Zusammenfassung der Diskussion am Mittwoch, 07.11.2012 Zur Studienplatzfinanzierung Mit In-Kraft-Treten des UG 2002 und damit einhergehenden Neugründung der Universität Wien wurde die Frage nach der Finanzierung der Universitäten erstmals auf eine marktwirtschaftliche Basis gestellt. Zwar galt für jede Universität immer und überall, dass sie sich nach den herrschenden ökonomischen Bedingungen ausrichten musste und muss, das fundamental neuartige dieser Änderungen um das Millennium jedoch war es, dass sukzessive die Universitäten selbst zu kapitalistischen Betrieben umfunktioniert wurden. In diesem Kontext sind die Maßnahmen, die im Gefolge dieser Änderungen nach 2002 beschlossen wurden, zu bewerten. Zu diesem Maßnahmen gehören jedenfalls die immer wieder einmal eingeführten, aber stets zumindest von der Studierendenschaft bekämpften und zurückgedrängten Studiengebühren, die Abschaffung des letzten Restes an Demokratie (die so genannte (demokratische) Gruppenuni wurde ja bereits 1993 abgeschafft) innerhalb der Universitäten, die Zugangsbeschränkungen für einzelne Studienfächer und die Studienplatzfinanzierung. Diese Maßnahmen sollten unserer Meinung nach nicht getrennt voneinander, sondern im Zusammenhang analysiert werden. Denn diese Maßnahmen dienen allesamt dem Ziel Studieren in Österreich für den Staat kostengünstiger zu machen, bei gleichzeitiger Steigerung des Out-Puts, um den Wirtschaftsstandort Österreich als solchen zu stärken. Die Frage nach der Finanzierung eines eigenständigen Unternehmens stellt sich fundamental anders, als bei einer vom Staat mit einem Globalbudget ausgestatteten Institution. Zumindest seit 2009 bei einem Workshop an der Universität Wien am 11.-12. 12. 2009 unter dem Titel: Studienplatzfinanzierung: Voraussetzung einer realistischen Universitätsfinanzierung wurde an der Universität Wien das Thema Studienplatzfinanzierung Gegenstand von Diskussionen zur Finanzierung der Universität. Mittlerweile drei Jahre später sieht sich die Universität vor Umsetzung eines solchen Modells. Die IG Bildungswissenschaft (Stv) möchte mit dem vorliegenden Papier ihre Diskussion und ihre Ansicht zu diesem Modell, soweit dieses bekannt ist, zum Ausdruck bringen:
1. Die Studienplatzfinanzierung an sich Der Begriff der Studienplatzfinanzierung muss zunächst mit Inhalt gefüllt werden. Die Finanzierung einer Universität auf Basis der angebotenen Studienplätze lässt zahlreiche Modifikationen zu, so dass sie Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Verantwortlichen der Universität und des Staates sein kann. Aus unserer Sicht erscheint jedoch klar, dass eine sinnvolle Finanzierung der Universität nur soweit gegeben ist, soweit die Studienplatzfinanzierung selbst zurückgedrängt wird. Warum? 2. Lehre vs. Forschung Die Kosten für die Lehre an der Universität belaufen sich (2008) auf ca. 50% der Gesamtkosten (Hammer 2009, 11). Das bedeutet, lediglich 50% der gesamten Kosten der Universität Wien sind überhaupt umlegbar auf Studienplätze. In den restlichen 50% der Gesamtkosten macht die Forschung einen nicht unerheblichen Teil aus. Umfasst die Studienplatzfinanzierung auch die Kosten der Forschung entsteht unserer Ansicht nach keine Kostenwahrheit, denn die Kosten würden hier den Studierenden anheimgestellt und nicht dem verursachenden Grund. Ein Umlegen aller Kosten auf Studienplätze würde die gesellschaftliche Akzeptanz für Studiengebühren vermutlich stark erhöhen, da fälschlicherweise die Kosten pro Studierendem enorm erscheinen würden, bzw. würde jene Menschen, die für einen freien Hochschulzugang argumentieren, in ständige Erklärungsnot bringen, warum eben diese Kosten gerade nicht auf Studierende umlegbar sind. Eine faire Studienplatzfinanzierung würde an dieser Stelle bedeuten, dass lediglich 50% der Kosten der Universität auf Studienplätze umgelegt werden könnten. Für die Forschung muss ein anderer Modus der Finanzierung gefunden werden. Dies erscheint uns vor allem auch deshalb sinnvoll, da manche Forschungsprojekte mehr Budget verlangen als andere und zur Lehre nicht notwendigerweise in einem mathematisch gleichen Verhältnis stehen. Inwieweit die Studienplatzfinanzierung als einziges Modell der Finanzierung implementiert wird, ist zumindest für die Öffentlichkeit noch offen. Laut einem Artikel in der Tageszeitung Die Presse (Studienplatzfinanzierung: 1,2 Mrd. Euro pro Jahr nötig; 29.08.2012) ist jedenfalls neben der Studienplatzfinanzierung ebenso ein Globalbudget angedacht. Laut selbigen Artikel ist jedoch zu befürchten, dass die Kosten der Forschung auf die Studienplätze umgelegt werden, da 46 Prozent der Mittel pro Studienplatz in die Forschung und 54 Prozent in die Lehre [unsere Kursivierung] fließen sollen. Dies schafft, wie oben argumentiert, nicht nur keine Kostenwahrheit, sondern degradiert die
Forschung zum Anhängsel der Lehre. Gegen eine solche Studienplatzfinanzierung möchten wir uns deutlich aussprechen! 3. Berechnungsgrundlage Während des Workshops 2009 an der Universität Wien wurde mehrmals auch darauf hingewiesen, dass eine Umlegung der Kosten für die Lehre eine weitere Problematik beinhaltet. Nämlich macht es einen erheblichen Unterschied, ob die Lehrkosten auf die Gesamtzahl der Studierenden umgelegt werden, oder auf wie vorgesehen prüfungsaktive Studierende. Laut Hammer (2009, 11) belaufen sich die Kosten pro prüfungsaktivem Studierenden im Gesamtdurchschnitt auf 4900 pro Jahr. Abgesehen davon, dass Studienplätze unterschiedlicher Studien unterschiedlich kostenaufwändig sind, 1 würde eine Umlegung der Kosten auf prüfungsaktive Studierende den Umstand missachten, dass die Kosten, die weniger prüfungsaktive Studierende verursachen zum Beispiel weil sie, wie 63% aller Studierenden(!), arbeiten gehen, um ihr Studium zu finanzieren, nicht abgegolten werden. Dies benachteiligt jene Fakultäten und Institute, die einen hohen Anteil an erwerbstätigen Studierenden haben. Zudem erwächst damit der Druck der Institute auf ihre Studierenden, sie möglichst schnell zum Durchlauf ihres Studiums zu bewegen. Dies würde den ohnehin schon enormen Zeitdruck auf Studierende noch einmal erhöhen und zu einer weiteren Ver-McDonaldisierung 2 des Studierens führen. 3 Bei der Regierungsklausur am 09.11.2012 ist genau dies beschlossen worden. Gegen eine solche Studienplatzfinanzierung möchten wir uns ebenso deutlich aussprechen! 4. Studienplatzfinanzierung und Zugangsregelungen Bei BefürworterInnen, wie bei KritikerInnen wird beim Thema Studienplatzfinanzierung hervorgehoben, dass eine solche zwangsläufig mit einer Neuregelung des Zugangs zu einem Studium verbunden ist. So spricht sich Wissenschaftsminister Töchterle in einem News- Interview (Der Ski-Minister; 29.02.2012) deutlich aus: Ich will den Unis per Gesetz erlauben, in den Massenfächern Zugangsregelungen einzuführen. Die brauchen wir. Der Hauptgrund ist, dass Unis Kapazitätsgrenzen haben. Es muss betont werden, dass es bereits Zugangsregelungen gibt, der Begriff Zugangsregelungen wird hier euphemistisch für 1 Lt. angesprochenem Zeitungsartikel ist vorgesehen, die Studien der Universitäten in sieben Fächergruppen von Jus bis Kunst aufzuteilen und demnach gestaffelt zu finanzieren. 2 Wir meinen damit die Tendenz, dass durch den erhöhten Druck möglichst schnell zu studieren, Inhalte nur mehr oberflächlich erlernt werden können. Damit sinkt die Qualität der als fast-food konsumierten Bildungsgüter. 3 Der gesteigerte Zeitdruck existiert, wie Konrad P. Liessmann in einem Artikel in DerStandard (Diktatur der Geschäftigkeit; 31.10.2012) feststellt, aber auch für Lehrende.
Zugangsbeschränkungen gebraucht, was der Verweis auf die knappen Kapazitäten der Universität Wien offenlegt. Aus unserer Sicht ist der politische Wille Universitäten auszufinanzieren nicht vorhanden. Dies wird deutlich, wenn Töchterle meint, dass die Unis Kapazitätsgrenzen haben. Als Mitglied der Regierung hätte er selbst es in der Hand für die Erweiterung der Kapazitäten der Universitäten zu sorgen. Mit der sachzwanglogischen Aussage, dass es so ist, wie es ist, führt sich eine PolitikerIn ad absurdum, was aber hier nicht Thema ist. Der Unwille Universitäten auszufinanzieren wirft auch auf die Studienplatzfinanzierung als gesamtes ein anderes 4 Licht. Denn steht an erster Stelle nicht die Ausfinanzierung der Universitäten, wird die Studienplatzfinanzierung zwangsläufig mit Studienplatzbeschränkungen einhergehen. Es ist des Öfteren bereits hingewiesen worden, dass Studienplatzbeschränkung negative volkswirtschaftliche 5, soziale 6 und individuelle 7 Konsequenzen hat. Die mit der Studienplatzbeschränkung einhergehende Lenkung von Studierendenströmen, auf Basis dessen was staatlich oder volkswirtschaftlich studiert werden soll, verkehrt den Gedanken einer freien Lehre (und Forschung) nicht nur in sein Gegenteil, sondern führt dadurch, dass etwas studiert werden soll, was nicht studiert werden will auch zu einer sinkenden Motivation unter der Studierendenschaft. Auch die Universitätskonferenz (uniko) mahnt Minister Töchterle: Die Umsetzung der Studienplatzfinanzierung setzt in der ersten Ausbaustufe einen zusätzlichen Bedarf von 330 Millionen jährlich voraus, wie von der 4 Trotz aller Schwierigkeiten, die bisher aufgezeigt wurden, können wir uns vorstellen, dass es eine vernünftige Studienplatzfinanzierung geben kann. Aber eine Finanzierung ist eben nur eine Finanzierung insofern sie finanziert. 5 Eine Studie von 2008 argumentiert Arbeitsmarkt braucht mehr AkademikerInnen (http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/376258/arbeitsmarkt-braucht-mehr-akademiker) 6 Die soziale Herkunft der Studierenden bestimmt jetzt schon stark den Verlauf von Bildungskarrieren. Die Einführung von Zulassungsprüfungen oder auch ein Zulassungsverfahren würde Menschen mit weniger kulturellem und sozialem Kapital noch weiter benachteiligen. Seit der Einführung bspw. von Zulassungsprüfungen im Medizinstudium ist der Anteil der Studierenden aus sozial schlechter gestelltem Elternhaus um über die Hälfte auf nur mehr 8% gesunken. Für viele sind die teuren Vorbereitungskurse kaum leistbar und ihnen fehlt aufgrund einer Berufstätigkeit die Zeit für eine intensive Vorbereitung. Außerdem werden Frauen jedes Jahr strukturell diskriminiert. (http://www.lasstunsstudieren.at/about; letzter Abruf, 08.11.2012) 7 Anstatt Studierendenströme über Zugangsbeschränkungen lenken zu wollen, sollte vielmehr das Informationsangebot ausgebaut werden. Es ist vielfach erwiesen, dass mangelnde Information zu Studienbeginn ein wesentlicher Grund für Drop-Out und Studienwechsel sind. Ein frühzeitiges Beratungsangebot, das bereits in den Schulplänen implementiert ist und eine echte Orientierungsphase, wie wir sie in Forum Hochschule vorschlagen, wären wesentliche Schritte, um Studierende eine fundierte Wahl für das passende Studium zu ermöglichen, erklärt Peter Grabuschnig aus dem Vorsitzteam der ÖH. (http://science.apa.at/site/bildung/detail.html?key=sci_20120823_sci3941135189167006; letzter Abruf: 08.11.2012)
Arbeitsgruppe des BMWF und der uniko berechnet. Das jetzige Modell sieht die finanzielle Abdeckung dafür nicht vor. 8 Als Studienvertretung Bildungswissenschaft wollen wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Universitäten Österreichs ausfinanziert werden! Gegen eine solche Art und Weise Universitäten nicht zu finanzieren sprechen wir uns also in aller Deutlichkeit aus! 5. Alternativen Der gesteigerte Zeitdruck, unter dem alle AkteurInnen der Universität leiden, hat es in unserer Diskussion verunmöglicht Alternativen zur Studienplatzfinanzierung zur Sprache kommen zu lassen. Klar ist aus unserer Sicht jedoch, dass eine Universität, die im ursprünglichen Sinn des Wortes autonom sein will, zur Gänze staatlich-gesellschaftlich finanziert werden muss. Diese Finanzierung kann und darf dabei nicht an bestimmte Kennzahlen oder Zwecke gebunden werden. Für eine solche Art der Finanzierung möchten wir eintreten und versuchen Wege zu finden, um im jeweiligen Jetzt schrittweise dies umzusetzen. 8 http://www.uniko.ac.at/universitaetspolitik/pressemeldungen/?aid=6273; Aussendung vom 13.11.2012; letzter Aufruf: 15.11.2012