Überströmbare Erddämme und Dammscharten

Ähnliche Dokumente
Verkalit : Anwendungsbeispiele

Steuerung eines Beckens im Hochwasserfall - Ein Erfahrungsbericht -

Informationsveranstaltung

Deckwerke für Hochwasserrückhaltedämme

Hochwasserentlastungsanlagen und Freibordbemessung

Matrikelnummer: Hochwasserentlastungsanlage (HWEA) GRUNDFACHPRÜFUNG WASSER UND UMWELT Wintersemester 2003/2004

Information. Abgeschlossene Hochwasserschutzmaßnahmen im Unterallgäu

Steinsatz für überströmbare Dämme

Hochwassersicherheit bei Rückhaltebecken der Stauanlagenklasse III

Instandsetzung oder Beseitigung landwirtschaftlicher Speicher ein Erfahrungsbericht

Hochwasserrückhaltebecken

Arbeitsblatt DWA-A 111

Vertiefte Sicherheitsprüfung am Beispiel des HRB Sulzbach aus der Sicht des Ingenieurbüros

Gesteuerter Rückhalt über Flutpolder

Anlage 18. Neubewilligung Nordharzverbundsystem

Möglichkeiten und Beispiele der Verbesserung des Hochwasserschutzes im Einklang mit der Natur

Erste Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur ökologischen Umgestaltung des Hochwasserrückhaltebeckens Grimmelshausen

Zusammenfassung für die praktische Anwendung. des. Projektes

Sedimente im Hochwasserrückhaltebecken Täferrot Abhilfemaßnahmen

Hilfikon / Villmergen Hochwasserrückhaltebecken Schloss GK nach Massnahmen

Sicherung überströmbarer Damm- und Deichscharten mittels geosynthetischer Betonmatten

Überströmbare Dämme und Dammscharten

Gewässer- und Hochwasserschutz in regionaler Verantwortung

Jan Queißer. Entwicklung landschaftsverträglicher Bauweisen für überströmbare Dämme

Erfahrungen mit Sicherheitsberichten im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald

Der Bruch des Hochwasserrückhaltebeckens Glashütte

Die Musterbetriebsvorschrift

Programm Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung (BWPLUS)

Sicherheitsanpassung des Speicher- und Rückhaltebeckens Rötlen

E R L Ä U T E R U N G S B E R I C H T

Flussdeiche und Stauhaltungsdämme

Verbandsversammlung Wasserverband MümlingM

Auswirkungen der Hochwassergefahrenkarten Gewässernachbarschaftstag am 29. September 2010 in Remchingen

Hydrotechnische Berechnungen

Retentionsraum Bockenrod

Zur Hochwasserneutralität der zweiten Moselschleusen

Anlage 17. Neubewilligung Nordharzverbundsystem

DWA- Regelwerk. Merkblatt DWA-M 522. Kleine Talsperren und kleine Hochwasserrückhaltebecken

Technischer Hochwasserschutz und ökologische Durchgängigkeit - Beispiel Grimmelshausen -

Regierungspräsidium Stuttgart Hochwasserschutz am Gewässer I. Ordnung Fils in Uhingen. Bürgerinformationsveranstaltung am

Begleitbogen Hochwasserrückhaltebecken (DIN 19700)

Vertiefte Sicherheitsüberprüfung zweier Talsperren nach der überarbeiteten DIN mit besonderem Augenmerk auf die Risikoanalyse

Moderne Deichquerschnitte mit integrierten Sicherungsmaßnahmen aus Geokunststoffen Ergebnisse aus Modellversuchen zur Überströmung

Rauheitsklassen mit Bildbeispielen von Dieter Knauf

Anhang 6: Maßnahmen des natürlichen und technischen Hochwasser-Rückhalts im Einzugsgebiet

Gemeinde Ilsfeld. Ökologische Durchgängigkeit Schozach, Untere Mühle. Ingenieurbüro Winkler und Partner GmbH. Grobkonzeption

Qualitätsmanagement. Abwasserbeseitigung Gemeinde Walzbachtal. Gemeinde Walzbachtal. Bürgerversammlung am

Aktiver und Passiver Hochwasserschutz

Sachverständigenbüro für Fenster, Außentüren und Pfosten-Riegel-Fassaden

Extremereignisse für Stauanlagen - Übersicht

Testate zur Hochwasserneutralität - Veranlassung, Methodik, Randbedingungen

Deckwerke aus verzahnten Betonformsteinen für die Herstellung überströmbarer Deichabschnitte

HWS Aist Hochwasserschutz Freistadt Nord Variantenuntersuchung

Gew I / Donau Hochwasserschutz Straubing Vilshofen HWS Hengersberger Ohe links

Informationsveranstaltung

Hybridmodellierung für hochgradig gekoppelte hydraulische Systeme

Tosbeckenoptimierung mithilfe eines hybriden Modells

Hochwasserschutz Große Gaißach

Flussgebietsmodell und Hochwasserschutzkonzept Sachstandsbericht 05/2018

Bayerisches Hochwasserschutz Aktionsprogramm 2020plus (AP 2020plus) Dr.-Ing. Andreas Rimböck

HOCHWASSERRÜCKHALTEBECKEN FELDOLLING

Technisch-biologische Ufersicherungen an schiffbaren Flüssen und Kanälen als Alternative zum klassischen Schüttsteindeckwerk

Hochwasserrückhaltung in der Acher-Rench-Korrektion - Vorstellung des Gesamtkonzepts -

Hochwasserschutz Lustnau Chancen und Herausforderungen einer ungewöhnlichen Bauweise

Gewässerökologie und Wasserkraftnutzung - ist dies verträglich?

Verbindungselemente 0106-Ø5,0xL-BE, Kopfgröße 14 mm

Verbandsversammlung Wasserverband Mümling

Massnahmen zur Erhöhung der Abflusskapazität am Alpenrhein

Dynamische Finite-Elemente-Analysen von Staudämmen unter Erdbebenbeanspruchungen

b) Verbesserung der Standsicherheit (4 Pkt.) c) Welche weiteren mobilen Hochwasserschutzsysteme sind Ihnen bekannt? Nennen Sie zwei. (2 Pkt.

Volle Vorfluter Regenwassermanagement

Hochwasserschutz für den Bereich Silbernkamp in Neustadt a. Rbge.

Flussgebietsmodell und Hochwasserschutzkonzept Sachstandsbericht 06/2016

Möglichkeiten der mehrdimensionalen Strömungssimulation bei Planung und Nachweis von Fischwanderhilfen

Umbau der Talsperre Wendebach Anhang 6: Freibordbemessung

Veröffentlichungen am Lehrstuhl und der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Technischen Universität München im Jahr 2006

Gewässerentwicklung und Hochwasservorsorge vor Ort geht s am besten gemeinsam Integrierter Hochwasserschutz im Nördlichen Harzvorland

Professor Dr.-Ing. Harald Sipple

ATV-DVWK-M 503 Grundlagen zur Überprüfung und Ertüchtigung von Sedimentationsbecken

Geplantes Neubaugebiet Östlich der L 80 Gemeinde Sinzheim Ortsteil Leiberstung

Die gutachtliche Stellungnahme umfasst 5 Seiten.

Sedimentsituation bayerischer Fließgewässer

I N F O R M A T I O N

Bestandsaufnahme und Stabilität herkömmlicher und alternativer Ufersicherungen bei Wellenbelastung - Erste Ergebnisse aus F&E-Vorhaben -

42. Erfahrungsaustausch des Bundes und der Länder über Erdarbeiten im Straßenbau

Entwicklung eines Bemessungsansatzes zur Dimensionierung einer Jambor-Schwelle auf Basis von Modelluntersuchungen

Merkblatt Industrieböden

Die gutachtliche Stellungnahme umfasst 5 Seiten.

Neues DWA-Merkblatt für kleine Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken

Untersuchung zur Wirkung von Flutraumvergrößerungen im Rahmen des Tideelbe-Konzeptes

Die gutachtliche Stellungnahme umfasst 5 Seiten.

Regierungspräsidium Stuttgart / Stadt Uhingen Hochwasserschutz Uhingen/Fils.. Ergebnisse Machbarkeitsuntersuchung und Ausblick auf die Vorplanung

U. Saucke, A. Scheuermann, A. Bieberstein. Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik, Universität Karlsruhe (TH)

Entwicklung und Stand der Grundbau-Normen aus europäischer und deutscher Sicht. Dr.-Ing. B. Schuppener

Nutzung der regenerativen Energie Seewasser am Beispiel der Universität Konstanz

Prüf- und Zertifizierungswesen

Aktuelles aus dem Ministerium für Umwelt und Verkehr

Presseinformation. Bahn erarbeitet Alternativvarianten zur Y-Trasse. Schaffung von Kapazitäten, Lärm- und Umweltschutz stehen im Vordergrund

DWA-Literatur mit Bezug zu Hochwasser relevanten Themen

Transkript:

1999 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 45 Überströmbare Erddämme und Dammscharten von Heinz Daucher Einführung In Baden-Württemberg befinden sich derzeit über 400 Rückhaltebecken für den Hochwasserschutz. Im Jahre 1987 wurde eine landesweite Überprüfung bezüglich der Sicherheit der Anlagen durchgeführt. Es wurden Regelungen für z.t. erforderliche Ertüchtigungen getroffen. berg berichtet. Diese Anlagentypen sind landschaftsverträglicher als herkömmliche massive Kunstbauwerke, sind oft hydraulisch überlastbarer und verklausungssicherer. Leider existieren diesbezüglich noch keine Normen, Regelwerke oder Richtlinien. Seit 1986 wurden im Auftrag der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes Baden-Württemberg zahlreiche Untersuchungen durchgeführt, vgl. Lit. [1] bis [6]. Dammscharten Abb. 1: Hochwasserrückhaltebecken Gissigheim (Main-Tauber-Kreis), Bruch nach Überströmen, 1984 Dammscharten wurden bereits in den fünfziger Jahren bei kleineren Becken in Beton bzw. Pflaster in Beton ausgeführt. Bei der Ertüchtigung von Becken wurden seit 1987 öfters auch Dammscharten in Lockerbauweise als kostengünstige und landschaftsverträglichere Erweiterungsmöglichkeit vorhandener konventioneller Hochwas- Das wichtigste Sicherungsglied eines Hochwasserrückhaltebekkens ist die Hochwasserentlastungsanlage in Verbindung mit einem ausreichenden Freibord, um den Damm auch unter außergewöhnlichen Belastungen vor einer Überströmung und damit vor einer Zerstörung zu bewahren [5], vgl. hierzu Abb.1. Nachfolgend wird über den Sachstand der Hochwasserentlastungstypen Dammscharten und überströmbare Dämme in Baden-Württem- Abb. 2a: Grundriß einer Dammscharte (Beispiel) aus [5]

46 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 1999 Ü b e r s t r ö m b a r e Dämme Abb. 2b: Längsschnitt einer Dammscharte (Beispiel) aus [5] serentlastungsanlagen mit zu geringer hydraulischer Leistungsfähigkeit gebaut. Auch bei neuen Hochwasserrückhaltebecken werden verstärkt Dammscharten in Lockerbauweise gewählt, vgl. Abb. 2a, 2b (Prinzipskizze) und Abb. 3 (Deckwerksaufbau mit den Varianten Steinsatz und Steinschüttung ). Insbesondere bei geringen Dammhöhen (z.b. kleiner als 3 m) und kleinen Einzugsgebieten wurden schon vor ca. 20 Jahren Hochwasserrückhaltebecken gebaut, bei denen die Hochwasserentlastung über die gesamte Dammbreite erfolgt, gl. Prinzipskizze Abb. 7 und die Ausführungsbeispiele gem. Abb. 8 und 9. Hierbei handelt es sich um Becken mit Steinstützkörper und sehr kleinen spezifischen Hochwasserabflüssen pro lfdm. Im Zuge des dezentralen Hochwasserschutzes werden verstärkt derartige Lösungen benötigt, um durch Wegfall des Freibordes... die Dämme niedriger gestalten zu können. Über 50 derartige Becken befinden sich derzeit in der Planungs- bzw. Vorplanungsphase. Abb. 4 und Abb. 5 zeigen ein Beispiel Dammscharte in Lockerbauweise Steinschüttung- mit einer horizontalen Überlaufschwelle von l = 173 m, wodurch die Überfallhöhe bei Hochwasserabfluss und damit die Dammhöhe reduziert werden konnten. Planungs- und Bemessungshinweise sowie derzeitige Anwendungsgrenzen sind in [5] enthalten. Neuere Versuchsergebnisse [4] deuten darauf hin, dass gegenüber der rein statischen Betrachtungsweise erhöhte Beanspruchungen infolge hydrodynamischer Effekte auftreten, vgl. Abb. 6. Weitere Untersuchungen sind daher erforderlich und vorgesehen. Abb. 3: Deckwerksaufbau einer Dammscharte in Lockerbauweise aus [5]

1999 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 47 Abb. 4: Hochwasserrückhaltebecken Nöttingen (Gemeinde Remchingen), Ansicht vom Oberwasser, 1999 Abb. 5: Hochwasserrückhaltebecken Nöttingen/Pfinz, Dammscharte in Lockerbauweise (Schwellenlänge 173m), 1999

48 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 1999 Abb. 6: Strömungsablösungen und Staupunkte, aus [4] Nach [6.1] werden derzeit in enger Abstimmung mit der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes Baden- Württemberg mögliche Lösungsvarianten untersucht, vgl. Abb. 10 und Abb. 11. Sonderfälle Eine Sonderlösung ist in Abb. 12 dargestellt. Der Damm des Hochwasserrückhaltebeckens wurde so trassiert, dass die Hochwasserentlastung über den gewachsenen Boden (Wiese-Gras) erfolgt. Ausblick Sowohl für Dammscharten in Lockerbauweise als auch für überströmbare (kleine) Erddämme sind weitere Untersuchungen dringend erforderlich und werden bis Ende 1999 in einem Forschungsauftrag konkretisiert. Ab 2000 sollen die weiteren Untersuchungen durchgeführt werden, um aus der Grundlagenforschung baldmöglichst Gestaltungs- und Bemessungsverfahren für den praktischen Vollzug zu erhalten. Abb. 7: Schema der Abflüsse bei einem überströmbaren Damm aus [6.1]

1999 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 49 Abb. 8: Hochwasserrückhaltebecken Königsbach- Stein (Enzkreis), überströmbarer Damm (Bj 1977), Aufnahme 1999 Abb. 9: Hochwasserrückhaltebecken Obernhausen (Enzkreis), überströmbarer Damm, 1999

50 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 1999 Abb. 10: überströmbarer Erddamm mit Innensicherung aus [6.1] Abb. 11: überströmbarer Erddamm mit Oberflächensicherung aus [6.1]

1999 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 51 Abb. 12: Hochwasserrückhaltebecken Stuttgart/Feuerbacher Tal, Hochwasserentlastung über gewachsenem Boden (Vordergrund) 1999 Literaturverzeichnis Untersuchungen im Auftrag der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes Baden-Württemberg: [1] Larsen P., Bernhart H.H., Schenk E., Blinde A., Brauns J., Degen F.P. (1986): Überströmbare Dämme Hochwasserentlastung über Dammscharten, Gutachten der Universität Karlsruhe für das RP Karlsruhe. [2] Kobus H., Westrich B., Hassinger R. (1987): Hydraulische Gestaltung von Hochwasserentlastungsanlagen, Teil 4: Bemessungsgrundlagen für Dammscharten und Flutmulden. Gutachten der Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau im Auftrag des ME- LUF. [3] Giesecke J., Westrich B., Salden D., Rathgeb A. (1994): Dammscharten in Lockerbauweise zur Hochwasserentlastung an Rückhaltebecken, Gutachten der Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau im Auftrag der LfU, Außenstelle Stuttgart. [4] Westrich B., Rathgeb A. (1996): Bemessungsgrundlagen und Gestaltungsvorschläge für überströmbare Dämme (Modelluntersuchungen), Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau, im Auftrag der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg. [5] Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (1997). Dammscharten in Lockerbauweise bei Hochwasserrückhaltebecken. Handbuch Wasser 2, Heft 36, Karlsruhe. [6] Unveröffentlichte Ausarbeitungen des landesinternen Arbeitskreises Überströmbare Dämme und Dammscharten (1996 bis 1999): [6.1] Beiträge der Universität Karlsruhe (TH) Abteilung Erddammbau und Deponiebau am Institut für Boden- und Felsmechanik, Prof. Dr.-Ing. J. Brauns Institut für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik, Prof. Dr.-Ing. F. Nostmann [6.2] Beiträge der Universität Stuttgart Institut für Wasserbau, Versuchsanstalt, Prof. Dr.-Ing. B. Westrich Institut für Geotechnik, Dr.-Ing. D. Salden Anm.: In [1] bis [5] sind jeweils umfangreiche Hinweise auf weiterführende Literatur enthalten. Anschrift des Verfassers: BD Dipl.-Ing. Heinz Daucher Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg Abteilung 4 Wasser und Altlasten Griesbachstr. 1 76185 Karlsruhe Alle Aufnahmen: Daucher