Günter Hesse, 18.5.2014

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Ein nüchterner Blick auf die Euro-Zone Griechenland Günter Hesse, 18.5.2014 Kürzlich kehrte Griechenland triumphal an den internationalen Kapitalmarkt zurück. Viele wollten darin das Ende der Griechenlandkrise sehen. Thomas Mayer, der sein Leben mit der Analyse von Kapitalmärkten verbracht hat, stellte dazu kürzlich in der HNA fest, dass diese Kreditaufnahme nichts mit der Lösung grundlegender Probleme zu tun hat. Aber wenn die Investoren davon ausgehen können, dass die griechischen Schulden von den anderen EWU- Mitgliedern und der EZB garantiert werden und der Austritt Griechenlands nicht mehr auf der Agenda steht, gibt es keinen Grund, warum die Rendite für griechische Staatsanleihen sich nicht weitgehend derjenigen von deutschen Bundesanleihen annähern sollte (HNA, 15.5.2014, S.3). Deutschland hat ein AAA-Rating, Griechenland Schrottstatus, aber die faktisch schon bestehende Schuldenunion führt zur Zinsangleichung bei den Staatsanleihen. Es wird noch bizarrer: Die Zinsen, die Griechenland durchschnittlich auf seine Staatsschuld zahlen muss, sind niedriger als die Zinsen, die Deutschland durchschnittlich für seine Staatschulden bezahlen muss (Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, September 2013, S. 61). Hauptgrund sind die enormen Zinssubventionen, die Griechenland im Rahmen der Hilfsprogramme erhält. Ich werde nun versuchen, die Höhe dieser Subvention grob abzuschätzen. Das erste Hilfsprogramm, mit dem der völkerrechtlich verbindliche Vertrag von Maastricht gebrochen wurde, wie die damalige französische Finanzministerin und heutige IWF-Chefin Lagarde offen zugegeben hat, erhielt Griechenland im Frühjahr 2010. Damals wurde es uns als tolles Geschäft für Deutschland verkauft, auch in der HNA durch Herrn Drewes. Deutschland borge sich das Geld günstig und verleihe es zu höheren Zinsen (4 % bei 7 Jahren Laufzeit, nach meiner Erinnerung) an Griechenland. Bereits auf dem großen Gipfel im Juli 2011 wurden die Zinsen nachträglich gesenkt und die Laufzeit verlängert. Das ist ein Schuldenschnitt, denn für den Schuldner wird dadurch die Last der Schulden geringer, und für den Gläubiger sinkt der Wert (Barwert) seiner Forderung. Mittlerweile, nach weiteren Schuldenschnitten, zahlt Griechenland für 52,9 Milliarden Kredite aus dem ersten Hilfsprogramm 0,83 % Zinsen bei einer Laufzeit von 17 Jahren (WIWO 5.5.2014, Hilfskredite Griechenland.). Wenn Deutschland einen Kredit mit nur 10 Jahren Laufzeit aufnehmen will, muss es für die bei besonders niedrigen Zinsen in den Jahren 2013 oder 2014 aufgenommenen Kredite zwischen 1,5 % und 2% Zinsen bezahlen. Es bezahlt also für das Geld, das es sich selbst borgt, etwa doppelt so hohe Zinsen wie es für einen Kredit an Griechenland mit fast doppelt so langer Laufzeit in Rechnung stellt. Das ist ein Geschäft aus dem Tollhaus der Euro-Zonen-Rettung. Das zweite Hilfsprogramm für Griechenland läuft über den EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität), der ab 1. Juli 2013 in den ESM überführt wurde. Laut EFSF/ESM Chef Klaus Regling muss Griechenland für diese Hilfskredite leicht über 1,5% Zinsen zahlen (Spiegel Online, 7.1.2014). Bisher wurden an Griechenland aus diesem Programm 139,9 Milliarden Euro Kredite vergeben. Die mittlere Laufzeit liegt bei 32,4 Jahren, der kürzlich vergebene Kredit hat eine Laufzeit von 40 Jahren.

- 2 Der EFSF/ESM muss sich das Geld, das er den Griechen als Kredit gibt, selbst am Kapitalmarkt borgen. Nach der Goldenen Bankregel müsste er Kredite mit ähnlich langen Laufzeiten aufnehmen. Das macht er aber nicht. Er hat bisher insgesamt 6 Kredite mit Laufzeiten zwischen 20 und 25 Jahren aufgenommen, für die er im Durchschnitt 3,5% Zinsen zahlt. Das sind 2% mehr, als er Griechenland für Kredite mit erheblich längerer Laufzeit in Rechnung stellt (außerdem gibt es für die ersten 10 Jahre eine Stundung der Zinsen). Nach der Goldenen Bankregel müsste er auch den Umfang der an Griechenland vergebenen Kredite in ähnlicher Höhe durch von ihm selbst aufgenommenen Kredite mit langer Laufzeit finanzieren. Auch das tut er nicht. Die eben erwähnten 6 Kredite mit den längsten Laufzeiten umfassen nur ein Kreditvolumen von 9 Milliarden Euro. Der EFSF/ESM zockt. Er nimmt immer wieder kurzfristige Kredite zu niedrigeren Zinsen auf und macht daraus die extrem lange laufenden Hilfskredite an Griechenland. Das kann sehr schnell sehr schief gehen (wenn die kurzfristigen Zinsen steigen) und zu außerordentlichen Verlusten führen. Die HRE-Bank mit ihrer Tochter DEPFA ist mit diesem Geschäftsmodell bankrott gegangen und wurde dann mit vielen Milliarden an Steuergeldern gerettet. EFSF/ESM Chef Regling hat selbst im Wall Street Journal vom 26.9.2013 zugegeben, dass die Hilfskredite an Griechenland ein erhebliches Zuschusselement ( huge grant element ) enthalten. Um die Größenordnung dieser Subvention überhaupt abschätzen zu können, nehme ich kontrafaktisch an, dass der EFSF/ESM extreme Verlustrisiken durch Einhaltung der Goldenen Bankregel vermeidet. Ohne diese Annahme wäre in einem so langen Zeitraum von 30, 40 oder noch mehr Jahren alles möglich. Wenn ich die Zinssubvention sehr vorsichtig auf minus 2% ansetze (1,5% erhaltene Zinsen aus Kreditvergabe minus 3,5% gezahlte Zinsen für Kreditaufnahme), so beträgt diese jährliche Subvention bei bisher vergebenen Hilfskrediten von 139,9 Milliarden Euro 2,8 Milliarden Euro. Bei Ausschöpfung der maximal möglichen Summe an Hilfskrediten (144,5 Milliarden) wären es 2,9 Milliarden Euro Zinssubvention durch den EFSF/ESM. Nimmt man zum Zweck einer groben Schätzung an, dass auch die Zinssubvention auf das erste bilaterale Hilfsprogramm ca. 2% beträgt, so kommen bei der Kreditsumme von ca. 53 Milliarden Euro noch einmal 1,06 Milliarden Euro jährliche Subvention hinzu. Wenn man sich eine runde Summe merken will und bedenkt, dass die eben vorgenommene Abschätzung sehr vorsichtig ist, so kann man durchaus sagen: Griechenland erhält für die nächsten 20, 30, 40 oder noch mehr Jahre aus den beiden Hilfsprogrammen der Euro-Länder (ca. 200 Milliarden Euro) eine jährliche Zinssubvention in der Höhe von 4 Milliarden Euro. Viele Journalisten, Politiker und auch manche Mitglieder der AfD fordern (oder erwarten) immer noch einen (weiteren) Schuldenschnitt für Griechenland. Es könne sonst seine Schuldenquote von 175 % des BIP nicht tragen. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass auch nachträgliche Zinssatzsenkungen und/oder Laufzeitverlängerungen Schuldenschnitte sind.

- 3 Von diesen hat Griechenland, wie auch Klaus Regling (EFSF/ESM Chef) betont, bisher schon reichlich erhalten, aber eine schlichte Schuldenstreichung wird es nicht geben. Nach der Neuinterpretation des Nicht-Beistands-Gebots in Artikel 125 AEUV durch den EuGH dürfen zwar Hilfskredite an Krisenländer gegeben werden (was vorher aus guten Gründen verboten war), aber diese Kredite müssen zurückgezahlt werden. Deshalb ist die einfache Streichung der Schuldensumme (Verzicht auf Rückzahlung des nominellen Kreditbetrags) Tabu für die Euro-Zonen-Retter. Aber Schuldenschnitte durch Zinssatzsenkung und/oder Laufzeitverlängerung sind nicht explizit verboten und werden von einem großen Teil der nichtsahnenden Öffentlichkeit auch nicht als solche wahrgenommen. Wenn dann die Retter die Zinsen für die Hilfskredite gegen Null gehen lassen und die Fälligkeit auf den St. Nimmerleinstag verschieben, sind die Kredite keine Last mehr für Griechenland. Jeder von uns könnte unter solchen Bedingungen leicht einen Milliardenkredit tragen. Die Last tragen dann andere (z.b. Deutschland), die sich teuer verschulden und an Griechenland über Jahrzehnte laufende gigantische Kreditsubventionen verschenken. Das ist die Transfer- Union in Aktion. Ende der Krise, Wachstum in Südeuropa? Die Rezession sei überwunden, die südeuropäischen Krisenländer haben wieder Wirtschaftswachstum. Das ist die überall verkündete Nachricht in den letzten Monaten. Bevor ich einige Zahlen nenne, möchte ich daran erinnern, dass die gesamte Wirtschaftspolitik in der Euro-Zone darauf ausgerichtet ist, die Rezession zu bekämpfen und den Wirtschaftskreislauf expandieren zu lassen. Die Geldpolitik der EZB verbilligt seit fast 3 Jahren ununterbrochen die Finanzierungsbedingungen für Staaten und Unternehmen. Die Gesamtfinanzierungskosten der Unternehmen der Euro-Zone haben den niedrigsten Stand seit 1999 erreicht. Da würde man erwarten, dass die Investitionen stark ansteigen, aber die Bruttoinvestitionen in der Euro- Zone waren auch 2013 wieder rückläufig. Dazu später mehr. Auch die Finanzpolitik der Euro-Zonen-Länder wirkt expansiv (Ausnahme unter den größeren Ländern: Deutschland). Das kann man an den Haushaltsdefiziten und der unverändert zügig ansteigenden Staatsverschuldung ablesen. Viele Journalisten und Politiker verwechseln Einsparungen in einem Teil des Staatshaushalts (z.b. durch Rentenkürzungen in Spanien) mit einem gesamtwirtschaftlichen Sparen des Staates. Letzteres würde restriktiv auf den Wirtschaftskreislauf wirken, denn der Staat würde mehr einnehmen als ausgeben. Aber - bleiben wir bei Spanien - der spanische Staat spart nicht, er gab 2013 im Umfang von 7,1 % des spanischen BIP mehr aus als er eingenommen hat und besorgte sich die Differenz durch steigende Staatsverschuldung. Seine Finanzpolitik wirkte also expansiv. Ich möchte für einige wichtige Länder ihr Staatsdefizit und ihr Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr 2013 gegenüberstellen (Quelle eurostat): Griechenland, Defizit: - 12,7 % des BIP; Wachstumsrate des realen BIP: - 3,9 % Spanien - 7,1 % - 1,2 % Frankreich - 4,3 % 0,2 % Italien -3,0 % - 1,9 % Portugal - 4,3 % - 1,4 %

- 4 - Obwohl alle Register der expansiven Wirtschaftspolitik gezogen wurden, sank oder stagnierte das BIP in den Krisenländern im Jahr 2013. Am Anfang des Jahres 2014 ist das Bild uneinheitlich (siehe eurostat pressemitteilung 76/2014 vom 15.5.2014). Es folgen einige Zahlen für die BIP-Veränderung im 1.Quartal 2014 gegenüber dem letzten Quartal 2013. Dabei handelt es sich allerdings nicht um das reale, um Preisniveauänderungen bereinigte BIP, sondern um das BIP zu laufenden Preisen. Diese Zahlen sind also nur ein grober Anhaltspunkt, zeigen aber, dass die Krisenländer weiterhin mehr oder weniger stagnieren. Spanien : + 0,4% ; Frankreich : 0,0 % ; Italien: - 0,1%, Portugal : - 0,7%; (Für GR gibt eurostat nur die Veränderung gegenüber dem 1.Quartal 2013 an: -1.1 %) Für das 1.Quartal 2014 veröffentlicht eurostat noch keine Angaben über die Staatsdefizite dieser Länder. Aber für das letzte Quartal 2013 gibt es Zahlen. Da hatten alle ein Defizit, das höchste Defizit hatte Spanien mit -9,7 % des BIP. Eine Zunahme der Nachfrage nach Arbeitsleistungen ist bei diesem mit der Lupe zu suchenden Wachstum des BIP nicht zu erwarten. Die Arbeitslosigkeit wird wohl hoch bleiben. Mein Fazit: Hinter dem Abbremsen der Rezession und dem Übergang in eine Stagnation in den Krisenländern steht nicht ein sich selbst tragender Aufschwung, sondern eine expansiv ausgerichtete Geldpolitik (Niedrigzinspolitik, die an anderen Stellen erhebliche Schäden verursacht) und eine expansive Fiskalpolitik, die die Staatsverschuldung dieser Länder weiter in die Höhe treiben. Diese Staatsverschuldung wird als Damoklesschwert über den Krisenländern hängen bis sie, wie bei Griechenland, von anderen EWU-Staaten übernommen wird. Der sozialdemokratische Kommissionspräsidentenkandidat Schulz fordert ja bereits die Schuldenunion mit Eurobonds, und er ermutigt die Krisenländer, sich nicht an die Defizitgrenzen des Vertrages von Maastricht und des Fiskalpaktes zu halten, sondern sich munter weiter wachstumsfördernd zu verschulden. Neue Wege der Kreditvergabe an Unternehmen in Krisenländern. Die EZB versucht, wie schon erwähnt, seit fast 3 Jahren durch Senkung der Finanzierungskosten für Unternehmen (und private Haushalte), die Kreditnachfrage und die Investitionen der Unternehmen zu steigern. Niedrige Zinsen fördern Investitionen und damit das Wirtschaftswachstum. Das ist das traditionelle geldpolitische Rezept. Es hat aber in der Krise der Euro-Zone aus einer Reihe von Gründen nicht gewirkt. EU-Kommission, EZB, die Europäische Investitionsbank (EIB) und andere Euro-Zonen-Retter suchen deshalb nach neuen Wegen, um vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit Krediten zu versorgen, deren Ausfallrisiken letztlich von den Steuerzahlern der EWU Länder getragen werden sollen. Die KMU erwirtschaften ihren Umsatz mit relativ viel Arbeitseinsatz, eine Belebung der Aktivität der KMU hätte daher merkliche Beschäftigungseffekte. Allerdings ist die Produktivität der Arbeit in diesen Betrieben deutlich niedriger als in größeren Unternehmen.

- 5 Im Rahmen dieses neuen Wegs zu den KMU der Krisenländer (und den Taschen der Steuerzahler) hat z.b. die deutsche Staatsbank, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), auf Betreiben des Herrn Schäuble, der dort Verwaltungsratsvorsitzender ist, einen Kredit über 800 Millionen Euro an eine spanische Schwesterbank der KfW vergeben, für den die Steuerzahler in Deutschland haften. Die spanische Bank vergibt damit Kredite an spanische Unternehmen, denen sie auf eigenes Risiko keinen Kredit geben würde. Frau Merkel hat bei ihrem jüngsten Griechenlandbesuch eine Deutsch/Griechische Förderbank gegründet, die (nach den Wahlen) als Vehikel für einen ähnlichen Kredit an Griechenland dienen kann. Der Hauptakteur bei der Förderung der KMU ist allerdings die EIB, die den 28 Mitgliedstaaten der EU gehört. Deutschland hat einen Anteil von zur Zeit 16,1 % am gezeichneten Kapital von 243 Milliarden Euro. Aus einer Pressemitteilung der EIB vom 12.3.2014 : 2013 hat die EIB-Gruppe insgesamt 71,7 Mrd EUR bereitgestellt, hauptsächlich in der EU. In Spanien erreichte das Darlehensvolumen mit 10,656 Mrd EUR einen neuen Rekordstand. Das Land ist damit seit zehn Jahren in Folge der größte Empfänger von EIB- Finanzierungsmitteln Spanische Unternehmen wurden mit 4,836 Mrd EUR unterstützt. Aber auch Griechenland erhielt Finanzierungszusagen von 1 Mrd EUR. In ganz großem Stil will die EZB in diese Förderung der Unternehmen in den Krisenländern einsteigen. Das soll wie folgt ablaufen: Die Banken in den Krisenländern vergeben Kredite an die dortigen Unternehmen, deren Risiken die EZB übernimmt. Zu diesem Zweck bündeln und verbriefen die Banken diese Kredite an Unternehmen zu sogenannten Asset Backed Securities (ABS). Die EZB als Käufer dieser ABS-Papiere erwirbt das Recht auf die Zins-und Tilgungszahlungen aus den Krediten an die Unternehmen und das Ausfallrisiko! Nach der Wahl des EU-Parlaments will Draghi ( angeblich zur Bekämpfung einer Deflation, die es gar nicht gibt) nicht nur in großem Stil -1000 Mrd EUR- Staatsanleihen der Euro-Zonen- Länder aufkaufen, sondern auch Unternehmensanleihen. Die Steuerzahler, denen die EZB gehört, werden damit ungefragt nicht nur zu Gläubigern von Staaten, sondern auch von privaten Unternehmen. Damit würde ein Tabu gebrochen, das so selbstverständlich ist, das es im EZB Statut nicht einmal erwähnt ist. Der EZB-Rat kann aber Neue Maßnahmen beschließen, wenn sie dem Hauptziel der EZB, der Sicherung der Stabilität der Währung, dienen. Deshalb behauptet Draghi, dass er mit diesem Ankaufprogramm Deflationsbekämpfung, also Währungspolitik, betreibe. Ähnlich ist die EZB bei der Bezeichnung ihres OMT Programms verfahren. OMT heißt Outright Monetary Transactions, also etwa Strikte Monetäre Transaktionen. Das Verfassungsgericht hat dazu jüngst festgestellt, dass es sich dabei um eine verbotene verdeckte Staatsfinanzierung handelt. Die EZB spricht EU-Sprech, das ist vergleichbar mit dem Neu-Sprech aus George Orwells Buch 1984.