Von Generation zu Generation: Den Teufelskreis der Traumatisierung verstehen und durchbrechen. Prof. Dr. Felix Bermpohl



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Transkript:

Von Generation zu Generation: Den Teufelskreis der Traumatisierung verstehen und durchbrechen Prof. Dr. Felix Bermpohl Psychiatrische Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus

BMBF-Forschungsverbund Von Generation zu Generation: Den Teufeskreis der Gewalt verstehen und durchbrechen Sprecher: R. Brunner

Was erwartet Sie? 1. Hintergrundinformation, Stand der Forschung 2. Neue Mutter-Kind-Sprechstunde 3. Aktuelle Studie 4. Bitte um Ihre Hilfe

Stand der Forschung

Arten der Traumatisierung Potenziell traumatisierende Ereignisse: z.b.: Naturkatastrophen, Geiselnahme, sexueller Missbrauch, körperliche Gewalt, Unfälle, Krankheit, Folter, Raubüberfall, Stalking Diagnostik: CECA (Childhood Experience of Care and Abuse Interview) -> Faktenorientierung, quantitativ auswertbar Vernachlässigung durch Eltern Sexueller Missbrauch Hauptskalen Körperliche Misshandlung Psychische Misshandlung

Der Teufelskreis der Traumatisierung Teufelskreis der Traumatisierung klinisch oft beobachtet Prospektive Studien: 20%-30% von Misshandlungs- oder Missbrauchsopfern geben diese Erfahrung an ihre eigenen Kinder weiter

Folgen (unverarbeiteter) mütterlicher Traumata für die Mutter-Kind-Interaktion Traumatisierung der Mutter Traumatisierung des Kindes Keine Traumatisierung, aber doch Einfluss auf Mutter-Kind-Interaktion Z.B. bei depressiven Müttern

Folgen (unverarbeiteter) mütterlicher Traumata für die Mutter-Kind-Interaktion passiver Rückzug der Mutter vom Kind; Tendenz zur Rollenumkehr ängstliches oder ängstigendes Verhalten gegenüber dem Kind verminderte Feinfühligkeit in der Mutter-Kind-Interaktion höhere Intrusivität und Feindseligkeit in der Mutter-Kind- Interaktion widersprüchliches, unvorhersagbares Verhalten der Mutter Für Väter gilt sicher Ähnliches.

Folgen (unverarbeiteter) elterlicher Traumata für die Entwicklung des Kindes Folgen für das Kleinkind unsicheres oder desorganisiertes Bindungsmuster negative Effekte auf kognitive Entwicklung, Stressverarbeitung und Emotionsregulation In der weiteren Kindesentwicklung Entwicklung eines kontrollierenden Interaktionsstils des Kindes mit dem Elternteil (Parentifizierung; Verweigerung) höhere Rate internalisierenden oder externalisierenden Problemverhaltens beim Kind negative Effekte auf Selbstwert, schulisches Funktionsniveau, soziale Kompetenz

Wie kommt es zu diesen Auswirkungen des Traumas auf das Verhalten der Mütter?

Neurobiologie auffälliger Mutter-Kind-Interaktion Stress Einfluss auf Stresshormone, körpereigene Signalstoffe (zb. Wachstumsfaktor BDNF) Veränderg. des Stress-Regulationssystems Neurodegeneration Volumenveränderg. spez. Hirnstrukturen Affektdysregulation Gestörte Mutter-Kind Kommunikation

Potenzielle Traumafolgestörungen Posttraumatische Belastungsstörung Affektive Störung: Depression Borderline- Persönlichkeitsstörung verzögerte Reaktion auf belastendes Ereignis wiederholtes Erleben des Traumas in Erinnerungen und (Alb-) Träumen herabgesetzte Stimmung und Antriebslosigkeit traumatische Faktoren als Auslöser häufig unerkannt internalisierte Reaktion Traumatisierung oft im Kindesalter externalisierte Reaktion

Depressive Reaktion auf traumatische Erfahrungen und ihre Auswirkung auf die Mutter-Kind-Interaktion Psychiatrische Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus Prof. Dr. Andreas Heinz Prof. Dr. Felix Bermpohl Dr. Catherine Hindi Attar Dipl. Psych. Dorothee Heipertz Dipl. Psych. Dorothea Kluczniok cand. med. Jenny Neubecker cand. med. Martin Hildebrand Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters Prof. Dr. Ulrike Lehmkuhl Dr. Katja Bödeker Dipl. Psych. Daniel Führer Dipl. Psych. Viola Kappel Dipl. Psych. Charlotte Jaite Dipl. Psych. Anna-Lena Bierbaum

Neue Mutter-Kind-Sprechstunde

Mutter-Kind-Sprechstunde Gemeinsames Angebot von Psychiatrischer Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Charité richtet sich an Mütter mit Depression und ihre Kinder im Grundschulalter (5-12 Jahre) Kontakt: 450 566 070 (mit Anrufbeantworter) ubica@charite.de

Mutter-Kind-Sprechstunde Ziel Stärkung einer stabilen und positiven Mutter-Kind-Beziehung Unser Angebot fachliche Beratung und Unterstützung von Mutter und Kind im Hinblick auf den Umgang mit der mütterlichen Depression ärztlich-psychiatrische Konsultationen der Mutter in der Psychiatrischen Institutsambulanz des St. Hedwig-Krankenhauses im Rahmen der Studie: Interaktionstherapie

Mutter-Kind-Sprechstunde Mögliche Themen Müttern mit Depression Schwierigkeit, die Bedürfnisse ihres Kindes richtig wahrzunehmen Was bekommt Ihr Kind von der Depression mit? Krankheitsbewältigung der Mutter (Verleugnung? Schuld? Realistische Einschätzung eigener Ressourcen? Versagensgefühle?) Kinder depressiver Mütter Psychisches Wohlbefinden, Funktionsniveau Angst vor einer Verschlimmerung der mütterlichen Erkrankung Verwirrende Gefühle gegenüber der erkrankten Mutter Sicht auf die Erkrankung der Mutter (Krankheitskonzepte, eigene Schuldgefühle?) Bewältigungsstrategien (Übernahme der Versorgerrolle, dysfunktionale Heilversuche ).

Aktuelle Studie

Studie: Stichprobe Mutter-Kind Dyaden Mütter mit Depression und Trauma (n = 80) + Kind (5-12 J.) Mütter mit Depression, ohne Trauma (n = 30) + Kind (5-12 J.) gesunde Kontrollmütter (n = 30) + Kind (5-12 J.) Studie 1. Teil: Case-Control Studie -> Diagnostik ( verstehen ) 2. Teil: Interventionsstudie (RCT) -> Vergleich zweier Behandlungsprogramme ( durchbrechen )

Studie: Diagnostik Vergleich der Mutter-Kind Dyaden mit Hinblick auf folgende Zielparameter: Verhaltensbeobachtung: u.a. Erfassung der mütterlichen Sensitivität Psychometrie: u.a. (Neuro)psychologische Testverfahren (Aufmerksamkeit, Intelligenz) Psychopathologie, kindliche Entwicklung Genetik / Epigenetik: genetische Sequenzveränderungen / Regulationsmechanismen Hormone: Stresshormon Cortisol, Bindungshormon Oxytocin Bildgebung (fmrt): Mütterliche emotionale Reaktion auf das eigene Kind

Studie: Interaktionsdiagnostik (I) 15 Minuten Freies Spiel Mutter und Kind 6 Minuten schwer lösbares Puzzle für Kind

Studie: Interaktionsdiagnostik (II) Emotional Availability (EA) Scales Zeynep Biringen, University of Colorado, 4th Edition 2008 Interaktionen werden beurteilt hinsichtlich: MUTTER Sensitivität Strukturierung Non-Hostility Non-Intrusivität KIND Responsivität Involvierung

Studie: Erfassung mütterlicher Affektregulation fmrt-paradigma: Konflikt eigenes Kind: Ich verbringe den Nachmittag mit meinem Sohn und seinem Freund. Sie wissen nichts mit sich anzufangen, daher spiele ich mit ihnen Mensch-Ärger-Dich- Nicht. Als ich eine Figur meines Sohnes hinauswerfen darf, sträubt er sich dagegen. Ich sage meinem Sohn, dass das so nicht geht, aber er schreit mich an und wirft mir den Würfel ins Gesicht.

Intervention I: Parent-Child Interaction Therapy (PCIT) 1975 in USA von Sheila Eyberg entwickelt Aufbauend auf Verhaltenstherapie Hintergrund: Autoritativer Erziehungsstil (D. Baumrind) Wärme, Fürsorge und Akzeptanz klare Kommunikation, feste Regeln Anleitung der Mutter über einen Knopf im Ohr Evidenzbasierte Programme

Intervention I: Parent-Child Interaction Therapy (PCIT) ELVIS-Strategien: Echte Begeisterung Beschreibendes Lob Verhaltensbeschreibung Imitation Spiegeln

Intervention II: Stressmanagement zielt auf die Verbesserung des Umgangs mit Stress bei der Mutter Kognitive Verhaltenstherapie Stressbezogene Einstellungen und Bewertungen ändern Vermittlung von Entspannungstechniken Problemlösestrategien erarbeiten positiven Ausgleich/ Genussmomente schaffen

Neue Sprechstunde für Mütter mit Depression und ihre Kinder und Studie zur Mutter-Kind-Interaktion E-Mail: ubica@charite.de Tel. 450 566 070 Studienteilnehmer: 1. Gesunde 2. (Ehemals) Depressive 3. Depressive mit Trauma und ihre Kinder im Grundschulalter