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Transkript:

Eröffnungsrede zur Ausstellung Gladbacher Lithokate Wolfram W. Kuhlen zum Gedächtnis. Zwischenstation des BIS-Zentrums im MMIII, Kunstverein Mönchengladbach vom 29.9. 27.10.13 Sehr geehrte Damen und Herren, das Sammeln von Kunst ist eine Leidenschaft. Ich denke, Ihnen, die Sie sich hier anlässlich der Ausstellungseröffnung Gladbacher Lithokate Wolfram W. Kuhlen zum Gedächtnis versammelt haben, muss ich das nicht weiter erläutern. Vermutlich finden sich in jedem der durch Sie hier verkörperten Haushalte mehr als 10 Kunstwerke. Und wenn ich von Kunstwerken rede, meine ich Originale, keine Kunstdrucke, sondern von Künstlerhand erstellte oder autorisierte Arbeiten. Wahrscheinlich sind es durchschnittlich noch wesentlich mehr als fünf. Vielleicht ist sogar der eine oder andere professionelle Sammler unter uns? Jemand, den der Kunstkritiker Peter Sager in seinem 1992 erschienenen Buch Die Besessenen Begegnungen mit Kunstsammlern hätte einbinden können. Die Besessenen! Was für ein treffender Titel! Denn wir wissen ja, nicht erst seit Karl Valentin, bezogen auf den Kunstschaffenden: Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Auch das Sammeln kann mitunter anstrengend werden, wenn beispielsweise wieder mal ein Platz für ein neu erworbenes Werk an den übervollen Wänden gefunden werden will. Und wenn es darum geht, sich wie Wolfram W. Kuhlen an der Schnittstelle zwischen Künstler und Sammler zu bewegen und überdies als Multiplikator aktiv zu sein, dann ist, wie Sie wissen, jede Anstrengung erlaubt, keine Hürde ein wirkliches Hindernis und jede vielleicht aufkeimende Frage nach dem Sinn oder Unsinn des Ganzen entweder beantwortet oder im Keim erstickt. Ich glaube, Wolfram W. Kuhlen war so ein Besessener. Und das meine ich durchaus liebevoll. Ich habe ihn nicht persönlich gekannt, doch mir sind in den letzten Monaten viele Geschichten zu Ohren gekommen. Geschichten über sein Leben, seine Arbeit als Buchdruckermeister, seine Vorliebe zu schreiben, seinen Umgang mit den Menschen, sein Auftreten etc. Genannt sei da, nur um ein Merkmal unter vielen anderen zu nennen, die braune Lederjacke. Sie scheint eine Art Markenzeichen gewesen zu sein und wurde selbst dann getragen, wie mir berichtet worden ist, wenn es lediglich darum ging, die Straße zu überqueren. Ein weiteres, sehr wichtiges Element der Gesamterscheinung oder auch Marke Kuhlen war jener legendäre Streuselkuchen. Mehrfach wurde ich auf diesen Streuselku- 1

chen hingewiesen, der zu den nicht weniger bei allen Beteiligten in sehr guter Erinnerung gebliebenen Künstlerfrühstücken gereicht wurde. So verwundert es nicht und ist geradezu folgerichtig, dass wir auch heute, im Anschluss an den offiziellen Teil der Eröffnung, Café und Streuselkuchen anbieten können. Er wurde in bewährter Tradition von der Familie Kuhlen eigenhändig hergestellt, wofür ich ein herzliches Dankeschön aussprechen möchte. Neben all diesen mehr privaten Geschichten, habe ich auch viel über Wolfram W. Kuhlens Liebe zur Kunst erfahren, also über das Thema, das ihn bereits früh schon interessierte. Diese Begeisterung fußte in einem Holzdruck von Ewald Mataré, dem Doppelhuhn aus dem Jahr 1963, und führte von dort unmittelbar zu Joseph Beuys, der 1952 Meisterschüler von Mataré war. Ihn, also Beuys, lernte Kuhlen am 23.6.1982 im Rahmen der Eröffnung des Museums Abteiberg persönlich kennen, was nicht ohne Folgen bleiben sollte. Denn abgesehen von einer Widmung auf der Sonderbeilage der Rheinischen Post zur Museumseröffnung (ausgestellt), keimte in Kuhlen die Idee vom Meister und seinen Schülern. Es ist jener von Beuys so vehement propagierte Gedanke des erweiterten Kunstbegriffs, der Kuhlen fasziniert hat, gekoppelt an die von Beuys nicht weniger vehement praktizierte Weitergabe dieser Idee an den Kreis seiner Schüler. So kommt es, dass Kuhlen, parallel zu seinem Broterwerb, die Idee einer Graphik- Edition mit Schülern von Beuys entwickelt, mit der er 1992 unter dem Label Gladbacher Lithokate Aus der Sammlung Beuys und seine Schüler an die Öffentlichkeit getreten ist. Konkret entsteht anlässlich einer Ausstellung von Jonas Hafner in der Galerie Spiecker in Viersen-Dülken eine besondere Einladungskarte, die auf Vorschlag des Künstlers hin perforiert wurde, so dass sie auf Wunsch in vier einzelne Teile getrennt werden kann. Zusätzlich wurde in einer besonderen Auflage von 50 Exemplaren das Motiv der für Hafner so typischen Schwanenfrau im Einzelabzugsverfahren gedruckt. Folge davon sind 50 durch die Drucktechnik variierende Unikate, die dann vom Künstler signiert worden sind. Die ersten Gladbacher Lithokate waren damit entstanden. Bereits in den 70er Jahren hat Wolfram W. Kuhlen die Roll-Druck-Grafik entwickelt die, wie er notiert hat, als Vorläufer der Lithokate zu verstehen ist. Mittel zum Zweck ist die mechanische Seele der einstigen Druckerei, jene wunderbare Buchdruckpresse, der sogenannte Heidelberger-Tiegel aus dem Jahr 1957, der auch heute noch funktionstüchtig ist. Wer einmal das Vergnügen hatte, diese Maschine mit all ihren Walzen, dem Fundament, dem Farbwerk, dem Duktor, dem Verreiber und den zahlreichen weiteren mechanischen Elementen in Betrieb zu erleben, bekommt eine Ahnung davon, auf welch faszinierende Weise hier pure Technik, edelstespapier, Farbe und viel Gespür des Druckermeisters schon bei einem normalen, also vervielfältigenden Druckvorgang eine Verbindung eingehen. 2

Umso aufwändiger ist die Erstellung der Lithokate, da hier jedes Blatt einzeln mit immer wieder individuellem Farbauftrag bedruckt worden ist. Die Bezeichnung Lithokat ist ein Wortschöpfung von Wolfram W. Kuhlen, die die Gedanken des Druckerzeugnisses in Form der Lithografie mit dem des Unikates verschmelzen lässt. Begriff und Technik unterliegen dank Wolfram Kuhlen dem Urheberrecht und sind bis 2060 geschützt. Mit dem ersten Lithokat von Jonas Hafner beginnt die allmähliche Umsetzung einer Idee hin zu einem sehr umfangreichen Kunstprojekt. Bis zu seinem Tod im Jahr 2010 veröffentlicht Kuhlen mit insgesamt 20 Beuys-Schülern, einige davon Meisterschüler, rund 160 Auflagenwerke von jeweils 50 Exemplaren im DIN á 4 Format. Hinzu kommt noch die knapp 30 Arbeiten umfassende sog. kleine Lithokat-Edition in Postkartengröße, deren Auflage jeweils zwischen 50 120 Werken variiert. Fasst man die gesamte Produktion zusammen, sind in 18 Jahren gut 11.000 Blätter entstanden, die alle auf feinstem Büttenkarton in Handarbeit gedruckt worden sind. Tatsächlich dürften es noch ungleich mehr Arbeiten gewesen sein, da Wolfram W. Kuhlen zum einen rund 3800 Blätter für die Künstler, die sog. artistproofs, anfertigt und zum anderen größten Wert auf die Einhaltung der zahlreichen Sonderwünsche der beteiligten Künstler gelegt hat. So ist es durchaus vorgekommen, dass ein kompletter Satz von 50 Exemplaren im Nachhinein wegen Farbunstimmigkeiten oder anderer Widrigkeiten vernichtet und neugedruckt wird, oder aber schon mal 20 Probedrucke erstellt werden müssen, bis das gewünschte individuelle Ergebnis vorliegt. Ich denke mir, dass es neben der Begeisterung von Wolfram W. Kuhlen für die Kunst auch dieser Hang zum Perfektionismus ist, der ihn mit vielen der hier beteiligten Künstler verbunden hat. Wie ließe es sich sonst erklären, dass sich beinah alle von ihnen über die Jahre hinweg immer wieder erneut an der Erstellung der Lithokate beteiligt haben. Ohne hier ein Stückzahlenranking zu betreiben ist es aber doch erwähnenswert, dass es, bezogen auf die große Edition, allein schon von Jonas Hafner 21 unterschiedliche Arbeiten gibt, gefolgt von Künstlern wie Irmel und Felix Droese, Daniela Floersheim, Soulis Moustakidis sowie Harry Ritzerfeld. Auch alle anderen Künstler wie Klaus Beck, Walter Dahn, Ruprecht Dreher, Jürgen Drewer, Harald Finke, Dinah Frank, Ulla Grigat, Heiner Koch, Erinna König, Angelika Kühnen, Martin Lersch, Marianne Reiners-Maaz, Katharina Sieverding und Johannes Stüttgen wären, so vermute ich, der Aufforderung Kuhlens nicht mehrfach gefolgt, wenn sie nachhaltig mit den Ergebnissen gehadert hätten. Im Gegenteil. Die gemeinsame Arbeit führte, wie Kuhlen schreibt, zwischen Künstler und Druckermeister zu mancher freundschaftlichen Verbindung. Und diese, da bin ich mir ziemlich sicher, kann nicht an übermäßige merkantile Höhepunkte geknüpft gewesen sein. Und das auf beiden Seiten! Denn Bedingung von Kuhlen war der extrem günstige Verkaufspreis der einzelnen Blätter, der bis zum 3

Schluss die 40 EURO-Grenze nicht überschritten hat. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass, neben dem besagten Streuselkuchen, insbesondere Kuhlens Ansatz, hochwertige Arbeiten zu kleinem Geld den Menschen nahezubringen, alle Beteiligten immer wieder zur Teilnahme an diesem ehrgeizigen Unternehmen motiviert hat. Macht Kunst nicht erst dann richtig Sinn, wenn sie bei den Menschen ankommt? Das ist eine Frage, die auch ich mir als Kunstvermittler immer wieder stelle. Und die Gladbacher Lithokate aus dem Hause Kuhlen sind bei den Menschen angekommen. Losgelöst von den Formen städtischer Kunstförderung, beispielsweise in Form von Museumsausstellungen, entfaltet Wolfram W. Kuhlen über die Jahre hinweg eine, wie er selbst schreibt private Initiative zur Kulturlandschaft am linken Niederrhein mit dem Zentrum im eigenen Haus. Dabei sind schon früh Teile der Arbeiten an anderen Orten vorgestellt worden, so 2002 in der Städtischen Galerie Villa Zanders in Bergisch Gladbach, der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen oder der Versicherungskammer Bayern, in München 2003. Höhepunkt ist eine umfangreiche Präsentation 2002 in dem Galerie-Museum der Künstlerunion in Moskau sowie die Aufnahme der sog. Russland-Mappe in die Sammlung der dortigen Tretjakow Galerie. Die heutige Ausstellung knüpft nun an die grundlegende Idee der Kuhlen schen Kunstvermittlung an und gewährt, drei Jahre nach dem Tod von Wolfram W. Kuhlen, nochmals einen kleinen Einblick in die umfangreiche künstlerische Produktion. In einer Auswahl von knapp 70 großen und 20 kleinen Lithokaten aller beteiligten Künstler lässt sich das enorme Spektrum an Kreativität und Können ablesen. Zu unterscheiden sind dabei jene Werke, die ihren singulären Charakter durch den beschriebenen Druckvorgang erhalten haben, wie etwa die Werke von Hafner, Sieverding und Stüttgen, oder die Arbeiten, die zusätzlich durch nachträgliche Übermalungen um individuelle Facetten erweitert worden sind, wie einige Werke von Felix und Irmel Droese sowie Martin Lersch. Wieder andere Blätter erhielten ihren jeweils unikatärencharkter durch eine Stempelung, wie die Blätter von Johannes Stüttgen und Walter Dahn oder in Form des Daumenabdrucks von Heiner Koch. In welcher Form auch immer die Werke überarbeitet worden sind - Fakt ist, dass es sich tatsächlich bei jedem der im Hause Kuhlen entstandenen Werke nicht nur um ein Original handelt, sondern zudem um ein Unikat. Ergänzt wird die Ausstellung um rund 35 weitere Kunstwerke aus der Sammlung der Familie Kuhlen. Wie nicht anders zu erwarten, handelt es sich dabei in erster Linie um Werke von denjenigen Künstlern, die auch in die Produktion der Lithokate eingebunden waren. Unter den Arbeiten findet sich die eine oder andere Vorlage für den anschließenden Druck eines Lithokates, etwa von Ritzerfeld, Droese oder Hafner, aber auch Arbeiten 4

von Künstlern wie Clemens Weiss, Anatol oder Marianne Reiners-Maaz. Viele der Werke sind von großer persönlicher Note und mit Widmungen versehen wie bei Anatol, Beuys und abermals Hafner. Und alle Arbeiten sind irgendwie an eine kleine Geschichte gekoppelt. Abgerundet wird die Präsentation im MMIII durch jene braune Lederjacke, die fester Bestandteil der Geschichten von und über Wolfram W. Kuhlen ist. Es sind diese Geschichten, die Kuhlen Zeit seines Lebens wie die Kunst selbst gesammelt hat. So ist jedem Lithokat ein Informationsblatt mit einer Kurzvita des Künstlers sowie einigen Gedanken zu seiner jeweiligen Arbeit beigelegt, ergänzt oftmals um eine Anekdote zu ihrer Entstehung. Alles zusammen steckt in einem Umschlag, der wiederum, versehen mit dem Logo der Edition Gladbacher Lithokate, sowie einer vervielfältigten Signatur von Joseph Beuys, als Gesamtpaket dem Käufer ausgehändigt worden ist. Und derer gab es viele, wie ich bei der Vorbereitung zu dieser Ausstellung den Unterlagen entnehmen konnte. Treibende Kraft des Ganzen ist über Jahre hinweg Wolfram W. Kuhlen, der mit größtem Engagement immer wieder die Künstler, seine Künstler, aufgesucht und zur Mitarbeit animiert hat. Umgekehrt zählte Künstlerbesuch im Hause Kuhlen regelrecht zum Alltag, was auch der Familie Kuhlen aufschlussreiche und schöne Eindrücke bereitet hat. So entwickelt sich durch die Unterstützung von Frau Kuhlen sowie der Kinder im Haus so etwas wie ein Familienbetrieb in Sachen Kunst und Kunstvermittlung. Und das ist schon etwas Besonderes. Doch nicht nur das. Flankiert wird der kleine Betrieb durch verschiedene Firmen, die in die Produktion der Lithokate in irgendeiner Form einbezogen waren. Hier ist insbesondere Peter Boden zu nennen, der in seiner Werkstatt in Giesenkirchen und in enger Absprache mit Wolfram Kuhlen so ziemlich alle Rahmungen vorgenommen hat. Ihm verdanken wir auch heute einen Großteil der extra angefertigten Rahmen. Vielleicht gab es noch zahlreiche weitere Helfer und zuarbeitende Hände, die am Gesamtprojekt der Gladbacher Lithokate unter der Federführung von Wofram Kuhlen beteiligt gewesen sind. Sie alle haben letztlich dazu beigetragen, dass eine Idee, die Idee Wolfram W. Kuhlens, Gestalt annehmen konnte. So sind die Gladbacher Lithokate mehr als nur hochwertige Unikate bekannter Künstler zu erschwinglichen Preisen. Ihr eigentlicher Wert ist vielmehr ein ideeller. Sie belegen, dass die Arbeit des Einzelnen, des Künstlers, durch die Arbeit mehrerer, Kuhlen und Co., in die Hände Vieler, Sie, ich, wir, gelangen kann. Die Gladbacher Lithokate sind ein schöner Beleg dafür, dass Kunst teilbar ist, so, wie die erste Arbeit aus der Serie teilbar ist, die besagte perforierte Einladungskarte von Jonas Hafner. Und ich glaube, der Gedanke des Verteilens ist etwas, das Kuhlen über Jahre hinweg bei seiner Arbeit beflügelt hat. Manchmal, meine Damen und Herren, wird große Kunstgeschichte im kleinen Umfeld geschrieben. Wolfram W. Kuhlen hat, so finde ich, mit seiner Druckerei auf der Burgfreiheit in Mönchengladbach-Odenkirchen seinen Part dazu beigetragen. 5

Dr. Christian Krausch 6