Welchen Einfluss hat die Verarbeitung von Lebensmitteln auf den Gehalt an toxikologisch relevanten Inhaltsstoffen im verzehrsfertigen Produkt?

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Transkript:

BUNDESINSTITUT FÜR RISIKOBEWERTUNG Welchen Einfluss hat die Verarbeitung von Lebensmitteln auf den Gehalt an toxikologisch relevanten Inhaltsstoffen im verzehrsfertigen Produkt? Dr. Benjamin Sachse Rainer Giel / pixelio.de

Rolle der Lebensmittelverarbeitung bei der Risikobewertung Grundsätzliche Überlegungen Verarbeitung von Lebensmitteln hat wesentlichen Einfluss auf toxikologisch relevante Stoffe im verzehrsfertigen Produkt Anwendung von Standard-Verarbeitungsfaktoren im Rahmen der Risikobewertung von Lebensmitteln selten Ggf. Anwendung für bestimmte Fragestellungen Datengrundlage hinsichtlich der verschiedenen Verarbeitungsstufen i. d. R. ungenügend Case-by-case-Betrachtung notwendig Seite 2

Relevante Schritte bei der Lebensmittelverarbeitung (Beispiel: Kräutertee) Anbauregion Reinigung Rohstoffauswahl Lagerung Matrix Anbau-Art Lagerung Zubereitung Lagerung Erntetechnik Rainer Giel / pixelio.de Prozessbedingte Bestandteile Noxe Reduktion toxischer Bestandteile Seite 3

Probleme bei der Berücksichtigung der Lebensmittelverarbeitung (Beispiel: Kräutertee) Variabilität der Zubereitung Variabilität in Abhängigkeit von der Noxe 3 min 10 min aus: Mulder et al. 2016 ph-wert etc. 60 min Seite 4

Beispiele Prozessbedingte Bestandteile Noxe Reduktion toxischer Bestandteile Seite 5

Prozessbedingte Bestandteile Acrylamid Chlorpropanole und Glycidol Sonstige Dioxine PAK HAA Furan-Derivate Mycotoxine Seite 6

Acrylamid Bildung Maillard-Reaktion: reduzierende Zucker + Asparagin T Bei Temperaturen ab etwa 120 C (170-180 C) Bei geringem Feuchtigkeitsgehalt red. Zucker Asparagin Acrylamid Vorkommen In vielen hocherhitzten Lebensmitteln, z. B. Pommes frites, Kartoffelchips, Kaffee Toxikologie Genotoxisches Kanzerogen ALARA-Prinzip (Minimierung der Gehalte soweit wie sinnvoll erreichbar) Seite 7

Acrylamid Minimierungsmaßnahmen zur Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln Optimierung der Herstellungsprozesse Seite 8

Acrylamid Verordnung (EU) 2017/2158 der Kommission Artikel 1 (1) sind Lebensmittelunternehmer, die in Absatz 2 aufgeführte Lebensmittel herstellen und in Verkehr bringen, verpflichtet, die in den Anhängen I und II aufgeführten Minimierungsmaßnahmen anzuwenden, um die niedrigsten nach vernünftigem Ermessen erreichbaren Acrylamidgehalte unterhalb der in Anhang IV aufgeführten Richtwerte zu erreichen. (2) a) Pommes frites b) Kartoffel-/ Erdapfelchips f) Kaffee Artikel 2 (4) Falls die Richtwerte überschritten werden, überprüfen die Lebensmittelunternehmer die angewandten Minimierungsmaßnahmen und passen Verfahren und Kontrollen an. Seite 9

Acrylamid Verordnung (EU) 2017/2158 der Kommission Rohstoffauswahl Geringe Gehalte an Acrylamidvorstufen Lagerung Minimierungsmaßnahmen Lagerung der Rohstoffe bei geeigneten Temperaturen Rezeptur und Prozessdesign Temperatur, Asparaginase Lebensmittelgruppe Pommes frites (verzehrsfertig) Richtwerte (exemplarisch) Richtwert VO (EU) 2017/2158 Signalwert BVL 500 530 600 Kartoffelchips 750 790 1000 Röst-Kaffee 400 280 450 Instant-Kaffee 850 900 900 Richtwert EU-Empfehlung Probenahme und Analytik Regelmäßig um Erfolg zu überwachen Seite 10

Chlorpropanole und Glycidol Bildung Desodorierung von Fetten/Ölen: Bildung aus Glycerol Vorkommen In raffinierten Fetten/Ölen (z. B. Palmöl) und daraus hergestellten Produkten Besonders problematisch: Vorkommen in Säuglingsnahrung Glycerol 3-MCPD Glycidol Toxikologie 3-Monochlorpropandiol (3-MCPD): Kanzerogen mit Wirkschwelle TDI Glycidol: Genotoxisches Kanzerogen ALARA-Prinzip Seite 11

Reduktion toxischer Bestandteile Cyanogene Glycoside Phasin (Gartenbohne) Sonstige Seite 12

Cyanogene Glycoside Vorkommen In bestimmten Pflanzen-basierten Lebensmitteln Bittermandel, Aprikosenkerne, Maniok β-glycosidase Säure CN - Toxikologie Freisetzung von Cyanid Amygdalin Reduktion bei der Prozessierung mahlen, wässern, erhitzen Seite 13

Cyanogene Glycoside Matrixeffekte Die Lebensmittelmatrix kann die Toxizität einer Noxe deutlich beeinflussen! aus: Abraham et al. 2016; modifiziert, äquivalente Cyanid-Dosis von 6,8 mg Seite 14

Zusammenfassung & Schlussfolgerung Die Verarbeitung von Lebensmitteln bzw. die gesamte Lebensmittelkette kann erheblichen Einfluss auf die toxikologischen Inhaltsstoffe im verzehrsfertigen Produkt nehmen! Prozessbedingte Bestandteile Noxe Reduktion toxischer Bestandteile Üblicherweise werden Standard-Verarbeitungsfaktoren bei Risikobewertungen im Lebensmittelbereich nur zu wenigen bestimmten Fragestellungen herangezogen! Einfluss der Verarbeitung: Einzelfallbetrachtung, je nach Fragestellung und relevanter Noxe! Seite 15

BUNDESINSTITUT FÜR RISIKOBEWERTUNG Danke für Ihre Aufmerksamkeit Dr. Benjamin Sachse Bundesinstitut für Risikobewertung Max-Dohrn-Str. 8-10 10589 Berlin Tel. 030-184 12-0 Fax 030-184 12-47 41 bfr@bfr.bund.de www.bfr.bund.de