URTEIL DES BUNDESVERWALTUNGSGERICHTS ZUR

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Transkript:

URTEIL DES BUNDESVERWALTUNGSGERICHTS ZUR SYNTHETISCHEN BEWERTUNG DER NETZE (BVGE A-5141/2011) Patrik Boog dipl. Wirtschaftsprüfer, Betriebsökonom FH, Leitender Berater,, Aarau, patrik.boog@evupartners.ch Markus Flatt Dr. oec. HSG, Partner, Leiter Beratung Energie,, Aarau, markus.flatt@evupartners.ch 14. Juni 2013 Lead Das rechtskräftige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) im Fall der CKW gegen die ElCom zur Überprüfung der anrechenbaren Kosten des Netzes für das Geschäftsjahr 2008/09 hat für die Branche richtungsweisenden Charakter. Das vorliegende Urteil enthält insbesondere Hinweise zur konkreten Vorgehensweise im Rahmen der synthetischen Wertermittlung und zur Bestimmung des anrechenbaren Nettoumlaufvermögens. Die Fragen zur Zulässigkeit der synthetischen Bewertung wurden konsequenterweise in Übereinstimmung mit dem bereits erfolgten Urteil des Bundesgerichts beantwortet (BGE 2c_25/2011). 1 SACHVERHALT Die Centralschweizerische Kraftwerke AG (CKW) hat gegen die Teilverfügung der ElCom vom 7. Juli 2011 betreffend Überprüfung der anrechenbaren Kosten des Netzes für das Geschäftsjahr 2008/09 Beschwerde erhoben. Darin fordert sie, es sei festzustellen, dass die Voraussetzungen einer synthetischen Bewertung der anrechenbaren Kapitalkosten im Sinne von Art. 13 Abs. 4 StromVV erfüllt seien und dass die von ihr angewendete Methode zur synthetischen Berechnung der Kapitalkosten gesetzmässig und zulässig sei. Während das BVGer die Voraussetzungen für die synthetische Bewertung im vorliegenden Fall als gegeben beurteilte, wurde die von der CKW angewandte Methode zur synthetischen Bewertung abgelehnt, weil bei dieser spezifischen Methode das Risiko besteht, dass bei einem

Ersatz eines Objektes keine Ausbuchung der bestehenden Anlage vorgenommen wird, so dass eine Doppelführung resultiert. 1 Die Vorinstanz (ElCom) wird in der Folge angewiesen, die von der Beschwerdeführerin (CKW) geltend gemachten synthetischen Kapitalkosten erneut einer Prüfung zu unterziehen bzw. die Beschwerdeführerin anzuweisen, die entsprechenden Kosten unter Anwendung einer der Methoden des VSE-Branchendokuments zur Bestimmung des Baujahres oder einer anderen Methode zur korrekten Zeitwertermittlung zu berechnen. 2 Während für die CKW als Beschwerdeführerin dieser Bundesverwaltungsgerichtsentscheid (BVGE) konkrete Folgen hat, enthalten die Erwägungen des BVGer mehrere, richtungsweisende Klärungen in Bezug auf die Vorgehensweise zur Bestimmung der synthetischen Kapitalkosten, welche für die Netzbewertung sämtlicher Netzbetreiber relevant sind. Die nachstehenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Erwägungen des BVGer, welche aus Sicht der Autoren für die ganze Strombranche von Relevanz sein dürften. 2 RICHTUNGSWEISENDE ERWÄGUNGEN DES BUNDESVERWALTUNGSGERICHTES 2.1 ANWENDBARKEIT DER SYNTHETISCHEN BEWERTUNGSMETHODE Die Frage zur Zulässigkeit der synthetischen Bewertungsmethode wurde bereits im Rahmen des Bundesgerichtsurteils vom 3. Juli 2012 in Sachen BKW FMB Energie AG und BKW Übertragungsnetz AG geklärt 3 (siehe dazu auch Fachartikel der vom 31. August 2012). 4 Das Bundesverwaltungsgericht weist explizit auf diese Vorgaben hin, indem das betriebliche Rechnungswesen (Kosten- und Leistungsrechnung) die Basis zur Bestimmung der Anschaffungs- und Herstellungskosten bildet und nicht die Finanzbuchhaltung; ein Regel-Ausnahmeverhältnis besteht, so dass die synthetische Methode nur eine Hilfsmethode darstellen kann für den ausnahmsweisen Fall, dass die ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht zuverlässig ermittelt werden können (keine Wahlfreiheit, synthetische Methode bildet letztmögliche Auffangregelung); derjenige der die synthetische Methode anwenden will, glaubhaft darzulegen hat (Beweispflicht), dass und weshalb er die historischen Werte nicht mehr ermitteln kann. Im vorliegenden Fall konnte die Beschwerdeführerin darlegen, dass mittels eines im 2006 vorgenommen Vergleichs zwischen einer anerkannten synthetischen Bewertung zusammen mit einem geographischen Informationssystem und den in der Anlagenbuchhaltung aktivierten Anschaffungs- und Herstellkosten festgestellt wurde, dass in zwei Anlageklassen bei Aktivierungen vor 1994 die Kosten nicht bzw. nicht vollständig erfasst worden sind. Weil in diesem Zusammenhang relevante Unterlagen wie Geschäftsbücher, Buchungsbelege und Geschäftskorrespondenz aus den Jahren 1956 bis 1994 aufgrund der zeitlich beschränkten gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nicht mehr vorlagen bzw. nicht elektronisch hätten archiviert werden können, mussten diese beiden Anlageklassen synthetisch bewertet werden. 5 In der Folge kam das BVGer zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin glaubhaft darlegen konnte, dass und 1 2 BVGE A-5141/ 2011, Ziff. 10 3 BGE 2C_25/ 2011 4 http:/ / www.evupartners.ch/ evu/?page_id=38 5 BVGE A-5141/ 2011, Ziff. 8.5 Seite 2 / 5

aus welchen Gründen sie die Anschaffungs- und Herstellkosten für gewisse Anlagen nicht mehr nachweisen kann. 6 2.2 VORGEHENSWEISE ZUR BESTIMMUNG DER SYNTHETISCHEN WERTBASIS In einem zweiten Schritt stellte das BVGer fest, ob die konkrete synthetische Berechnungsmethode der Beschwerdeführerin zu beanstanden sei bzw. ob diese in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben nach Art 13 Abs 4 StromVV berechnet wurde: Die Wiederbeschaffungspreise sind transparent mit sachgerechten, offiziellen ausgewiesenen Preisindizes auf den Anschaffungs- bzw. Herstellzeitpunkt zurückzurechnen. 2.2.1 Anzuwendende Indizes Für die Bestimmung des zutreffenden Indexes wurden die im vorliegenden Fall relevanten Nieder- und Mittelspannungskabel/-leitungen mit den bestehenden Indizes verglichen. Das Gericht stellte fest, dass kein Index besteht, der für die Indexierung aller oder einzelner Anlageklassen des schweizerischen elektrischen Netzes übernommen werden kann. 7 Auch der für Höchstspannungsleitungen verwendete IWSB-Hösple-Index ist für untere Spannungsebenen nicht repräsentativ genug, da dort beispielsweise weniger Stahl- und dafür mehr Holz- und Betonmasten verwendet werden. 8 Es müssen also individuelle Indizes erstellt werden, die den unterschiedlichen Bestandteilen der Anlageklassen des Schweizer Stromnetzes Rechnung tragen. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen besteht darin, einzelne Komponenten einer Anlageklasse mit dafür repräsentativen Indizes zu indexieren, und im Anschluss die Komponenten zu einem Warenkorb zusammenzufassen. 9 Das BVGer weist damit die bestehenden Indizes als unzureichend zurück und erlässt grundlegende Hinweise, welche Kriterien ein adäquater Index zu erfüllen hat. 2.2.2 Vorgehen zur synthetischen Wertermittlung Die Beschwerdeführerin verfügt im vorliegenden Fall über keine Daten zur Altersstruktur der einzelnen verbauten Kabel und Trassen sowie über deren Art (Kupfer oder Aluminium, befestigt oder unbefestigt). Aufgrund der Bestandsblätter weiss sie aber, in welchem Jahr wie viele Kabel und Trassen insgesamt, d.h. über alle Arttypen verbaut wurden. Zudem verfügt sie über den Gesamtbestand an Kabel und deren Materialart. In der Folge hat sie die Altersstruktur statistisch ermittelt, indem sie die Bestände proportional je nach verbauter Menge pro Jahr verteilt hat. Diese Bestände wurden mit den Einheitspreisen gemäss VSE bewertet und auf das entsprechende Jahr rückindexiert. 10 Konsequenz dieses Vorgehens ist, dass für ein Objekt (z.b. eine Leitung) nun pro Jahr des berücksichtigten Zeitraums (1956 1994) je eine separate Anlage besteht, welche aus Mengensicht dem Anteil der im entsprechenden Jahr verbauten Menge an der gesamthaft verbauten Menge entspricht. Dies führte im vorliegenden Kontext im Extremfall dazu, dass eine Trassenanlage in der Anlagenbuchhaltung eine Länge von 20 cm aufwies. Die Vorinstanz erklärte dieses Vorgehen als nicht branchenüblich und vertrat die Ansicht, dass es nicht den Vorgaben von Art. 13 Abs. 4 StromVV entspreche, weshalb es als nicht sachgerecht abgelehnt wurde. So sei beispielsweise die Länge der unterschiedlichen Kabeltypen mit einem 6 BVGE A-5141/ 2011, Ziff. 8.6 7 BVGE A-5141/ 2011, Ziff. 9.3.3 8 BVGE A-5141/ 2011, Ziff. 9.3.2 9 http:/ / www.iwsb.ch/ fileadmin/ dokumente/ studien/ de/ PreisindexHoechstspannungsnetz.pdf, S. 12 10 BVGE A-5141/ 2011, Ziff. 9.4.1 Seite 3 / 5

statistischen Verfahren ermittelt worden und entspreche somit nicht den tatsächlichen Längen. Zudem habe die Beschwerdeführerin die Kabeltypen nicht im Detail bestimmt. Es sei eine eindeutige Identifikation des synthetisch bewerteten Objektes notwendig, um beispielsweise bei einem Ersatz einer Leitung den ersetzten Leitungsabschnitt korrekt aus der Anlagenbuchhaltung ausbuchen zu können. 11 Das BVGer setzt sich daraufhin vertieft mit dem branchenüblichen Vorgehen auseinander und folgert, dass im konkreten Einzelfall die in den Branchendokumenten vorgeschlagenen Lösungen übernommen werden können, sofern sie sich als sachgerecht erweisen. Dabei stützt es sich auf die Branchenempfehlung Strommarkt Schweiz zur Netzbewertung von Verteilnetzen Schweiz, Ausgabe 2007 (NBVN-CH) 12 und die darauf basierende Software NeVal. Die NBVN-CH verfügt über drei Methoden zur Bestimmung der Altersstruktur, wobei jede zu einer eindeutigen Zuweisung eines Baujahres auf ein Objekt führt. Ferner sieht die Software NeVal vor, dass Anlagen als Ganzes erfasst werden und nur grobe Unterteilungen vorgenommen werden (Kabel und Kabelrohrblock, Stromkreis und Trasse). 13 Schliesslich kommt das BVGer zum Schluss, dass die von der CKW gewählte Methode nicht mit derjenigen von NeVal vergleichbar ist: Eine Unterteilung der Trassen bzw. Kabel in Abschnitte verschiedenen Alters ist nämlich bei der Verwendung von NeVal nicht vorgesehen und erhöht das Risiko, dass ein Objekt doppelt geführt und nicht ausgebucht wird, obwohl es ersetzt worden ist. Es ist für das BVGer nicht nachvollziehbar, warum die Beschwerdeführerin eine branchenunübliche Methode gewählt hat und geht daher mit der Vorinstanz einig, dass die konkret von der Beschwerdeführerin angewendete synthetische Bewertungsmethode nicht den Vorgaben nach Art. 13 Abs 4 StromVV entspricht. 14 Das BVGer weist das Verfahren folglich an die Vorinstanz zurück, welche entsprechend den vorgenannten Erwägungen die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Kapitalkosten erneut einer Prüfung unterziehen bzw. die Beschwerdeführerin anweisen wird, die entsprechenden Kosten unter Anwendung einer der Methoden des VSE-Branchendokuments zur Bestimmung des Baujahrs oder einer anderen Methode zur korrekten Zeitwertermittlung und darauffolgender Rückindexierung gemäss NeVal oder mit individuellen Preisindizes zu berechnen. 15 2.3 BESTIMMUNG DES ANRECHENBAREN NETTOUMLAUFVERMÖGENS Das BVGer hält weiter fest, dass sich als Folge der anzupassenden Kapitalkosten Auswirkungen auf die Höhe der Betriebskosten, der historischen Kapitalkosten und der Verzinsung des Nettoumlaufvermögens (NUV) ergeben können. 16 Zur Bestimmung des anrechenbaren NUVs hat die Beschwerdeführerin den bilanziellen Ansatz gemäss Branchenverband 17 verwendet, während die ElCom eine Methodik anwendet, die sowohl Kosten- als auch Bilanzgrössen berücksichtigt, indem neben den eigenen Betriebs- und Kapitalkosten auch die Netzkosten und Kosten für Systemdienstleistungen der Vorlieger sowie die Vorräte als betriebsnotwendiges NUV betrachtet werden. Da es sich bei den Kosten um Jahresgrössen handelt, wird die Summe der vorstehend erwähnten Bestandteile durch die Häufigkeit der Fakturierung dividiert (z.b. Fakturierung alle 3 11 BVGE A-5141/2011, Ziff. 9.4.2 12 www.strom.ch/uploads/media/nbvn_06.pdf 13 14 15 BVGE A-5141/ 2011, Ziff. 10 16 BVGE A-5141/ 2011, Ziff. 11 17 http:/ / www.strom.ch/ uploads/ media/ VSE_KRSV_2012_01.pdf Seite 4 / 5

Monate führt zu Divisor von 12/3=4), um das betriebsnotwendige, zu verzinsende Vermögen zu bestimmen. Das Bundesgericht erachtet die bilanzielle Methode als zu statisch und folgert, dass bei dieser Methode das Kriterium der Betriebsnotwendigkeit nicht ausreichend berücksichtigt wird, so dass die Methodik der ElCom zu bevorzugen ist. 18 3 KONSEQUENZEN DES URTEILS Das vorliegende Urteil führt insbesondere im Bereich der Vorgehensweise zur synthetischen Bewertung von Anlagen zu einer Klärung und damit zu einer wesentlich höheren Rechtssicherheit. Begrüssenswert ist insbesondere, dass die ElCom und das BVGer die bei vielen Netzbetreibern bekannte, vom VSE erlassene Branchenempfehlung NBVN-CH (inkl. Software NeVal) als zielführend und sachgerecht beurteilen. Damit erhalten Netzbetreiber ein verlässliches Mass an Rechtssicherheit, sofern sie synthetisch zu bewertende Anlagen führen und diese Anwendung der Ausnahmebestimmung nach Art. 13 Abs. 4 StromVV auch glaubhaft begründen können. Führen Verteilnetzbetreiber derzeit eine individuelle Bewertungsmethodik für synthetische Anlagen, so ist zu prüfen, ob diese als sachgerecht beurteilt werden kann, da das BVGer explizit auch andere sachgerechte Methoden als zulässig erachtet. Bestehen jedoch methodische Zweifel, so ist eine Umstellung der Bewertung nach einem Standard gemäss NBVN-CH zur Erhöhung der Rechtsicherheit zu empfehlen. Ferner sind die Folgerungen des BVGer sachgerecht, dass Netzbetreiber sicherzustellen haben, dass ersetzte Objekte ausgebucht werden, um das Risiko von Doppelführungen zu vermeiden. Im Bereich der anzuwendenden Indizes ist das Urteil aus unserer Sicht widersprüchlich. Während das Gericht in Ziff. 9.3.3 zum Schluss kommt, dass für die Indexierung aller oder einzelner Anlageklassen des schweizerischen elektrischen Netzes kein Index besteht und damit individuelle Indizes zu erstellen sind, hält es in Ziffer 10 fest, dass die Rückindexierung gemäss NeVal oder mit individuellen Preisindizes zu berechnen sei. Dies erstaunt umso mehr, als in der Software NeVal bisher in der Regel der in Ziffer 9.3.2 ausgeschlossene Index der Produzenten- und Importpreise (PPI) verwendet wurde. Die in der ElCom Weisung 3/2010 vorgegebenen Indices für MS- und NS- Leitungen sowie für Trasses werden demgegenüber nicht explizit erwähnt. Hier bedarf das Urteil des BVGer einer Klärung bzw. ist die ElCom nun gezwungen, ihre Weisung 3/2010 zu überprüfen und allenfalls kurzfristig anzupassen. Zur Bestimmung des anrechenbaren Nettoumlaufvermögens bevorzugt das BVGer die von ElCom angewandte, primär kosten-/erlösbasierte Methodik gegenüber eine bilanziellen Methodik. Folglich wird die Anwendung dieser Methode gerichtlich gestützt und ist daher von den Verteilnetzbetreibern entsprechend anzuwenden. Da diese Methode beispielsweise verspätete oder ausbleibende Zahlungen von Kunden nicht berücksichtigt, erachten wir die Anwendung der bilanziellen Methode an mehreren Stichtagen zu Vergleichszwecken nach wie vor als sinnvoll, so dass im Einzelfall eine der individuellen Situation angemessene Lösung mit dem Regulator gefunden werden kann. 18 BVGE A-5141/ 2011, Ziff. 11.3.2 Seite 5 / 5