GENOSSENSCHAFTEN ERLEBEN EINEN BOOM



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Transkript:

GENOSSENSCHAFTEN ERLEBEN EINEN BOOM Gemeinsam stärker zu sein mit diesem Ziel schließen sich Personen oder Institutionen in Genossenschaften zusammen. Die Anfänge solcher Gemeinschaften liegen im 19. Jahrhundert. Heute gründen sich Genossenschaften aus den gleichen Motiven wie damals: die Mitglieder wollen mitbestimmen und sind der Meinung, dass man gemeinsam mehr erreichen kann. MANUSKRIPT ZUM VIDEO In Honigsee in Schleswig-Holstein liegt in der Ruhe die Energie. Gemeinsam haben die Bürger des 500-Seelen-Dorfes Großes geschafft: Ein Leitungsnetz für die Biogasanlage. Jetzt versorgt die Anlage die Bürger mit Wärme. Früher lieferte sie nur Ökostrom für den privaten Profit. Möglich wurde das, weil 50 Bürger sich zusammenschlossen zur Genossenschaft gemeinsam über 500.000 Euro investierten. ALEXANDER NICOLAISEN (Bürgermeister Honigsee): Die Genossenschaft ist von der Gemeinde initiiert worden, weil die kleine verschworene Dorfgemeinschaft es auf diesem Wege schaffen konnte, ein Projekt, was ein großer Energiekonzern für nicht verwirklichbar gehalten hat, hier zu verwirklichen: nämlich die Versorgung aller oder fast aller Häuser mit der Wärme, die bei der Produktion von Biostrom anfällt. Für Bürgermeister Alexander Nicolaisen ist die Genossenschaft ein Glücksfall: Die Bürger investieren selbst, statt die Dorfkasse zu belasten. Die Genossenschaft versorgt auch sein Haus mit Wärme, rechnet ab, repariert zuverlässig und im Preis stabil. Die Genossenschaft ist ein Unternehmen, wirtschaftlich geführt, aber mit klaren, demokratischen Regeln. Jeder Genosse ist Eigentümer und hat eine Stimme. Es gilt, was die Mehrheit entscheidet. ALEXANDER NICOLAISEN: Es können die Großen die Kleinen nicht überstimmen bei Entscheidungen die getroffen werden müssen. Sondern jeder wird gleichgewichtig mit seiner Meinung berücksichtigt. Professor Markus Hanisch erforscht die Zukunft der Genossenschaft in der Vergangenheit. Im Deutschen Historischen Museum in Berlin geht er auf Spurensuche. Dort sind die Anfänge des solidarischen Wirtschaftens dokumentiert. Im 19. Jahrhundert schlossen sich Landlose, Handwerker und Arbeiter zusammen damals wie heute verbunden mit einem Ziel: Seite 1 / 7

MARKUS HANISCH, (Professor am Institut für Genossenschaftswesen): Ich glaub, bei der Genossenschaft geht es ganz stark ums Mitreden, also Bürgerbeteiligung. Und ich denke, es geht auch ganz stark ums Erlebnis, dass man gemeinsam was besser erreichen kann als alleine, jeder für sich. Gemeinsam stark sein: ein Gedanke, der viele Bankkunden in der Finanzkrise zu Mitgliedern von Genossenschaftsbanken machte. Statt mit kurzfristiger Spekulation Geschäfte zu machen, wollen Genossen langfristig investieren. Egal ob arm oder reich, auch hier gilt: Jeder hat eine Stimme, kann bei Investitionen der Bank auf Augenhöhe mitbestimmen. WERNER LANDWEHR (Leiter Genossenschaftsbank): Jeder, der zur GLS Bank Geld bringt, kann mit der Einlage einen Verwendungswunsch äußern und sagen: Liebe Bank, pack dieses Geld doch bitte in den Bereich Freie Schulen oder pack es in den Bereich regenerative Energien. Also das ist eine unmittelbare Rückkopplung. Und dann sagt die Bank: Gut, wenn ich mit diesem Geld arbeiten soll, brauche ich Eigenkapital und gewinne meinen Kunden als Genossin und Genosse der Bank. Finanzspekulation und Immobilienkrise: Bei der Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe in Berlin soll beides außen vor bleiben. Stattdessen bekommen Kinder Freiräume. Familie Cartolano wohnt hier seit 2004. Nachdem ihre 5-jährige Tochter Amelie schwer erkrankt ist, half die Genossenschaft beim behindertengerechten Umbau. Eine vergleichsweise niedrige Miete von 800 Euro entlastet auch. MARTIN CARTOLANO (Genossenschaftsmitglied Bremer Höhe): Diese Wohnung könnten wir nur 100 Meter woanders oder 200 gar nicht bezahlen. Genossenschaften, die beste Unternehmensform? In Honigsee kennen sie auch die Schattenseiten. Gemeinsames Wirtschaften, das bedeutet, gemeinsam Risiken eingehen. Neuestes Großprojekt: Eine 300.000 Euro teure Solaranlage. Voraus gingen zwei Jahre Planung, zermürbende Sitzungen. Genossen brauchen Durchhaltevermögen. RAINER HINGST (Genossenschaftsmitglied Honigsee): Erste, zweite Phase super gelaufen, dritte Phase mit Baumängeln, mit Problemen der Umsetzung... und die sind eine Gruppe von 50 Mitgliedern, denen muss man das immer alles erzählen, dass man gemeinsam Wagnisse eingeht. Ja, es sind eben gemeinsame Wagnisse. Da stehen dann wenige für, aber alle müssen die Wagnisse tragen.7 Und das hat in Honigsee bisher bestens funktioniert. ALEXANDER NICOLAISEN: Seite 2 / 7

Das war doch mal wieder eine sehr effektive Besprechung, das muss ich sagen gute Beschlüsse gefasst. Gemeinsam haben die Genossen noch viel vor. Seite 3 / 7

GLOSSAR Genossenschaft, die die Gruppe von Personen, die sich zusammengeschlossen hat, um mit gemeinsamen Mitteln besser wirtschaften zu können in der Ruhe liegt die Energie Redensart: Wenn man Erfolg haben will, muss man ruhig und konzentriert arbeiten (eigentlich: in der Ruhe liegt die Kraft) 500-Seelen-Dorf, das das Dorf mit 500 Einwohnern Biogas, die ein brennbares Gas, das beim Abbau biologischer Stoffe (z. B. Pflanzen) entsteht Ökostrom, der der Strom, der umweltfreundlich (z. B. aus Sonne oder Wind) hergestellt wurde; Biostrom Profit, der der Gewinn investierten Geld für eine Sache ausgeben, um später Gewinn zu machen etwas initiieren etwas starten verschworen hier: so, dass man zusammenhält und sich gegenseitig unterstützt etwas ist verwirklichbar etwas ist so, dass man es schaffen kann etwas für etwas halten denken, dass etwas so ist Biostrom der Strom, der umweltfreundlich (z. B. aus Sonne oder Wind) hergestellt wurde; Ökostrom etwas fällt an hier: etwas entsteht bei einem Prozess Dorfkasse, die hier: die Finanzen des Dorfes jemanden/etwas belasten hier: jemanden finanziell fordern; Geld von jemandem benutzen stabil hier: gleichbleibend demokratisch so, dass die Mehrheit entscheidet Genosse/in, der/die das Mitglied einer Genossenschaft Eigentümer, der der Besitzer Seite 4 / 7

jemand hat eine Stimme in der Politik: jemand darf wählen; jemand darf zur Wahl gehen jemanden überstimmen die Mehrheit bei einer Wahl haben gleichgewichtig hier: gleich jemand wird berücksichtigt hier: auf jemanden wird geachtet Spur, die hier: das Zeichen von etwas in der Vergangenheit solidarisch so, dass man sich gegenseitig hilft etwas ist dokumentiert hier: etwas ist aufgeschrieben, so dass man es nachlesen kann Landlose, der die Person, die kein Stück Land besitzt bei etwas mitreden bei etwas mitbestimmen Bürgerbeteiligung, die hier das Recht der Bürger bei wichtigen Entscheidungen mitzubestimmen kurzfristig hier: schnell, spontan langfristig Spekulation, die hier: die Tatsache, dass man Aktien kauft, um damit Gewinn zu machen auf Augenhöhe so, dass man jemanden als gleichberechtigt akzeptiert Einlage, die das Geld, das man auf die Bank bringt Verwendungswunsch, der der Wunsch, wofür etwas benutzt werden soll Freie Schule, die die Schule, die nicht vom Staat finanziert und verwaltet wird, sondern von einer anderen Organisation regenerative Energien, die (meist Plural) die umweltfreundlich hergestellte Energie aus Rohstoffen wie Sonne oder Wind Rückkopplung, die hier: die Rückmeldung; das Feedback Eigenkapital, das das Geld, das man selbst besitzt Seite 5 / 7

jemanden als etwas gewinnen jemanden überreden, etwas Bestimmtes zu tun oder zu werden Immobilie, die das Gebäude; ein Grundstück als Besitz Wohnungsbaugenossenschaft, die die Genossenschaft, die Wohnungen oder Häuser baut, besitzt und verwaltet und günstig an Mitglieder vergibt etwas bleibt außen vor hier: etwas ist nicht wichtig etwas ist behindertengerecht etwas ist so, dass Menschen mit körperlicher Behinderung gut damit zurechtkommen etwas entlastet hier: etwas ist finanziell sehr günstig Schattenseite, die umgangssprachlich für: der Nachteil ein Risiko eingehen etwas tun, von dem man weiß, dass es eventuell nicht positiv endet; ein Wagnis eingehen etwas geht etwas voraus etwas passiert zuerst etwas ist zermürbend etwas ist sehr schwierig und sehr anstrengend Durchhaltevermögen, das die Eigenschaft, etwas zu Ende zu machen, obwohl es sehr schwer und anstrengend ist Mangel, der der Fehler Umsetzung, die hier: die Arbeit an etwas, das vorher nur geplant war etwas läuft super umgangssprachlich für: etwas klappt sehr gut ein Wagnis eingehen etwas tun, von dem man weiß, dass es eventuell nicht positiv endet; ein Risiko eingehen für etwas stehen hier: etwas repräsentieren etwas tragen hier: etwas unterstützen und die Folgen akzeptieren effektiv so, dass die Möglichkeiten gut genutzt wurden einen Beschluss fassen etwas entscheiden jemand hat noch viel vor jemand hat große Pläne Seite 6 / 7

Autoren: Richard A. Fuchs/Bettina Schwieger Redaktion: Raphaela Häuser Seite 7 / 7