GRUNDZÜGE DER PRIVATEN KRANKENVERSICHERUNG



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Transkript:

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 1 GRUNDZÜGE DER PRIVATEN KRANKENVERSICHERUNG Prof. Dr. Olaf Winkelhake RheinAhrCampus Remagen winkelhake@rheinahrcampus.de Stand: 15.09.2011 http://winkelpedia.org/index.php?n=pkv.markt Summary Etwa 10% der deutschen Bevölkerung haben eine Vollversicherung bei einem Privaten Krankenversicherer. Etwa die Hälfte der privat Vollversicherten sind beihilfeberechtigte Beamte und deren Familienangehörige. Die andere Hälfte sind Selbständige und ehemalige freiwillige GKV-Mitglieder, die in die PKV gewechselt sind. Neben der Vollversicherung bietet die Private Krankenversicherung auch Zusatztarife für Mitglieder der GKV an. Etwa jeder fünfte GKV-Versicherte hat eine solche Zusatzversicherung abgeschlossen. Das Hauptgeschäft der Branche sind allerdings die Vollversicherungen. Anders als in der GKV gibt es keine Großkassen. Der Marktführer hat einen Marktanteil von unter 15%. Ein weiterer Unterschied zur GKV ist die Honorierung der Leistungserbringer, die über das Kostenerstattungsprinzip erfolgt. Inhalt Das duale Krankenversicherungssystem in Deutschland... 2 Versicherungsarten: Voll- und Zusatzversicherungen... 2 Versichertenstruktur... 3 Kapitaldeckungsprinzip... 4 Risikoprüfung... 5 Beitragseinnahmen... 6 Marktanteile... 7 Honorierung der Leistungserbringer... 8 Selbstbehalte und Beitragsrückerstattungen als Steuerungsinstrument... 9 Leistungsumfang... 10 Verwaltungskosten... 10 Koexistenz mit der GKV... 11 Ein Beispieltarif... 12 Übungsaufgaben... 13 Literatur... 14

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 2 DAS DUALE KRANKENVERSICHERUNGSSYSTEM IN DEUTSCHLAND Die meisten Länder haben ein Krankenversicherungssystem, dessen Spielregeln für die gesamte Bevölkerung gelten. Das ist in Deutschland nicht so. Etwa 90% der Bevölkerung sind in der GKV versichert. Die verbleibenden 10% in der PKV. Man spricht daher auch von einem dualen Krankenversicherungssystem. Warum gibt es diese Dualität? In erster Linie sind dafür historische Gründe verantwortlich. Die GKV wurde in den 1870er Jahren, d.h. im deutschen Kaiserreich entwickelt, um die soziale Lage der Arbeiterklasse zu verbessern. Dabei spielte weniger die Menschenliebe des Kaisers und seines Reichskanzlers Bismarck eine Rolle, sondern die schlichte Angst, dass man die Arbeiterklasse in die Hände der bösen Sozialdemokraten treiben würde, wenn man nichts tun würde und dass die Sozialdemokraten dann eine Revolution starten würden. Ein Element dieser angstgetriebenen Sozialpolitik war die Einführung einer Krankenversicherung. Aber nur für die Arbeiter. Die anderen Bevölkerungsschichten waren (so die Idee) in der Lage, das Krankheitsrisiko selbst abzudecken. Das war vermutlich auch tatsächlich so, denn die GKV war in ihrer Anfangsphase in erster Linie eine Krankengeldversicherung, weil es keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gab. Teure Therapien für chronische Krankheiten, die heute den Löwenanteil der Ausgaben ausmachen, gab es noch nicht. Damals sind sie an Diabetes halt irgendwann später oder eher früher gestorben. Nun kamen aber immer mehr Therapiemöglichkeiten auf den Markt und irgendwann war das auch für den Mittelstand nicht mehr finanzierbar und so entstand ein Markt für Krankenversicherung jenseits der GKV. In dieser Phase hätte man die GKV auf die Gesamtbevölkerung ausdehnen können. Hat man aber nicht, sondern man hat ein zweites System installiert. Die PKV. VERSICHERUNGSARTEN: VOLL- UND ZUSATZVERSICHERUNGEN Die Private Krankenversicherung (PKV) bietet verschiedene Versicherungsprodukte an. Die Krankheitsvollversicherung ist ein Ersatz bzw. eine Alternative zur GKV und umfasst die komplette medizinische Versorgung des Versicherten. Hierbei ist der Umfang der Vollversicherung nicht gesetzlich festgelegt. Die Leistungspakete unterscheiden sich zwischen den Anbietern und jeder Anbieter hat im Regelfall mehr als ein Leistungspaket im Angebot. Etwa 50% der Vollversicherungsverträge sind Beihilfetarife für Beamte. Der Staat als Arbeitgeber tritt über die Beihilfe in gewisser Weise selbst wie ein Versicherer auf und deckt etwa 50% der Krankheitskosten seiner Beamten ab. Dies entspricht also in etwa der Idee der paritätischen Finanzierung in der GKV, in der der Arbeitgeber 50% des Kassenbeitrags zahlt. Kinder von Beamten haben einen Beihilfeanspruch von 80% der Kosten. Beamte mit mehr als einem Kind haben einen Beihilfeanspruch von 70%. Mit diesem prozentualen Anstieg versucht das Beihilferecht so etwas Ähnliches wie die kostenlose Familienversicherung in der GKV abzubilden. Im Unterschied zur GKV zahlt der Staat aber nicht die Hälfte der Prämie, sondern die Hälfte der Kosten. Für die andere Hälfte der Kosten muss der Beamte einen privaten Versicherungsvertrag abschließen, eben einen der obengenannten Beihilfetarife. Diese Beihilfetarife werden, obwohl sie ja nur den Teil der Kosten, die nicht von der Beihilfe übernommen werden, abdecken, zu den Vollversicherungstarifen gerechnet, da Voll sich nicht auf den Erstattungsanteil, sondern den Leistungsumfang bezieht. Und der umfasst eben bei den Beihilfetarifen das gesamte Spektrum. Während die Beihilfetarife von allen Beamten (und deren Angehörigen) abgeschlossen werden können, stehen die anderen PKV-Vollversicherungstarife nicht allen Versicherten offen. Um eine PKV-Vollversicherung abschließen zu können, muss der Versicherte entweder ein freiwilliges GKV-Mitglied sein, d.h. ein Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze von 49.500

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 3 Euro pro Jahr erzielen (Stand 9/2011) oder selbständig bzw. ein Freiberufler sein. GKV- Mitglieder, die unterhalb dieser Grenze liegen, können nicht in die PKV wechseln. Die PKV bietet ebenfalls eine Pflegeversicherung an, deren Leistungen der der gesetzlichen Pflegeversicherung entspricht und ausschließlich der Absicherung der PKV-Vollversicherten dient. Über diese Produkte hinaus bietet die PKV eine Reihe von Zusatzversicherungen an. Die Zielgruppe dieser Produkte sind in erster Linie GKV-Versicherte, die das GKV-Leistungspaket aufstocken wollen. ambulante Tarife bieten Zuschüsse zu ambulanten Leistungen wie Brillen, Hörgeräten oder Medikamenten. Krankenhauszusatzversicherungen beziehen sich meist auf die Unterbringung in Ein- und Zweibettzimmern sowie das Recht auf eine Chefarztbehandlung. Zahntarife sind speziell auf die zahnärztliche und kieferorthopädische Versorgung ausgerichtet und bieten Zuschüsse zu Leistungen, die von der GKV nicht abgedeckt werden. Krankentagegeldversicherungen decken den Verdienstausfall von Selbständigen und Freiberuflern während einer Erkrankung ab, da diese Personengruppe ja keinen Arbeitgeber hat, der den Lohn auch während der Erkrankung fortzahlt. Ein eher kurioses Produkt ist die Krankenhaustagegeldversicherungen. Diese Versicherung zahlt im Falle eines Krankenhausaufenthalts eine tägliche Summe aus, mit der der Versicherte z.b. Zuzahlungen oder Mehraufwendungen bezahlen kann. Versicherungsbetriebswirtschaftlich fällt diese Versicherung unter die Bagatellversicherungen, weil der Schadensfall so gering ist, dass der Versicherte im Regelfall auch auf die Versicherung verzichten könnte. VERSICHERTENSTRUKTUR Im Jahr 2005 waren etwa 8,5 Mio. Personen in der PKV vollversichert, also etwa 10% der Bevölkerung. Die Zahl der Versicherten mit einer Zusatzversicherung betrug etwa 17 Mio. Das bedeutet, dass etwa jeder fünfte GKV-Versicherte einen privaten Zusatztarif abgeschlossen hat. Knapp 50% der Vollversicherungen sind Beihilfetarife, wie die folgende Abbildung aus dem PKV-Zahlenbericht zeigt. Die PKV ist also nicht in erster Linie ein Versicherer gutverdienender ehemaliger GKV-Mitglieder, die in die PKV gewechselt sind, sondern in erster Linie ein Versicherer von gutverdienenden Beamten und deren Angehörigen. Diese hohe Beamtenquote ist nicht unbedingt ein Ausdruck davon, dass die Beamten sich so freuen, sich privat versichern zu dürfen.

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 4 Faktisch haben die Beamten nicht die Alternative, sich in der GKV zu versichern, da der Arbeitgeber (d.h. der Staat) in diesem Fall seine Beihilfezahlungen einstellt, aber nicht die Hälfte des GKV-Beitrags übernimmt, so dass die Alternative zur Beihilfe für einen Beamten darin besteht, 100% des GKV-Höchstbeitrags selbst zu bezahlen, was nur in seltenen Ausnahmefällen attraktiv ist. Knapp 60% der PKV-Versicherten sind de facto Zwangsmitglieder in der PKV. Das bedeutet nicht, dass alle damit unzufrieden sind. Es bedeutet aber, dass das Geschäftsmodell der PKV sehr stark vom weiteren Bestand des Beihilfesystems abhängig ist. Sollte sich der Staat eines Tages entschließen, dieses, etwas bizarre, System abzuschaffen bzw. die Zahl der Beamten stark zu reduzieren, könnte das die Existenz der PKV in Frage stellen, da das Einkommen der meisten Beamten deutlich unterhalb der GKV-Versicherungspflichtgrenze liegt, d.h. dass ein Großteil der Beamten, die bisher quasi PKV-Pflichtmitglieder sind, dann gar nicht mehr in die PKV wechseln könnten. Aus der Darstellung der Versichertenstruktur können Sie entnehmen, dass knapp 20% der Versicherten Kinder sind. In der PKV gibt es keine kostenlose Familienversicherung. Kinder haben einen eigenen Versicherungsvertrag und zahlen eine eigene Prämie. KAPITALDECKUNGSPRINZIP Die GKV arbeitet nach dem sogenannten Umlageverfahren. Das bedeutet, dass die Kassen zu Beginn eines Jahres den Finanzierungsbedarf abschätzen und ihre Beiträge so kalkulieren, dass die Einnahmen des Jahres die Ausgaben des Jahres decken. Die Bildung von Rücklagen ist nicht vorgesehen 1. Im Gegensatz dazu verwendet die PKV das Kapitaldeckungsverfahren. Dieses Verfahren berücksichtigt, dass die Durchschnittskosten mit dem Alter ansteigen. Daher wird mit einem Teil der Prämien in jungen Jahren ein Kapitalstock gebildet, der dann in späteren Jahren aufgelöst wird. Die PKV-Prämie wird so kalkuliert, dass (bei gleichbleibenden Kosten) die Rücklagen ein so großes Polster bilden, dass die Prämie im Alter nicht angehoben werden muss. Diese Rechnung ist in der Vergangenheit faktisch nie aufgegangen, weil die Kosten eben nicht gleichgeblieben sind, so dass die Prämien kontinuierlich gestiegen sind. Die Höhe der PKV-Prämie hängt somit vom Alter ab, in dem der Versicherte den Vertrag abschließt. Kosten Kosten Prämie Prämie Alter Alter 1 In den Medien lesen Sie regelmäßig, dass die GKV entweder im Geld schwimmt oder eigentlich pleite ist. In beiden Fällen handelt es sich meist um 2-3 Milliarden die entweder zu viel oder zu wenig da sind. 2-3 Milliarden hört sich unvorstellbar viel an. Bei ca. 180 Mrd. Gesamtausgaben in der GKV sind das 500 Mio. pro Tag und 2-3 Milliarden sind somit etwa 1% der Jahresausgaben und reichen keine Woche.

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 5 In der linken Grafik ist ein Versicherter abgebildet, der den Vertrag in jüngeren Jahren abschließt. Er hat noch relativ viele Jahre mit geringen Durchschnittskosten vor sich, so dass er auch bei einer relativ niedrigen Prämie noch genügend Rücklagen für das Alter bilden kann. In der rechten Grafik ist zum Vergleich ein Versicherter eingezeichnet, der beim Vertragsabschluss bereits älter ist. Die Durchschnittskosten sind schon etwas höher, so dass die Prämie auch höher sein muss, damit er genügend Rücklagen bilden kann. Diese Alterungsrückstellungen werden nicht auf ein persönliches Konto eingezahlt, sondern fließen in einen gemeinsamen Kapitalstock aller Versicherten. Bei einem Versicherungswechsel kann nur ein relativ geringer Teil dieser Rückstellungen zum neuen Versicherer mitgenommen werden, so dass der Wechsler beim neuen Versicherer mit höheren Prämien rechnen muss. Aus diesem Grund ist ein PKV-Versicherter bereits nach einigen Jahren faktisch an seinen Versicherer gebunden, so dass es in der PKV keinen Wettbewerb um Bestandskunden gibt, was seit langem ein Kritikpunkt am Konzept der PKV ist. Das Einkommen eines Versicherten spielt für die Prämienhöhe (anders als in der GKV) keine Rolle. RISIKOPRÜFUNG Der Regelfall Neben dem Alter spielt auch der Gesundheitszustand des Versicherten eine Rolle. Bei Vertragsabschluss wird eine Risikoprüfung durchgeführt. Im Regelfall muss der Versicherte alle Krankheiten und familiäre Vorbelastungen offenlegen, seine Arztbesuche in den letzten Jahren dokumentieren und seinen Hausarzt von der Schweigepflicht gegenüber der Versicherung entbinden. Hat der Antragssteller aus Sicht der Versicherung einen unterdurchschnittlichen Gesundheitszustand oder drohen überdurchschnittliche Kosten in der Zukunft, kann die Versicherung einen Risikozuschlag verlangen. Kosten Kosten Prämie Prämie Alter Alter In der Abbildung stellt der linke Fall den Durchschnitt dar. In der rechten Abbildung ist ein Versicherungswilliger mit Vorerkrankungen bzw. erblicher Vorbelastung dargestellt. Da künftig höhere Kosten drohen (die Kostenkurve liegt weiter links oben) kalkuliert der Versicherer eine höhere Prämie. Alternativ kann die Versicherung bestimmte Leistungsgebiete auch ausschließen oder einen Vertragsabschluss komplett ablehnen, denn anders als in der GKV gibt es in der PKV keinen Kontrahierungszwang. Diese Risikoprüfung wird nur bei Vertragsabschluss durchgeführt. Ändert sich das Risiko nach Vertragsabschluss, wird keine Neubewertung durchgeführt.

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 6 Eine Ausnahme von dieser Regelung stellen Neugeborene dar, d.h. Kinder von PKV- Versicherten. Die Eltern dieser Kinder können innerhalb der ersten zwei Lebensmonate ohne Risikoprüfung einen PKV-Vertrag ohne Risikoprüfung abschließen. Sonderfall Basistarif Bis 2009 gab es in Deutschland keine allgemeine Versicherungspflicht. Wer nicht Pflichtmitglied in der GKV war, konnte sich in der PKV versichern, musste aber nicht. Über 99% der Bevölkerung war zwar entweder GKV oder PKV, aber es gab noch ein paar Nichtversicherte. Die Gesundheitsreform aus dem Jahr 2007 hat diesen Zustand (mit Wirkung ab 2009) beendet. Bis dahin musste jeder in Deutschland Wohnende irgendwo krankenversichert sein. Nun war absehbar, dass ein Teil dieser Nichtversicherten nicht berechtigt waren, in der GKV versichert zu werden, weil sie früher einmal in die PKV gewechselt waren, dann aber gekündigt hatten ( Einmal PKV, immer PKV ). Diese Versicherten hätten dann teilweise horrende Prämien in der PKV zahlen müssen. Weil sie relativ alt und/oder relativ krank sein würden. Um diesen Fall zu vermeiden, wurden die PKV-Anbieter verpflichtet, einen sogenannten Basistarif anzubieten. Dieser Tarif orientiert sich am GKV-Leistungskatalog. Die Prämien dürfen den Höchstsatz der GKV nicht überschreiten, es darf keine Risikozuschläge geben und die Versicherer können auch keinen Antragssteller ablehnen. Die Versicherer waren von der Einführung dieses Basistarifs überhaupt nicht begeistert. Warum? Lassen Sie sich die Bedingungen noch einmal durch den Kopf gehen: Das Leistungsniveau entspricht der GKV. Es gibt keine Risikoprüfung und die Prämien sind auf das maximale GKV-Niveau gedeckelt. Wer soll sich denn zu solchen Konditionen versichern? Da kann man doch genauso gut in der GKV bleiben, oder? Ganz richtig. Und das wird auch jeder, der in der GKV bleiben darf auch so tun. Und jeder, der halbwegs gesund ist und mit dem GKV- Leistungsniveau zufrieden ist, wird sich doch einen Tarif suchen, bei dem es eine Gesundheitsprüfung gibt. Wer bleibt denn dann als Zielgruppe übrig? Genau: Die Alten und Kranken, die früher mal PKV-versichert waren und jetzt ihre Prämien nicht mehr bezahlen konnten und ihren Versicherungsschutz verloren haben. Die werden jetzt gezwungen, sich zu versichern. Und der Gesetzgeber drückt den PKVen das darf aber nicht mehr als den GKV-Höchstsatz kosten aufs Auge. Das hört sich nicht so an, als wären die Chancen groß, dass dieser Tarif kostendeckend arbeiten kann. BEITRAGSEINNAHMEN Sonstige 0,6 Zusatzvers. 5,2 Pflegevers. 1,9 PKV Prämieneinnahmen 2005 in Mrd. Euro Q ll PKV Zhl b ih Vollvers. 19,7 Obwohl die Anzahl der Zusatzversicherten viel höher als die Zahl der Vollversicherten ist, entfällt der Löwenanteil der Beitragseinnahmen auf die Vollversicherung. Das bedeutet, dass die Branche in der gegenwärtigen Form bei einer Beschränkung auf Zusatzversicherungen wohl nicht überlebensfähig wäre.

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 7 Ein Vergleich mit anderen Versicherungszweigen (Schaden- und Unfall und Lebensversicherung) zeigt, dass die PKV eine eher kleine Branche ist, sowohl was die Zahl der Unternehmen als auch die Beitragseinnahmen betrifft. Betrachtet man die Höhe der Prämien nicht auf der Ebene der gesamten Branche, sondern aus der Sicht der einzelnen Versicherten, so zeigt sich, dass die Versicherten in den letzten Jahren sehr hohe Steigerungsraten bei den Prämien erleiden mussten, die etwa doppelt so hoch lagen wie in der GKV. MARKTANTEILE Der Verband der privaten Krankenversicherung e.v. hat 48 Mitglieder, die zusammen mehr als 99% Marktanteil darstellen. Anders als in der GKV fehlt in der PKV ein dominanter Versicherer, wie die AOK, die bei den Gesetzlichen Kassen allein einen Marktanteil von ca. 35% hat.

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 8 Die Allianz ist der DBV Winterthur 4% Barmenia 4% Continentale 4% PKV Marktanteile 2005 andere 33% BBK 4% Debeka 14% Signal 7% DKV 13% Allianz 11% Central 6% Quelle: MAP Report weltgrößte Versicherungskonzern und Nr. 3 im deutschen PKV- Markt. Bis 2003 hatte sie eine Kapitalverflechtung mit der Munich Re. Der konzerneigene Rückversicherer Allianz RE ist der weltweit achtgrößte Rückversicherer, der aber weitgehend zur Rückversicherung konzerninterner Risiken eingesetzt wird. Nur 20% der Einnahmen stammen von außerhalb des Konzerns. Die DKV ist der zweitgrößte PKV-Anbieter und gehört zur ERGO-Versicherungsgruppe, die zu 99,6% der Munich Re gehört. Munich Re (Früher Münchener Rück ) ist der weltweit größte Rückversicherer. Die Debeka ist der deutschlandweit größte private Krankenversicherer und hat seine Hauptverwaltung in Koblenz. Die Debeka ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG). Das ist eine Rechtsform, die nur bei Versicherungen existiert. Die Versicherten werden bei Vertragsabschluß automatisch Mitglieder des Versicherungsvereins. Dieser Verein hat (anders als die anderen Versicherungen) keine Gewinnerzielungsabsicht, d.h. es gibt keine Gewinne, die an Aktionäre ausgeschüttet werden, sondern die Gewinne verbleiben im Unternehmen. Dadurch stellt diese Unternehmensform einen Wettbewerbsvorteil gegenüber gewinnorientierten Aktiengesellschaften dar. Mehr als 50% der PKV-Versicherten sind in einem VVaG versichert. Die Debeka ist insofern auch noch ein Sonderfall, als dass die Krankenversicherung einen ganz erheblichen Anteil am Gesamtgeschäft hat, während bei den anderen Versicherern die PKV- Sparte eher randständig ist. Die Marktanteile der kleineren Versicherer werden relativ schnell so klein. Etwa die Hälfte der Verbandsmitglieder hat einen Marktanteil von teilweise deutlich weniger als 1% (also weniger als 80.000 Versicherte). HONORIERUNG DER LEISTUNGSERBRINGER Die Honorierung der Leistungserbringer funktioniert in der PKV komplett anders als in der GKV. Anders als in der GKV, die das Sachleistungsprinzip einsetzt, gilt in der PKV das Kostenerstattungsprinzip.

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 9 1. Der Patient schließt mit dem Arzt einen Behandlungsvertrag ab. 2. Der Arzt behandelt den Patienten und stellt dem Patienten eine Rechnung. 3. Der Patient begleicht die Rechnung und reicht sie bei seiner Versicherung ein. 4. Die Versicherung erstattet von dieser Rechnung nun den vertraglich festgelegten Teil. Hat der Arzt eine Rechnung gestellt, die Posten beinhaltet, die von der Versicherung nicht abgedeckt sind oder die höher abgerechnet worden sind als im Versicherungsvertrag ausgehandelt, erstattet die Versicherung diese Kosten auch nicht und der Versicherte muss sie letztlich aus eigener Tasche bezahlen. Da der Leistungskatalog in der PKV, wie gesagt, nicht gesetzlich normiert ist, kommt der Frage des Leistungsumfangs und der Erstattungshöhe eine zentrale Bedeutung zu. Die wichtigste Grundlage ist in diesem Zusammenhang die Gebührenordnung Ärzte (GOÄ), in der Gebührensätze für die einzelnen Leistungen festgelegt sind. Diese Preise haben aber eher symbolischen Wert, da der Arzt diese Preise mit einem Multiplikator versehen kann. Diese Multiplikatoren werden in 5(3) der GOÄ festgelegt. Bei "persönlichen Leistungen" des Arztes gibt es eine Spanne vom 1-fachen bis zum 3,5-fachen des Gebührensatzes. Innerhalb dieses Gebührenrahmens existiert ein Schwellenwert (auch als Regelhöchstsatz oder Begründungsschwelle bezeichnet). Der Schwellenwert liegt bei persönlichen Leistungen bei 2,3. Bei Gebühren, die mit einem darüber liegenden Faktor berechnet werden, muss eine schriftliche Begründung durch den Arzt erfolgen. Der weit überwiegende Teil aller persönlichen Leistungen wird genau mit diesem Schwellenwert abgerechnet. In diesem Zusammenhang ist ein Detail des bereits erwähnten PKV-Basistarifs von Bedeutung. Um die gedeckelte Prämie halten zu können, sind die Erstattungsätze auf den Multiplikator 1,7 begrenzt, statt auf 2,3, wie bei den meisten anderen Tarifen. Der Arzt ist aber nicht an diese Obergrenze gebunden, so dass der Basisversicherte die niedrigere Honorierung mit dem Arzt selbst aushandeln muss oder aber die Differenz aus eigener Tasche zuzahlen muss. Dieses Detail macht den Basistarif natürlich noch unattraktiver und führt zu einer noch stärkeren Verschlechterung der Risikostruktur dieser Tarife. Betrachtet man die Konstruktion der Kostenerstattung genauer, kann man feststellen, dass es zwar einen Vertrag des Patienten mit seinem Arzt und einen Vertrag des Patienten mit seiner Versicherung gibt, aber keinen Vertrag zwischen der Versicherung und dem Leistungserbringer. Das bedeutet, dass die PKV keine direkte Möglichkeit hat, steuernd auf den Leistungserbringer einzuwirken und ausschließlich auf die Steuerung des Versicherten zurückgreifen muss. SELBSTBEHALTE UND BEITRAGSRÜCKERSTATTUNGEN ALS STEUERUNGSINSTRUMENT In den meisten PKV-Versicherungsverträgen gibt es eine Regelung über Selbstbehalte oder Beitragsrückerstattungen. Die einfachste Variante des Selbstbehalts besteht darin, dass der Versicherte die ersten x Euro seiner medizinischen Versorgung pro Jahr selbst zahlt. Erst danach tritt die Versicherung ein. Bei einem Selbstbehalt von z.b. 400 macht es für einen Versicherten nur Sinn, Rechnungen bei seiner Versicherung einzureichen, wenn die Summe mehr als 400 beträgt. Reicht er z.b. Rechnungen über 500 ein, so fallen die ersten 400 in den Selbstbehalt und die Versicherung erstattet nur die restlichen 100. Eine Variante dieses Konzepts sind die Beitragsrückerstattungen. Ein Versicherter erhält eine Prämie, wenn er innerhalb eines Jahres keine Rechnungen eingereicht hat. Wenn diese Prämie z.b. 250 beträgt, macht es nur Sinn, Rechnungen einzureichen, wenn die Summe dieser Rechnungen über 250 liegt. Würde der Versicherte erstattungsfähige Rechnungen von 150

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 10 einreichen, bekäme er zwar die 150 erstattet, würde aber auf die Beitragsrückerstattung von 250 verzichten, also einen Verlust von 100 machen. Die Instrumente der Beitragsrückerstattung und des Selbstbehalts sollen den Versicherten zu Sparsamkeit anhalten, da er von einer sehr sparsamen Inanspruchnahme medizinischer Leistungen finanzielle Vorteile haben kann. Darüber hinaus spart die Versicherung auch Verwaltungskosten, da sie die Rechnungen, die der Versicherte nicht einreicht, auch nicht prüfen und erstatten muss. LEISTUNGSUMFANG Der Leistungsumfang der GKV ist weitgehend gesetzlich festgelegt. Es gibt zwar kassenspezifische Wahlleistungen, doch die fallen volumenmäßig nicht ins Gewicht. In der PKV gibt es (mit Ausnahme des mehrfach erwähnten Basistarifs) keinen verbindlichen Leistungskatalog. Die meisten Versicherungsunternehmen bieten daher auch mehrere Tarife an, deren Leistungsumfang unterschiedlich ist. Nicht alle Angebote in diesem Bereich sind seriös (o.v. 2011), sondern stellen sogenannte Lockvogeltarife dar, die freiwillige GKV-Mitglieder zum Wechsel in die PKV motivieren und eine Kundenbindung an den Versicherer erzeugen sollen. Die Prämien dieser Tarife sind exorbitant niedrig. Der Grund für die niedrigen Prämien ist ein extrem schmaler Leistungskatalog. Im Regelfall bieten die Versicherungen den Versicherten dieser Tarife eine (zeitlich beschränkte) Wechselmöglichkeit in einen höherwertigen Tarif an, ohne dass eine neue Gesundheitsprüfung erfolgt was versicherungsmathematisch eigentlich zwingend wäre. Typische Unterschiede zwischen umfangreichen und schmalen Tarifen bestehen zum einen darin, ob bestimmte Leistungen, wie ambulante Psychotherapie überhaupt erstattet werden, zum anderen darin, dass die Tarife die GOÄ-Leistungen nicht mit dem oben erwähnten Schwellenwert von 2,3 honorieren, sondern mit einem niedrigeren Faktor von z.b. 1,7. Bis zum Schwellenwert von 2,3 muss der Arzt den Faktor nicht begründen. Rechnet er diesen Faktor ab, muss der Patient die Differenz selbst tragen, bzw. vorher mit dem Arzt aushandeln, dass dieser eben nicht mit dem Faktor 2,3, sondern nur mit 1,7 abrechnet, also zu Gunsten des Patienten auf Honorar verzichtet. Viel Spaß dabei. VERWALTUNGSKOSTEN Die Verwaltungskosten in der GKV liegen bei ca. 5-6% der Beitragseinnahmen, was pro Versicherten etwa 120 ausmacht. Die Verwaltungskosten i.e.s. in der PKV sind mit ca. 2-3% etwa halb so hoch. Ob dies ein Zeichen besonderer Effizienz ist, kann aus den Zahlen nicht abgelesen werden, denn ein Großteil der GKV-Verwaltungskosten entsteht durch die Verhandlungen mit den Leistungserbringern. Solche Verhandlungen gibt es in der PKV nicht, weil es im Kostenerstattungsprinzip gar keine Vertragsbeziehung zwischen Versicherung und Leistungserbringern gibt. In der PKV bestehen die Verwaltungskosten im Wesentlichen aus der Prüfung der Rechnungen und der Berechnung der erstattungsfähigen Leistungen. Zu den Verwaltungskosten der PKV sind aber auch die Vertragsabschlusskosten zu rechnen, d.h. die Prämien, die eine Versicherung an den Versicherungsmakler zahlt, der den Vertragsabschluss eines Neukunden erbringt, und die laut Lauterbach et al (2006) bei etwa 4.000 je Vertragsabschluss liegen. Diese Vertragsabschlusskosten sind deutlich höher als alle Verwaltungskosten, die bei Rechnungsprüfung und Erstattung anfallen. Schlägt man diese Kosten den Verwaltungskosten zu, dann liegt die Verwaltungskostenquote der PKV bei knapp 10%, also deutlich höher als in der GKV. 2 2 Man könnte sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass man tatsächlich nur die Verwaltungskosten i.e.s. miteinander vergleichen sollte. Dann müsste man aber die Verwaltungs-

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 11 In der CDU wird diskutiert, ob man die Maklerprovisionen per Gesetz deckeln kann (PACHE 2011), da die Branche Kartellvorwürfe fürchtet oder vielleicht nicht in der Lage ist, die schwarzen Schafe branchenintern zu disziplinieren. KOEXISTENZ MIT DER GKV Die PKV funktioniert nach ganz anderen Prinzipien als die GKV. Sie benutzt ein langfristiger orientiertes Kalkulationsmodell und sie verzichtet auf Umverteilungsmechanismen, die in der GKV ganz zentral sind: 1. Es gibt keine Subventionierung von Familien durch Ledige (keine Familienversicherung) 2. Es gibt keine Subventionierung von niedrigen Einkommen durch hohe Einkommen (keine einkommensabhängigen Beiträge) 3. Es gibt keine Subventionierung von bereits Kranken durch die Gesunden (Risikozuschläge) Das bedeutet, dass die PKV für kinderlose, gesunde Gutverdiener deutlich niedrigere Prämien anbieten kann als die GKV, weil kinderlose, gesunde Gutverdiener auf drei Ebenen Nettozahler in der GKV sind. Insofern überrascht der Vorwurf nicht, die PKV würde Rosinenpickerei betreiben, d.h. sich auf die besonders attraktiven Versicherten beschränken und die kranken Schlechtverdiener mit vielen Kindern würden dann in der GKV verbleiben, was zu steigenden Prämien in der GKV führen würde. Dieser Vorwurf muss relativiert werden. Zum einen sind, wie gesagt, etwa die Hälfte der Versicherten Beamte und deren Angehörige, die nicht unbedingt reicher, gesünder und kinderärmer sind als der Durchschnitt. Zum anderen ist die PKV für kinderlose, gesunde Gutverdiener nur so lange attraktiv, wie man kinderlos, gesund und gutverdienend bleibt. Eine früher verbreitete Versicherungsbiographie bestand darin, dass der kinderlose, gesunde Gutverdiener zum freiwilligen Mitglied in der GKV wurde, dann in die PKV wechselte, weil die Prämien dort niedriger sind. Nach ein paar Jahren gründete er dann eine Familie und/oder reduzierte seine Arbeitszeit - und damit sein Einkommen. Dann stellte er fest, dass die PKV relativ teuer war, weil Prämien für die Kinder zu zahlen waren und die eigenen Prämie sich trotz Halbierung des Einkommens durch einen Wechsel auf eine Halbtagsstelle nicht ebenfalls halbierte. In solchen Fällen gilt die Grundregel Einmal PKV, immer PKV, d.h. es gibt keine Möglichkeit zur Rückkehr in die GKV. Die wichtigste noch existierende Ausnahme ist ein dauerhaftes (> 12 Monate) Absinken unter die Versicherungspflichtgrenze. Der PKV-Versicherte muss dann entweder in die GKV zurückkehren oder er lässt sich dauerhaft von der GKV-Versicherungspflicht befreien, kann sich dann aber nicht mehr umentscheiden. Ein weiterer Berührungspunkt zwischen GKV und PKV ist der Druck, der durch Kostendämpfungsmaßnahmen in der GKV auf die PKV erzeugt wird. Ein Beispiel für diesen Druck sind die Ärztehonorare. Ein Marketingargument der PKV besteht darin, dass Ärzte Privatpatienten bevorzugt behandeln und kurzfristigere Termine anbieten als GKV-Versicherten. Wenn Ärzte dies tun, besteht der Grund darin, dass die gleichen Leistungen bei PKV-Versicherten deutlich höher vergütet werden als bei GKV-Versicherten. Die Leistungskataloge GOÄ und EBM sind nicht direkt miteinander vergleichbar, aber die Honorare liegen etwa doppelt so hoch. Über eine bevorzugte Terminvergabe versuchen Ärzte, mehr Privatversicherte an sich zu binden. 3 kostenquote der GKV um alle Kosten bereinigen, die durch die Akquise von Neukunden entstehen. 3 Dieser Effekt ist übrigens einer der Hauptgründe, warum die Ärztedichte in den neuen Bundesländern niedriger ist als in den alten. In den neuen Bundesländern gibt es weniger PKV-Ver-

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 12 Dieses Marketinginstrument der PKV ist aber ein zweischneidiges Schwert, denn man kann es ja direkt umformulieren in: Als PKV-Patient ist man die Cash-Cow der Ärzte, die richtig abkassieren können und so die Kohle wettmachen können, die sie von den GKV-Versicherten nicht mehr bekommen. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die PKV deutlich stärkere Prämiensteigerungen als die GKV verzeichnen muss (Grabka 2006) und dies zu großen Teilen auf Ausweichstrategien der Ärzte zurückführt. EIN BEISPIELTARIF Um Ihnen die Idee der Kapitaldeckung zu verdeutlichen, wollen wir uns einen fiktiven Beispieltarif anschauen, der nur drei Jahre läuft. Wir nehmen an, dass 1.000 Versicherte diesen Tarif abschließen. Wir nehmen der Einfachheit halber an, dass alle Prämien und alle Kosten jeweils am 1.1. d.j. anfallen. Wir gehen davon aus, dass die Versicherten, die heute pro Kopf und Jahr 100 kosten, im nächsten Jahr 125 kosten und in zwei Jahren 156,25. Die mathematisch einfachste Lösung wäre natürlich, die Prämie jedes Jahr auf den jeweiligen Pro-Kopf-Wert anzuheben. Aber das würde zu Prämien führen, die im Alter deutlich ansteigen. Das wollen wir nicht. Also suchen wir eine Prämie, die zu Beginn des Vertragsverhältnisses zu hoch ist, damit wir mit den Überschüssen einen Kapitalstock bilden können, aus dem wir dann in späteren Jahren die Defizite decken können. Im Jahr 2012 schließen 1.000 Versicherte einen Vertrag ab und zahlen 122 Prämie, also insgesamt 122.000. Diesen 122.000 stehen Ausgaben in Höhe von 100 pro Kopf, also 100.000 gegenüber, so dass 22.000 Überschuss bleiben, die den Kapitalstock der Versicherung bilden. Im Laufe des Jahres 2012 fallen bei einem Zinssatz von 5% Zinsen von 1.100 an. Im Jahr 2013 leben nur noch 950 Versicherte, d.h. 50 Versicherte sind seit dem 1.1. des Vorjahrs verstorben. Die Verstorbenen zahlen natürlich keine Prämie, so dass es nur noch 115.900 Prämieneinnahmen gibt. Natürlich verursachen auch nur noch 950 Versicherte Kosten von insgesamt 118.750. Das bedeutet, dass in diesem Jahr 2.850 mehr ausgegeben werden als an Prämien eingenommen worden sind. Das ist erst einmal kein Problem, denn man hat ja den Kapitalstock von 22.000 aus dem Vorjahr, zu dem noch die 1.100 Zinsen kommen, also 23.100. Aus diesen 23.100 zahlt man das Defizit von 2.850. Der Kapitalstock sinkt somit auf 20.250. Die bringen aber wieder Zinsen. Bei einem Zinssatz von 5% sind das 1.012,50 im Laufe des Jahres 2013. Im Jahr 2014 leben noch 650 Versicherte, die am 1.1. Prämien zahlen und Kosten verursachen. Ein Blick ins Jahr 2015 zeigt uns, dass diese 650 Versicherten auch in diesem Jahr sicherte, bei denen der Arzt höhere Honorare erhält. Reine GKV-Praxen sind somit finanziell deutlich unattraktiver.

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 13 sterben werden. Den Prämieneinnahmen von 79.300 stehen Ausgaben von 101.562,50 gegenüber. Somit entsteht ein Defizit von 22.262,50. Dieses Defizit kann mit dem Kapitalstock von 20.250 aus dem Vorjahr plus den 1.012,50 Zinsen verringert werden. Es bleibt aber noch ein Defizit von 1.000. Das bedeutet, dass die Rechnung der Versicherung nicht aufgeht. Wenn jeder Versicherte 122 Prämie bezahlt, sind am Ende, wenn alle Versicherten schließlich verstorben sind, 1.000 zu wenig in der Kasse. Die 122 sind etwas zu wenig, aber schon ein ziemlich guter Wert. ÜBUNGSAUFGABEN Frauen in der PKV Aus den Angaben über die Versichertenstruktur 2005 können Sie die Lücken in der folgenden Kreuztabelle ausfüllen. Männer Frauen Summe Versicherte mit Beihilfeanspruch 3,37 Mio. Anteil in % 100 Versicherte ohne Beihilfeanspruch 3,54 Mio. Anteil in % 100 Was fällt Ihnen an den Zahlen in dieser Tabelle auf? Schwierigkeitsgrad: keine Rückkehr = unfair? Ist die Regel einmal PKV, immer PKV nicht unfair? Was spricht für, was gegen eine uneingeschränkte Wechselmöglichkeit zwischen den beiden Versicherungstypen? Schwierigkeitsgrad: Rückstellungen als individuelles Konto Im Abschnitt über die Altersrückstellungen haben Sie erfahren, dass diese Rückstellungen in einen gemeinsamen Topf aller Versicherten wandern und nicht auf ein individuelles Sparkonto. Für viele Menschen, die sich nicht eingehend mit der PKV befasst haben, ist das überraschend. Aus welchem Grund hat man sich für die Lösung gemeinsamer Topf entschieden, bzw. anders herum, warum würde die Lösung individuelles Konto nicht funktionieren? Schwierigkeitsgrad: Beispieltarif Wir haben durchkalkuliert, das 122 für unseren Beispieltarif zu wenig sind. 1. Bauen Sie diesen Tarif mit Excel nach 2. Wie hoch muss die Prämie sein, damit die Rechnung genau auf Null aufgeht?

Grundzüge der Privaten Krankenversicherung 14 LITERATUR Grabka, M.: Prämien in der GKV. in: DIW Wochenbericht 46/2006 S. 653-659 Lauterbach, K. et al. Kapitaldeckung und Vertragsabschlusskosten in der PKV, Forschungsberichte des IGKE Köln 2006 o.v., Hauptsache billig, Finanztest 4, 64-67, 2011 Pache, Timo, Union geht PKV-Drückern an den Kragen, FTD 16.2.2011 http://www.ftd.de/politik/deutschland/:provisionsexzesse-union-geht-pkv-drueckernan-den-kragen/60012771.html Verband der Privaten Krankenversicherungen e.v. Zahlenbericht der Privaten Krankenversicherung 2008/2009, Köln 2009