Praxiserfahrungen beim Einsatz von biologisch abbaubaren Bioabfallsammelbeuteln

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Transkript:

T. Turk et al. Praxiserfahrungen beim Einsatz von biologisch abbaubaren Bioabfallsammelbeuteln Thomas Turk, Michael Kern, Axel Hüttner, Ulla Koj Zusammenfassung Die Verwendung von Biogutsammelbeuteln aus biologisch abbaubaren Werkstoffen (BAW-Beutel 1 ) in Privathaushalten wird von vielen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (öre) und Anlagenbetreibern sehr kontrovers diskutiert. Bundesweit ist die Zulassung bzw. das Verbot der BAW-Beutel bei den öre, die eine Bioguterfassung mittels Holsystem betreiben, uneinheitlich. Neben expliziter Empfehlung bzw. Ablehnung der Beutel gehen einige öre nicht näher auf eine Verwendung ein. Vor dem Hintergrund der zunehmenden energetischen Nutzung von Bioabfall (Biogut) in Deutschland durch Vergärung gewinnt die Effizienz der Biogutsammlung aber immer mehr an Bedeutung. Gerade im Hinblick auf deren hohen Gasertrag sind viele öre an einer hohen Erfassung der Nahrungs- und Küchenabfälle interessiert. Zur Steigerung der Erfassungsleistung haushaltstämmiger Bioabfälle (Nahrungs- und Küchenabfälle) werden daher vielerorts bereits kompostierbare Bioabfallsammelbeutel eingesetzt. Diese werden von den Bürgerinnen und Bürgern als komfortables und hygienisch unbedenkliches Erfassungssystem wahrgenommen. Von vielen Anlagenbetreibern werden das Handling der BAW-Beutel in der hochtechnischen Vergärungsanlage (Vorsortierung im Pfropfenstrom, geschlossene Beutel im Batchverfahren ohne Aufbereitung u. a.) und der Abbau im anaeroben Bereich grundsätzlich problematisch gesehen, sodass der Einsatz von BAW-Beuteln teilweise aktiv und satzungsmäßig unterbunden wird. In einem Praxisversuch wurde daher das Abbauverhalten von BAW-Beuteln in der gesamten Prozesskette von vier verschiedenen Biogutvergärungsanlagen in Deutschland untersucht. Hierbei handelt es sich um je zwei diskontinuierliche Batchverfahren sowie um zwei Pfropfenstromverfahren. Bei jeder Anlage wurden die anlagenspezifische Aufbereitung sowie die spezifische Aerobisierung/Intensivrotte und Nachrotte berücksichtigt. Am Ende der Nachrotte und der anlagenüblichen Behandlungsdauer konnte bei keiner der Anlagen mehr BAW-Material in den Stichproben nachgewiesen werden, sodass das Material vollständig abgebaut war. 1 Hiermit sind die aus biologisch abbaubaren Werkstoffen (BAW) hergestellten Beutel gemeint, die explizit für die Sammlung von Nahrungs- und Küchenabfällen angeboten werden und deren Abbaubarkeit nach den Normen DIN EN 13434 und DIN EN 14995 geprüft wurde. 267

Bio- und Sekundärrohstoffverwertung XII 1 Einsatz von Bioabfallsammelbeuteln bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern in Deutschland Die Verwendung von Bioabfallsammelbeuteln aus biologisch abbaubaren Werkstoffen (BAW-Beutel) in Privathaushalten wird von vielen öre und Anlagenbetreibern sehr kontrovers diskutiert. Als Vorteile werden genannt: Komfortverbesserung für die Bürgerinnen und Bürger durch verbesserte Hygiene in der Küche und in der Biotonne, dadurch höhere Erfassungsmengen an küchenstämmigem Biogut (Nahrungs- und Küchenabfälle), das aufgrund der hohen Energiegehalte bei der energetischen Verwertung in Biogasanlagen erwünscht ist. Verdrängung/Ersatz von (ohnehin verwendeten) PE-Beuteln. Dem stehen häufig genannte Gegenargumente gegenüber: Ein vollständiger Abbau innerhalb der Rottezeit der Kompostierungs- oder Vergärungsanlage ist nicht möglich, sodass die Qualitätsanforderungen der Bundesgütegemeinschaft Kompost nicht eingehalten werden. Die Beutel stören ebenso wie gewöhnliche PE-Beutel den technischen Verfahrensablauf und müssen daher vorab aussortiert werden. Sie gelangen somit gar nicht in die Rotte. Die Zulassung von Beuteln mit Kunststoffoptik suggeriere, dass auch PE-Beutel verwendet werden dürfen. Darüber hinaus wird fälschlicherweise von Gegnern behauptet, dass lediglich der Anteil an nachwachsenden Rohstoffen, nicht jedoch der fossile Anteil der BAW abgebaut wird. Richtig ist, dass die biologische Abbaubarkeit und die Herkunft aus erneuerbaren Ressourcen nicht kausal zusammenhängen. Der Nachweis der Kompostierbarkeit kann gemäß der Normen EN 14995 (Kompostierbarkeit von Kunststoffen) bzw. EN 13432 (Kompostierbarkeit von Verpackungen) erfolgen und umfasst auch den Anteil aus nicht erneuerbaren Ressourcen. In vielen Praxisversuchen wurde darüber hinaus immer wieder bestätigt, dass sich die für die Bioabfallsammlung angebotenen BAW-Beutel bei einer nach guter fachlicher Praxis betriebenen Kompostanlage innerhalb von sechs bis acht Wochen vollständig und rückstandsfrei abbauen. Bundesweit ist die Zulassung bzw. das Verbot der BAW-Beutel in den öre, die eine Bioguterfassung mittels Holsystem betreiben, uneinheitlich. Neben expliziter Empfehlung bzw. Ablehnung der Beutel gehen einige öre nicht näher auf eine Verwendung ein. Die Handhabung der BAW-Beutel wird den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen der Abfallberatung über die Trennhilfen für Wertstoffe, die Homepage der öre 268

T. Turk et al. oder Zweckverbände und über die Presse erläutert. Nur in Ausnahmefällen ist die BAW-Beutelnutzung in der Satzung verankert. Mit der nachfolgend beschriebenen Untersuchung sollten die Hintergründe der unterschiedlichen Handhabung bei der Zulassung der BAW-Beutel durch die öre bundesweit näher untersucht werden. Neben den technischen Gegebenheiten bei der Verwertung, die gegebenenfalls für ein Verbot von BAW-Beuteln ausschlaggebend sein könnten, wurden auch die jeweils mit oder ohne BAW-Zulassung erfassten Biogutmengen ermittelt. Darüber hinaus wurde untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen der Zulassung von BAW-Beuteln und der Erlaubnis, gekochte Speisereste in die Biotonne zu geben, besteht. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, die oben genannten Vor- und Nachteile der BAW-Beutel durch technische oder organisatorische Argumente zu unterstützen. 1.1 Aktueller Stand der Umsetzung Von den bundesweit 387 öre wurden 315 als relevant in die Untersuchung einbezogen. Die 72 nicht relevanten öre bieten entweder gar keine Biogutsammlung an, haben bisher nur Teilgebiete bzw. Versuchsstandorte ausgewiesen oder etablieren ein Bringsystem mit lediglich geringen Erfassungsleistungen. Von den öre, die ein Biogutholsystem (Biotonne) anbieten, lehnen 139 die Verwendung von BAW-Beuteln explizit ab, 127 zeigen sich neutral und 49 öre empfehlen ihren Bürgerinnen und Bürgern die Nutzung zur Vereinfachung der Sammlung, wie Abbildung 1 zeigt. Von den Befürwortern wird teilweise der Einsatz der Bioabfallsammelbeutel auch finanziell gefördert. Bezogen auf die Einwohner bedeutet dies, dass 42 % in öre mit nicht erwünschter BAW-Beutelnutzung leben, 28 % in öre, die BAW-Beuteln neutral gegenüberstehen, und 16 % in öre, die BAW-Beutel empfehlen. Für 13 % ist die Frage nicht relevant. Anzahl öre 160 140 139 127 BAW erlaubt BAW abgelehnt BAW neutral 42 % nicht relevant Einwohner 40.000.000 120 30.000.000 100 28 % 80 72 20.000.000 60 40 49 16 % 13 % 10.000.000 20 0 öre Einwohner 0 Abb. 1: Bestimmungen zur BAW-Beutelnutzung bei den öre bundesweit 269

Bio- und Sekundärrohstoffverwertung XII 1.2 BAW-Biobeuteleinsatz differenziert nach Siedlungsstruktur Wie die folgende Abbildung 2 zeigt, hat die Siedlungsstruktur der jeweiligen öre nur einen geringen Einfluss auf die Zulassung oder Ablehnung von BAW-Beuteln bei der Bioguterfassung. In den ländlich geprägten Regionen überwiegt die neutrale Haltung zum BAW-Beuteleinsatz, gefolgt von der Ablehnung der BAW-Beutel. Im ländlich verdichteten Raum lehnt knapp die Hälfte der relevanten öre die BAW-Beutelnutzung ab, während lediglich 15 % der öre diese empfehlen. In den städtisch verdichteten Gebieten überwiegt die neutrale bzw. ablehnende Haltung, während nur vier öre eine Empfehlung aussprechen. In den Großstädten überwiegt zwar auch die Ablehnung von BAW-Beuteln, im Verhältnis dazu sprechen sich jedoch deutlich mehr öre als in den ländlich dichten bzw. städtisch geprägten Gebieten für die BAW-Beutelnutzung aus. Anzahl 70 60 64 Anzahl öre BAW erlaubt BAW abgelehnt 50 43 47 BAW neutral 40 35 30 27 27 20 10 20 19 4 6 13 10 0 ländlich länd. dicht städtisch großstädt. Abb. 2: Verteilung der untersuchungsrelevanten öre auf unterschiedliche Siedlungsstrukturen Zwar zeigt sich eine leichte Tendenz, dass in ländlich verdichteten Regionen die Ablehnung der BAW-Beutel am höchsten ist, während ländliche Gebiete sowie städtisch verdichtete Regionen und Großstädte dem Einsatz eher neutral oder positiv gegenüberstehen, eine eindeutige Relevanz der Siedlungsstruktur auf die Akzeptanz von BAW-Beuteln bei den öre lässt sich jedoch nicht feststellen. Wie folgende Abbildung 3 zeigt, lässt sich auch kein expliziter Einfluss der BAW- Beutelnutzung auf die in den unterschiedlichen Gebietsstrukturen gesammelte spezifische Biogutmenge erkennen. 270

T. Turk et al. kg/ew.*a spezifische Sammelmenge Biogut 90 82 80 BAW erlaubt 80 72 72 72 BAW abgelehnt 70 70 67 66 67 BAW neutral 65 60 54 51 50 40 30 20 10 22 33 26 0 ländlich länd. dicht städtisch großstädt. Durchschnitt Abb. 3: Spezifische Biogutsammelmenge bei den untersuchungsrelevanten öre in unterschiedlichen Siedlungsstrukturen Hier spielen eher die bekannten Faktoren, wie Öffentlichkeitsarbeit, Anschlussgrad, Behältergröße, Gebührenstruktur und Zeitpunkt der Einführung der Biogutsammlung, also die Erfahrung der Bürgerinnen und Bürger mit der Wertstofftrennung, eine Rolle. Im Durchschnitt erscheint es zwar so, als würden bei den öre mit BAW- Beutelnutzung geringere spezifische Mengen gesammelt. Bei der Differenzierung nach Gebietsstrukturen lässt sich dieser Eindruck jedoch nicht verifizieren. 1.3 BAW-Biobeuteleinsatz differenziert nach nachgelagertem Verwertungsweg Für viele Bürgerinnen und Bürger ist mit der Nutzung von BAW-Beuteln in der Küche ein hygienischer Vorteil verbunden, sodass die Bereitschaft zur getrennten Erfassung feuchter Abfälle und gekochter Speisereste steigt. Insbesondere die öre mit nachfolgender Biogutvergärung haben ein besonderes Interesse an diesen hochkalorischen Bioabfällen. Daher wurde geprüft, ob ein Zusammenhang zwischen Verwertungsweg und der Erlaubnis von BAW-Beuteln besteht. Ausgewertet wurden hierbei nur die öre, die sich zur Verwendung der Beutel positioniert haben. Wie Abbildung 4 zeigt, steht die Ablehnung oder Befürwortung in keinem Zusammenhang zum nachfolgenden Verwertungsweg. Sowohl bei nachfolgender Kompostierung als auch Vergärung ist das Verhältnis zwischen öre, die BAW-Beutel erlauben bzw. ablehnen, vergleichbar. Dies ist überraschend, da viele Betreiber von Biogutvergärungsanlagen ihre Unzufriedenheit über die vergleichsweise geringen spezifischen Biogaserträge zum Ausdruck bringen. Diese könnten sicherlich durch eine verstärkte Erfassung von energiereichen Nahrungs- und Küchenabfällen gesteigert werden. 271

Bio- und Sekundärrohstoffverwertung XII Anzahl 80 70 60 50 65 Anzahl öre 69 BAW erlaubt BAW abgelehnt 40 30 20 10 20 21 8 5 0 Kompostierung Vergärung diverse Anlagen Abb. 4: Zusammenhang zwischen Verwertungsanlage und BAW-Beutelnutzung 1.4 BAW-Biobeuteleinsatz vor dem Hintergrund der Erfassung von Speiseresten (SpR) aus privaten Haushalten Insbesondere wenn gekochte und tierische Speisereste bei der Bioguterfassung zugelassen sind, kommt die Nutzung von BAW-Beuteln dem Hygienebedürfnis der Bürgerinnen und Bürger entgegen. Wie Abbildung 5 zeigt, ist aber kein Zusammenhang zwischen der Zulassung von Speiseresten und BAW-Beuteln erkennbar. Rund 85 % der öre mit Biotonne lassen auch gekochte Speisereste zu, wobei teilweise ein Ausschluss von Fleisch und Knochen erfolgt. Von diesen untersagen 45 % die BAW- Nutzung, lediglich 15 % empfehlen diese. Die verbleibenden 40 % äußern sich nicht dazu. Von den öre, die gekochte Speisereste in der Biotonne nicht zulassen, verhält sich die Hälfte neutral zu BAW-Beuteln, 40 % lehnen diese ab und 10 % empfehlen BAW-Beutel. Anzahl öre 140 120 100 121 101 BAW ja BAW nein BAW neutral 80 Abb. 5: 60 43 40 24 19 20 6 0 SpR erlaubt SpR verboten Zulassung von Speiseresten (SpR) in der Biotonne 272

T. Turk et al. Selbst wenn das Biogut in einer Vergärungsanlage verwertet wird, sind Speisereste bei einigen öre nicht zugelassen. Diese lehnen auch die Nutzung von BAW-Beuteln überwiegend ab. Aber auch von den öre, die Speisereste mit der Biotonne erfassen und der energetischen Nutzung zuführen, lehnen 60 % BAW-Beutel ab, wie Abbildung 6 zeigt. Anzahl öre 120 Verwertung in Vergärungsanlage 100 80 60 40 25 61 BAW neutral BAW nein BAW ja 20 0 19 SpR erlaubt SpR verboten 2 9 2 Abb. 6: Zulassung bzw. Verbot von gekochten Speiseresten (SpR) und BAW- Beuteln bei Verwertung des Bioguts in Vergärungsanlagen Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den öre, die ihr Biogut kompostieren. Der überwiegende Teil erlaubt die Entsorgung von gekochten Speiseresten über die Biotonne, lehnt BAW-Beutel jedoch ab, wie Abbildung 7 zeigt. Anzahl öre 120 100 80 Verwertung in Kompostierungsanlage BAW neutral BAW nein 41 BAW ja 60 40 55 20 0 16 SpR erlaubt 9 10 4 SpR verboten Abb. 7: Zulassung bzw. Verbot von gekochten Speiseresten (SpR) und BAW- Beuteln bei Verwertung des Bioguts in Kompostierungsanlagen 273

Bio- und Sekundärrohstoffverwertung XII 1.5 Fazit: BAW-Bioabfallsammelbeutel bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern in Deutschland Insgesamt ergibt sich ein sehr heterogenes Bild bei der Begründung von Ablehnung oder Befürwortung von BAW-Beuteln bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern in Deutschland. Ein klarer Zusammenhang zwischen Verwertungswegen oder Sammelmodus ist nicht erkennbar. Dies zeigt sich auch darin, dass einige öre, die ihr Biogut in derselben Anlage verwerten lassen, unterschiedliche Regelungen zur BAW-Verwendung getroffen haben. So finden sich z. B. bei vier öre, die die Biogasanlage Volkenschwand beliefern, sowohl Empfehlungen als auch ausdrückliche Verbote von BAW-Beuteln, ein weiterer äußert sich neutral. Auch für die Vergärungsanlage Hoppstädten-Weiersbach gibt es sowohl Ablehnung als auch Befürwortung von BAW-Beuteln bei den anliefernden öre. Dies trifft auf einige weitere Anlagen zu, sodass die Entscheidung für oder gegen den Einsatz von BAW-Bioabfallsammelbeuteln nicht ausschließlich im fachlich Umfeld begründet liegt 2 BAW-Beuteleinsatz in Biogutvergärungsanlagen Praxisversuch in vier Anlagen 2.1 Hintergrund und Veranlassung Vor dem Hintergrund der zunehmenden energetischen Nutzung von Bioabfall (Biogut) durch Vergärung in Deutschland gewinnt die Effizienz der Biogutsammlung immer mehr an Bedeutung. Gerade im Hinblick auf deren hohen Gasertrag sind viele öre an einer hohen Erfassung der Nahrungs- und Küchenabfälle interessiert. Auch in Gebieten mit Biotonnensammlung wird ein bedeutender Anteil dieser energiereichen Stoffe im Restabfall bei vielen Abfallanalysen immer wieder bestätigt. Zur Steigerung der Erfassungsleistung haushaltstämmiger Bioabfälle (Nahrungs- und Küchenabfälle) werden vielerorts bereits kompostierbare Bioabfallsammelbeutel eingesetzt. Dieses wird vom Bürger als komfortables und hygienisch unbedenkliches Erfassungssystem wahrgenommen. In der Bioabfallbranche gibt es aber nach wie vor Vorbehalte gegen den Einsatz von BAW-Beuteln. Kritikpunkte sind vor allem ein erhöhter Fremdstoffeintrag und eine schlechte Abbaubarkeit bei kurzen Rottezeiten. Ein Teil der Vergärungsanlagenbetreiber befürwortet die BAW-Beutel vor dem Hintergrund, dass wegen des geringen Anteils haushaltsstämmiger Bioabfälle viele Biogut-Biogasanlagen nur unbefriedigende Biogaserträge erreichen. Von anderen Betreibern werden das Handling der BAW-Beutel in der hochtechnischen Vergärungsanlage (Vorsortierung im Pfropfenstrom, geschlossene Beutel im Batchverfahren ohne Aufbereitung u. a.) und der Abbau im anaeroben Bereich grundsätzlich problematisch gesehen, sodass der Einsatz von BAW-Beuteln aktiv und satzungsmäßig unterbunden wird. 274

T. Turk et al. Dazu kommt, dass auch neu errichtete Vergärungsanlagen zum Teil nur mit extrem kurzen Nachrotteverweilzeiten dimensioniert werden, was eine zielgerichtete und unproblematische Mitbehandlung von BAW-Beuteln erschwert. Bisher wurden Praxisversuche zur Untersuchung des Abbauverhaltens von BAW- Beuteln fast ausschließlich bei Kompostierungsanlagen durchgeführt. Das System der Kaskadennutzung, das heißt Kompostierung mit vorgeschalteter Vergärung, wurde bisher in Deutschland nicht wissenschaftlich untersucht. Die Projektgemeinschaft IGlux Witzenhausen GmbH und Witzenhausen-Institut GmbH hat vor diesem Hintergrund in einem umfangreichen Praxisversuch den Einsatz von BAW-Beuteln in Kaskadennutzungssystemen untersucht und bewertet. Als Partner konnten vier Anlagen gewonnen werden und die Firma ALBA, die zusätzlich mit einem Versuchsgebiet zur Einführung der BAW-Beutel in der Stadt Braunschweig beigetragen hat. Unterstützt wurde das Projekt durch die NOVAMONT SpA, als Hersteller des BAW-Rohmaterials Mater-Bi. Mit dem Praxisversuch sollte in unterschiedlichen Biogutvergärungsanlagen mit nachgeschalteter Kompostierung untersucht werden, wie sich das Stoffstrommanagement sowie die Aufbereitungs- und Vergärungstechnik auf das Abbauverhalten der BAW-Beutel über die gesamte Prozesskette auswirken. Je nach Vorzerkleinerung, Absiebung und händischer Auslese wurden die BAW-Beutel daher in verschiedene anlageninterne Stoffströme gelenkt, welche einzeln betrachtet, analysiert und bewertet wurden. Um die breite Palette der unterschiedlichen Vergärungstechniken abzudecken, wurden kontinuierliche und diskontinuierliche Trockenfermentationsanlagen sowie unterschiedliche Aufbereitungstechniken berücksichtigt. Die Praxisversuche wurden jeweils in zwei Anlagen mit Batchverfahren (diskontinuierliche Verfahren) und zwei Anlagen mit Pfropfenstromverfahren (kontinuierliche Verfahren) durchgeführt. Folgende vier Anlagen waren an dem Versuch beteiligt: 1. Biogutvergärungsanlage Braunschweig-Watenbüttel Betreiber: Firma ALBA System: Pfropfenstromanlage, System Bühler/Kompogas Durchsatz: 20.000 Mg/a Biogut Inbetriebnahme: 1997 2. Biogutvergärungsanlage Brandholz Betreiber: RMD Rhein-Main Deponie GmbH System: Pfropfenstromanlage, System Thöni Durchsatz: 25.000 Mg/a Biogut Inbetriebnahme: 2016 275

Bio- und Sekundärrohstoffverwertung XII 3. Kompostwerk im Bioenergiepark Saerbeck Betreiber: Entsorgungsgesellschaft Steinfurt mbh System: Batchsystem, BEKON Durchsatz. 45.000 Mg/a Biogut Inbetriebnahme: 2014 4. Biogutvergärungsanlage BMV Venneberg (Lingen) Betreiber: Abfallwirtschaftsbetrieb Landkreis Emsland System: Batchsystem, W.T.T. Durchsatz: 19.600 Mg/a Grün- und Biogut Inbetriebnahme: 2012 Die vier Versuchsanlagen decken durch ihre verschiedenen und spezifischen Aufbereitungs- und Behandlungstechniken einen großen Teil des bundesdeutschen Anlagenbestandes für die anaerobe Bioabfallbehandlung ab. Mit Unterstützung der vier Anlagenbetreiber, denen an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt wird, wurden von April bis Oktober 2016 umfangreiche Versuche durchgeführt. 2.2 Probenmaterial und Versuchsdurchführung Für jede der vier Anlagen mussten je nach Konfiguration der Aufbereitung zwischen 2 und 4 Mg in BAW-Beuteln erfasstes Biogut bereitgestellt werden (ca. 50 % des haushaltsstämmigen Bioguts sollte in BAW-Beuteln verpackt sein). Das Probenmaterial sollte möglichst ähnlich beschaffen sein. Vor diesem Hintergrund wurde für alle Praxisversuche das Probenmaterial aus einem BAW-Versuchsgebiet in Braunschweig eingesetzt. In Zusammenarbeit mit der Firma ALBA aus Braunschweig wurde in der Südstadt Braunschweigs ein Versuchsgebiet ausgewählt. Für das Versuchsgebiet wurden je Haushalt ein belüftetes Sammelgefäß und eine ausreichende Anzahl an BAW-Beuteln von den Herstellerfirmen NOVAMONT und NATURABIOMAT kostenlos zur Verfügung gestellt und an die Haushalte ausgeteilt. Bei dem Versuch wurde das Biogut von ca. 1.500 Haushalte beprobt. Die Bebauungsstruktur besteht überwiegend aus Einfamilienhäusern und Reihenhäusern mit vereinzelter Geschossbauweise. In vorgelagerten Restabfallanalysen der TU Braunschweig konnte festgestellt werden, dass auch hier noch große Mengen an küchenstämmigem Bioabfall in den Restabfall gelangen und für die Sammlung vermehrt konventionelle Kunststoffbeutel genutzt werden. Die Qualität des Bioguts im Versuchsgebiet wurde im Rahmen der Analysen im Versuchsverlauf geprüft. Die Akzeptanz wurde anhand einer Fragebogenaktion, unterstützt durch eine Masterarbeit am Leichtweiß-Institut der TU Braunschweig, untersucht. 276

T. Turk et al. Abb. 8: Versuchsgebiet Braunschweig Süd und Probenmaterial Das Probenmaterial wurde zu den Anlagen verbracht und dort durch die anlagentypische Aufbereitung gefahren. Lediglich in der Anlage Brandholz wurde nach einem Zweiwellenzerkleinerer und einem Sternsieb eine Überkornfraktion abgetrennt, die energetisch verwertet wurde. Der Massenstrom in der Überkornfraktion betrug zwischen 15 und 20 %. Mit diesem Teilstrom wurden auch ca. 30 % der BAW-Beutel abgetrennt. In Braunschweig wurde nach einer Vorzerkleinerung durch eine Schneckenmühle das Feinmaterial durch eine Siebung abgetrennt und die Überkornfraktion nach einer Nachzerkleinerung (Schnellläufer) komplett in den Fermenter eingetragen. Bei den beiden Batchanlagen wurde nach einem Sackaufreißer bzw. einem Wellenbrecher ebenfalls der gesamte Materialstrom in den Fermenter verbracht. Parallel zu den Proben aus dem Versuchsgebiet in Braunschweig wurden standardisierte Referenzproben erstellt, um gegebenenfalls einen Einfluss der Biogutzusammensetzung auf die Abbaurate der BAW beurteilen zu können und um so eine bessere Vergleichbarkeit der verschiedenen Vergärungsanlagen sicherzustellen. Simuliert wurden Küchenabfälle, überwiegend Gemüse- und Obstreste, gekochte Anteile, Altbrot und leicht abbaubare Komponenten sowie tierische Anteile. Das Material wurde grob zerkleinert und mit drei BAW-Beuteln pro 5 kg-probe versetzt (vergleiche Abbildung 9). Abb. 9: Einzelkomponenten (links) und Referenzprobe fertig konfektioniert (rechts) 277

Bio- und Sekundärrohstoffverwertung XII Auf jeder Anlage wurde eine ausreichende Probenanzahl (ca. 20 Zwiebelsäcke gefüllt mit ca. 20 Litern aufbereitetem Biogut) mit dem spezifisch in der Anlage aufbereiteten Biogut aus dem Versuchsgebiet erstellt. Die Probensäcke wurden in Gitterboxen geschichtet und für die gesamte anaerobe Phase in den Fermenter verbracht. Abb. 10: Proben in Gitterbox Abb. 11: Proben in Gitterbox (links) und im Fermenter (rechts) Bei den Pfropfenstromverfahren konnten verfahrenstechnischbedingt die Probennetze nicht sicher durch den Pfropfenstrom geführt werden. Diesem Umstand wurde dahingehend Rechnung getragen, dass diese Proben durch die thermophile Vergärung der Batchanlage Saerbeck geführt wurden und dann in die nachfolgenden Behandlungsstufen (Aerobisierung/Intensivrotte, Nachrotte) der entsprechenden Pfropfenstromanlage zurückgebracht und eingelegt wurden. Die Einlegeproben verblieben darüber hinaus in der gesamten nachgeschalteten Prozesskette der ausgewählten Anlagen. Alle mechanischen Bearbeitungen, z. B. Umsetzvorgänge und Eintrags- oder Austragsvorgänge, wurden, soweit möglich, im eingelegten Material simuliert. 278

T. Turk et al. Soweit der Verfahrensablauf es zuließ, wurde der Verlauf des Abbaus der BAWBeutel nach der anaeroben und während der aeroben Phasen durch kontinuierliche, wenn möglich wöchentliche Entnahmen und Analysen von Einlageproben bis zur Fertigstellung des Kompostes dokumentiert. Es wurden jedoch mindestens an den folgenden Verfahrensschritten Einlegeproben ausgeschleust und untersucht: nach der anaeroben Phase (Vergärung) aerobe Phase: nach Aerobisierung/Intensivrotte aerobe Phase: nach Nachrotte Von besonderer Wichtigkeit sind die Untersuchungen an den Verfahrensabschnitten, nach denen der Kompost angewendet werden kann, da zu diesem Zeitpunkt der Kompost den Bestimmungen des RAL-Gütezeichens und der Düngemittelverordnung entsprechen muss. Die Probeninhalte wurden hinsichtlich der folgenden Untersuchungsparameter durch ein anerkanntes Labor analysiert: visuelle Bonitur und Fotodokumentation Fremdstoffgehalt nach RAL-Gütezeichen Bestimmung der Flächensumme von BAW-Beutelresten Wassergehalt otm-gehalt Rottegrad Abb. 12: Sortieren der Proben (links), aussortierte BAW-Folien aus frischem Biogut nach Reinigung (rechts) In Tabelle 1 wird zusammenfassend die jeweilige Prozesskette mit Angabe der Aufenthaltszeit dargestellt. Die Gesamtbehandlungsdauer (anaerobe plus aerobe Pha279

Bio- und Sekundärrohstoffverwertung XII se) lag zwischen fünf und zehn Wochen. Die Verweilzeit hat natürlich einen erheblichen Einfluss auf den gesicherten Abbau der BAW-Beutel. Je länger die Verweilzeit, desto sicherer ist der vollständige Abbau des BAW-Materials, auch wenn die Aufbereitungs- und Behandlungstechnik einen wesentlichen Einfluss haben. Neben der unterschiedlichen Vorbehandlung (Zerkleinerung/Siebung/Ausschleusung) sind hier die unterschiedlichen Vergärungssysteme (kontinuierlich und diskontinuierlich) zu nennen, wobei die kontinuierliche Pfropfenstromvergärung im Versuch durch die thermophile Batchanlage Saerbeck ersetzt wurde. Aber auch die aerobe Nachbehandlung ist sehr unterschiedlich bei allen vier Anlagen. Die Verweilzeit in der gekapselten Intensivrotte oder Aerobisierung direkt nach der Vergärung lag zwischen ein und zwei Wochen. Die anschließende Nachrotte war zumeist überdacht (in Watenbüttel offen), wobei in zwei Anlagen Radlader und in den anderen beiden Umsetzer eingesetzt wurden. Die Nachrottedauer liegt in der Regel zwischen ein und fünf Wochen. Tab. 1: 2.3 Zusammenfassende Darstellung der Prozesskette der Versuchsanlagen Ergebnisse Abbildung 13 zeigt beispielhaft für die Anlage in Lingen die gesamte Prozesskette sowie die Zeitpunkte der entnommenen Proben. Die in den Proben enthaltenen BAW-Beutel wurden fotografisch festgehalten. Nach der Nachrotte (vergleiche Foto rechts, Abbildung 13) waren keine BAW-Reste mehr vorhanden. 280

T. Turk et al. Abb. 13: Abbauverlauf Biobeutel Beispiel Anlage Lingen (Bild links: gewaschene BAW-Beutelstücke) Tabelle 2 zeigt die gesamten Versuchsergebnisse in den vier Anlagen. Im Mittel betrug der Anteil BAW am Gesamtinput zwischen 3,5 und 3,8 Gew.-%. Der teilweise dargestellte Abbau der BAW-Beutel in der Anaerobphase konnte nicht weiter verifiziert werden. Dass der Wert in der Anlage Lingen nach der Vergärung sogar ansteigt, beruht einerseits auf der Schwankungsbreite der BAW-Gehalte in der Probenahme sowie auf der durch die Methanproduktion verursachte Massenreduzierung. Die Schwankungen der Analyseergebnisse der Untersuchung lassen in diesem Zusammenhang keine eindeutigen Aussagen zu. Optisch erkennbar war jedoch eine bereits deutliche Materialaufweichung und Konditionierung der BAW-Beutel nach der Anaerobphase. Nach der Aerobisierung/Intensivrotte war eine weitere Reduktion der BAW-Anteile festzustellen. Eine intensive Vorzerkleinerung (wie z. B. in Braunschweig) wirkt sich ebenso wie eine intensive und gesteuerte Rotte deutlich positiv auf den schnellen Abbau der BAW-Beutel aus. Nach Ende der Nachrotte konnten in keiner der Anlagen mehr BAW-Anteile in den Stichproben nachgewiesen werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die BAW-Beutel in allen vier Anlagen im Rahmen der anlagenspezifisch praktizierten Behandlungsdauer des Bioguts vollständig abgebaut wurden. 281

Bio- und Sekundärrohstoffverwertung XII Tab. 2: 282 Ergebniszusammenstellung Abbau der BAW in den vier Anlagen