Familie des Schmiedemeisters in Königshütte Karl SAGAN (1829-1910)



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Transkript:

1 Dr. Claus Christoph 26.1.2010 Familie des Schmiedemeisters in Königshütte Karl SAGAN (1829-1910) Als im Jahr 1740 der preußische König Friedrich II, der Große, Schlesien eroberte, lebten unsere Sagans bereits als Fleischhacker in dem kleinen Dörfchen Zyrowa, etwa fünf Kilometer östlich der Oder am südwestlichen Hang des Annaberges (Berg Chelm) im Kreis Groß Strehlitz, etwa 30 Kilometer südsüdöstlich der Provinz-Hauptstadt Oppeln. Zyrowa besteht noch heute aus einem großen Rittergut mit einem prächtigen Barock-Schloß samt schönem Park, Teich und schattigen Alleen, das seit 1631 den Grafen Gaschin gehörte. In dem dort gelegenen gleichnamigen Dorf Zyrowa - lebten damals etwa dreißig Familien, die auf dem Rittergut oder für das Rittergut und Schloß arbeiteten. Im Dorf Zyrowa sprachen die Menschen die alte slawische Sprache, die man später Wasser-Polnisch nannte, während man westlich der Oder und allgemein in den schlesischen Städten deutsch sprach. Die Kirche von Schloss Zyrowa Zyrowa war eine Filiale der zwei Kilometer entfernten Pfarrei Jeschona. Hinweis: Auf meiner Website: http://www.christoph-www.de/comics.html findet man einen Comic zur Geschichte von Zyrowa! Die Familien Zagan wohnten jeweils in einem eigenen Haus in Zyrowa und arbeiteten über Generationen dort als Fleischer. Weil der deutsche Laut S im slawischen Alphabeth als Z geschrieben wird, findet man in den alten Kirchenbüchern unsere Sagan slawisch geschrieben als Zagan. Die Kirchenbücher der katholischen Pfarrei Jeschona, heute Jasiona genannt, waren schon vor dem 2. Weltkrieg (1939-1945) nur ab 1720 erhalten. Der erste Eintrag zu Zagan findet sich zehn Tage vor Beginn des 2. Schlesischen Krieges am 4. August 1744 im Heiratsbuch Jeschona. Damals heiratete der Witwer aus Zyrowa Anton Zagan. Er muss also schon vor dieser Zeit in Zyrowa gelebt haben, auch weil zu der Zeit der Hochzeit seine junge Braut Elisabeth Lang [richtig wohl Langer] - im Kirchenbuch als Mädchen bezeichnet - bereits im 5. Monat schwanger gewesen war. Aber jetzt springe ich über mehrere Generationen Zagan bis zur Geburt von Karl Ignatz Sagan. Am 30. Januar 1829 wurde dem Ehepaar Georg Sagan, Fleischermeister in Zyrowa, und Franziska geborene Krupa, ein Sohn geboren, der in der nahen katholischen Pfarrei Jeschona auf die Namen Karl Ignatz getauft wurde.

2 Seit mehreren Generationen übten die Sagans in Zyrowa den Beruf des Fleischhackers, also des Fleischers aus. So könnte man zunächst vermuten, dass auch Karl diesen Weg einschlagen würde. Aber im Jahr 1843, als Karl in die Lehre kam, war sein Vater erst 39 Jahre alt, weshalb wohl die Fleischerstelle in Zyrowa noch lange besetzt sein würde und besser für einen jüngeren Bruder von Karl erhalten werden sollte. Karls Großvater Johann Krupa arbeitete in Zyrowa als Schloßschneider, war also ein Schlossermeister. Er bzw. sein Schlosser-Sohn scheint die Weichen für die Wahl des Berufs von Karl gestellt zu haben. Königshütte im Jahr 1900 Karl Sagan lernte also laut Herbert Kirchner, der sich schon in den 1930er Jahren mit den Vorfahren seiner Ehefrau beschäftigte, den Schlosserberuf und wurde nach drei Jahren Geselle. Ich habe starke Zweifel daran, da Karl Sagan später ja Schmiedemeister war, was damals eine Lehre zum Schmied verlangte! Nach Abschluß der Lehre musste Karl in Preußen natürlich zu den Soldaten, um seinen Wehrdienst abzuleisten. Anschließend zog er zur Weiterbildung auf die vorgeschriebene Wanderschaft, bevor er seine Meisterprüfung ablegen konnte. Das dürfte etwa 1855 und vermutlich in Königshütte gewesen sein. Damals herrschten wirtschaftlich sehr schwierige Zeiten. Doch Karl hatte Glück. Die Stadt Königshütte entstand rund um die 1802 eröffnete große Eisenhütte, die auf Grund eines

3 Vorschlages des Grafen v. Reden und der Genehmigung durch den preußischen König an dieser Stelle errichtet worden war. Die Stadt bestand zu Karls Zeiten schon aus mehreren Ortsteilen, ehemaligen Dörfern, die in die Stadt eingemeindet worden waren, vgl. das Bild auf Seite 2. Königshütte wuchs damals am stärksten in ganz Schlesien und genau dort hin ging Karl! Er konnte aber noch nicht sesshaft werden. Auch als er in Königshütte (heute: Chorzow) am 20. November 1859 seine Braut, die Putzmacherin Antonie Gnielka verwitwete Schweda, heiratete - Karl war bereits 30 Jahre alt - zog die junge Familie noch mehrmals mit der Arbeit mit. Antonie hatte in die neue Familie ihren damals vierjährigen Sohn August Schweda eingebracht. Die junge Ehefrau war die Tochter des Maurers Andreas Gnielka und dessen Ehefrau Johanna Ozegowsky. Antonie war am 10. Juni 1832 in der nahen Stadt Gleiwitz geboren. Das Paar Karl und Antonia Sagan hatten sieben gemeinsame Kinder: Ernst Andreas Sagan, geb. 29. November 1860 in Königshütte (heute: Chorzow). Er betrieb später einen Kolonialwaren-Laden und wurde später Gastwirt; Johann Sagan, geb. um 1862. Er wurde Schmiedemeister in Königshütte (heute: Chorzow), übernahm das Geschäft seines Vaters. Als er 1921 Königshütte verlassen musste, ging er nach Breslau-Wilhelmsruh; Paula Sagan, geb. um 1863. Sie heiratete einen namens Pannek, wurde von ihm aber nach kurzer Zeit verlassen; Theophila Sagan, geb. um 1865. Sie heiratete den selbständigen Fleischermeister Schlesiona. Die Schlesionas gingen 1921 nach Beuthen; Hedwig Maria Sagan, geb. 13. Oktober 1869 in Königshütte (heute: Chorzow). Hedwig heiratete den selbständigen Tischlermeister Emanuel (Wilhelm Ernst) Jakob. Die Familie ging 1921 nach Oppeln; Heinrich Franz Sagan, geb. 8. Juli 1871 in Michalkowitz Kreis Kattowitz. Er wurde ein selbständiger Eisenwaren-Kaufmann und musste 1921 nach Breslau; Maria Sagan, geb. 30. August 1873 in Michalkowitz Kreis Kattowitz (heute: Chor-zow). Sie heiratete den selbständigen Kaufmann Karl Kramer. Das Paar ging 1921 nach Beuthen. Erst um das Jahr 1874 konnte Karl als gestandener Schmiedemeister von etwa 45 Jahren in der aufblühenden Stadt Königshütte (heute: Chorzow) eine bescheidene, alte Hofstelle kaufen, um sich selbständig zu machen. Ein Familienvater, der damals elf Menschen zu ernähren und zu kleiden hatte, dessen Geldbeutel war für großartigere Käufe gar zu dünn. Aber die Lage des Grundstücks war für Karls Schmiede ideal, im Zentrum von Königshütte, vgl. die Karten auf Seite 2 und hier oben. Vorn an der Straße lag das Wohnhaus für die große Familie. In der geräumigen Küche stand auch ein

4 Tisch für die Fuhrknechte. Während die Pferde beschlagen wurden, konnten die Kutscher dort Schnaps und Bier trinken und etwas zu essen bekommen. Das war eine von Antonies Aufgaben. Über den großen Hof hatte Karl seine Schmiedewerkstatt einrichtet. Es gab auch einen kleinen Stall für Pferde und das eigene Getier. Die Fuhrleute konnten in den Hof hinein fahren und dort die Pferde beschlagen lassen. Hinter dem Haus lag ein Garten und ein kleines Feld. Die Familie hielt Hühner, Gänse und einige Ziegen, die von den Töchtern zu versorgen waren. Oben im Haus wohnte in einem kleinen Stübchen die schon lange verwitwete Schwiegermutter von Karl, die Johanna Gnielka geb. Ozegowsky. Rechts neben Karls Schmiede befand sich das elegante "Wandels Hotel" mit Säulenportal. Dieses Hotel wurde 1900 abgerissen und an dieser Stelle das riesige und prächtige Hotel Graf Reden erbaut. Es war bis 1980 das beste Hotel in Königshütte. Heute (2009) werden seine großen Säle für ein staatliches Unterhaltungs- Theater unter dem Namen Teatr Rozrywki genutzt mit Zugang von der Straße Marii Konopnickiej, früher Redenstraße. Hinweis: Wenn man Teatr Rozrywki in http://maps.google.de/ eingibt, sieht man das heutige Chorzow und die Lage, wo früher die Schmiede von Karl Sagan stand! Die von mir vermutete Lage von Karls Schmiede neben dem Hotel an der damaligen Teichstraße zeigt das Bild rechts. Auf der Straße gegenüber der Schmiede stand damals die Seifenfabrik "Leschnitz" mit einem Geschäft für Seifen und Waschmittel. In den Ferien half Maria geb. Sagan gern dort ihrer älteren Schwester Paula, die da die Verkäuferin war. Hier lernte Maria geb. Sagan auch ihren späteren Ehemann kennen, Karl KRAMER, den damaligen Prokuristen dieser Seifenfabrik. Die junge Stadt Königshütte entwickelte sich stürmisch aufwärts. Sie hatte zwar schon länger einen Eisenbahnanschluss, aber der meiste Verkehr wurde durch Pferde-Fuhrwerke bewältigt. Auch viele Bauern trieben teils gewerbsmäßig, teils gelegentlich Vecturanz, wie man das Gewerbe der regelmäßigen Fuhren für Gruben, Hütten und Industrie nannte. Für einen Hufschmied gab es also meist Arbeit. Karl Sagan arbeitete deshalb oft und viel als Hufschmied, aber längst nicht immer! Die jüngste Tochter von Karl, Maria Sagan verheiratete Kramer, erinnerte sich: Die Schmiedegesellen, also die Söhne von Karl, schürten das Schmiedefeuer, sie schwangen die Hämmer und ließen den Ambos erklingen. Sämtliches Eisen-Zeug wurde von Hand aus Rohstahl angefertigt, auch Nägel und Hufeisen. Der große Hof war erfüllt von Leben und den Klängen des Amboss' der fleißigen Handwerker. Acht Kinder hatten die Eltern von Maria geb. Sagan, worunter auch der Sohn August Schweda aus erster Ehe der Mutter Antonie Sagan geb. Gnielka gezählt ist. Maria geb. Sagan war die Jüngste. Die Brüder arbeiteten alle in der Schmiede - später wurde der Älteste Kolonialwaren-Händler. Er

5 führte Drogerie-Artikel, Tabakwaren, Lebensmittel aller Art, Heringe, Petroleum, Waschmittel, auch Eisenwaren wie Kochplatten, Herdringe, Ofenrohre, Nägel, dann Futter- und Düngemittel, kleinen Handwerksbedarf, Carbolineum, Werg zum Dichten, Schamottmehl, Gips. Auf den Schubfächern standen die mit Blaustift handschriftlich aufgetragenen Warenbezeichnungen wie Kardamon, Sennesblätter, Fenchel, Schwefelblüte, Schellack, Panamaspäne, Alaun... Danach wurde Ernst Gastwirt. Die vier Mädchen hatten viel zu tun. Die Schule war den Eltern nicht so wichtig. Hühner, Gänse und einige Ziegen wollten versorgt sein. Damals mussten auch Strümpfe, Socken u.s.w. noch gestopft werden, wenn sie Löcher hatten. Dazu gab es Stopfpilze, Stopftwiste in allen Farben und lange Stopfnadeln. Mädchen mussten das lernen. Oben im Haus des Schmiedemeisters wohnte dessen Schwiegermutter Johanna Gnielka, die Großmutter der 65. Geburtstag von Karl Sagan und seine Familie (Text unten) Kinder von Karl und Antonie. Maria Sagan ging gern zu ihr. Die Großmutter war schon sehr gebrechlich und hatte "offene Beine". Ging die Woche zu Ende, so verwandelte sich der Hof zu einem Festplatz. Er wurde sauber gefegt, und nun wurde musiziert und getanzt. Ein Leierkasten ließ frohe Töne erschallen. Die Burschen und Mädchen drehten sich im Tanz. Für Maria geb. Sagan war es eine glückliche Zeit. Die großen Brüder beherrschten das hohe Einrad, das sie selbst gebaut hatten. So zeigten sie ihre Künste. Die tüchtigen Gesellen bastelten noch vor der Jahrhundertwende (1899/1900) einen "Selbstfahrer" - einen Vorläufer des Autos (Allerdings: Gottlieb Daimlers 1. Auto schon 1886!). Der Selbstfahrer wurde zum großen Gaudi zu Fahrten zwischen Königshütte und Kattowitz eingesetzt. Die einfache Strecke beträgt etwa fünf Kilometer. So erlebte Maria geb. Sagan eine wunderschöne Jugend. Sie zeigte ihren Enkeln auch wie damals getanzt wurde: Polka mit dem Lied: "Siehste wohl da kimmt er, lange Schritte nimmt er, siehste wohl da kimmt er schon, der versoffne Schwiegersohn". Wir Enkel tanzten alle mit unserer Oma Maria geb. Sagan im Polkaschritt den langen Flur entlang. Im Jahr 1894 feierte der Schmiedemeister Karl seinen 65. Geburtstag. Leider kenne ich nur die Hälfte der Personen ganz sicher, die auf dem Foto von Seite 5 abgebildet sind. Von links sieht man: Heinrich Sagan (?), Theophila Sagan (?), die Mutter Antonie Sagan geb. Gnielka, Johann Sagan (?), den Vater Karl Ignatz Sagan, Maria Sagan (?), Hedwig Jakob geb. Sagan und ihren Ehemann Emanuel Jakob. Maria Sagan verheiratete Kramer berichtete auch, dass ihr Vater Karl später Obermeister des

6 Schmiedehandwerks in Königshütte war. Um das Jahr 1897 wurde es stiller in der Familie des Schmiedemeisters. Die Kinder waren inzwischen alle verheiratet. Das Ehepaar Karl und Antonie Sagan genossen ihren verdienten Ruhestand. Antonie verheiratete Sagan starb mit 70 Jahren am 14. März 1903 in Königshütte (heute: Chorzow). Der Schmiedemeister Karl Sagan überlebte sie um gut sieben Jahre. Er starb - auch in Königshütte - am 20. Oktober 1910. Er wurde also 81 Jahre alt. Bis 1900 blieb die Sagan-Familie eine genetisch rein slawische Familie, die von Haus aus polnisch sprach, auch sämtliche Kinder taten das, aber natürlich beherrschten alle auch die deutsche Sprache und politisch hatten alle eine eindeutig deutsche Gesinnung. Das zeigte sich besonders deutlich 1921, als Frankreich entgegen des Ergebnisses der Volksabstimmung die Stadt Königshütte mit ihren wertvollen und bedeutenden Grubenwerken, Hütten- und Industrieanlagen dem neuen polnischen Staat zuschob. Die Familien der Sagan-Kinder verließen darauf ihre Heimat und gingen in das noch deutsch gebliebene Schlesien.