nur biologischer Prozess, sondern immer auch ein Beziehungsgeschehen - einmal zwischen Mutter und Kind - dann aber ebenso zwischen Gott und dem werdenden Leben. Im Heranwachsen des Kindes wiederholt sich die Schöpfung von Himmel und Erde. Wie am Anfang das schöpferische Geschehen zwischen dem Wort Gottes und seiner physischen Entfaltung oszilliert, so sind auch Gottes Gedanken über Jeremia untrennbar mit seinem Heranwachsen verbunden. Und so stellt sich Gott in der Begegnung mit Jeremia als sein Schöpfer

vor, der ihm die Einmaligkeit seiner Person und seine besondere Würde geschenkt hat. Ich sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest und bestellte dich zum Propheten für die Völker. Die enge Bindung Jeremias an Gott erklärt vielleicht, warum sein Wort für ihn eindeutig war und sein Leben bestimmte. Ohne den Schöpfer kann sich Jeremia nicht als Mensch begreifen. Ihm verdankt er seine Einzigartigkeit und alle seine Gaben. Und so muss er auch die Aufgabe annehmen die Gott ihm aufgetragen hat. Liebe Gemeinde, wir können uns sicher nicht mit dem Propheten Jeremia vergleichen. Und doch gilt auch für jeden von uns die Aussage Gottes: Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleib bereitete und sonderte dich aus Und bestellte dich. Jeder von uns war am Anfang ein liebender Gedanke im Herzen Gottes. Und jedem von uns hat er besondere Gaben und Fähigkeiten, ja unsere Einzigartigkeit geschenkt. Ob wir das wissen? Ob wir in diesem Bewusstsein auch leben, wenn wir Ablehnung und Hass erfahren, wenn unser Selbstbewusstsein unter dem Druck von Anforderungen zerbricht - wenn wir in Depressionen versinken? Eine jiddische Geschichte kann uns deutlich machen, wie wichtig es für unser Leben ist, um unsere Einzigartigkeit zu wissen. Da heißt es: Den Satz in den Vatersprüchen: `sei nicht böse mit dir selber ` legte Rabbi Baruch so aus: Jeder Mensch ist berufen, etwas in der Welt zur Vollendung zu bringen. Eines jeden bedarf die Welt. Aber es gibt Menschen, die sitzen beständig in ihren Kammern eingeschlossen Und treten nicht aus dem Haus, sich mit anderen zu unterreden Wenn sie sich mit den anderen unterredeten, würden sie etwas von dem ihnen Zugewiesenen zur Vollendung bringen. (Buber, S. 182) Liebe Gemeinde, wenn wir an der Verbindung festhalten, die der Schöpfer am Ursprung unseres Daseins geknüpft hat, wenn wir uns als Geschöpfe verstehen, werden wir auch unsere Einzigartigkeit und den besonderen Wert erkennen, den Gott einem jeden von uns mitgegeben hat. Und diese individuell so verschiedenen Begabungen sind wie ein Schatz, der sich nicht erschöpft. Wir können reichlich davon austeilen und an andere weitergeben - von unserer Klugheit, unserem Humor,

unserer Nachdenklichkeit, unserer Kreativität. Es gibt unter uns hier keinen, dem Gott nicht seine Einzigartigkeit geschenkt hätte. Wenn wir die entdecken und von ihr Gebrauch machen, haben wir nicht nur Gottes Wort verstanden, sondern verkünden dieses auch mit unserem praktischen Tun. Eines jeden bedarf die Welt. Darum lasst uns unserem Bibelwort folgen und uns als von Gott beschenkte, reiche Menschen betrachten. Dann erfahren wir vielleicht in unserem eigenen Leben eine ähnliche Berufungsgeschichte, wie der heutige Predigttext sie uns von Jeremia erzählt. Wir hören einen Ruf, eine Stimme. Irgendwo in unserem Inneren wissen wir, dass wir eine Entscheidung treffen, einen Weg gehen müssen - dass wir eine Meinung laut und deutlich vertreten, dass wir widersprechen, dass wir für eine Sache und einen Menschen eintreten müssen. Und dann geht es uns wie Jeremia. Dieser weiß genau dass Gott ihm nichts auferlegt, was ihm nicht gemäß ist, seinen Gaben und Fähigkeiten widerspräche. Aber er beruft sich auf sein jugendliches Alter und nimmt es als Ausflucht, um Gottes Ruf zu widersprechen. Das kennen wir von uns auch: Wir haben 1000 Gründe, einem inneren Ruf auszuweichen, weil wir uns vor ihm fürchten: Ich bin zu jung, zu alt; ich habe dafür keine Zeit; ich bin dafür nicht begabt, nicht belastbar genug. Doch wenn wir diesen Ruf überhören, beschädigen wir unser Leben. Und so bedeutet Gottes Wort in solchen Situationen die Härte, einer Entscheidung nicht auszuweichen, den Mut zu einem kritischen Wort in aller Öffentlichkeit zu haben, für einen Schwächeren einzutreten: Du sollst gehen, wohin ich dich sende. Liebe Gemeinde, natürlich fällt es uns nicht leicht, herauszufinden, was der richtige Ruf ist und was Gott von uns fordert. Wo wir aber das Gespräch mit ihm aufnehmen und mit ihm ringen, wie es Jeremia übrigens sein ganzes Prohetenleben über getan hat, da werden wir schließlich Gottes Wort vernehmen. Und wo wir ihm folgen, werden wir nicht nur über uns hinauswachsen, sondern auch erfahren, dass Gott nicht nur der Strenge ist. So sagt er im Anschluss an seinen Auftrag zu Jeremia: Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten. Wenn Gott etwas von uns fordert, versteht er auch unsere Angst und unsere Zweifel. Dann sagt er und seine Hilfe und Nähe zu. Ja mehr noch: Und der Herr streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. Gott belässt es nicht bei Worten. Er gibt uns, was wir brauchen, wenn wir seinem Ruf

folgen wollen. Er rührt uns an. Und das hat eine besondere Bedeutung, denn niemand kann berühren, ohne selbst berührt zu werden. So ist auch Gott selbst angerührt, wenn er uns umfängt. Ein gutes Beispiel für das Ringen um Gottes Wort und die entsprechende Nachfolge ist sicherlich Dietrich Bonhoeffer, der die Möglichkeit ausschlug, während der Hitler- Diktatur in den Vereinigten Staaten zu bleiben. Vielmehr folgt er dem Ruf Gottes, nach Deutschland zu gehen und hier seine Aufgabe zu erfüllen. Wir kennen sein schweres Schicksal. Wir sind sicherlich nicht in der gleichen Situation wie damals. Aber wir brauchen auch wieder Bekenntnis und Einstehen für Menschen und Menschlichkeit. Das erfordert Mut. Aber wir kennen auch Bonhoeffers Satz: Gott gibt uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft, wie wir brauchen. Aber er gibt sie uns nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern auf Gott verlassen. Diesem Wort sind viele andere in unserer Gegenwart gefolgt, Martin Luther King, Nelson Mandela. Und es werden weitere folgen, die sich von Gott berufen fühlen. Auch wir können dazu gehören. Armen