Stellungnahme zum Forschungsgutachten aus Sicht eines Hochschullehrers der Sozialen Arbeit und Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten 1



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Transkript:

F. Dammasch Stellungnahme zum Forschungsgutachten aus Sicht eines Hochschullehrers der Sozialen Arbeit und Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten 1 Vorbemerkungen zu Bologna: Eine Aufgabe des Gutachtens ist es, die Zugangsvoraussetzungen mit den neuen Studienbedingungen des Bologna-Prozesses zu verbinden. Was bedeutet der Bologna-Prozess für die Psychotherapie? Das Studium wird zweistufig in einen grundständigen Bachelor- und einen wissenschaftlichen Masterstudiengang unterteilt. Dadurch weitet sich nicht nur das Studium quantitativ aus, sondern auch die Form der Bildung ändert sich. Aus Bildung wird auch an den Universitäten Berufsausbildung. In parzellierten meist einsemestrigen Modulen wird Standardwissen vermittelt, das nach juristisch einheitlichen Kriterien geprüft werden kann. Gerade aber der Beruf des Psychotherapeuten ist darauf angewiesen, dass die Absolventen eine grundlegende humanwissenschaftliche Bildung besitzen, die mehr ist als die Akkumulation leicht operationalisierbarer kognitiver Wissensbestände. Integriertes Wissen und theoriegeleitete Reflexionsfähigkeiten im Zusammenwirken mit persönlicher Beziehungskompetenz bilden die Basis psychotherapeutischer Kompetenz. Die Entwicklung, Verfeinerung und Integration von kognitiven Wissensbausteinen und persönlicher Reflexionsfähigkeit können nur in längeren Bildungsprozessen beginnend mit dem Studium erfahren und vertieft werden. Die deutsche gründliche Umsetzung des Bologna-Prozesses und die damit einhergehende Modularisierung und Prüfarithmetik erschwert studentische Bildungsprozesse erheblich. Die Modularisierung passt eigentlich vor allem auf Studienfächer mit einem hohen Fundus an allgemeingültigen Gesetzen, z.b. die Naturwissenschaften oder die betriebswirtschaftlichen und technischen Berufe. Die strukturellen Studienveränderungen passen weniger gut zu den Geistes- und Sozialwissenschaften. Die Modularisierung und zwangsläufige Fokussierung von Studenten und Professoren auf standardisiertes abprüfbares Wissen fördert eine instrumentelle und kurzfristige Wissensaneignung. Das partielle Prüfungs- und Moduldenken formt natürlich in spezifischer Weise auch die studentische und professorale Identität. So scheint es mir im Vergleich zum Diplomstudium im Bachelor zunehmend schwieriger, das Interesse der Studenten für ein tieferes Verstehen und prozesshaftes dialogisches Durchdringen von sozialen Beziehungsmustern und Konfliktkonstellationen zu wecken. Die Studenten sind funktional effektiv zunächst damit beschäftigt, die prüfungsrelevanten Kenntnisse zu erfahren und die Prüfung vorzubereiten. Vieles wird dabei über e-learning durchs Internet vermittelt. Nicht unmittelbar prüfungsrelevantes verliert an Bedeutung. Konkret bleiben viele Studenten den Lehrveranstaltungen fern, nachdem das Prüfungsthema z.b. für eine Präsentation oder Hausarbeit im Laufe des Semesters ausgegeben wurde. Die humanwissenschaftlichen Grundlagen des Junktims von Forschen und Heilen, von Verstehen und Veränderung, wie es Freud für die Psychoanalyse formuliert hat, lassen sich unter den neuen Bedingungen spürbar weniger gut vermitteln. Das kurzatmige Modul- und Prüfungswesen in 1 Dies ist die leicht überarbeitete Fassung eines Vortrags gehalten beim Hochschullehrertreffen der Psychotherapeutenkammer Hessen am 1. 7. 2009 in Frankfurt. 1

Zusammenhang mit einer zunehmenden Digitalisierung des Lernens an den Hochschulen liegt quer zu den humanwissenschaftlichen Grundlagen der verstehenden Psychotherapieverfahren. Ich vermute, dass sie eher zu den Studieninhalten der akademischen und klinischen Psychologie und der Verhaltenstherapie passen. Allerdings gibt es Hoffnungen, wie ich von einzelnen Studenten gehört habe, dass gerade diese oberflächliche Wissensaneignung das Bedürfnis nach tiefergehenden und langfristigeren Bildungsprozessen wachruft. Paradoxerweise könnten dann die Absurditäten der Fast-Food-Bologna- Veränderungen dazu führen, dass wieder mehr Absolventen sich für den psychotherapeutischen langwierigen und intensiven Bildungsprozeß interessieren. Das Forschungsgutachten setzt den Bolognaprozess, der ja ohnehin zum Ziel hat Bildung durch Berufsausbildung zu ersetzen, funktional in die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung zum Psychotherapeuten um. Dementsprechend soll nicht die allgemein humanwissenschaftliche Bildung das Grundstudium bestimmen, sondern die Ausbildung zum Psychotherapeuten schon im Bachelor beginnen. Die 18- bzw. 17-jährige G8-Abiturientin sollte schon wissen, dass sie Psychotherapeutin werden will und zielgerichtet darauf hin arbeiten. Denn schon im Bachelor beginnt das Sammeln von credit points für die Zulassung. Kein Bruch in der Lebensgeschichte, keine Zeit der orientierenden Suche nach dem Richtigen, der möglichen Umorientierung während des Studiums ist möglich, weil davon wie im Diplom davon ausgegangen wird, dass der Bachelor und Master hintereinander studiert werden. Waren bisher gerade die durch Brüche gekennzeichnete Biografie und die persönlichen Erfahrungen mit den Grenzen des eigenen Handelns in der sozialen Berufspraxis immer eine besondere Stimulans bei den etwa 30 Jahre alten nicht-psychologischen Ausbildungskandidaten der Kinderund Jugendlichen Psychotherapie, so bewerben sich heute immer jüngere Studenten mit viel kognitivem Wissen und guten Wissensanreicherungsstrategien bei kaum vorhandener Beziehungs- und Berufspraxiserfahrung. Das Gutachten Die Empfehlungen des Forschungsgutachtens zur Evaluierung des Psychotherapeutengesetzes und zur Anpassung der Zugangsvoraussetzungen an die Studienerneuerungen, die durch den Bologna Prozess notwendig wurden, sind von psychologischer Seite und eigenartigerweise auch von kindertherapeutischer Seite weitgehend begrüßt worden. Die Ausbildung soll nicht störungsspezifisch, sondern weiterhin verfahrensspezifisch durchgeführt werden. Der Zugang zur Ausbildung soll weiterhin offen sein für die Studiengänge Psychologie, Pädagogik und Soziale Arbeit. Der Studienabschluss als Eingangstor zur Ausbildung sowohl für Psychologische als auch für Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten soll einheitlich der Masterabschluss sein. Als Überraschungscoup der Gutachter: Alle drei Studienabschlüsse sollen prinzipiell die Möglichkeit erhalten, die Ausbildung zum Erwachsenen- als auch zum Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten zu machen Die Berufsbezeichnung soll in Zukunft lauten: Psychotherapeut mit Schwerpunkt Erwachsene bzw. Psychotherapeut mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendliche. Eine Doppelapprobation wird ausdrücklich als Möglichkeit befürwortet. 2

In der Ausbildung soll es einen "common trunk" geben, einen allgemeinen theoretischen Stamm, der die übergreifenden psychotherapeutischen Grundlagen beider Berufe lehrt. Damit die drei Studienabschlüsse den Zugang sowohl für die Erwachsenenpsychotherapie als auch für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie erhalten, müssen fünf Semester (150 ects) psychologisches Grundwissen erworben worden sein. Ein Semester davon (35 ects) können eventuell vor der Ausbildung in einem Brückenkurs, Propädeutikum, erworben werden. Auf den ersten Blick kann ich sowohl als Fachhochschulmitglied als auch als Kindertherapeut mit diesen Empfehlungen zufrieden sein. Der Bologna-Prozess, das heißt auch die Gleichbehandlung und Vergleichbarkeit von Fachhochschul- und Universitätsabschlüssen ist konsequent umgesetzt worden. Sogar, zu meiner Überraschung, soll der Masterabsolvent in Pädagogik und Sozialer Arbeit soweit mit dem Masterabsolvent der Psychologie gleichgestellt werden, dass er die Möglichkeit bekommt, auch Psychotherapeut für Erwachsene werden zu können. Zudem ist inhaltlich plausibel, dass es Überschneidungen in den theoretischen Inhalten gibt, die Erwachsenen-Psychotherapeuten und Kindertherapeuten in einem common trunk zusammen erwerben können. So weit so gut. Beim zweiten Blick, wenn wir Theorie mit Wirklichkeit konfrontieren, dann wird die Sache schon etwas schwieriger. Ich beschränke mich auf drei Punkte der zulassungsrelevanten Inhalte des Gutachtens. 1. Der Masterabschluß Alle Berufsverbände und Kammern sind sich einig, dass der Master im Sinne der Gleichstellung der richtige Studienabschluss für die Kindertherapeuten sein muss. Aber: Dieser Vorschlag engt im Zusammenhang mit den formulierten Studieninhalten in der Praxis tendenziell den Personenkreis auf Studenten der Psychologie ein. Denn nur bei ihnen kann man davon ausgehen, dass sie schon am Beginn des Studiums solch ein Ausbildungsziel vor Augen haben. Zudem sind Fachhochschul- Studiengänge länger als die Psychologiestudiengänge. Nehmen wir als Beispiel eine Studentin der Sozialen Arbeit der Fachhochschule Frankfurt: - Nach dem Studium von 22 Modulen und 22 Prüfungen in sechs Semestern und dem Schreiben einer wissenschaftlichen Bachelorthese hat sie ihren Abschluss. - Nach einem Anerkennungsjahr (2 Semester) in einer Praxisstelle der sozialen Arbeit mit Praxisanleitung und supervisorischer Begleitung der Fachhochschule kann sie sich bei guten Noten z.b. für einen Master in "Psychosozialer Beratung" bewerben. - Den Master absolviert sie nach weiteren vier bis sechs Semestern Mindeststudiendauer und 12 Modulen und 12 Prüfungen nach einer Masterthese. - Nach insgesamt 12-14 Semestern Mindeststudiendauer, 36 Prüfungen und 2 wissenschaftlichen Arbeiten kann die Absolventin nach den ihre persönlichen Kompetenzen prüfenden Aufnahmeinterviews sich an einem Institut für Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie bewerben. Dazu müsste sie aber nach den Vorgaben des Gutachtens mindestens fünf Semester allgemeine und klinische Psychologie studiert haben, bzw. vier Semester mit der Möglichkeit des Propädeutikums. - Die Ausbildung dauert z.b. an einem psychoanalytisch orientierten Institut mindestens zehn Semester. 3

Der Vorteil: Unsere Studentin wird nach der Absolvierung und Prüfung in 34 Modulen des Bachelor und Master keine Probleme haben, die mehr aber meist weniger psychotherapierelevanten Prüfungsfragen des IMPP zu beantworten. Sie wird kurz vorher wie bei der Führerscheinprüfung oder im Physikum der Mediziner sich den Fragenkatalog in einem Crashkurs ins Gedächtnis eingefüllt haben. Nach mindestens 22 bis 24 Semestern kann die Ausbildungskandidatin die Approbation beantragen. Mediziner erhalten nach der Hälfte der Zeit ihre Approbation. Resümee: Die Gleichstellung der Studienabschlüsse ist formal und berufspolitisch sinnvoll. Wahrscheinlich kreieren wir dadurch das quantitativ höchste Level einer Berufsausbildung in der Welt. Denn wer erhält sonst erst nach 22 bis 24 Semestern Mindeststudiendauer seine Approbation. Praktisch wird es dazu führen, dass die Absolventenzahl der Fächer Pädagogik und Soziale Arbeit erheblich reduziert wird, weil ja typisch für diese Studenten ist, dass sie gerade nicht mit 17 oder 18 Jahren wissen, dass sie Psychotherapeuten werden wollen. Außerdem wird dadurch die schon bestehende Geschlechterselektion (80% weiblich in der gesamten Psychotherapie) verstärkt. Einen Mann, der sich diesen langwierigen Strapazen bis zum Berufseinstieg in einem zunehmend weiblichen Beziehungsberuf unterziehen will, wird man mit der Lupe suchen müssen. 2. Fünf Semester Psychologiestudium Das Gutachten schlägt vor, dass 4500 Stunden workload gleich 150 credit points gleich fünf Semester in allgemein psychologischen und klinisch psychologischen Inhalten studiert werden müssen, um zur Ausbildung zugelassen werden zu können. Die Hälfte der Studieninhalte (S. 359 des Gutachtens) im Bachelor und im Master zusammen sollen aus allgemein psychologischen und klinisch psychologischen Kenntnissen bestehen. Es entspricht der Flexibilisierungslogik von Bologna, dass modularisierte Studieninhalte und nicht mehr primär Studiengänge definiert werden. Die vorgeschlagenen Studieninhalte sind nur mit der Fachgruppe Klinische Psychologie und der Bundespsychotherapeutenkammer abgestimmt worden. 2 Eigentlich sollten sich die rein akademisch psychologischen Inhalte nur auf die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten beziehen. Ein entsprechender Entwurf der Bundespsychotherapeutenkammer für die Kinder- und Jugendlichen Psychotherapie, der mit den Fachgruppen der Sozialen Arbeit und der Pädagogik inzwischen erarbeitet wurde, ist zwar kurz erwähnt, strukturell aber einfach unter den Tisch gefallen. Dies ist auch konsequent, weil ja alle Psychotherapiekandidaten über das gleiche Wissen verfügen sollten, weil sie ja auch später sowohl Erwachsenen als auch Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut werden können sollen. Faktisch bedeutet die Formulierung dieser rein psychologischen Studieninhalte im Umfang von fünf Semestern das Ende des Zugangsmöglichkeiten von Studiengängen außerhalb der Psychologie in der Breite. Warum? 2 Das die Psychologie bzw. die klinische Psychologie zur Grundlage der Psychotherapie ernannt wird verwundert auch deshalb, weil die Universitätspsychologen häufig über gar keine psychotherapeutische Ausbildung oder Erfahrung verfügen. Die empirische Psychologie ist oft meilenweit von der klinischen Psychotherapie entfernt. Die Bundespsychotherapeutenkammer sollte darauf drängen das klinisches Wissen wie in der Medizin selbstverständlich auch nur von approbierten Psychotherapeuten vermittelt werden darf. 4

- Die erziehungswissenschaftlichen Studiengänge werden aufgrund ihrer eigenen Berufsidentität weder einen Bachelor noch einen Master anbieten, der auch nur annähernd vier Semester Psychologie enthält. In der Regel lehrt in diesen Studiengängen gar kein approbierter Psychotherapeut auf einer Professorenstelle. - Die Studiengänge der Sozialen Arbeit sind zwar oft besser ausgestattet mit psychotherapeutischer Professorenkapazität, aber die Identität der Studiengänge ist nicht primär psychologisch oder psychotherapeutisch. Die Psychologie ist neben der Soziologie, der Sozialpsychologie, der Pädagogik, den Rechtswissenschaften, der Sozialarbeitswissenschaft eine unter mehreren Grundlagenwissenschaften. Die beschriebenen Studieninhalte sind dem Curriculum der herrschenden Psychologie und klinischen Psychologie der Universitäten entnommen. Bekanntermaßen sind 90% der Lehrstühle klinischer Psychologie von lern- bzw. verhaltenstherapeutisch orientierten Wissenschaftlern besetzt. Entsprechend enthalten die Studieninhalte vor allem Schwerpunkte, die in der Verhaltenstherapie später relevant sind. Die bio-psycho-sozialen Grundlagen z.b. der Psychoanalyse basieren auf anderen humanwissenschaftlichen Studieninhalten: Modelle des psychischen Apparates, Theorien zur Entwicklung des Subjekts und der Intersubjektivität, Mentalisierungstheorien, Modelle psychosozialer und psychosexueller Entwicklung im Lebenslauf, Soziale Interaktionsprozesse in der Entwicklung und im Beratungsund Behandlungsprozess. Für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie wären folgende klinische Studieninhalte relevant: Modelle normaler und pathologischer Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Ätiologie psychischer und psychosomatischer Störungen des Kindes- und Jugendalters, Babybeobachtung bzw. Kinderbeobachtung als Einführung in das Verstehen früher Beziehungsmuster, Qualitative Sozialisationsforschung, Familiensoziologie und Elternschaft; Theorien über Symbolbildungsprozesse, Spieltheorien, Theorien der Adoleszenz, mindestens einjährige pädagogische oder psychologische praktische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Resümee: Das scheinbare Offenhalten für alle bisherigen Studiengänge wird durch die Formulierung von gemeinsamen Studieninhalten, die nur mit der herrschenden lerntheoretischen Richtung der klinischen Psychologie abgesprochen sind und sich über fünf Semester ziehen sollen, faktisch unterlaufen. Eigentlich sollte ein der Ausbildung vorgeschaltetes Studium dazu dienen, die humanwissenschaftlichen Grundlagen der Psychotherapie und nicht der klinischen Psychologie zu erwerben. Dabei ist die klinische Psychologie sicherlich ein wichtiges Grundlagenfach, aber daneben sind natürlich medizinische, sozialisationstheoretische, kulturwissenschaftliche und pädagogische Inhalte insbesondere für die Kinder- und Jugendlichen Psychotherapie von gleichbedeutender Relevanz. Insbesondere die erziehungswissenschaftlichen Fachbereiche werden weder willens noch in der Lage sein, Bachelor- und Masterangebote mit insgesamt 150 credit points in einer dergestalt definierten Psychologie anzubieten. Die Fachbereiche der sozialen Arbeit, die über mehr psychotherapeutische Professorenkapazität (oft mehr als die Psychologie) verfügen, werden einzelne Teile dieser Studieninhalte abdecken können, aber nur wenige spezialisierte kleine Studiengänge dürften diese Studieninhalte der akademischen Psychologie in stärkerem Maße in ihr Curriculum aufnehmen. Pointiert gesagt: Die Empfehlung der Gutachter schließt durch die Formulierung dieser rein psychologischen Studieninhalte, die fünf Semester des Studiums 5

ausmachen sollen, in seiner praktischen Umsetzbarkeit die nicht psychologischen Studiengänge von der Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten tendenziell aus. 3. Die Erweiterung des Zugangs zur Erwachsenenpsychotherapie Der Gedanke, dass nicht nur Psychologen die Ausbildung zum Kindertherapeuten machen können, sondern auch die Pädagogen und Sozialarbeiter bei entsprechend nachgewiesenen Grundkenntnissen die Ausbildung zum Erwachsentherapeuten, scheint nominal ein Zugewinn für diese Studienabgänger. Allerdings wird sich durch die Eröffnung dieser Möglichkeit die Zahl der reinen Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeuten verkleinern. Nach soviel psychologischen und klinisch psychologischen Studieninhalten in zwei abgeschlossen lang dauernden Studiengängen werden die meisten, die vielleicht ursprünglich Kindertherapeuten werden wollten, eine Doppelapprobation anstreben, um sowohl mit Kindern als auch mit Erwachsenen arbeiten zu können. In der jetzigen Praxis zeigt sich nach Erhebungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, dass Doppelapprobierte - wenn überhaupt - nur zu einem viertel mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Mit zunehmendem Lebensalter der doppelt approbierten Psychotherapeuten wird die Arbeit mit Kindern noch stärker in den Hintergrund treten. Die psychotherapeutische Arbeit mit Erwachsenen ist aufgrund der Eigenmotiviertheit der Patienten, der besseren Möglichkeiten der Versprachlichung und des gleichen Verständigungslevels einfach attraktiver. Der Zugang zu den kindlichen Interaktionsmustern erfordert eine stärkere Fähigkeit zur regressiven Einfühlung und zum Mitschwingen mit kindlichen Erlebnisweisen, was gerade von den kognitiv ausgebildeten Psychologen nicht unbedingt zu erwarten ist. So ist es kein Zufall, dass 80 % der Versorgung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen von pädagogischen und sozialarbeiterisch ausgebildeten Psychotherapeuten durchgeführt werden. Es besteht somit die Gefahr, dass sich die Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie als eigenständiges wissenschaftlich und klinisch relevantes Berufs- und Forschungsfeld auflösen wird. Die Versorgung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen könnte dadurch langfristig ernsthaft gefährdet sein. Zusammenfassung Formal wird in erstaunlicher Vielfalt der Zugang aller Berufsgruppen zur Kinder- wie auch zur Erwachsenentherapie ermöglicht. Faktisch werden die sozialwissenschaftlichen und pädagogischen Studiengänge aber durch die formulierten vor allem für die lerntheoretisch orientierten Verfahren der Erwachsenentherapie relevanten psychologischen Studieninhalte und die hohe Anzahl von 150 credit points, die im Bachelor und im Master gesammelt werden müssen, vom Zugang zur Psychotherapie in der Breite ausgeschlossen. Die Möglichkeit des Propädeutikums für 35 credit points ist definitiv nicht ausreichend. Eigentlich ist die Empfehlung der Gutachter ein gut versteckter Wolf im Schafspelz: Alle bekannten Studiengänge qualifizieren für die Zulassung zur Psychotherapieausbildung unter der Bedingung, dass sie fünf Semester akademische Psychologie lehren. Drei Punkte müssen dringend bis zum Gesetzgebungsverfahren verändert werden. 1. Die Studieninhalte müssen sich auf die humanwissenschaftlichen und klinischen Grundlagen der Psychotherapie (nicht der klinischen Psychologie) mit all ihren wissenschaftlich anerkannten Verfahren beziehen. Die bereits 6

2. Die Quantität der geforderten klinischen Studieninhalte sollte so ausgelegt sein, dass man auch alleine mit dem Masterstudium die Zugangsberechtigung zur Ausbildung erwerben kann. Dies ist gerade für die Einbeziehung der Studenten der Pädagogik und der Sozialen Arbeit wichtig, die ja im Gegensatz zu den Psychologen oft erst während des Studiums oder in ihrer praktisch pädagogischen Tätigkeit das Interesse an einer psychotherapeutischen Weiterbildung entwickeln. Gerade diese berufs- und beziehungserfahrenen älteren Kandidaten zeichnen sich in der psychotherapeutischen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern durch eine hohe gewachsene Qualität und ein integriertes psychotherapeutisches Wissen aus. 3. In diesem Kontext sollte daran gedacht werden, den Masterabschluß nicht als Eingangsvoraussetzung zur Zulassung zur Ausbildung zu nehmen, sondern erst als Voraussetzung für die Approbationserteilung festzulegen. Dadurch eröffnet sich der Spielraum, dass klinisch orientierte Master-Studiengänge parallel zur Ausbildung zum Psychotherapeuten absolviert werden können. Dadurch verringert sich auch die Gefahr, dass theoretische und klinische Inhalte redundant doppelt im Studium und in der Ausbildung vermittelt werden. Insgesamt haben wir hier ein sehr gut recherchiertes Forschungsgutachten vorliegen, dass auf hohem Forschungsniveau das Psychotherapeutengesetz transparent evaluiert. Um so bedauerlicher, dass bei den Empfehlungen am Ende die Kinder- und Jugendlichen Psychotherapie mit seinen gewachsenen pädagogischen und sozialwissenschaftlichen Grundlagen einfach der akademischen Psychologie für Erwachsene einverleibt wurde. Das Forschungsgutachten betreibt so ohne wirkliche Argumente die Auflösung der Kinder- und Jugendlichen Psychotherapie als Beruf und als eigener Wissenschaft. 7