JUlI Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom , Az. 2 C 19.10

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Transkript:

Juli 2011 Seite: 1 NewslETTER VERWALTUNGSRECHT JUlI 2011 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.06.2011, Az. 2 C 19.10

Juli 2011 Seite: 2 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.06.2011, Az. 2 C 19.10 EINLEITUNG: Die Entscheidung, welcher von mehreren Konkurrenten bei einer Bewerbung auf ein Beförderungsamt befördert wird, richtet sich nach der so genannten Bestenauslese und dem Leistungsprinzip, das in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz verankert ist. Danach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. Damit sind die maßgeblichen Kriterien zur Auswahlentscheidung verfassungsrechtlich abschließend vorgegeben. Die Auswahlentscheidung kann ausschließlich auf Gesichtspunkte gestützt werden, die sich unmittelbar auf die Eignung, die Befähigung oder die fachliche Leistung des jeweiligen Bewerbers beziehen. In der Praxis werden die Auswahlentscheidungen häufig anhand von Ranglisten zur Beförderung getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte aktuell darüber zu befinden, ob und inwieweit das zulässig sein kann. SACHVERHALT: Der Kläger wendet sich gegen seine Einreihung in die Beförderungsrangliste, aufgrund derer er nicht befördert worden ist. Der Kläger war Zolloberinspektor (Besoldungsgruppe A 10). Sein Dienstposten als Sachbearbeiter im Prüfdienst beim Hauptzollamt Darmstadt war den Besoldungsgruppen von A 9 bis A 11 zugeordnet. Die Beklagte nahm bis Ende 2009 Beförderungen im gehobenen Dienst der Zollverwaltung bis zum Zollamtmann (Besoldungsgruppe A 11) ohne Stellenausschreibungen nach der Platzziffer der Beamten in der bundesweit erstellten Ranglis-

Juli 2011 Seite: 3 te der jeweiligen Besoldungsgruppe vor. Sie vergab die höheren Ämter an die Beamten auf den Spitzenplätzen der Liste, sobald besetzbare Planstellen zur Verfügung standen. Die Planstellen wurden derjenigen Beschäftigungsbehörde zugewiesen, bei der der zu befördernde Beamte seinen Dienstposten innehatte. Die nicht berücksichtigten Beamten wurden vor den beabsichtigten Beförderungen nicht informiert. Die Beförderungsranglisten wurden von der Beklagten im Anschluss an die jeweiligen Regelbeurteilungsrunden erstellt, zuletzt 2007. Maßgebend für die Reihung war das Gesamturteil zunächst der letzten, sodann der vorletzten Regelbeurteilung. Bei gleichem Gesamturteil beider Beurteilungen wurden innerhalb der so gebildeten Gruppe zunächst die schwerbehinderten Frauen, dann die weiteren Frauen, dann die schwerbehinderten Männer und zum Schluss die restlichen Männer eingereiht. Innerhalb der so gebildeten Untergruppen unterschied die Beklagte sodann nach Dienstalter und Lebensalter. Der Kläger stand auf Platz 864 der 2007 erstellten Rangliste. Nach dieser Liste wurde zuletzt am 1. Dezember 2009 bis Platz 514 befördert. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage, die Beklagte zur neuen Einreihung des Klägers in die Rangliste zu verpflichten, hat in beiden Vorinstanzen (Hessischer VGH - 09.03.2010 - AZ: VGH 1 A 286/09 sowie VG Darmstadt - 17.12.2008 - AZ: VG 1 K 465/08.DA (3) Erfolg gehabt. Auch im Revisionsverfahren hat der Kläger nunmehr Erfolg gehabt. ENTSCHEIDUNG: Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die bisherige Einreihung in eine (bundesweite) Beförderungsrangliste der Zollverwaltung für Beamte einer bestimmten Besoldungsgruppe rechtswidrig war. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30.06.2011 entschieden. Beförderungen nach einer

Juli 2011 Seite: 4 solchen Liste seien mit dem verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG. Ein Beförderungsranglistensystem, das Gruppen allein aufgrund des abschließenden Gesamturteils der dienstlichen Beurteilung bildet und innerhalb der Gruppen nach Behinderteneigenschaft und Geschlecht der Bewerber differenziert, verstößt gegen Art. 33 Abs. 2 GG. Ein Beförderungsranglistensystem verstößt gegen 18 BBesG, wenn es auf sog. gebündelten Dienstposten beruht, ohne dass eine Ämterbewertung stattgefunden hat. Die Zuordnung von Dienstposten zu mehreren Besoldungsgruppen (sog. gebündelte Dienstposten) bedarf der sachlichen Rechtfertigung, die sich nur aus den Besonderheiten der jeweiligen Verwaltung ergeben kann. Nach Art. 33 Abs. 2 GG habe jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach seien öffentliche Ämter nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu besetzen. Die Geltung dieses Grundsatzes werde durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Art. 33 Abs. 2 GG vermittele ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt könne verlangen, dass seine Bewerbung nur aus Gründen zurückgewiesen werde, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (Bewerbungsverfahrensanspruch). Der Bewerberauswahl dürften nur Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden, die den von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Leistungsbezug aufwiesen. In Bezug auf die Vergabe höherer Ämter einer Laufbahn durch Beförderungen handele es sich um Kriterien, die

Juli 2011 Seite: 5 darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amtes genüge und sich in dem höheren Amt voraussichtlich bewähren werde. Das gelte, so das Bundesverwaltungsgericht, auch für die Einreihung in eine Beförderungsrangliste, wenn allein aufgrund des Listenplatzes ohne nochmalige Auswahlentscheidung befördert werden soll. Das Bundesverwaltungsgericht hat unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Leistungsvergleich der Bewerber um ein Beförderungsamt anhand aussagekräftiger, d.h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden müsse. Maßgebend für den Leistungsvergleich sei in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet werden müsse. Seien danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, könne der Dienstherr auf einzelne Gesichtspunkte abstellen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen müsse. So könne er der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren Beurteilungen ergibt, Vorrang einräumen. Die Entscheidung des Dienstherrn, welche Bedeutung er den einzelnen Gesichtspunkten für das abschließende Gesamturteil und für die Auswahl zwischen im Wesentlichen gleich geeigneten Bewerbern beimesse, unterliege nur einer eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Daraus folge, dass der Dienstherr bei gleichem Gesamturteil zunächst die Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten

Juli 2011 Seite: 6 und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen habe. Bei einer solchen Auswertung sei darauf zu achten, dass gleiche Maßstäbe angelegt werden. Diesen Anforderungen habe die Beförderungspraxis der Beklagten, wie sie zuletzt in der 2007 erstellten Beförderungsrangliste zum Ausdruck gekommen sei, nicht entsprochen. Durch den vorschnellen Rückgriff auf die Hilfskriterien Behinderteneigenschaft und weibliches Geschlecht habe sie Schwerbehinderte und Frauen unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG bevorzugt. Diesen Hilfskriterien dürfe erst dann Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand leistungsbezogener Kriterien kein Vorsprung von Bewerbern ergebe. Zwar seien die Förderung der Gleichberechtigung in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und das Verbot der Benachteiligung Behinderter in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG grundrechtlich verankert. Beide verfassungsrechtlichen Grundsätze seien aber nicht darauf gerichtet, die Geltung des Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 GG für die Vergabe öffentlicher Ämter generell einzuschränken. Die bevorzugte Berücksichtigung von Frauen sei sowohl nach dem Unionsrecht (insbesondere Richtlinie 2006/54/EG) als auch nach 8 Satz 1 BGIeiG ausdrücklich auf die Fälle gleicher Qualifikation beschränkt und greife überdies nur ein, wenn nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwögen. Aus denselben Gründen enthielten die einfachgesetzlichen Schutzvorschriften zugunsten Schwerbehinderter lediglich Benachteiligungsverbote (vgl. 81 Abs. 2 Satz 1, 128 Abs. 1 SGB IX; 1 und 7 Behinderten-Gleichgestellungsgesetz). Nach 128 Abs. 1 SGB IX seien Vorschriften und Grundsätze für die Besetzung von Beamtenstellen so zu gestalten, dass Ein-

Juli 2011 Seite: 7 stellung und Beschäftigung von Schwerbehinderten gefördert werden; eine Regelung über die Bevorzugung im Rahmen von Beförderungsentscheidungen fehlt. Ein weiterer Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG liege darin, dass jedenfalls den zum 1. Dezember 2009 getroffenen Beförderungsentscheidungen keine hinreichend aussagekräftigen, weil nicht mehr aktuellen dienstlichen Beurteilungen zugrunde gelegen hätten. Zwar sei die Beförderungsrangliste (2007) als allein maßgebliche Auswahlentscheidung unmittelbar im Anschluss an die Regelbeurteilungsrunde (Stichtag 31. Januar 2007) und damit anhand aktueller Beurteilungen erstellt worden. Diese seien in der Folgezeit jedoch nicht mehr aktualisiert worden. Dies, so das Bundesverwaltungsgericht, wäre indes wegen des Zeitraums zwischen der Einreihung in die Rangliste und den Beförderungen Ende 2009 erforderlich gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht habe in diesem Zusammenhang entschieden, dass ein Zeitablauf von rund anderthalb Jahren zu lang sei, wenn der Bewerber nach dem Beurteilungsstichtag andere Aufgaben wahrgenommen habe. Angesichts des Umstands, dass die Beförderungsrangliste die Ergebnisse eines bundesweiten Leistungsvergleichs in einer großen Bundesverwaltung wiedergeben sollte, sei ein Zeitraum von fast drei Jahren deutlich zu lang, um Ende 2009 in Bezug auf alle zu diesem Zeitpunkt noch in Beförderungskonkurrenz stehenden Beamten noch von hinreichend aktuellen Beurteilungen ausgehen zu können. Es sei ausgeschlossen, dass sich bei keinem der Bewerber leistungs- und beurteilungsrelevante Veränderungen ergeben hätten. Anlassbeurteilungen, die es ermöglicht hätten, Besonderheiten in der Leistungsentwicklung einzelner

Juli 2011 Seite: 8 Bewerber Rechnung zu tragen, seien nach den seinerzeit geltenden Beurteilungsrichtlinien für das Beförderungsverfahren nicht vorgesehen gewesen. Soweit 22 Abs. 1 Satz 2 BBG in der ab 12. Februar 2009 geltenden Fassung die Einbeziehung dienstlicher Beurteilungen zulasse, wenn das Ende des letzten Beurteilungszeitraums zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung höchstens drei Jahre zurückliege, handele es sich um eine zeitliche Obergrenze, die zwar nicht überschritten, durchaus aber unterschritten werden könne. Letzteres sei insbesondere geboten, wenn wie hier die Beförderungspraxis zwangsläufig zu einem großen Bewerberfeld führe und zeitnahe Anlassbeurteilungen nicht erstellt würden. Schließlich sei die frühere Beförderungspraxis der Beklagten mit dem Grundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz zur Durchsetzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs (Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG) nicht zu vereinbaren. Dies folgt schon daraus, dass sie die bevorstehenden Beförderungen den nicht berücksichtigten Listenbewerbern nicht vorher rechtzeitig mitgeteilt hat. Sie habe damit verhindert, dass diese vor der Ernennung der für eine Beförderung vorgesehenen Beamten gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen konnten. Die Beförderungspraxis der Beklagten, wie sie in der 2007 erstellten Beförderungsrangliste zum Ausdruck gekommen sei, beruhe auf einer Verletzung des gesetzlichen Grundsatzes der funktionsgerechten Besoldung nach 18 BBesG. Nach 18 Satz 1 BBesG müsse eine Ämterbewertung stattfinden ( die Funktionen sind zu bewerten ). Satz 2 lege als Kriterium für diese Bewertung die Wertigkeit der Ämter (Funktionen)

Juli 2011 Seite: 9 fest. Es sei das (typische) Aufgabenprofil der Ämter im konkretfunktionellen Sinn (Dienstposten) zu ermitteln. Weiterhin forderten beide Sätze des 18 BBesG, dass die Funktionen nach ihrer Wertigkeit Ämtern, d.h. Ämtern im statusrechtlichen Sinne (Satz 1) und damit Besoldungsgruppen (Satz 2) zugeordnet würden. Dies bedeute, dass die Anforderungen, die sich aus dem Aufgabenprofil einer Funktion ergäben, mit den Anforderungen anderer Funktionen zu vergleichen seien. Je höher die Anforderungen gewichtet würden, desto höher die Besoldungsgruppe, der die Funktion zuzuordnen sei. Damit trage die Ämterbewertung nach 18 BBesG den hergebrachten Grundsätzen des Leistungsprinzips, des Alimentationsprinzips und vor allem dem hergebrachten Grundsatz der amtsangemessenen Beschäftigung Rechnung. Ein Beamter habe einen in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Anspruch darauf, dass ihm ein Aufgabenbereich übertragen werde, dessen Wertigkeit seinem Amt im statusrechtlichen Sinn entspreche. Ob dieser Anspruch erfüllt sei, könne ohne Dienstpostenbewertung nicht beurteilt werden. Es sei anerkannt, dass dem Dienstherrn bei der Bestimmung der Wertigkeit im Sinne von 18 Satz 2 BBesG ein weiter Beurteilungsspielraum zustehe (Organisationsermessen). Die Zuordnung der Dienstposten zu einem statusrechtlichen Amt einer bestimmten Besoldungsgruppe liege im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des Besoldungs- und des Haushaltsrechts in der organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn. Mit dem statusrechtlichen Amt und dessen Zuordnung zu einer bestimmten Besoldungsgruppe in Relation zu anderen Ämtern sowie der laufbahnrechtlichen Einordnung würden abstrakter Inhalt, Bedeutung, Umfang und Verantwortung und damit die Wertigkeit des Amtes zum Ausdruck gebracht.

Juli 2011 Seite: 10 Jedoch müsse der Dienstherr zumindest zwei gesetzliche Vorgaben beachten: Zum einen enthalte 18 BBesG einen Handlungsauftrag. Fehle eine normative Ämterbewertung, so sei der Dienstherr gesetzlich verpflichtet, eine nicht normative Ämterbewertung vorzunehmen und sie seiner Personalwirtschaft zugrunde zu legen. Zum anderen dürften die Funktionen (Dienstposten) nicht ohne sachlichen Grund gebündelt, d.h. mehreren Statusämtern einer Laufbahngruppe zugeordnet werden. Die Einrichtung gebündelter Dienstposten bedürfe einer besonderen sachlichen Rechtfertigung, die sich nur aus den Besonderheiten der jeweiligen Verwaltung ergeben könne (vgl. Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, 18 BBesG Rn. 15 und 16b). Weiterhin sei zu beachten, dass die Zuordnung von Beförderungsämtern zu bestimmten Dienstposten nach 25 BBesG voraussetze, dass diese sich nach der Wertigkeit der Aufgaben deutlich von der niedrigeren Besoldungsgruppe abhöben. Würden wie in der Bundeszollverwaltung gebündelte Dienstposten geschaffen, die drei Besoldungsgruppen zugeordnet seien, gebe es kein höher bewertetes Amt, an dessen Anforderungen die einzelnen Beförderungsbewerber bei dem Leistungsvergleich zu messen wären. Ein gebündelter Dienstposten sei für einen Beamten im niedrigeren Statusamt kein höherbewerteter Dienstposten. Die für den Leistungsvergleich erforderliche Eignungsprognose könne nicht dadurch ersetzt werden, dass die (abstrakten) Anforderungen an die Wahrnehmung der Aufgaben eines höherbewerteten abstrakt-funktionellen Amtes als Maßstab zugrunde gelegt würden. Denn ein solches Amt im abstrakt-funktionellen Sinn gebe es nicht, weil dies zwingend bestimmte Ämter im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten) voraussetze, die in der Behörde ausschließlich den Inhabern des gleichen statusrechtlichen Amtes zugewiesen seien.

Juli 2011 Seite: 11 FAZIT: Das Bundesverwaltungsgericht stärkt Beamten bei Auswahlentscheidungen im Rahmen der Bestenauslese den Rücken. Im konkreten Fall wurde festgestellt, dass Beförderungsranglisten für Beamte auf gebündelten Dienstposen rechtswidrig sind. Die Rechtswidrigkeit des Auswahlverfahrens bietet die Chance auf eine Korrektur etwaiger Beurteilungen. Beamten ist bei anstehenden Beförderungen die möglichst frühzeitige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des konkret durchgeführten Auswahlverfahrens zu empfehlen, um eine gegebenenfalls rechtswidrige Auswahlentscheidung zugunsten eines Konkurrenten zu verhindern. Dienstherren sollten ihre Auswahlkriterien streng an der Rechtsprechung ausrichten und schematische Auswahlkriterien ohne konkreten Bezug zum Leistungsgrundsatz vermeiden.

Juli 2011 Seite: 12 Sie brauchen detailliertere Informationen? Sie hätten gerne ein persönliches Gespräch zu Themen dieser Ausgabe? Sie haben Fragen zu unserer Veranstaltung? Wir freuen uns, wenn Sie mit uns Kontakt aufnehmen. info@thomsen-ra.de Impressum: Der THOMSEN RECHTSANWÄLTE Newsletter ist ein kostenloser Service. Die Verfasser übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit der übermittelten Informationen. Bitte beachten Sie, dass diese Informationen eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen können. Herausgeber: THOMSEN RECHTSANWÄLTE Stabelstr. 10 76133 Karlsruhe Ansprechpartner (ViSdP): Rechtsanwalt Klaus Thomas Thomsen