Welches Recht gilt im Netz?



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Transkript:

8.4.2002 Welches Recht gilt im Netz? Vorlesung Informations-, Informatik- und Telekommunikationsrecht SS02 Juristische Fakultät, Universität Basel David Rosenthal 2 3 1

4 5 6 2

Welches Recht gilt? - In sachlicher Hinsicht? Alle Rechtsbereiche - Vertragsrecht, Aufsichtsrecht, gewerblicher Rechtsschutz, Wettbewerbsrecht, Steuerrecht, Strafrecht, Datenschutzrecht etc. - Achtung: Jeder Rechtsbereich stellt seine eigene Regeln auf, die nicht notwendigerweise kompatibel sind 7 Beispiel: Weinauktion im Internet - Kantonale Bewilligung für Auktion nötig? - Wann und wodurch erfolgt der Vertragsschluss? - Gelten Konsumentenschutzbestimmungen? - Wer muss für mangelhafte Ware einstehen? - Gibt es lebensmittelpolizeiliche Vorschriften? - Kommen Geldwäschevorschriften zur Anwendung? - Worauf muss Mehrwertsteuer erhoben werden? - Wie ist der Datenschutz geregelt? 8 Welches Recht gilt? - Unser bestehendes Recht - Gesetze beschreiben meist Vorgänge, nicht Technik - Beispiel: Vertragsschluss online - Beispiel: Urheberrecht 9 3

Welches Recht gilt? - In örtlicher Hinsicht? Abgrenzung schwierig - Schweizer Recht? Lokales Recht? EU-Recht? Deutsches Recht? Jedes Recht? - Theoretischer Ansatz: Es gilt das Recht all jener Staaten, zu denen das fragliche Verhalten in einer hinreichend engen Beziehung steht - Praktischer Ansatz: Es gilt das Recht all jener Staaten, die dies wollen und die «relevant» sind 10 Grenzenloses Internet? - Jeder Staat bestimmt selbst den Anwendungsbereich seines Rechts und die Zuständigkeit seiner Gerichte - Unterschiedliche Regelungen für Privatrecht, Strafrecht, öffentliches Recht etc. - Verschiedene Anknüpfungspunkte - Viele Möglichkeiten: Niederlassung / feste Einrichtung vor Ort, Autorisierter Händler oder Partner vor Ort, Kunden vor Ort, Werbung und andere Aktivitäten vor Ort, Abrufbarkeit der Website vor Ort 11 Beispiele - Börsengeschäfte - Anbieter ohne physische Präsenz in der Schweiz auch im Falle von Werbeaktivitäten bewilligungsfrei - Lauterkeitsrecht - In welchen Märkten wirkt sich das Verhalten aus? - Fernmelderecht - Meldepflicht auch für ausländische Internet-Anbieter, die Dienste in der Schweiz «erbringen» 12 4

Aktivitäten im Internet (deutsche Praxis) - Beispiel LG Köln vom 24.4.2001 (81 O 160/99): «Werbung für Bier auf den Internet-Seiten "budweiser.com" stellt keine Werbung für Bier in der Bundesrepublik Deutschland dar, wenn wie vorliegend - die Präsentation der Website so ausgerichtet ist, dass sie nicht als für Deutschland bestimmt empfunden wird; alleine die blosse Abrufbarkeit des Webangebots auch in Deutschland begründet die Bestimmung der Werbung für Deutschland noch nicht.» (Leitsatz der Redaktion von JurPC.de) 13 Trends - Binnenmarktprinzip: - Ein Provider soll sich nur an jene Regulierung halten müssen, die an seinem Sitz gilt, selbst wenn er Dienste an Personen in anderen Teilen des Binnenmarkts anbietet - Ausdehnung der Zuständigkeit - Private Regulierung 14 15 5

US Anticybersquatting Consumer Protection Act (106-113, 1999) 16 17 ICANN Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy 18 6

Zuständigkeit der Schweizer Zivilgerichte - Deliktsgerichtsstand nach Lug-Ü - Wohnsitz des Beklagten (Art. 2) oder - Handlungs- oder Erfolgsort (Art. 5 Ziff. 3) - Praxis: Ist der Gerichtsort nur ein Erfolgsort, darf das Gericht nur Schäden in seinem Land beurteilen - Deliktsgerichtsstand nach IPRG (Art. 129) - Wohnsitz des Beklagten in der Schweiz - Sonst: Handlungs- oder Erfolgsort 19 Zuständigkeit der Schweizer Strafgerichte - Zuständigkeit des Schweizer Strafrechts - Territorialitätsprinzip Art. 3 Ziff. 1 StGB - Personalitätsprinzip Art. 5 und 6 StGB - Ubiquitätsprinzip Art. 7 StGB - Kantonale Zuständigkeit Art. 346, 348 StGB - Handlungsort, falls in der Schweiz - Sonst: Schweizer Erfolgsorte, Wohnort des Täters - Sonderfälle: Gehilfenschaft, Mediendelikte 20 Handlungsort - Veröffentlichungen - Ort, von dem aus Einspeisung erfolgte - Wesentlich ist der «point of no return» - Nicht Betrieb des Servers löst die Verbreitung aus - Transportstrecke, fremder Zielrechner irrelevant - Server: Haftung auch des Betreibers möglich - Entspricht der Druckerei, nicht dem «Verlagsort» - Andere Delikte - Wo der Täter die wesentlichen Befehle freigibt 21 7

Land X Provider C irgendwo Provider.. Schweiz!!! Server Provider.. Provider A Abrufer!!! Provider.. Provider B!!! Täter 2 Provider.. Server Täter 1 = Internet Homburger Erfolgsort - Ort, wo das unmittelbar betroffene Rechtsgut verletzt worden ist (...) - Zivilrecht: Schadenseintritt nicht relevant - Strafrecht: Verpönter Zustand darf sich in der Schweiz nicht bloss fortsetzen - BGE 105 IV 326 - Strafrecht: Bei abstrakten Gefährdungsdelikten nur, sofern das Rechtsgut auch verletzt wurde - BGE 97 IV 208 23 Bestimmung des Erfolgsorts - Fall 1: Erfolg ist die Veröffentlichung - Eintritt in vielen Ländern zugleich möglich - Theoretisch überall, wo auf das Angebot zugegriffen werden kann (= überall) - Fall 2: Andere Formen des Deliktseintritts - Standort der in Anspruch genommenen Rechner - Internet zur Kommunikation: Unproblematisch 24 8

Genügt blosse Abrufbarkeit? - Strafrecht - Erfolgsort in der Schweiz muss vom Vorsatz erfasst sein - Deliktisches Vertrauensprinzip - Zivilrecht - Handlung muss auf die Schweiz ausgerichtet sein - Variante: Nur, aber überall dort, wo Voraussetzungen für eine tatsächliche Rechtsgutverletzung durch eine Veröffentlichung in relevanter Weise bestehen 25 Beispiel Domain-Namen (deutsche Praxis) - Deutsche Praxis zur inländischen Zuständigkeit - Es reicht aus, «dass die Verletzung im Inland eintritt». Der Verletzungsort liegt (auch) im Inland, falls der Domain-Name «hier bestimmungsgemäss abrufbar ist». - z. B. OLG Karlsruhe 6 U 62/99 («badwildbad.de») - Art der Top-Level-Domain («Endung» der Domain, z. B. «.com») spielt keine Rolle 26 Markenrechte in Europa, ausser Deutschland Markenrecht in Deutschland Wer darf syscontrol.com benutzen? 27 9

Beispiel Volksverhetzung (deutsche Praxis) - BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000: «Stellt ein Ausländer von ihm verfasst Äusserungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung (...) erfüllen ("Auschwitzlüge"), auf einem ausländischen Server in das Internet, der Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, so tritt eine zum Tatbestand gehörende Eignung zur Friedensstörung (Erfolg...) im Inland ein.» - Volksverhetzung ist in Deutschland ein abstraktes Gefährdungsdelikt 28 29 Anknüpfung dank Website? (US-Praxis) - «Zippo» Sliding Scale Test Website bietet Transaktionen Interaktivität Passive Inhalte - «Calder» Effects Test - Wo sollte eine Aktion ihre (besondere bzw. beabsichtigte) Wirkung entfalten? 30 10

Anknüpfungsmöglichkeiten - Landesspezifische Produkte - Sprache, landesspezifische Formulierungen - Länderspezifische Top-Level-Domain - Inländische Anschriften, Telefonnummern - Registrierformulare für bestimmte Länder - Währungen, Kontoverbindungen - Lieferangaben - Andere Texte auf einer Seite - 31 (http://www.youtrade.ch Eintrittsseite) 32 Durchsetzung - Staatliche Entscheide - Vollstreckung im eigenen Land - Anerkennung und Vollstreckung im Ausland - Rechtsschritte gegen beteiligte Dritte - Private Schiedsgerichte - Private Streiterledigungsverfahren - Selbsthilfe 33 11

34 35 Fragen? David Rosenthal Homburger Rechtsanwälte Weinbergstr. 56 58, CH-8035 Zürich Tel. 01 265 35 35 Fax 01 265 35 11 david.rosenthal@homburger.ch www.homburger.ch 36 12

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 37 13