Indienreise 2007 Vom 3. Oktober 2007 bis 21. Oktober 2007 reisten die Lehrrinnen und Lehrer Edith Ehmer, Anne Knobloch, Frank Wintersinger und Josef Malat nach Cowdalli (Südindien) um die Partnerschaft und die Patenschaft mit der St. Anthony`s School weiter zu entwickeln und zu fördern. Gleichzeitig soll die Schülerinnen- und Lehrerreise für 2008 vorbreitet werden. Von anfänglich 165 Schulkindern im Jahre 2001 (Start unseres Projekts) besuchen heute über 550 Kinder und Jugendliche die Schule. Seit Juni 2007 besteht das 10. Schuljahr (Abschlussklasse einer High School). Voraussichtlich werden im Frühjahr 2008 die ersten 53 Kinder ihren High School Abschluss machen. Im Weihnachtsrundbrief 2007 werden wir über unsere Reise und den Fortgang der Dinge berichten. JM
Indienpartnerschaft des Auguste-Viktoria- Gymnasiums Trier für eine nachhaltige Entwicklung e.v. Trier, 2. Januar 2008 An alle Mitglieder, Freunde und Unterstützende der Indienpartnerschaft des Auguste-Viktoria-Gymnasiums in Trier Liebe Mitglieder und Freunde, zunächst möchte ich mir erlauben, euch und Ihnen alles erdenklich Gute für das neue Jahr 2008 zu wünschen. In den kommenden Tagen wird es zehn Jahre her sein, dass wir uns zum ersten Mal mit einem Schulbauprojekt in Indien befasst haben: In dem ländlich geprägten Ort Cowdalli, ca. 4-5 Busstunden südlich von Mysore, sollte es viele Kinder geben, die nicht die Chance hatten, eine Schule zu besuchen. Und unser Engagement als Schulgemeinschaft in Trier könnte diesen Kindern trotz ihrer Armut den Schulbesuch ermöglichen! Eine faszinierende und beglückende Idee? Aber es gab auch mahnende Stimmen, die, wie wir heute wissen, mit Recht zu bedenken gaben, ob man ohne nähere Kenntnisse und auch Vorstellungen der Lage vor Ort derart in ein ländliches Sozialgefüge eingreifen darf. Denn Spenden allein reichen nicht; wir haben in den vergangen zehn Jahren gelernt, was es bedeutet, die aufgebrachten Spendengelder nachhaltig wirken zu lassen. Nach zehn Jahren mit euphorischen Höhen aber auch manchmal großer Ratlosigkeit können wir schließlich in der Rückschau froh und auch glücklich über das Erreichte sein. 1. Die Patenschaft mit der St. Anthony`s School in Cowdalli Als wir Cowdalli im Jahre 2001 zum ersten Mal besuchten, gab es zwar den von uns unterstützten Neubau mit acht großen Klassenräumen, aber es zeigten sich schon nach zwei Jahren die ersten Spuren des Verfalls. Und vor allen Dingen, wo waren die Kinder? Statt der anvisierten 480 Schülerinnen und Schüler tummelten sich ca. 160 noch sehr junge Schulkinder mit nur drei Lehrern auf dem Gelände. Wo waren die anderen Kinder? Oder wurde die Schule nicht angenommen oder gar nicht gebraucht? An dieser Stelle gäbe es eine Menge zu erzählen und zu erklären, das würde allerdings den Rahmen dieses Mitgliederrundbriefes sprengen. Dennoch habe ich mir vorgenommen nach zehn Jahren unseres Engagements zurückzuschauen und über die Entwicklung unserer Patenschaft mit der St. Anthony`s School zu berichten und zu reflektieren. Denn wir haben alle so viel erfahren, gelernt und auch erreicht, dass es sich lohnt, die Erfahrungen zu dokumentieren, vielleicht auch für Nachfolgende. Diese Dokumentation ist für die ersten Monate des neuen Jahres geplant. Heute besuchen über 550 Schülerinnen und Schüler die St. Anthony`s School in Cowdalli! Ende Januar 2008 werde ich unsere Schule als Lehrer verlassen. Deshalb war es mir ein großes Anliegen, im Herbst 2007 noch einmal nach Cowdalli zu reisen und weiteren Kolleginnen und Kollegen die Situation hautnah vor Augen zu führen und zu erläutern. Denn eine Fortführung des Projektes ist für eine nachhaltige Entwicklung unabdingbar. Ohne unsere Patenschaften würde die Schule von derzeit zehn Klassen und zwei Vorschulklassen auf fünf schrumpfen. Und selbst aus diesen Klassen würden zahlreiche Kinder die Schule wegen mangelnder Unterstützung und fehlender Aussichten verlassen. Eine Abwärtsspirale zur Kinderarbeit als Tagelöhner und Verelendung wäre für viele vorprogrammiert. Es gibt zwei Vorschulklassen für die Vier- bis Fünfjährigen, sieben Grundschul- und drei High-School-Klassen. In diesem Frühjahr 2008 werden die ersten 46 Schülerinnen und Schüler einer zehnten Klasse (mehr Mädchen als Jungen) ihren High School Abschluss in Cowdalli machen können.
Konzept und Finanzierung der Patenschaft mit der St. Anthony`s School in Cowdalli. STOPP Kinderarbeit, Schule ist der beste Arbeitsplatz, das Motto der Welthungerhilfe 2006, bestimmt auch unsere konzeptionelle Arbeit, denn jedes Kind, das keine Schule besucht, ist ein arbeitendes Kind. Allein in Indien wird die Zahl der zur Arbeit genötigten Kinder auf über 70 Millionen geschätzt. Auch in Cowdalli kann man sich ein Bild davon machen. Aus gut informierten Quellen haben wir ermitteln können, dass in dieser Region ca. 75% der Menschen keine feste Arbeitsstelle haben. Als Tagelöhner suchen sie z.b. auf den umliegenden Feldern Arbeit. Frauen und Kinder werden am liebsten beschäftigt, denn sie bekommen den niedrigsten Lohn. Auch wenn Cowdalli weitab jeder Großstadt schon beinahe an den Osthängen der Gatts liegt, viele Eltern sind sich ihrer Lage bewusst und wünschen sich so sehr, dass ihre Söhne und Töchter einen guten Schulabschluss erreichen können. Bei unseren jährlichen Besuchen können wir die Dankbarkeit zahlreicher Eltern in berührender Form erleben. Eine wichtige Voraussetzung für den Schulbesuch ist das Angebot einer Schulspeise. Einmal am Tag müssen sich die Kinder und Jugendlichen wenigstens satt essen können (Reis mit Gemüse). Das sieht die derzeitige Regierung genauso und finanziert nunmehr die Schulspeise für das 1. bis 4. Schuljahr. Für die anderen 350 Schüler wird das Mittagessen mit den Patenschaftsgeldern bezahlt. Für Reis und Gemüse, Feuerholz und Transport haben wir im Jahre 2007 ca. 7000,- Euro aufgebracht, das sind ca. 20,- Euro pro Kind und Jahr. Zusätzlich beschäftigen wir zwei Köchinnen, die jeweils 12,- Euro im Monat erhalten. Die zweite wichtige Voraussetzung für den Schulbesuch sind natürlich die Lehrer. Nur zwei Lehrpersonen werden vom Staat bezahlt, ihnen geht es mit 10000 Rs pro Monat (ca. 170,- Euro) recht gut; drei weitere erhalten ihren Lohn von der Diözese Mysore. Die Gehälter aus dem bischöflichen Haushalt fallen bescheiden aus. Diese drei Lehrer bekommen nur 1800 Rs. Das ist zum Leben zu wenig. Deshalb unterstützen wir sie momentan zusätzlich mit 400,- Rs pro Person und Monat. Alle anderen neun Lehrer werden von den Patenschaftsgeldern bezahlt. Die Einkommen schwanken zwischen 2500,- Rs und 3000,- Rs. Das höchste Gehalt bekommt die Leiterin der High School, Mrs. SagayaMary (s. Foto). Sie erhält 3800,- Rs plus 500,- Rs Sozialversicherung pro Monat. Das sind ca. 80,- Euro. Und das ist für die verantwortungsvolle Aufgabe und im Verhältnis zu ihrer Qualifikation (master degree) auch für indische Verhältnisse zu wenig. Bei der Überlegung die Gehälter der Lehrer durch unsere Beiträge zu erhöhen, kamen wir in eine für uns merkwürdige Situation. Einerseits müssen wir hier in Trier um jeden Euro werben und auch unsere Ausgaben bei den Mitgliedern verantworten und andererseits wurden wir von Father Francis in Bezug auf eine mögliche Gehaltserhöhung deutlich mit der Argumentation gebremst, dass der Bischof auch in anderen Schulen nicht mehr zahlen kann und dass man aufpassen muss, dass der soziale Friede einigermaßen gewahrt bleibt. Dennoch bleiben wir dabei, die Gehälter lassen auch unter indischen Gegebenheiten kaum ein menschenwürdiges Leben zu. Die Preissteigerung in den letzten sieben Jahren ist enorm und steht in keinem Verhältnis zum Ansteigen der Löhne. Das Ganze kommt uns doch ein wenig bekannt vor, wenn auch auf einem ganz anderen Niveau, denn von der Seite des Staates gibt es keinerlei Ergänzungszuschüsse. So haben wir uns entschlossen, allen Lehren zu Weihnachten eine Art Weihnachtsgratifikation von 1500,- Rs (ca. 28,- Euro) zukommen zu lassen.. Diese Aktion soll bei erfolgreichem Abschluss der ersten 10. Klassen im Frühjahr wiederholt werden. Insgesamt haben wir im Jahre 2007 für die Bezahlung der Lehrpersonen ca. 7800,- Euro ausgegeben, ca. 14,- Euro pro Kind und Jahr, bezogen auf 550 Schülerinnen und Schüler.
Vergleichbar geringe Beträge werden für die Schuluniformen und die Unterrichtsmaterialien (Hefte, Bücher, Stifte) aufgebracht. Auch bei den Besuchen mit unseren Schülerinnen und Schülern ergeben sich immer wieder Diskussionen darüber, ob diese Uniformen notwendig sind. Sicherlich kann man darüber geteilter Meinung sein und nicht alles, was wir in Indien sehen, ist für uns Menschen aus dem Westen verständlich. Wenn wir den indischen Kindern aber auf einer gewissen Augenhöhe begegnen wollen, müssen wir auch Verständnis für ihre traditionellen Werte aufbringen. Außerdem verleiht diese Schulkleidung vielen Kindern, die sonst nur mit Lumpen bekleidet wären, eine gewisse Würde. Die 550 Schuluniformen haben 2200,- Euro gekostet, das sind 4,- Euro pro Kind und Jahr. Für die Unterrichtsmaterialien sind 1530,- Euro aufgebracht worden, das sind pro Kind ca. 3,- Euro. Und nun noch ein Wort zu den Patenschaften Immer wieder werden wir gefragt, ob man nicht ein persönliches Foto von seinem Patenkind haben oder mit ihm gar in Briefkontakt treten könne. Das geht so einfach nicht, denn wir vermitteln keine persönliche Patenschaften. Und das wollen wir auch nicht. Denn was würde in einem Ort geschehen, indem z. B. 300 Kinder einen persönlichen Paten hätten und die anderen keinen? Wir unterhalten eine solidarische Patenschaft mit der St. Anthony`s School in Cowdalli und versuchen mit unseren finanziellen Beiträgen diese Schule in die Lage zu versetzen, einen Schulbesuch für alle Kinder, die es wollen, zu ermöglichen. Armut darf kein Hinderungsgrund sein. Und so haben wir uns im Jahre 2001 ausgerechnet, dass man dafür ca. 60,- Euro pro Kind und Jahr braucht. Wenn Sie die oben gemachten Ausführungen studiert haben, werden Sie für 2007 aber nur auf einen Betrag von 41,- Euro kommen. Das liegt unter anderem an dem derzeit günstigen Dollarkurs. Und das ist auch gut so. Denn mittlerweile kommen 550 Kinder zur St. Anthony`s School. Und so viele Paten haben wir gar nicht. Zur Jahreswende 2007/2008 sind es 257, von denen allerdings einige mehrere Patenschaftsbeiträge übernommen haben. Den Differenzbetrag finanzieren wir mithilfe anderer Solidaritätsaktionen. Und mit dem Briefkontakt ist es auch nicht so einfach. Denn wie will man sich in angemessener Weise mit einem anderen Kind austauschen, das keine Vorstellungen von dem Leben in einem Haushalt in Deutschland hat. Ich glaube, die indischen Kinder können die Sorgen und Wünsche der westlichen Kinder nicht so einfach begreifen. Wie sollen sie das auch können, wenn sie noch nicht mal ein eigens Bett oder einen Wasseranschluss haben. Dennoch soll der Kontakt gefördert werden, aber das geht z.b. nur im Rahmen einer Klassenaktion mit einer indienerfahrenen Lehrperson. Was ein Computerspiel ist, können sich die Kinder von Cowdalli nicht vorstellen. Die Kinder von Cowdalli sind vor allem froh, dass sie in die Schule gehen können und nicht zur Arbeit müssen, und dass sie sich einmal am Tag satt essen können. Am besten gelingt die Kontaktaufnahme vor Ort. Unsere Schülerinnen und Schüler staunen und sind berührt. Aber auch die indischen Kinder staunen und alle wollen sie uns anfassen. Die älteren Schüler sind zurückhaltender und beobachten, vielleicht auch ein wenig kritisch, denn zwangsläufig bleibt die Begegnung ungleichgewichtig. Den Besuchern wird bewusst, was sie alles haben, und vielleicht lernen sie dadurch etwas ehrfürchtiger damit umzugehen. Und die anderen sind dennoch froh und dankbar, dass man sich für sie interessiert und dass ihnen geholfen wird. Bei unserem letzten Besuch im Herbst haben einige indische Schülerinnen eine kleine Rede gehalten, die dieses Gefühl zum Ausdruck bringt (s. Beiblatt.)
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Perspektiven in Cowdalli Ende (2007) Wir freuen uns sehr, dass es uns gemeinsam gelungen ist, die Schule bis zur zehnten Klasse auszubauen. Nur so kann ein qualifizierter Schulabschluss erreicht werden. Bei unserem letzten Besuch konnten wir feststellen, dass es nicht allen Schülerinnen und Schülern gleichermaßen leicht fällt, das geforderte Niveau zu erreichen. Für uns war es interessant und beeindruckend zu sehen, wie die schwächeren Schüler gefördert werden. Nach Unterrichtsschluss (16 Uhr) bemühen sich die Lehrer, einzelnen Schülern unter die Arme zu greifen. Diese Förderung scheint Früchte zu tragen, sowohl für die Schüler als auch für die Lehrer, denn würden zu viele Schüler das Klassenziel nicht erreichen, würde der High School die Lizenz entzogen. Nach dem High School Abschluss müssten entweder Maßnahmen zu einer beruflichen Ausbildung oder der weiterführende Besuch eines College ins Auge gefasst werden. Manche werden sich selbst helfen können, andere brauchen vielleicht eine Unterstützung, vor allen Dingen, wenn sie mittellos sind. In Indien kosten weiterführende Ausbildungen viel Geld. Die Reisegruppe 2008 (14 Schülerinnen und Schüler, Frau Ehmer, Frau Maly und Herr Anton) werden diese Fragen im Frühjahr mit den Betroffenen besprechen. Wir werden darüber beraten und berichten.