Rohstoffrückgewinnung durch Recycling Karsten Kleinschmidt, ALBA Heilbronn-Franken GmbH & Co. KG Tag der Rohstoffe und Ressourceneffizienz IHK Heilbronn, 19.Juni 2012 Seite 1
Agenda 1. Rohstoffbedarf 2. Rohstoffvorkommen 3. Recyclingwirtschaft 3.1 Entwicklung in Deutschland 3.2 Aktuelle Recycling-Quoten 3.3 Beispiel Elektronikschrott-Aufbereitung 3.4 Globale Recycling-Quoten Seite 2
Agenda 4. Politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft 4.1 Produktverantwortung 4.2 Ressourceneffizienzprogramm 4.3 Die verpasste Chance Kreislaufwirtschaftsgesetz 4.4 Integrierte Produktpolitik 4.5 Abgrenzung Produkt - Abfall 5. Fazit und Ausblick Seite 3
1. Rohstoffbedarf Global Rohstoffnachfrage steigt stetig in allen Industriestaaten, zunehmend auch in Schwellenländern Weltweit wurden im Jahr 2009 über 68 Mrd. Tonnen an Rohstoffen eingesetzt Verdoppelung von 1979 auf 2009 + 30% seit 2000 Weltweite Rohstoffentnahme Prognose der EU- Kommission: + 75 % von 2005 bis 2030 Quelle: BMU/ProgRess Seite 4
1. Rohstoffbedarf In Deutschland Im produzierenden Gewerbe Deutschlands stellen Material- und Rohstoffkosten (ohne Energiekosten) mit 46 % den größten Kostenblock. Jeder Deutsche verbraucht pro Jahr ca. 40 Mg Rohstoffe (= 110 kg/tag) Im Jahr 2010 belief sich der Wert der verwendeten Rohstoffe auf ca.138 Mrd. Davon - Import: ca. 110 Mrd. - inländische Produktion: ca. 18 Mrd. - Recycling: ca. 10 Mrd. Quelle: DIHK 2012 Seite 5
1. Rohstoffbedarf Entwicklung am Beispiel Handys (Rückgrat der modernen Informationsgesellschaft) Produktionszahlen: 1997: 100 Mio. (weltweit) 2009: mehr als 1 Mrd. (weltweit) Zwischen 1997 und 2009: 6 Mrd. Bestand: in Deutschland: 100 Mio. (+ 83 Mio. ungenutzte Alt-Handys) in Afrika: 300 Mio. in China: 950 Mio. Quelle: Umicore Seite 6
1. Rohstoffbedarf Rohstoffverbrauch 1 Handy: - 15 g Kupfer - 3 g Aluminium und Eisen - 2 g Nickel - 1 g Zinn - 250 mg Silber - 24 mg Gold - 9 mg Palladium - Kleistmengen Tantal und Indium Rohstoffverbrauch 1 Mrd. Handys: - 15.000 Mg Kupfer - 3.000 Mg Aluminium und Eisen - 2.000 Mg Nickel 1 Mrd. Handys + 225 Mio. Computer (Jahresproduktion 2009): - 2,5 % der Weltproduktion an Silber - 3,0 % der Weltproduktion an Gold - 12 % der Weltproduktion an Palladium - 15 % der Weltproduktion an Kobalt (für Akkus) Seite 7
2. Rohstoffvorkommen Rest-Verfügbarkeit Primär-Rohstoffvorkommen Nickel 44 Wolfram 39 Cadmium Zirkon 33 34 Kupfer 31 Tantal 29 Baryt 25 Zink 22 Blei 20 0 20 40 60 Jahre Quelle: IW Köln 2010 Seite 8
2. Rohstoffvorkommen Rest-Verfügbarkeit Primär-Rohstoffvorkommen Verwendung Verfügbarkeit Germanium Glasfaserkabel, Photovoltaik, Infrarotsensorik 17 Jahre Rhenium Flugzeugturbinen, Kraftwerke k. A. Gallium Informations- und Kommunikationstechnologie, Photovoltaik k. A. Indium Displays, Photovoltaik 17 Jahre seltene Erden Elektromobilität, Windenergie, Katalysatoren, Informationsund Kommunikationstechnologie k. A. Problematiken: - Begrenzung Vorkommen - Monopolstrukturen - politische Stabilität - Nachfrageentwicklung im Wettbewerb Seite 9
2. Rohstoffvorkommen Erkenntnis: Wichtige Primär-Rohstoffvorkommen versiegen in den nächsten Jahrzehnten. Konsequenz: Die Bewahrung des Status quo zwingt zu einem grundsätzlich neuen Umgang mit Rohstoffen. Denn ohne Rohstoffe keine Infrastruktur, keine Mobilität, keine Konsumgüter, keine Informations- und Kommunikationstechnologie. Es bedarf eines politischen Konsenses zur Schaffung von Rohstoff- und Ressourceneffizienz. Ansätze: 1. Substitution von Rohstoffen 2. Effizienter und reduzierter Einsatz von Rohstoffen 3. Recycling werthaltiger Abfälle Quelle: IW Köln 2010 Seite 10
2. Rohstoffvorkommen Steuerungsansätze für die Politik: Wirtschafts- und Umweltpolitik (Steuerungsinstrumente) Forschungspolitik (Innovation) Außen- und Sicherheitspolitik (Zugriff) Quelle: IW Köln 2010 Seite 11
3. Recyclingwirtschaft 3.1 Entwicklung in Deutschland Sekundärrohstoffwirtschaft ist in den letzten 20 Jahren ein industrieller Sektor geworden: Gesamtinvestitionen: 15 Mrd. Euro 90 % der Sortier- und Recyclinganlagen im Besitz privater Unternehmen (Quelle: Prognos AG) Hochtechnologische Produktion Installation differenzierter Erfassungssysteme Erschließung weltweiter Vermarktungswege Seite 12
3. Recyclingwirtschaft Weltweiter Verbrauch von PPK: 393 Mio. Mg/a Import nach China 2010: 54 Mio. Mg Seite 13
3. Recyclingwirtschaft Zwischenbilanz der Recyclingwirtschaft: Sekundärrohstoffbranche ist mit jährlichen Wachstumsraten von 14 % dynamischste Branche der deutschen Wirtschaft. Im Jahr 2009 lieferte die Branche bereits 14 % der benötigten Rohstoffe in Deutschland (jede 7. Tonne). Jährlich werden rund 370 Mio. Mg Abfälle in die Wiederverwertung überführt. 2010 lieferte die Branche Sekundärrohstoffe im Wert von 10 Mrd. Euro Ziel bis 2020: Verdreifachung (30 Mrd. Euro) Quelle: IW Köln 2010 Seite 14
3. Recyclingwirtschaft 3.2 Aktuelle Recycling-Quoten (Deutschland) Schrott 74 % Papier 90 % Glas 90 % Kunststoffe (ohne Verpackungen) 41 % (werkstofflich) Yttrium Antimon Indium < 1 % Thallium < 1 % Scandium < 1 % Silizium < 1 % Dysprosium Gallium Elektrokleingeräte: Erfassung und ordnungsgemäße Verwertung nur 30 40 %. Dadurch Verlust von 15.000 Mg Kupfer im Wert von rund 100 Mio. Quelle: UNEP, UBA Seite 15
3. Recyclingwirtschaft 3.3 Beispiel Elektronikschrott-Aufbereitung Für 1 Mg Kupfer sind 1.000 Mg Gestein aufzubereiten oder 14 Mg Elektroaltgeräte Verfahrensschritte in einem Zerlegezentrum für Elektronikschrott (schematisch) Seite 16
3. Recyclingwirtschaft 3.3 Beispiel Elektronikschrott-Aufbereitung Handsortierte Fraktionen nach dem Rotorshredder Leiterplatten Kupfergewölle Kabel Kunststoffe Handsortierte Schadstoffe nach dem Rotorshredder Batterien Kondensatoren Zurückgewonnene Metalle nach der maschinellen Sortierung Eisen (grob) Eisen (fein) Nichteisenmetalle (grob) Nichteisenmetalle (fein) Fazit: Seltenmetallrecycling technologisch, aber nicht wirtschaftlich machbar Seite 17
3. Recyclingwirtschaft 3.4 Globale Recycling-Quoten Quelle: UNEP, Umicore 2011 Seite 18
3. Recyclingwirtschaft 3.4 Globale Recycling-Quoten Beispiel Kunststoffabfälle Die Jahresproduktion an Kunststoffabfällen beläuft sich weltweit auf rund 225 Mio. Mg Davon landen rund 10 % irgendwann im Meer 100 Mio. Mg Plastikmüll schwimmen heute bereits in den Ozeanen Der Kunststoff-Kontinent vor Hawaii im Stillen Ozean hat eine Fläche von 1,4 Mio. qkm (entspricht der Fläche der Mongolei) Ankaufswert 5 Mrd. (ca. 50,- /Mg) Die fünf größten zirkulierenden Driftströme der Erde Seite 19
4. Politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft 4.1 Produktverantwortung Deutschland hat vor 20 Jahren den Weg hin zur Einführung der Produktverantwortung eingeschlagen. Stoffströme mit Produktverantwortung - Verkaufsverpackungen: VerpackV 1991 - Batterien: Batterieverordnung 1998 - Elektroaltgeräte: ElektroG 2005 Seite 20
4. Politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft 4.1 Produktverantwortung Umsetzung in der Praxis Verkaufsverpackungen pro: 400 000 t Verpackungen eingespart contra: kein Vollzug, keine Kontrolle, keine Finanzstabilität Elektroaltgeräte pro: 11 200 registrierte Hersteller, seit 2006 rund 1,6 Mio. gesammelte und recycelte Altgeräte contra: 60 % der Elektrokleingeräte landen im Restmüll, 83 Mio. Althandys ungenutzt, illegale Exporte Batterien pro: 170 000 Rücknahmestellen, Rücknahmemenge aktuell pro Kopf und Jahr: 177 Gramm contra: 46 % der Altbatterien landen im Restmüll oder lagern in Haushalten Quelle: UBA, EAR Seite 21
4. Politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft 4.2 Ressourceneffizienzprogramm Nationale Werthaltigkeitsstrategie (2002) Verdoppelung der Rohstoffproduktivität bis 2020 auf Basis der Werte 1994 ProgRess (Feb. 2012) Die Bundesregierung beabsichtigt, die bereits vorhandenen abfallwirtschaftlichen Regelungen zur Produktverantwortung unter Ressourcenschutzaspekten fortzuentwickeln. ( ) Insbesondere mit Blick auf kritische Metalle untersucht die Bundesregierung die Möglichkeiten einer gezielteren Erfassung besonders wertstoffhaltiger Produkte. Seite 22
4. Politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft 4.2 Ressourceneffizienzprogramm Kernpunkt: Produktverantwortung Leitlinien: Verbindung ökologischer Notwendigkeiten mit ökonomischen Chancen, Innovationsorientierung und sozialer Verantwortung, Betrachten globaler Verantwortung als zentrale Orientierung nationaler Ressourcenpolitik, Schrittweises Unabhängigmachen der Wirtschafts- und Produktionsweisen in Deutschland von Primärrohstoffen und die damit verbundene Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft, Langfristige Sicherung der nachhaltigen Ressourcennutzung durch gesellschaftliche Orientierung auf qualitatives Wachstum. Seite 23
4. Politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft 4.3 Die verpasste Chance Kreislaufwirtschaftsgesetz (Juni 2012) Verzicht auf klare Priorität zugunsten der stofflichen Verwertung, Gleichstellung thermische Verwertung Heizwertabhängig (5-stufige Abfallhierarchie) Verzicht auf ehrgeizige Recyclingquoten, Einfrieren des bereits erreichten Niveaus Schwächung der privaten Entsorgungswirtschaft zugunsten der Rekommunalisierung, Innovations-/Investitionsverhinderung Keine Klarheit bezüglich der Einführung einer Wertstofftonne Seite 24
4. Politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft 4.4 Integrierte Produktpolitik Mehr Recycling setzt intensivierte Partnerschaft zwischen Kreislaufwirtschaft und Industrie voraus. Integrierte Produktpolitik verbindet herstellerorientierte, nutzerorientierte und abfallwirtschaftliche Ansätze. Modelle: Remanufactoring = Umkehr der Fabrikationsprozesse Design for Recycling (demontagegerechte Konstruktion) Installation innovativer Sammel- und Rückführsysteme zur Vermeidung von Rohstoffverlusten Politik muss diesen Prozess durch Forschungs- und Technologieförderung flankieren. Seite 25
4. Politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft 4.4 Integrierte Produktpolitik Beispiel Elektromobilität Bis 2020 sollen 1 Mio. Elektrofahrzeuge in Deutschland fahren In einem herkömmlichen Auto stecken ca. 150 kg Aluminium, 25 kg Kupfer, 10 kg Zink Bei einem Elektrofahrzeug steigt der Kupferbedarf auf 65 kg, für die Batterie sind zusätzlich 50 kg Aluminium, 40 kg Kupfer, 20 kg Stahl, 10 kg Nickel erforder-lich. Das Elektroauto der Zukunft muss wesentlich weniger Rohstoffe enthalten. Quelle: Fraunhofer Institut für Systemund Innovationsforschung 2009 Seite 26
4. Politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft 4.5 Abgrenzung Produkt - Abfall Rohstoffabfluss durch illegale Exporte Ausfuhr als gebrauchsfähige Produkte oder mit falscher Deklaration Bsp. Pkw: - Jährlich werden in Deutschland 3,2 Mio. Pkw stillgelegt, davon gehen 2,4 Mio. Pkw in den Export. - Allein durch die Pkw-Exporte gehen 2,2 Mio. t Stahl verloren. Bsp. Elektroaltgeräte: - 155 000 Tonnen Elektroschrott werden pro Jahr offiziell aus Deutschland ins außereuropäische Ausland exportiert; illegale Exporte??? Quelle: UBA Seite 27
4. Politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft 4.5 Abgrenzung Produkt - Abfall Forderungen an die Politik in der End-of-waste-Diskussion Klare Abgrenzung und Definition Produkt Abfall Vollzug/Kontrolle zur Verhinderung illegaler Exporte erforderlich Quelle: Umicore Seite 28
5. Fazit und Ausblick Ressourcenverschwendung kann sich Deutschland nicht leisten. Deutschland braucht nicht nur eine Energiewende, sondern auch eine Rohstoffwende mit geschlossenen Stoffkreisläufen und die Implementierung ressourcenschonender Verfahren. Produktverantwortung hat sich grundsätzlich bewährt, aber Vollzug und Kontrolle müssen deutlich gestärkt werden. Staat ist gefordert, das Ressourceneffizienzprogramm entschlossen umzusetzen: Produktverantwortung ausweiten Rahmenbedingungen schaffen und Quoten festlegen Zentrale Stelle für Vollzug und Kontrolle Quelle: UBA Seite 29
5. Fazit und Ausblick Potentiale der Rohstoffwende: 1. Erhöhung der Selbstversorgung durch Sekundärrohstoffe und Erlangung einer wachsenden Unabhängigkeit von Primärrohstoffen (das Substitutionspotential für Primärrohstoffimporte beträgt bis zu 90 Mrd. /Jahr). 2. Die Einführung ressourcenschonender Verfahren hat nochmals ein Einsparungspotenzial für deutsche Unternehmen in der Größenordnung von 100 Mrd. /Jahr. Quelle: Derea Deutsche Rohstoffeffizienz-Agentur Seite 30
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 31