Neben der ausführlichen Begründung finden Sie in dieser Stellungnahme das folgende Resümee:

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Transkript:

Christian Wernli, Präsident des Fachverbandes für Strahlenschutz e.v. Fachverband für Strahlenschutz, Postfach1205, D 85740 Garching Verteiler: - Bundesministerium für Umwelt, Natur und Reaktorsicherheit - Ministerien für Umweltschutz der Bundesländer - Strahlenschutz Kommission - Bundesamt für Strahlenschutz - Entsorgungskommission München, den 15. Februar 2011 Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II Sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Schreiben erlaube ich mir, Ihnen eine Stellungnahme des Fachverbandes für Strahlenschutz zukommen zu lassen zur Entscheidung des Bundesamtes für Strahlenschutz zur Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II. Neben der ausführlichen Begründung finden Sie in dieser Stellungnahme das folgende Resümee: Der Fachverband für Strahlenschutz lehnt auf Basis des aktuellen Kenntnisstandes eine vorzeitige Festlegung zur Rückholung der in die Asse II eingelagerten radioaktiven Abfälle aus Strahlenschutzgründen ab. Die bei den verschiedenen Optionen Rückholung, Umlagerung der radioaktiven Abfälle sowie Vollverfüllung der Schachtanlage zu erwartenden Strahlenexpositionen für Personen sind nur sehr grob abgeschätzt worden. Obwohl derzeit aufwändige Untersuchungen in der Asse durchgeführt werden, um nähere Informationen zu den Randbedingungen vor Ort zu erhalten, hat sich das BfS gegenüber der Öffentlichkeit bereits zur Option Rückholung bekannt. Dabei kann gerade bei der Rückholung die mögliche Strahlenexposition des Personals und der Bevölkerung noch deutlich steigen. Der Fachverband begründet diese Aussage mit entsprechenden Erfahrungen seiner Mitglieder bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen, insbesondere beim Umgang mit radioaktiven Abfällen. Aus der bisherigen Praxis ist bekannt, wie schwierig es ist, offene Kontaminationen einzugrenzen, Kontaminationsverschleppungen zu vermeiden und daraus resultierende Strahlenexpositionen zu minimieren, wenn die Kenntnisse über die radioaktiven Abfälle sehr gering sind. Außerdem ist festzustellen, dass zurzeit völlig unklar ist, was mit den radioaktiven Abfällen nach der Auslagerung aus der Asse II konkret geschehen soll. Legt man die Annahmebedingungen des noch nicht in Betrieb gegangenen Endlagers Konrad zugrunde, ist festzustellen, dass umfangreiche Arbeiten zur radiologischen und stofflichen Charakterisierung der Abfälle durchgeführt werden müssen, was bei den damit Beschäftigten weitere Strahlenexpositionen nach sich ziehen würde. Erst wenn hierzu realistische Abschätzungen für die verschiedenen Optionen vorliegen, sollte die Entscheidung für eine der vom BfS vorgestellten Optionen gefällt werden, wobei auch eine realitätsnahe Dosisberechnung für den Sekretariat: Dr. K. Henrichs Tel. +49/89/63640183, Fax: +49/89/636 702034, E-mail: FS-sek@fs-ev.de Sparkasse Düren/Jülich, Nr. 320 37, BLZ 395 501 10, Code International: IBAN: DE10 3955 0110 0000 0320 37 ; BIC: SDUEDE33 UBS AG Wettingen, Nr. 232-467 652 52.0, Code International: IBAN: CH85 0023 2232 4676 5252 0; BIC: UBSWCHZH80A, UBS PC 80-2-2

Christian Wernli, Präsident des Fachverbandes für Strahlenschutz e.v. Fachverband für Strahlenschutz, Postfach1205, D 85740 Garching Störfall Unbeherrschbarer vorzeitiger Lösungszutritt und ein Langzeitsicherheitsnachweis für die Stilllegung der Asse II in die Entscheidungsfindung eingehen sollte. Mit freundlichen Grüßen Gez. Christian Wernli Präsident des Fachverbandes für Strahlenschutz Sekretariat: Dr. K. Henrichs Tel. +49/89/63640183, Fax: +49/89/636 702034, E-mail: FS-sek@fs-ev.de Sparkasse Düren/Jülich, Nr. 320 37, BLZ 395 501 10, Code International: IBAN: DE10 3955 0110 0000 0320 37 ; BIC: SDUEDE33 UBS AG Wettingen, Nr. 232-467 652 52.0, Code International: IBAN: CH85 0023 2232 4676 5252 0; BIC: UBSWCHZH80A, UBS PC 80-2-2

Stellungnahme des Fachverbandes für Strahlenschutz hinsichtlich der Entscheidung des Bundesamtes für Strahlenschutz zur Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II Einleitung Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat im Hinblick auf die Stilllegung der Schachtanlage Asse II verschiedene Varianten betrachtet. Diese reichen von der sofortigen Verfüllung der Einlagerungskammern und des Grubengebäudes bis hin zur Rückholung mit anschließender Konditionierung aller eingelagerten radioaktiven Abfälle. Unter Würdigung externer Studien stellt das BfS die Rückholung als die beste Stilllegungsvariante dar /1, 2/. Die Ergebnisse laufender Untersuchungen zum Zustand der Einlagerungskammern und der Abfälle liegen zurzeit noch nicht vor. Der Fachverband für Strahlenschutz kann sich auf Basis der ihm vorliegenden Informationen der Einschätzung des BfS nicht anschließen. Vielmehr wird auch unter Beachtung aktueller Gutachten und Bewertungen die Stellungnahme des Fachverbandes von 2008 /4/ bestätigt und bekräftigt, in welcher die Auslagerung der Abfälle nicht als die optimale Lösung angesehen wird und daher nicht weiter vordringlich betrieben werden sollte. Der Fachverband begründet dies im Folgenden erneut. Anforderungen des Strahlenschutzes Grundregeln Die Grundregeln des Strahlenschutzes verpflichten, unnötige Strahlenexpositionen von Personen zu vermeiden, unvermeidbare Strahlenexpositionen so zu begrenzen, dass die Dosisgrenzwerte der Strahlenschutzverordnung nicht überschritten werden sowie die Strahlenexposition auch unterhalb der Grenzwerte so gering wie möglich zu halten ( 5 und 6 StrlSchV). In Erfüllung dieser Forderungen ist es erforderlich, bei nicht trivialen Personendosen und mehreren möglichen Vorgehensvarianten die zu erwartenden Strahlenexpositionen möglichst realistisch abzuschätzen und auf dieser Basis eine Entscheidung für eine Variante zu treffen. Dies ist nach unserer Einschätzung nicht im erforderlichen Umfang geschehen: Nach dem Optionenvergleich des BfS ist die Vollverfüllung in vier von fünf untersuchten Bereichen - Sicherheit in der Betriebsphase, Umweltauswirkungen bei unbeherrschtem Lösungszutritt, Machbarkeit und Zeitbedarf - die günstigste Option. Dennoch präferiert das BfS die Rückholung der Abfälle und zieht dazu eine vorläufige Langzeitsicherheitsbetrachtung der GRS /3/ heran, in welcher offensichtliche Fehler enthalten und eine Reihe von dosisreduzierenden Effekten noch nicht in die Rechnungen einbezogen sind. Die resultierende Dosis für zukünftige Generationen wird dadurch deutlich zu hoch abgeschätzt. Darüber hinaus sind in den Betrachtungen zur Rückholung der radioaktiven Abfälle die Strahlenexposition für die nachfolgenden Schritte (Zwischenlagerung Konditionierung - Endlagerung) nicht berücksichtigt.

Neuberechnungen durch das Ökoinstitut Darmstadt /5/ zu den Auswirkungen eines auslegungsüberschreitenden Lösungszutritts weisen darauf hin, dass die Dosis für die Bevölkerung nicht so hoch ist, so dass eine Rückholung im Sinne einer Gefahrenabwehr unbedingt erforderlich wäre. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob die Dosis für die Personen, welche die Rückholung, den Transport, die Konditionierung, die Zwischenlagerung und die Einlagerung in ein anderes Endlager durchführen sowie die Dosis der Bevölkerung durch diese Arbeitsschritte gerechtfertigt sind. Der Fachverband hält es daher für erforderlich, vor einer Entscheidung für eine Stilllegungsvariante realitätsnahe Dosisberechnungen für den Störfall Unbeherrschbarer vorzeitiger Lösungszutritt für die Schachtanlage Asse II durchzuführen. Weiterhin ist es nach Auffassung des Fachverbandes nötig, einen Langzeitsicherheitsnachweis für die Stilllegung der Schachtanlage Asse II mit realistischen Annahmen und unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten zu führen. Dosisreduzierung Die Strahlenexpositionen, die bei einer Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II zu erwarten sind, wurden in Machbarkeitsstudien /2/ abgeschätzt, in denen zugleich auf diverse Unsicherheiten verwiesen wird, welche die Randbedingungen dieser Abschätzung betreffen. Aufgrund der im Fachverband vorliegenden Erfahrungen mit Arbeiten in kontaminierten Bereichen und mit praktizierten Vorgehensweisen beim Umgang mit radioaktiven Abfällen bewerten wir die Dosisprognosen als zu optimistisch. Dies begründen wir wie folgt: Der Zustand der Abfallgebinde ist weitgehend unbekannt, da sie sich in abgemauerten Kammern befinden und zumeist mit Salz überdeckt sind. Es wird jedoch aufgrund der Umgebungsbedingungen (z.t. feuchtes Salz, hoher Gebirgsdruck) und vorliegender Indizien (z.b. kontaminierte Lauge) erwartet, dass ein großer Teil zerstört, beschädigt oder stark korrodiert ist. Das Bergen solcher Fässer ist fernbedient nur schwer oder nicht möglich, ohne die Gebinde weiter oder sogar ganz zu zerstören, wodurch die Gefahr einer Kontaminationsausbreitung erhöht wird. Auch bei ausführlicher Planung müssen Personen interventionsbedingt im Nahfeld der Gebinde eingesetzt werden. Erfahrungen aus dem Umgang mit beschädigten Abfallgebinden in der Kerntechnik zeigen, dass eine vergleichbare strahlenschutzoptimierte Vorgehensweise deutlich mehr Zeit benötigt als in der Untersuchung zur Rückholung /2/ veranschlagt. Dementsprechend erhöhen sich insbesondere die Personendosen des Personals, welches im Nahfeld der Gebinde ggf. arbeiten muss. Der Nachweis von Inkorporationen ist bei stark variierenden Nuklidzusammensetzungen schwierig. Wenn von Alphastrahlern ausgegangen werden muss, denen keine feste Korrelation zu leicht messbaren Gammastrahlern zugeordnet werden kann, müssen Ausscheidungsanalysen vorgenommen werden. Schon geringe Inkorporationen von Alphastrahlern können zu hohen Dosen führen. Inkorporationen, die zu Grenzwertüberschreitungen führen, sind jedoch bei strahlenschutzoptimierter Arbeitsweise

nur auf Kosten längerer Bergungszeiten vermeidbar, wodurch folglich die Dosis durch äussere Bestrahlung zunehmen wird. Daraus ergibt sich, dass die Kollektivdosis, die mit der Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II verbunden sein wird, wahrscheinlich deutlich über den Werten liegen wird, die in den Machbarkeitsstudien /2/ abgeschätzt wurden. Vermeidung von Kontamination Kontaminationen an Personen und Gerät können aus den oben genannten Gründen nicht vermieden werden. Es liegen bereits offene Kontaminationen im Salz vor und weitere Freisetzungen bei der Handhabung der Abfallgebinde sind absehbar. Es wird daher eine besondere Aufgabe des Strahlenschutzes sein, die Kontaminationen einzugrenzen und Verschleppungen möglichst zu vermeiden. Dies ist in einer Salzumgebung schwierig und kostet erfahrungsgemäß Zeit. Dazu sei folgender Grund beispielhaft genannt: Kontaminationsmessungen an salzbeladenen Oberflächen sind über schnelle Direktmessungen nur begrenzt möglich. Einsatzschwellen für Kontaminationsschutzmaßnahmen sind häufig nur durch zumindest zeitlich aufwändige Labormessungen nachprüfbar. Dies gilt umso mehr, wenn Alphastrahler oder niederenergetische reine Betastrahler (z.b. Tritium) vorkommen können und der Nuklidvektor variiert. Wegen dieser eingeschränkten Nachweisbarkeit für Kontaminationen müssen vorsorglich Kontaminationsschutzmaßnahmen getroffen werden oder Dekontaminationsmaßnahmen in den betrieblichen Ablauf eingeplant werden. Zusammenfassend sehen wir es als schwierig an, offene Kontaminationen einzugrenzen und Kontaminationsverschleppungen zu vermeiden. Die unter den gegebenen Verhältnissen notwendigen Maßnahmen werden aufwändiger sein als in der Machbarkeitsstudie /2/ unterstellt und möglicherweise deutlich mehr Zeit erfordern. Anforderungen an die Abfallkonditionierung Für die endlagergerechte Konditionierung der rückgeholten Abfälle können derzeit nur die Annahmebedingungen des Endlagers Konrad zugrunde gelegt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass neben der radiologischen Charakterisierung auch die stoffliche Zusammensetzung der Abfälle angegeben werden muss und bestimmte Schadstoffe hinsichtlich ihrer Menge begrenzt sind. Die radiologische Charakterisierung stufen wir als sehr aufwändig ein, wenn sie den Ansprüchen der Annahmebedingungen Schacht Konrad für radioaktive Abfälle entsprechen soll. Ursache dafür ist i. w., dass die vorhandene Abfalldokumentation nur Aussagen zum Aktivitätsinventar einzelner Einlagerungskammern zulässt, die Annahmebedingungen Schacht Konrad jedoch eine Aktivitätsdeklaration für Abfallgebinde einzeln erfordern. Dazu ist die Entnahme von Proben aus einzelnen Fässern in einem repräsentativen und damit hohen Umfang erforderlich.

Insbesondere bei der Einhaltung der Aktivitätsgrenzwerte, die aus der Störfallanalyse resultieren und die bei den meisten Abfallgebinden limitierend ist ist eine Mittelung über mehrere Abfallgebinde nicht möglich. Die Einhaltung der Konrad-Annahmebedingungen im Hinblick auf den Kernbrennstoffgehalt und die chemische Charakterisierung erfordern darüber hinaus noch zusätzlich einen sehr hohen Aufwand bei der Charakterisierung. Konditionierungs- und Logistikkonzepte (Transporte, Lagerung von geborgenen Rohabfällen und bereits konditionierten Abfallgebinden) sind noch zu entwickeln, insbesondere im Hinblick auf den zu erwartenden Salzanteil im Abfallprodukt. Die personellen und logistischen Anforderungen im Hinblick auf die Bereitstellung ausreichender Konditionierungskapazitäten und die Schaffung von Lagerflächen für die Zwischenlagerung sind erheblich. Man wird außerdem von einer längeren oberirdischen Lagerung der Abfälle ausgehen müssen. Dies verursacht zusätzliche Strahlenexpositionen. Zeitbedarf Aus den oben genannten Gründen schätzen wir den Zeitbedarf für die Rückholung der Abfälle deutlich höher ein als in den Studien /1, 2/ genannt. Eine Rückholung aller eingelagerten radioaktiven Abfälle bis 2020, dem Zeitpunkt, bis zu dem die Standsicherheit des Grubengebäudes derzeit unterstellt wird, ist u.e. unter Berücksichtigung der noch geplanten Untersuchungen zur Faktenerhebung, der notwendigen Nachrüstung der Schachtförderanlage und Wettertechnik sowie ggf. zusätzlicher Zeiträume für Genehmigungsverfahren nicht möglich. Auch die radiologische und stoffliche Charakterisierung, die anschließende Konditionierung und die Dokumentation der rückgeholten Abfälle gemäß den Anforderungen für die Schachtanlage Konrad wären mit wesentlich höherem Aufwand verbunden als bisher abgeschätzt. Resümee Der Fachverband für Strahlenschutz lehnt auf Basis des aktuellen Kenntnisstandes eine vorzeitige Festlegung zur Rückholung der in die Asse II eingelagerten radioaktiven Abfälle aus Strahlenschutzgründen ab. Die bei den verschiedenen Optionen Rückholung, Umlagerung der radioaktiven Abfälle sowie Vollverfüllung der Schachtanlage zu erwartenden Strahlenexpositionen für Personen sind nur sehr grob abgeschätzt worden. Obwohl derzeit aufwändige Untersuchungen in der Asse durchgeführt werden, um nähere Informationen zu den Randbedingungen vor Ort zu erhalten, hat sich das BfS gegenüber der Öffentlichkeit bereits zur Option Rückholung bekannt. Dabei kann gerade bei der Rückholung die mögliche Strahlenexposition des Personals und der Bevölkerung noch deutlich steigen. Der Fachverband begründet diese Aussage mit entsprechenden Erfahrungen seiner Mitglieder bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen, insbesondere beim Umgang mit radioaktiven Abfällen. Aus der bisherigen Praxis ist bekannt, wie schwierig es ist, offene Kontaminationen einzugrenzen, Kontaminationsverschleppungen zu vermeiden und daraus resultierende Strahlenexpositionen zu minimieren, wenn die Kenntnisse über die radioaktiven Abfälle sehr gering sind.

Außerdem ist festzustellen, dass zurzeit völlig unklar ist, was mit den radioaktiven Abfällen nach der Auslagerung aus der Asse II konkret geschehen soll. Legt man die Annahmebedingungen des noch nicht in Betrieb gegangenen Endlagers Konrad zugrunde, ist festzustellen, dass umfangreiche Arbeiten zur radiologischen und stofflichen Charakterisierung der Abfälle durchgeführt werden müssen, was bei den damit Beschäftigten weitere Strahlenexpositionen nach sich ziehen würde. Erst wenn hierzu realistische Abschätzungen für die verschiedenen Optionen vorliegen, sollte die Entscheidung für eine der vom BfS vorgestellten Optionen gefällt werden, wobei auch eine realitätsnahe Dosisberechnung für den Störfall Unbeherrschbarer vorzeitiger Lösungszutritt und ein Langzeitsicherheitsnachweis für die Stilllegung der Asse II in die Entscheidungsfindung eingehen sollte. Literatur /1/ BfS Optionenvergleich Asse, Fachliche Bewertung der Stilllegungsoptionen für die Schachtanlage Asse II, 9A/21400000/MZA/RB/0001/00 /2/ EWN GmbH, TÜV NORD SysTec GmbH & Co. KG Möglichkeit einer Rückholung der MAW-Abfälle aus der Schachtanlage Asse Stand: 28.11.2008 DMT GmbH & Co. KGBeurteilung der Möglichkeit einer Rückholung der LAW-Abfälle aus der Schachtanlage Asse Stand: 25.09.2009 /3/ GRS Abschätzung potenzieller Strahlenexpositionen in der Umgebung der Schachtanlage Asse II infolge auslegungsüberschreitender Zutrittsraten der Deckgebirgslösung während der Betriebsphase Stand: 21. April 2009 /4/ Fachverband für Strahlenschutz, Arbeitskreis Entsorgung Arbeitskreise des FS Stellungnahme des AKE zur Schachtanlage ASSE II Strahlenschutzpraxis 2009, Heft 1, S.93 ff /5/ C. Küppers, M. Steinhoff, Öko-Institut e.v. Darmstadt Mittel- und langfristige radiologische Auswirkungen eines nicht beherrschbaren Lösungszutritts in die ASSE II, 42. Jahrestagung des Fachverbandes für Strahlenschutz, Borkum 2010