PJ-Tertial Chirurgie im Muhimbili Hospital, Dar es Salaam, Tansania, vom 12.06. bis 3.10.2010 Motivation: Schon während meines ganzen Studiums hatte ich immer den Wunsch, für ein Praktikum nach Afrika zu gehen. Aus diversen Gründen hat es sich nie angeboten, eine Famulatur dort zu machen, so dass mir das PJ als letzte Möglichkeit blieb. Da ich auch immer im Hinterkopf hatte, nach Abschluss des Studiums eine längere Zeit in Afrika zu praktizieren, entschied ich mich für ein volles Tertial, also 16 Wochen, da ich der Meinung war (und bin), 8 Wochen reichen nicht wirklich aus, um richtig in das Leben dort einzutauchen. Ich habe mich für das Chirurgie-Tertial entschieden, da zum einen die Sprachbarriere nicht eine so große Rolle spielt. Zum anderen war mir klar, dass die Ausbildung dort nicht gleichwertig mit der deutschen sein kann. Meine Zukunft liegt sicher nicht in der Chirurgie, so dass ich nicht das Gefühl habe, große Defizite für meine berufliche Zukunft zu haben. Vorbereitung: Afrika ist groß, wie ich feststellen musste und es war gar nicht so leicht, sich für ein Land bzw. eine Stadt zu entscheiden. Meine Wahl fiel letztendlich auf Tansania, da es politisch einigermaßen stabil ist und als relativ sicheres Reiseland gilt. Zudem hat es einiges zu bieten, von Nationalparks über Berge bis Sansibar. Da die LMU München vor Antritt eines Auslandstertials keine Garantie dafür gibt, dass sie es nach Abschluss anerkennt, habe ich nur nach Krankenhäusern gesucht, die zuvor schon einmal anerkannt wurden. Auf dem Festland in Tansania fand ich das KCMC in Moshi und das Muhimbili Krankenhaus in Dar es Salaam. Ich bekam Zusagen von beiden Kliniken. Entschieden habe ich mich letztendlich für Dar, da es mir für die lange Zeit günstiger für Unternehmungen, zum Beispiel Strandbesuche, schien. Auf der Homepage (http://www.muchs.ac.tz/) stehen die Informationen zur Bewerbung. Zuständig für ausländische Studenten ist Febronia Uiso, eine der wenigen wirklich organisierten (und korrekten) Mitarbeiter der Universität. Als deutscher PJler muss man sich für eine elective period bewerben.
Es war mir leider nicht möglich einen Suaheli Sprachkurs an der Uni mitzumachen. Ich konnte mir jedoch vorher die Basics selbst aneignen. Zu empfehlen ist der Kauderwelsch Sprachtrainer Kisuaheli (auch die CD). Ich hatte auch noch das Lehrbuch des Swahili von Beate Wandeler. Es war gut hinsichtlich Grammatik, allerdings waren Wortschatz und Übungen nicht unbedingt auf den Alltag ausgerichtet. Außerdem habe ich Erfahrungsberichte aus Tansania gelesen sowie Bücher über Afrika (sehr zu empfehlen: Afrikanisches Fieber von Ryszard Kapuscinski und Ach Afrika von Bartholomäus Grill). Durch Zufall bin ich auch an ein paar Telefonnummern gekommen von ehemaligen Austauschschülern. Das hat mir auch sehr geholfen. Den Flug habe ich ein paar Monate im Voraus gebucht. Die günstigsten Flüge bieten Emirates oder Quatar Airways an, allerdings hat man auf dem Rückflug immer eine Nacht Aufenthalt in Dubai oder Doha, deshalb habe ich mich für British Airways entschieden. Einige hatten auch günstige Flüge mit Turkish Airlines über Istanbul ergattert. Man sollte auch rechtzeitig in Erfahrung bringen, was man an Impfungen und Malaria-Prophylaxe benötigt. Organisatorisches vor Ort: Da ich in meinem mittleres Tertial in Tansania war und keinen meiner Urlaubstage opfern wollte, kam ich erst pünktlich zum Praktikumsbeginn in Tansania an. Wenn jemand die Möglichkeit hat, empfiehlt es sich, ein paar Tage eher zu kommen, um den ganzen Orga- Kram zu erledigen. Mindestens einen Tag braucht man für die Einschreibung. Das beinhaltet die Zahlung von verschiedensten Gebühren (v.a. 35Dollar/Woche Studiengebühren), die Beschaffung eines Studentenausweises, das Kopieren von allen möglichen Formularen und eine Vorstellung beim Chef der Chirurgie (aktuell Prof. Mchembe), der für die Ausstellung eines Rotationsplanes verantwortlich ist. Viel Zeit und Nerven und einige Besuche im Immigration Office kostet auch die Beschaffung einer Residents Permit. Das Touristen-Visum (kriegt man auch am Flughafen, 50Dollar) ist nur für 90 Tage gültig und erlaubt nicht das Arbeiten im Land. Die Resident Permit kostet 120Dollar und kann theoretisch auch von zu Hause aus beantragt werden, so dass man sich die 50Dollar am Flughafen sparen könnte. Dafür braucht man aber mindestens ein halbes Jahr Zeit und in Zukunft soll das Verfahren noch komplizierter werden. Am besten man erkundigt sich bei Fr. Uiso. Für die Permit braucht man übrigens ein Schreiben vom Dekanat, das die Immatrikulation bestätigt, einen Lebenslauf und 6 Passfotos. Hatte mir zum Beispiel keiner gesagt. Die erste Woche habe ich im Stadtzentrum gewohnt und mich bei Frau Uiso, anderen Studenten und im Internet nach günstigeren Unterkünften erkundigt. Leider war es nicht möglich, im Studentenwohnheim unterzukommen. Einer anderen Studentin ist es irgendwie auf wundersame Weise doch gelungen. Letztendlich bin ich im TYCS (Kibasila Street, Upanga) untergekommen. Es war mit das billigste, was ich finden konnte und lag sehr günstig zwischen Krankenhaus und Innenstadt. Außerdem gab es sowas wie einen kleinen Garten. Allerdings war es recht einfach, es gab kein warmes Wasser und keine Küche und die Chefin war nicht besonders freundlich. Es empfiehlt sich, ein altes Handy mitzubringen (schätzungsweise jeder zweite wurde um sein Handy erleichtert) und sich eine tansanische SIM-Card zu besorgen. Es gibt hier jede Menge Anbieter. Die meisten Austauschstudenten hatten Vodacom, welches aber nicht der günstigste Anbieter ist. Am besten vor Ort informieren. Für Anrufe nach Deutschland hatte ich mich auf Skype verlassen. Dummerweise gibt es das kaum in den Internetcafés und ich hatte kein eigenes Notebook dabei. In der Nähe des TYCS hab ich einen indischen Supermarkt entdeckt (shop n save), wo man für 100TZS/min (ca. 6 Cent) ins deutsche Festnetz telefonieren kann. Einige haben sich vor Ort ein Fahrrad gekauft und einen Sprachkurs belegt, die in der Innenstadt um einiges billiger zu haben sind als auf der Peninsula. Fürs Krankenhaus sollte
man einen Kittel und Stethoskop dabeihaben. Nützlich sind auch Desinfektionsmittel, OP- Brille und ein Stauschlauch. Im Krankenhaus: Ich hatte mich entschieden je vier Wochen durch die Allgemein-, die Kinder- und die Herzchirurgie zu rotieren und die letzten 4 Wochen im Emergency Departement (EMD) zu verbringen. Jede Abteilung hat 3 OP-Tage in der Woche, an einem Tag findet die große Visite statt und an einem Tag werden in der Outpatient Clinic Patienten gesehen. Während des Semesters finden am Nachmittag immer Vorlesungen statt. Während meines Aufenthaltes waren allerdings Semesterferien. Das hatte jedoch auch Vorteile. Dadurch, dass kaum Studenten in der Klinik waren, hatte man öfter die Möglichkeit zu assistieren und wurde mehr beachtet. Auf der Allgemeinchirurgie und im EMD fanden auch immer Fallbesprechungen statt, es gab ein Tumorboard und in der Herzchirurgie konnte man auch die Kardiologen beim Echo begleiten. Das Krankenhaus selbst war besser ausgestattet als ich gedacht hatte, es gab relativ moderne Intensivstationen, CT und MRT und einzelne Departments, so zum Beispiel die Traumatologie (MOI) oder das EMD wurden massiv international unterstützt. Das Krankenhausgelände ist sehr groß und weitläufig und schön angelegt. Hinter den Mauern schaut es aber anders aus. Die Zustände auf den Stationen haben mich wirklich erschüttert. Riesige Säle, die Betten teilweise doppelt belegt und die Gänge noch voller Matratzen auf dem Boden, es stinkt, keiner kümmert sich um die schwerstkranken Patienten, ein einziges Chaos, dazwischen Mosquitos, Fliegen und sogar Katzen. Das Essen müssen die Angehörigen vorbeibringen, wenn ein Patient Blut für eine OP braucht, müssen die Verwandten zuerst Blut an die Blutbank spenden. Am schlimmsten fand ich jedoch die Einstellung der Ärzte. Ein Menschenleben ist im Muhimbili nicht viel wert, Fehler, die Leben kosten, ziehen keine Konsequenzen nach sich. Die Patienten sind arm und haben keine Möglichkeit irgendetwas einzufordern. Es gibt keine verpflichtende Krankenversicherung und aufgrund der Armut zahlen die meisten nicht ein. Die Ärzte werden schlecht bezahlt und sind schlecht ausgebildet, einen Großteil der Arbeit liegt bei den Interns, die noch keine klinische Erfahrung haben und nicht einmal ein abschließendes Examen schreiben. Die Internship dauert ein Jahr und das bedeutet 365 Tage Arbeit ohne freie Wochenenden, während die fertigen Ärzte teilweise im OP arbeitslos herumstehen. Im OP spielt die Sterilität eine sehr geringe Rolle, alle Eingriffe werden radikal durchgeführt und meistens viel zu spät. Vom Auftreten der ersten Symptome bis zur OP vergehen oft einige Monate und gerade was Krebserkrankungen angeht, habe ich einige Stadien gesehen, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Es gab auch einzelne sehr gute Ärzte, viele von Ihnen waren auch im Ausland, aber in dem riesigen Krankenhaus konnten sie sich nicht wirklich durchsetzen. Besonders schlimm fand ich die Zustände auf der Allgemeinchirurgischen Station. Auf der Kinderchirurgie lief schon vieles besser ab, wobei hier die meisten Patienten auch nicht so krank waren. Im Gegensatz zu meiner ersten Station wurde ich hier auch sehr freundlich aufgenommen, stand immer auf dem OP-Plan und wurde stark ins Team integriert. Die Herzchirurgie ist eine sehr junge Abteilung mit wenigen Patienten und vielen organisatorischen Schwierigkeiten, so dass es trotz einiger spannender OPs doch eher langweilig war. Wenn man mitarbeiten will, ist viel Eigeninitiative gefragt. Man kann im OP assistieren, Vigos legen, Blutabnehmen und Patienten untersuchen. Das Aufnehmen von Patienten sowie aktives Mitarbeiten in der Outpatient Clinic ist wegen der Sprachbarriere nicht möglich. Wir haben alle Fortschritte in Suaheli gemacht, aber für ein Patientengespräch hat es bei keinem gereicht. Die Arbeitssprache im Krankenhaus ist aber englisch und daran wird sich von Station zu Station unterschiedlich stark gehalten. Oft muss man sich jedoch bemerkbar machen und um englische Übersetzungen bitten. Am meisten nützlich machen
kann man sich im EMD. In meiner Zeit dort war auch eine amerikanische Ärztin da, von der man viel lernen konnte. Hier durfte man auch wirklich alles machen, von Nähen über Intubieren, CRP und Beatmen. Aber es gab viele traumatische Erlebnisse und überflüssige Todesfälle. Das Verhältnis zu den Kollegen war sehr unterschiedlich. Zum Teil extrem unpersönlich, zum Großteil aber sehr offen und freundlich. Mit einigen der Studenten und Interns habe ich auch nach Dienstschluss hin und wieder etwas unternommen. Alles in allem muss ich aber sagen, dass ich oft das Bedürfnis hatte, das Krankenhaus hinter mir zu lassen und mich nicht sehr aktiv um einen engeren Kontakt bemüht habe. Das Leben in Dar und Freizeitgestaltung: Dar ist eine überschaubare Großstadt, laut, dreckig, bunt und interessant. Die Stadtteile in denen man wahrscheinlich die meiste Zeit verbringt, sind das Stadtzentrum und die Msasani- Peninsula, wo die Diplomaten wohnen und wo man eigentlich alles finden kann, was das westliche Herz begehrt, z.b. gute Restaurants, Clubs und große Einkaufszentren. Interessanter ist aber das Stadtzentrum mit seinen Märkten, dem Hafen und Touristenfängern. An Sehenswürdigkeiten hat die Stadt nicht viel zu bieten, aber es lässt sich dort gut aushalten. Daladalas, kleine alte Minibusse, fahren in jeden Winkel der Stadt. Der Großteil der Bewohner ist muslimisch und man sollte darauf achten sich angemessen zu kleiden. Das Klima ist am angenehmsten im August und September, in der Regenzeit wird es sehr heiß und schwül und die Luftfeuchtigkeit ist extrem hoch. Mosquitos sind ein echtes Problem, auf eine Malariaprophylaxe und konsequenten Mückenschutz sollte nicht verzichtet werden. Um Dar herum und in einer Stunde leicht zu erreichen gibt es viele tolle Strände, v.a. im Süden (Kigamboni Mikadi, Kipepeo) und auf den vorgelagerten Inseln (Bongoyo, Mbudya). Dar ist ein Hauptverkehrsknotenpunkt und Buse fahren in alle Richtungen. Es lassen sich leicht Ausflüge für ein paar Tage organisieren, z.b. Sansibar (billiger für Residents), Wandern bei Lushoto (Usambara-Berge) oder Morogoro (Uluguru-Gebirge), Dörfer und Städte wie Tanga, Pangani, Bagamoyo, die Ruinen in Kilwa oder eine Safari im Mikumi Nationalpark. Wenn man zu den Seen reisen möchte oder Besteigungen des Kilimandscharo oder Mt. Meru vorhat oder nicht auf eine Safari in den nördlichen Nationalparks (Serengeti, Ngorongoro, Tarangire, Manyara) verzichten will, muss man mehr Zeit und auch Geld einplanen. Es ist sehr leicht Leute kennenzulernen. Nicht nur im Krankenhaus, sondern v.a. auch in diversen NGOs arbeiten viele junge Leute aus allen möglichen Ländern und das Zentrum ist
klein genug, dass man sich über den Weg läuft. Auch die Einheimischen sind sehr offen, teilweise etwas zu offen, gerade wenn man als Frau allein reist. Zusammenfassung: Trotz zum Teil belastenden Erfahrungen und schwierigen Alltagssituationen habe ich meine Entscheidung keine Sekunde bereut. Ich konnte wertvolle Erkenntnisse sammeln, nicht zuletzt über mich selbst, und habe viele interessante und nette Bekanntschaften gemacht. Es war toll in ein fremdes Land einzutauchen, auch wenn vieles nicht einfach zu verstehen war. Zum Beispiel der Kontrast der freundlichen, hilfsbereiten und fröhlichen Menschen, v.a. in den Dörfern, zu der Teilnahmslosigkeit und Lethargie im Krankenhaus. Auch kulturelle Ereignisse wie das Ende des Ramadan (Eid) oder das Film- und Musikfestival auf Sansibar konnte ich miterleben. Eine der tollsten Erfahrungen waren die drei Tage mit dem Flying Medical Service in Arusha, was ich jedem wärmstens empfehlen kann. Alle zwei Wochen werden hier kleine Dörfer in der Massai-Steppe angeflogen und eine Basisgesundheitsversorgung angeboten, also eine Sprechstunde, Impfungen und Schwangerschaftsvorsorge. Abgesehen davon, dass man sich wirklich nützlich machen kann, bietet es einen tollen Einblick in die Massai-Kultur. Eine wichtige Frage, die man sich vor der Reise stellen sollte, ist, was man sich erhofft. Ich habe viele Leute getroffen, die erwartet hatten, selbstständig OPs durchzuführen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man auch bei viel Engagement in erster Linie Zuschauer bleibt. Lehrreich war es trotzdem auf jeden Fall, wenn auch weniger in praktischen Dingen. Ich hatte Gelegenheit einige Krankheitsbilder zu sehen, die bei uns kaum oder zumindest in der Ausprägung nicht vorkommen. Man sieht, wie weit man ohne technische Hilfsmittel kommen kann, aber auch woran man scheitert. Nicht zuletzt lernt man das deutsche Gesundheitssystem zu schätzen und die Motivation ein guter Arzt zu werden wird stark gefördert. Ich kann mir auch nach wie vor vorstellen später mal in Afrika zu arbeiten, allerdings weiß ich jetzt, dass es mir persönlich nicht in allen Settings möglich wäre.