Viren Viren sind nicht-zelluläre, aber vermehrungsfähige Einheiten, die ein Genom aus DNA oder RNA besitzen. Für ihre Vermehrung sind sie auf eine Wirtszelle angewiesen, deren Enzymausstattung sie benutzen. Außerhalb der Wirtszelle kommen Viren als Virione (Viruspartikel) vor, in denen das Erbmaterial mit einer Proteinkapsel, dem Capsid, umhüllt ist (der einzelne Proteinbaustein heißt Protomer oder Capsomer). Bei einigen Viren (umhüllte Viren) ist das Capsid noch von einer Membran umgeben, die aus einer Lipiddoppelschicht (die vom Wirt stammt) besteht, in die meist noch Virusproteine eingelagert sind.
Viren Nacktes und umhülltes Virion
Größe und Morphologie verschiedener Viren
Viren In der Wirtszelle wird die Nukleinsäure des Virus freigesetzt und dort in andere Nukleinsäuren umgeschrieben, die einerseits als mrnas für die Synthese der Virenproteine dienen, andererseits zur Bildung neuer Virione dienen. Virus-DNA kann sich auch ins Chromosom der Wirtszelle integrieren und so die Erbinformation der Zelle dauerhaft (und vererbbar) verändern.
Viren Anders als bei allen lebenden Zellen weist ein Virion keinerlei Stoffwechselaktivität auf (allerdings kann das Viruspartikel Enzyme enthalten, die für die erste Phase der Infektion benötigt werden). Anders als Zellen enthält ein Virus nur je eine Art von Nucleinsäure (DNA oder RNA), allerdings kann ein Virus mehr als ein Nukleinsäuremolekül enthalten. Ob ein Virus ein Lebewesen ist oder nicht, ist eine Definitionssache. Noch einfacher gebaut als Viren sind Viroide, nackte infektiöse Nucleinsäure (zirkuläre einsträngige RNA, z.b. 359 Nucleotide bei einem Kartoffel-Pathogen: 10x weniger als beim kleinsten Virus).
Viren Die Virion-Nucleinsäure kann DNA oder RNA, einsträngig oder doppelsträngig sein. Danach richtet es sich, wie die Nucleinsäure vermehrt und wie sie in Protein umgesetzt wird: - DNA doppelsträngig: (-)-Strang wird transkribiert - einzelsträngig: Doppelstrangbildung, dann s.o. Die DNA-Vermehrung erfolgt aus der Doppelstrangform, bei Einzelstrangvirus wird nur dieser Strang neu gebildet.
Viren RNA-Viren codieren für eine RNA-abhängige RNA- Polymerase, die Replikation erfolgt jeweils über einen RNA-Doppelstrang. - RNA doppelsträngig: mrna wird von der RNAabhängigen Polymerase vom (-)-Strang abgelesen - einzelsträngig (+)-Strang: dient direkt als mrna, zur Replikation wird der Gegenstrang gebildet - einzelsträngig (-)-Strang: RNA-Pol synthetisiert (+)-Stränge, die als mrna dienen
Viren Ein besonderer Fall sind die Retroviren, die auch eine einzelsträngige RNA enthalten, aber über die virale Reverse Transkriptase in DNA umgeschrieben werden, die sich ins Wirtsgenom einbaut und so für Proteinproduktion und neue virale RNA sorgt.
Viren Der Infektionszyklus der Viren unterteilt sich in: - Adsorption an die Wirtszelle - Injektion/Penetration - Frühe Schritte der Replikation/Bildung viraler Enzyme - Replikation der Nukleinsäure - Synthese der Capsidproteine - Self-assembly des Capsids mit der Virus-Nukleinsäure - Lyse des Wirts
Viren - Adsorption Die Adsorption an die Wirtszelle ist ein hochspezifischer Prozeß, bei dem Virenproteine an Rezeptorstrukturen auf der Wirtszelle binden. Das sind Proteine (oft Pili oder Flagellen bei Bakterien) oder Polysaccharide der Zelloberfläche, die für den Wirt eigentlich einen anderen Nutzen haben. Verlust des Rezeptors führt zur Resistenz gegen das Virus. Einige Tier- und Pflanzenviren benutzen keine Rezeptoren, sondern gelangen durch Phagozytose in die Zelle ( lassen sich von der Zelle fressen ).
Viren - Adsorption Bakterielle Viren (Bakteriophagen, Phagen) injizieren ihre Nukleinsäure in die Zelle. Dabei ist z.b. das T4-Virus wie eine Injektionsspritze gebaut, der Schaft kontrahiert und injiziert die DNA. Eukaryontische Viren gelangen (durch Phagozytose oder bei umhüllten Viren durch Verschmelzen der Membran mit der Wirtsmembran) als Virion in die Zelle und setzen dort die Nukleinsäure frei.
T4 injiziert seine DNA
Viren - Capsidentstehung Die Capsidproteine können spontan zur Kapsel assoziieren (Self-assembly), oft mit der Viren-Nukleinsäure als Startpunkt.
TMV Self-assembly des Tabak- Mosaikvirus
Phage M13 Capsid-Assembly beim Austritt aus der Zelle: die Zelle wird nicht lysiert, sondern wird zum Dauerausscheider
Lyse und Lysogenie Das Virus kann die Zelle zerstören (Lyse) und viele Virionen freisetzen. Es kann sich auch in der Zelle dauerhaft festsetzen und ohne Lyse Virionen freisetzen (wie M13): persistente Infektion. Schließlich kann es sich als DNA ins Genom integrieren. Bei Bakteriophagen nennt man diesen Zustand Lysogenie, der Phage wird dabei als Prophage bezeichnet. Das Virus wird dann mit der Zelle mitvermehrt, kann sich aber später wieder aus dem Genom lösen und lytisch werden. Der Wechsel zwischen lytischer und lysogener Phase ist gut untersucht, er wird vom Phagen (z.b. Phage λ Lambda ) genau kontrolliert. Führt ein Virus zur Lyse, wird er als virulenter Virus bezeichnet, führt er zur Lysogenie, heißt er temperent.
Lyse und Lysogenie
Latente Infektion und Zell-Transformation Bei Tieren kann eine solche ruhende Virusform ohne Symptome bleiben (latente Infektion). Die Zelle kann aber auch ihre Wachstumskontrolle verlieren und zu einem Tumor werden. Man spricht dann von einer Transformation der Zelle.
Mögliche Wege der Vireninfektion
Viren-Abwehr Bei Tieren ist das Immunsystem die wichtigste Virenabwehr. Durch Infektion oder Impfung werden Antikörper gegen virale Proteine gebildet, die die Viren verklumpen. Bakterien erkennen die fremde Viren-Nukleinsäure und vernichten sie. Dazu verändern sie ihre DNA (durch spezifische Methylasen), ohne daß die codierte Information sich ändert. Spezielle Endonukleasen (Restriktionsendonukleasen = Restriktionsenzyme) erkennen und zerschneiden falsch und un-methylierte DNA (und damit den eindringenden Phagen).
Restriktionssystem Entkommt ein Phage diesem System, wird er in der Zelle korrekt methyliert und kann andere Zellen dieses Bakterienstammes infizieren. Andere Stämme mit anderem Kennmustern (andere Sequenzen werden methyliert) erkennen ihn aber als Angreifer und zerschneiden ihn. Es liegt also eine Beschränkung auf einen Wirt vor: eine Wirtsrestriktion. Davon hat das Abwehrsystem den Namen Restriktionssystem (und die Endonukleasen den Namen Restriktionsenzyme). Die Restriktionsendonukleasen sind das wichtigste Werkzeug der Gentechniker, da sie DNA spezifisch und reproduzierbar zerschneiden.
Viren-Erkennung Viren sind zu klein, um im Lichtmikroskop sichtbar zu sein. Zur Abbildung benötigt man also ein Elektronenmikroskop. Nachgewiesen werden Viren meist im Plaque-Test: auf einem Zellrasen von Wirtszellen (bei Phagen: konfluenter Bakterienrasen) wird eine Virensuspension ausgebracht (bei Bakterien meist in Weichagar als Overlay aufgegossen). Lysierende Viren produzieren eine klaren Plaque (gut sichtbare Zone ohne Zellen), nicht-lytische Viren haben meist einen cytopathogenen Effekt (schlechteres Wachstum, Zellveränderungen) auf die infizierte Zelle, so daß trübe Plaques erkennbar sind.
Viren-Erkennung durch Plaque- Assay
Viren-Typen Bakteriophagen: Phage λ ist der bestuntersuchte Phage, das klassische Beispiel für einen temperenten Phagen. Bei Umweltstreß für den Wirt leitet er die lytische Phase ein. Die T-Phagen sind ebenfalls wichtige Forschungsmodelle. Die geradzahligen T-Phagen (T2, T4) gehören zu den komplexesten Viren, mit über hundert codierten Genen und einem komplexen DNA-Injektionsmechanismus. φx174 hat nur ein Genom von nur 5386 Nucleotiden, das es aber optimal nutzt. In einigen Bereichen sind Gene in verschiedenen Leserastern ineinander verschachtelt (überlappende Gene).
Phagen Bakterielle Viren = Bakteriophagen, Phagen
Viren-Typen Tierische RNA-Viren: Picorna-Viren ( Kleine RNA-Viren ) sind nicht-umhüllt mit icosaedrischem Virion. Dazu gehören die Rhinoviren (Schnupfen) und Polioviren (Kinderlähmung). Influenzaviren enthalten 8 verschiedene RNAs. In der Hülle sitzen eine Neuraminidase und ein Hämagglutinin, gegen diese Proteine sind die Impfstoffe gerichtet. Verschiedene Subtypen erfordern immer neue Impfstoffe.
Viren-Typen Retroviren: Retroviren sind einsträngige RNA-Viren. Nach der Infektion wird von der (+) RNA eine Reverse Transkriptase abgelesen, die die RNA erst in ein- dann in doppelsträngige DNA umschreibt, die als Provirus ins Wirtsgenom integriert. Dabei kann die Zelle transformiert (zur Tumorzelle) werden, wenn die Viren Onkogene tragen. Das sind meist mutierte Formen von Wirts-Genen, die die Zellvermehrung aktivieren und das nun unkontrolliert tun. Das HIV-Virus infiziert bevorzugt Immunzellen, sie binden an Oberflächenproteine dieser Zellen. Die Krankheit hat eine lange Latenzzeit (keine Symptome), der Nachweis der Infektion erfolgt über eine Antikörperbestimmung gegen das Virus.
Vermehrungszyklus von HIV