3D-Metall-Druck, Nachbearbeitung & Oberflächentechnik Dipl.-Ing. Werner H. Bittner Wien, 12.11.2015
3D-Metall-Druck, Nachbearbeitung & OT Was ist 3D Druck? Generative Fertigung (GF)? Additive Manufacturing (AM)?
Additive Fertigung (3D-Druck)? Wie? Dreidimensionale Gegenstände werden werkzeuglos und schichtweise, also additiv, nach und nach gefertigt. Je nach Material und Verfahren werden die Schichten dabei aufeinander gepresst, gesprüht, gedrückt, geschmolzen, erhärtet oder geklebt. Material? Kunststoffe (70%), Metalle (10%), Keramik, Beton-Bauschutt, Glas, Karbonfasern, Lebensmittel, lebende Zellen, etc.
3D-Druck heute Was wird gedruckt? Primär funktionale Teile & Prototypen Einteilung der Fertigungsmaschinen 3D Desktop Printer (bis ca. 5.000.-) Offene & geschlossene AM-Systeme z.b. MakerBot Replicator Für wen? Maschinenbau Konsumgüter, elektronische Produkte Kfz-Industrie Luftfahrtindustrie Medizin/Implantate Bildungseinrichtungen (Uni, etc.) Regierungen/Militär Architekten etc. z.b. EOSINT M 400
Aktuelle Beispiele
Vorteile des 3D Drucks Unbegrenzte 3D-Gestaltungsmöglichkeiten (drucken was bisher nicht ging) Komplexität und Vielfalt kostet im Druck selbst nichts Bei Metall-Druck bis zu 90% weniger Metall-Abfall (Kosten) Kompakte, ortsunabhängige Fertigung (z.b. via Cloud-Fertigung) Keine Montage erforderlich, auch bewegliche Bauteile entstehen im Ganzen Keine Vorlaufzeit ( print-on-demand ) Präzise Kopien (inklusive Hohlräume) von Originalen (zerstörungsfrei) Keine bis wenige traditionelle Fertigungskenntnisse erforderlich
3D-Metall-Druck, Nachbearbeitung & OT Aktuelle Verfahren
Aktuelle Verfahren 1. Material extrusion 2. Material jetting 3. Binder jetting 4. Sheet lamination 5. Vat photo polymerization 6. Selective Laser Sintering (SLS) / Direct Metal Laser Sintering (DMLS) 7. Direct Metal Disposition (DMD)/ Laser Engineered Net Shaping (LENS) Anmerkung: Zu allen Verfahren gibt es derzeit verschiedene Bezeichnungen, da fast jeder Hersteller versucht seine Terminologie allgemeingültig zu machen. An einer Normierung, auch sprachlich, wird gearbeitet.
Selective Laser Sintering (SLS) Erstmals 1986 an University of Texas vorgestellt. Gegenwärtig das Hauptverfahren beim 3D-Metall-Druck für funktionale Teile. Rauere Oberflächen als im LENS-Verfahren. Dicke Grundplatte (Wärmeabfuhr, etc.) & ev. Stützstrukturen. Ein Laser- (häufig) oder Elektronenstrahl (selten) schmilzt das Pulver schichtweise, welches jeweils rasch erstarrt. Elektronenstrahlsysteme: teurer, schlechtere Oberflächenqualität, aber schneller & weniger Spannungen im Bauteil. System- und Betriebskosten vergleichsweise zu anderen AM- Verfahren hoch, Prozess komplex. Unter Schutzgasatmosphäre (Stickstoff, Argon).
Direct Metal Disposition (DMD) oder LENS Verfahren mit bisher geringerem Markterfolg als SLS. Metallpulver wird unter Argon-Schutzatmosphäre durch mehrere Düsen zum Laserstrahl geblasen und verschmilzt mit der wachsenden Oberfläche des Werkstückes. Primär verwendet für harte Metalle wie Titan & rostfreiem Stahl, z.b. für Titan-Turbinenschaufeln mit integrierten Kühlkanälen. Verfahren mit hohem Potential, weil: - multimetallfähig (mehrere Düsen/verschiedene Metallpulver) - multiachsiges Bewegungssystem/Roboterarm, d.h. Fertigung ist nicht an einen Schichtaufbau nur in parallelen Ebenen gebunden - auch für die Reparatur bestehender Teile geeignet
3D-Metall-Druck, Nachbearbeitung & OT Gesamtprozess
Gesamtprozess Metalldruck Druckvorbereitung Druck Drucknachbearbeitung & OT Idee 3D-CAD/CT-Datei ( Designdatei ) 3D-Drucker + Material Metall-Verfahren Wärmebehandlung Strahlen, Polieren Spanabhebend (Gewinde, Passungen, etc.), Beschichtungen Limitierende Faktoren: STL-Format Art & Ort von Stützstrukturen (LS) Ort & Orientierung des Druckteils AM Know-how: Nachbearbeitung & Schwachstellen (mehr Material) Limitierende Faktoren: Firmware in STL-Format Dzt. kaum Multimaterial Schichtstärken Kosten: razor & blade Limitierende Faktoren: Teilweise fehlende spez. Prüfverfahren und Normen für 3D-Druckteile.
Nachbearbeitung Metall-Druck 1. Loses Pulver beseitigen (SLS) Bürste/Druckluft/Ultraschall oder autom. Absaugung. 2. I.d.R. mehrstufige Wärmebehandlung: Beseitigung von Spannungen, Erhöhung der Materialdichte & Härte vor Entfernung ggf. vorhandener Stützstrukturen (SLS). 3. Entfernung ggf. mitgedruckter Stützstrukturen (SLS). 4. SLS-Teile werden zur Verbesserung von Materialeigenschaften und Oberfläche oft mit dem jeweiligen Druckpulver gestrahlt (oder konventionell). 5. Konventionelle mechanische Nachbearbeitung: CNC-Schleifen, CNC Fräsen, Polieren, Gewindeschneiden, etc. um ggf. Druckungenauigkeiten auszugleichen (Passungen). 6. Ev. elektrochemische oder Lasermikrobearbeitung der Oberfläche. 7. Am fertigen 3D-Metall-Druckteil kann grundsätzlich jede Oberflächenveredelung vorgenommen werden wie an einem nicht gedruckten Bauteil gleichen Materials.
3D-Metall-Druck, Nachbearbeitung & OT Ausblick
Weiterentwicklung der AM-Technologien I Mehr 3D im Ergebnis (Software): statt STL z.b. Formenbibliothek aus Punktwolkendaten. FabApps zum Herunterladen. Höhere Qualität von Oberflächen & Materialeigenschaften: - bessere bzw. neue Metallpulver. - deutlich geringere Schichtstärken (aktuell <10 µm in Versuchsanlage). - deutlich höhere Schichtstärken für höhere Produktivität. - Neue Materialien (z.b. Graphen). Industrie und Dienstleistungsunternehmen verlangen zunehmend nach Produktionsund nicht nach Prototypen- und Vorserienanlagen: - Deutlich gesteigerte Fertigungsgeschwindigkeiten und Bauraumabmessungen. - SLS: unterbrechungsfreies Drucken (z.b. Trennen von Bauen und Entpacken). - Hybridmaschinen: z.b. drucken und spanen in einem Arbeitsraum.
Weiterentwicklung der AM-Technologien II https://www.youtube.com/watch?v=_popqrob7z8 (MX3D, 1:18min) Multimetall- bzw. Multimaterialdruck (z.b. Graphen): graduell veränderbare Legierungszusammensetzungen entlang von Baukörpern mit völlig neuen Material- & Bauteileigenschaften. Kombination von Verfahren, Einsatz von Robotern mit Werkzeugwechsel führen zu frei beweglichen, mehrachsigen und baulich offenen AM-Systemen.
Auswirkungen auf Geschäftsmodelle I Time-to-market stark reduziert. Ausprobieren neuer Geschäftsmodelle, neuer Produkte oder neuer Produktversionen via AM-Prototypen ist bereits Standard (schneller, billiger). Ersatz bestehender, aus vielen Teilen zusammengesetzter Funktionsteile durch ein AM-Teil (einfach statt komplex, leichter, bessere Funktionalität & Einsatzdauer). Neue Bauteile, die ausschließlich durch AM zu fertigen sind. Ersatzteile selbst drucken. Prognose: In 10 Jahren werden 10% aller Metallteile via AM hergestellt. einzelne herkömmliche Oberflächenveredelungen könnten durch das Mitdrucken von Schichtsystemen in Losgröße 1 bzw. für Klein- und Mittelserien bzw. durch graduelle Multimetall- oder Multimateriallösungen ersetzt werden. Teilweise Lokalisierung globaler Versorgungsketten durch AM (Inhouse, Cloud- Herstellung, Maker-Bewegung, etc.).
Auswirkungen auf Geschäftsmodelle II Chancen z.b. für Galvanotechnik: neue Kunden bzw. Märkte durch kleine und große 3D- Druck-Dienstleister wie z.b. Materialize (BE), Shapeways (US/NL), VirtuMake (AT), etc. Z.B. durch die Metallisierung von AM-Kunststoffteilen. 2014: USD 640 Mio. Materialverkäufe für AM: davon 8% SLS-Metalle, 71% Polymere, etc. Paradigmenwechsel: vom Design für die Fertigung zur Fertigung des Designs. Amazon meldete Patent für 3D-Druck-LKW an. Ziel: bestellte Waren innerhalb der Amazon-Zustell-Lkws zu drucken (Wall Street Journal, 18.09.2015). Empfehlung: Überprüfung der eigenen Strategie hinsichtlich möglicher positiver oder negativer Auswirkungen aus bestehenden und absehbaren direkten und indirekten Entwicklungen aus dem Bereich des Additive Manufacturing auf Kunden und Märkte.
Veranstaltungshinweis 26.11.2015, Solingen (NRW) In 2016 soll sich die Zahl der weltweit ausgelieferten 3D-Drucker auf 500.000 Stück verdoppeln. Damit steigt exponentiell auch die Zahl der mit diesen Geräten gefertigten Teile. Für die Galvanotechnikbranche entsteht ein neues Geschäftsfeld, denn durch die Metallisierung von 3D-Druck Bauteilen lässt sich deren Anwendungsspektrum enorm ausweiten und eine ganze Reihe funktioneller und dekorativer Vorteile erzielen. Gleichzeitig ändert sich auch das Markumfeld für die Galvanotechnik. Zusätzlich zum traditionellen produzierenden Gewerbe treten jetzt 3D- Druck-Firmen wie i.materialize, Shapeways und viele andere als potenzielle neue Kunden in den Markt ein.
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