Beobachtung von Sonnenflecken und Bestimmung der Rotationsdauer Zwischenbericht, Stand Okt. 2018 1. Vorüberlegungen Eine schulische Astronomie-AG benötigt natürlich interessante, praktische Aufgaben, damit die Teilnehmer den Umgang mit Teleskop und Kamera erlernen können. Wenn abendliche Beobachtungen aus verschiedenen Gründen kaum in Betracht kommen, bleibt als mögliches Beobachtungsobjekt unser Zentralgestirn, die Sonne. Mit dem jährlichen Sonnenlauf haben wir uns bereits in der Vergangenheit beschäftigt (Analemma-Projekt). So entstand die Idee, die Periode der Sonnenrotation zu bestimmen. Hierzu kommen zwei sehr unterschiedliche Methoden in Betracht. Da die Sonne wie auch die Erde sich im Uhrzeigersinn um ihre eigene Achse dreht, bewegt sich ihr östlicher Rand auf den Beobachter zu, während der gegenüberliegende, westliche Rand sich von ihm wegbewegt. Gewinnt man nun mindestens zwei Spektren von den Rändern der Sonne, so zeigen ihre Spektrallinien eine Dopplerverschiebung gegenüber den Wellenlängen der bekannten Linien, aus der sich die Winkelgeschwindigkeit und damit die Rotationsdauer berechnen lässt. Eine weitere Methode erfordert die genaue Positionsbestimmung von deutlich erkennbaren Sonnenflecken. Für jede Beobachtung müssen die heliozentrischen Koordinaten bestimmt werden. Aus der Veränderung dieser Koordinaten kann ebenfalls die Rotationsdauer bestimmt werden. Wir haben uns für die zweite Methode entschieden, da sie mit deutlich geringerem, apparativem Aufwand durchführbar ist. Für die Bestimmung der heliozentrischen Koordinaten nutzen wir eine interaktive Webseite, die uns die Rechenarbeit weitgehend abnimmt. 2. Ausrüstung, Erstellen einer Bildsequenz, erste Bilder Unser Teleskop, Celestron C6, hat eine horizontale Goto-Montierung, kann aber auch mit der Handsteuerung schnell in jede Position gebracht werden. Die Zieleinrichtung aus Lochblende und Pappschirm zum Auffangen des Sonnentalers haben wir selbst gebaut, um jederzeit gefahrlos die Sonne anvisieren zu können. Das Teleskop hat eine Öffung von 150 mm und eine Brennweite von 1500 mm. Diese Brennweite führt zu etwas mehr als formatfüllenden Bildern der Sonne, sodass wir gezwungen waren, einen Brennweitenverkürzer einzusetzen. 1
Um Bilder von der Sonne machen zu können, muss die Intensität der Strahlung durch einen geeigneten Filter sehr stark reduziert werden. Häufig werden sogenannte H-alpha-Filter verwendet, die lediglich die Strahlung im Bereich der Wellenlänge der alpha-linie aus dem Wasserstoffspektrum durchlassen. Wir haben uns aus Kostengründen für den Eigenbau eines Filters aus geeigneter Filterfolie entschieden, wie sie von den für die Beobachtung von Finsternissen bekannten Schutzbrillen verwendet wird. Die Aufnahmen werden mit der Spiegelreflexkamera Canon EOS 1300D gemacht. Dazu wird die Kamera mittels Adaptermaterial ohne Objektiv direkt in den Strahlengang des Teleskops gebracht. Der Sensor der Kamera befindet sich dann etwa im Fokus des Teleskops. Mit der EOS-Software ist es möglich, vom Computer aus die Kamera fern zu bedienen, wobei eine Livebild-Funktion dabei hilft, das Teleskop auf das zu beobachtende Objekt, in unserem Fall die Sonne, zu fokussieren. Sind Sonnenflecken auf einem Bild zu erkennen, muss ihre genaue Lage gemessen werden. Man erfasst dazu ihre heliozentrische Länge und Breite. Das heliozentrische System kann man sich ähnlich vorstellen wie das System von Längen- und Breitengraden auf der Erde. Deshalb muss man wissen, wo auf einem Bild sich der Sonnennordpol befindet. Das wiederum können wir erfassen, indem für jeden Beobachtungszeitpunkt durch Doppelbelichtung eine Bildsequenz aus zwei Bildern erstellt wird. Dank des oben erwähnten Brennweitenverkürzers können wir Bilder im zeitlichen Abstand von bis zu zwei Minuten erzeugen. Wenn die Einzelbilder einer solchen Sequenz überlagert werden, ergibt sich die scheinbare Bewegungsrichtung der Sonne und damit die Bahnebene der Erde. Hieraus wiederum kann die Lage des Sonnennordpols bestimmt werden. (siehe dazu auch Abschnitt 4) 2
Die beiden Bilder unten zeigen zunächst unsere erste erfolgreiche Aufnahme einer Fleckengruppe, sowie die Überlagerung von zwei Aufnahmen dieser Bildsequenz. Es zeigt sich, dass der verwendete Filter mit der sogenannten photographischen Folie noch zu viel Licht durchlässt. Um das obige Bild zu erhalten, musste die kürzest mögliche Belichtungszeit von 1/4000 s und die geringste Filmempfindlichkeit ISO 100 eingestellt werden. Trotzdem konnte die Fleckengruppe nur deshalb ordentlich abgebildet werden, weil zufällig vorbeiziehende, dünne Schleierwolken mitgeholfen haben, die Intensität der Sonnenstrahlung herabzusetzen. Wir werden also demnächst einen Filter mit visueller Filterfolie verwenden müssen, der die Intensität des Sonnenlichts noch etwa zehnmal stärker verringert. 3
3. Zyklus der Sonnenaktivität und Sonnenbilder aus öffentlich zugänglichen Quellen Als wir Ende 2017 angefangen haben zu fotografieren, nahm die Zahl der beobachtbaren Sonnenflecken gerade stark ab. Das liegt daran, dass es Perioden unterschiedlicher Sonnenaktivität gibt, in denen entweder viele oder (fast) gar keine Sonnenflecken zu sehen sind. Diese Periodizität wurde von Heinrich Samuel Schwabe bereits 1843 entdeckt. Das Bild oben zeigt anschaulich die Länge der Periode, die bei 11 Jahren liegt. Zugleich sieht man, dass auch die Intensität der Sonnenaktivität über die vergangenen drei Perioden stark abgenommen hat. Mit einer Zunahme der Sonnenaktivität ist den Voraussagen nach erst ab etwa 2020 zu rechnen. Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir für unser Projekt bis auf Weiteres auf bereits existierende Aufnahmen aus öffentlich zugänglichen Quellen angewiesen sein werden. Eine derartige Quelle ist das Archiv der SOHO-Mission. SOHO steht für Solar and Heliospheric Observatory. Dahinter verbirgt sich ein satellitengestütztes Observatorium, das im Jahr 1995 in Zusammenarbeit zwischen ESA und NASA gestartet wurde und seitdem mit verschiedenen wissenschaftlichen Instrumenten Bilder der Sonne liefert. Die Sonde befindet sich stationär auf der Verbindungslinie zwischen Erde und Sonne in etwa 1,5 Mio. km Abstand von der Erde mit Blickrichtung zur Sonne und kann daher ungestört von Einflüssen durch die Erdatmosphäre rund um die Uhr hochwertige Bilder gewinnen. Auf Datenmaterial von SOHO beruht die weiter unten vorgestellte Auswertung. Zur Zeit kommt man wegen Umstellungen des SOHO-Archivs nur mühsam (https://sohowww.nascom.nasa.gov/data/realtime/realtime-update.html#) an neues Material. Deshalb behelfen wir uns mit dieser Quelle: http://suntoday.lmsal.com/suntoday/?suntoday_date=2018-08-20, die auch einen Überblick über eventuell abbildbare Sonnenflecken gibt. 4. Darstellung der Messmethode anhand von Bildmaterial des Satelliten SOHO Um die Rotationsdauer der Sonne zu bestimmen, verwenden wir das Bildbearbeitungsprogramm AstroImageJ, ein Tabellenkalkulationsprogramm und eine interaktive Webseite der Uni RheinMain zur Bestimmung der heliografischen Koordinaten. a) Ausmessung der Sonnenflecken Zuerst werden die Sonnenbilder mit AstroImageJ geöffnet. Dann werden der Sonnenradius und die Koordinaten des Sonnenzentrums in Pixel ausgemessen und in die vorbereitete Tabelle eingetragen. Danach müssen auf jedem Bild die Koordinaten des gleichen Sonnenflecks ausgemessen werden und mit Datum und Uhrzeit eingetragen werden. 4
b) Umrechnung in Bogensekunden Aus der Bewegung des Sonnenflecks wird später die Sonnenrotationsdauer berechnet. Dafür müssen die Angaben in Pixel in Bogensekunden im Verhältnis zum Sonnenzentrum umgerechnet werden. Dazu werden die Pixelwerte zuerst in Koordinaten mit dem Ursprung im Sonnenzentrum umgerechnet. Der Sonnenradius in Bogensekunden ändert sich in Abhängigkeit vom Umlauf der Erde um die Sonne geringfügig, kann aber aus der oben erwähnten Webseite für jeden Beobachtungszeitpunkt entnommen werden. Somit können die Koordinaten in Bogensekunden als Produkt aus dem Sonnenradius mit dem Verhältnis aus gemessenem Pixelwert des Flecks und Sonnenradius in Pixel errechnet werden. c) Bestimmung der heliografischen Koordinaten des Sonnenflecks Nun soll die Bewegung des Sonnenflecks auf der Sonnenoberfläche bestimmt werden. Dazu müssen für jeden Zeitpunkt die heliografischen Koordinaten des Flecks bestimmt werden. Das machen wir mit der Website: www.iai.hs-rm.de/suninfo, die von der Hochschule RheinMain zur Bestimmung von Koordinaten auf der Sonne betrieben wird. Dort müssen nun der Zeitpunkt der Aufnahme und die berechneten Koordinaten (s. Punkt b) des Flecks eingegeben werden. Bei SOHO-Bildern ist zu beachten, dass Norden auf der Sonne oben ist und die Zeitzone auf UTC (Greenwich-Zeit) umgestellt wird. Die Seite gibt die heliografische Länge und Breite des Flecks als Ergebnis zurück. Diese Daten werden dann wieder in die Tabelle eingegeben. d) Berechnung der Rotationsdauer Zuerst berechnet das Kalkulationsprogramm nun die Rotationsgeschwindigkeit des Sonnenflecks aus den Differenzen der gemessenen Längengrade und der Zeiten. (Zelle C11) Der Kehrwert dieser Zahl wird auf den Vollkreis hochgerechnet und ergibt die Rotationsdauer für diesen Sonnenfleck. (Zelle C13) Diese hängt stark vom Breitengrad des Flecks ab (differentielle Sonnenrotation) und kann zwischen etwa 30 Tagen an den Polen und etwa 25 Tagen in Äquatornähe liegen. Nach Carrington ergibt sich daraus eine mittlere Rotationsdauer von 27,3 Tagen. Das Bild unten zeigt einen Ausschnitt aus unserer Messtabelle mit Messwerten aus SOHO-Bildern von Sept./Okt. 2017. Da die heliozentrische Breite des vermessenen Flecks bei etwa -11 liegt, ist eine Rotationsdauer > 25 d zu erwarten, was auch durch die Auswertung bestätigt wird. Lars Bethmann (8 C), Assindia Doemer (9 C), Lars Funke (EF), Jan Hanclik (8 C), Jürgen Möllmanns (AG Leiter), Naike Müller (7 B) 5