Martin R. Textor Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung, Würzburg Erziehung/Bildung: statt vergangenheitsgegenwarts- und zukunftsorientiert Pädagogik soll Kinder zukunftsfähig machen. Dazu muss sie sich folgende Fragen stellen: In was für einer Welt werden unsere Kinder in 20 Jahren leben? Mit welchen Herausforderungen werden sie dann konfrontiert werden? Was benötigen sie an Kompetenzen und Kenntnissen, um in 20 Jahren beruflich erfolgreich und privat glücklich zu sein? 1
1. Der bilinguale Kindergarten Um das Jahr 2025 herum wird China die größte und Indien etwa 25 Jahre später die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Erde sein. Im Jahr 2050 wird mit 3 Mrd. Menschen etwa ein Drittel der Weltbevölkerung in diesen beiden Ländern leben. Bilinguale Kindergärten können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass österreichische Kinder schon im Kleinkindalter Englisch, Mandarin, Hindi oder andere Sprachen mit Zukunftspotenzial lernen. 2. Naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtete Kindergärten In den nächsten Jahren wird die Zahl der Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker weltweit stark ansteigen. Sie werden immer mehr Wissen produzieren, immer schneller Erfindungen machen, immer rascher neue Produkte auf den Markt bringen. In Zukunft werden mehr Kindergärten den Schwerpunkt auf Naturwissenschaften und Technik legen. So gibt es beispielsweise in Deutschland bereits 3.000 Kindertagesstätten, die als Haus der kleinen Forscher zertifiziert wurden. 2
3. Kindergärten mit Roboterbetreuung Der Forscher und sein Roboter: Hiroshi Ishiguro, Professor an der Universität Osaka, mit seiner Schöpfung: der Geminoid. Repliee Q2 versteht Sprache und Berührung und kann darauf reagieren. Actroid-DER reagiert auf Anweisungen in Japanisch, Chinesisch, Koreanisch und Englisch. 4. Multimedialer 24-Stunden- Elite-Kindergarten Mütter werden nach der Geburt eines Kindes immer früher an ihren Arbeitsplatz zurückkehren und immer länger arbeiten. Mehr Eltern werden spätnachmittags, am Abend oder am Wochenende arbeiten. Zunehmend werden Überstunden erwartet; in manchen Berufsgruppen fallen Dienstreisen an. In Zukunft wird es mehr Kindergärten mit überlangen Öffnungszeiten oder sogar einer 24 Stunden-Betreuung an allen sieben Tagen der Woche geben. 3
Ganztagsbetreuung: Was bleibt an Familienzeit? Alter 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre Wachzeit: Schlafdauer: Ganztagsbetreuung: Fernsehzeit: Familienzeit: 13 Std. 45 Min. 10 Std. 15 Min. 13 Std. 12 Std. 11 Std. 30 Min. 11 Std. 12 Std. 12 Std. 30 Min. 11 Std. 13 Std. 8 Std. 8 Std. 8 Std. 8 Std. 8 Std. 0 Min. 0 Min. 73 Min. 73 Min. 73 Min. 2 Std. 15 Min. 3 Std. 2 Std. 47 Min. 3 Std. 17 Min. 3 Std. 47 Min.... und in die Familienzeit fallen noch Transport- und Einkaufszeiten oder Zeiträume, in denen sich die Kinder alleine beschäftigen... 5. Der Kindergarten als Familienzentrum Eltern delegieren immer mehr Betreuungs- und Bildungsaufgaben, erleben mehr Erziehungsunsicherheit und -schwierigkeiten, haben verhaltensauffällige Kinder, leiden unter Familienproblemen und -belastungen. Familienzentren legen einerseits einen besonderen Schwerpunkt auf die Familienbildung und machen andererseits viele Hilfsangebote für Eltern. 4
6. Der Kindergarten als multiprofessionelles Familienhaus Insbesondere in einer Großstadt wie Wien werden die Kindergartengruppen immer bunter werden. Auch wird es sicherlich österreichische Eltern geben, die für ihre Kinder eine Ganztagsbetreuung ablehnen, die gegen eine Verschulung von Kindertageseinrichtungen sind und ihren Kindern eine unbeschwerte Kleinkindheit erhalten wollen. Für diese Zielgruppe könnte das multikulturelle Familienhaus geeignet sein. Weitere Formen Sicherlich wird es in Zukunft auch Kindergärten mit anderen Konzeptionen geben: Sie werden unterschiedlichen pädagogischen Ansätzen folgen, verschiedene Raumkonzepte haben, sich hinsichtlich der Altersmischung unterscheiden, entweder mit offenen oder mit geschlossenen Gruppen arbeiten. Vermutlich wird es mehr Kindergärten für Kinder reicher Österreicher und mehr Kitas geben, in denen sich Kinder aus sozial schwachen Familien und aus zugewanderten Familien ballen. Die Kita- Landschaft wird somit noch bunter und vielfältiger werden. 5
Schlusswort Das Schöne an der Zukunft ist, dass sie offen ist sie kann von uns gestaltet werden. Es liegt also letztlich an Fachkräften, Eltern, Kindern, Trägern und politisch Verantwortlichen, wie der Kindergarten der Zukunft aussehen wird. Die Ansprüche an KindergartenpädagogInnen werden in Zukunft zunehmen: Sie müssen nicht nur die Bildung von Kleinkindern intensivieren, sondern auch den abnehmenden Einfluss der Familienerziehung kompensieren. Das wird nur mit einer höherwertigen Ausbildung, einer intensiveren Fortbildung sowie besseren Rahmenbedingungen möglich sein. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Zum Weiterlesen: Textor, M.R.: Zukunftsentwicklungen. Norderstedt: BoD 2010 Textor, M.R.: Kinder zukunftsfähig machen. Norderstedt: BoD 2012 6