Autor: Dr. Thomas Gößl (24.04.2017) Anlagenverordnung des Bundes (AwSV) der lange Weg der Inkraftsetzung und was Sie über die neuen Anforderungen wissen müssen Nach jahrelanger Diskussion tritt die Anlagenverordnung am 1. August 2017 in Kraft Die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (Anlagenverordnung AwSV) vom 18. April 2017 ist im Bundesgesetzblatt Teil I S. 905 veröffentlicht worden. Nach 73 Satz 2 tritt die Anlagenverordnung am 1. August 2017 in Kraft. Zum gleichen Zeitpunkt tritt die (Übergangs-)Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen vom 31. März 2010 (BGBl. I S. 377) außer Kraft ( 73 Satz 3 AwSV). Bereits am 22. April 2017 sind die Vorschriften über die Anerkennung von Güte- und Überwachungsgemeinschaften ( 57 AwSV), die Bestellung von Fachprüfern ( 58 AwSV), den Widerruf und das Erlöschen von Anerkennung und Bestellung ( 59 AwSV) und die Pflichten von Güte- und Überwachungsgemeinschaften und von Fachprüfern ( 60 AwSV) in Kraft getreten (siehe 73 Satz 1 AwSV). Damit ist eine Diskussion beendet worden, die im November 2010 mit der Anhörung zum ersten Referentenentwurf durch das Bundesumweltministerium eingeleitet und in den letzten drei Jahren im Bundesrat und in Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Ländern geführt worden war. Nun ist es für die Praxis entscheidend, sich mit der im Bundesgesetzblatt verkündeten Anlagenverordnung schnell vertraut zu machen. Nur mit einer vorausschauenden und sinnvoll konzipierten Umsetzung kann es in den Unternehmen gelingen, die Mehrkosten für die Umsetzung der neuen Anlagenverordnung im Rahmen zu halten, die für die gesamte Wirtschaft mit 20 Millionen Euro pro Jahr beziffert werden. 1 Das Konzept des WHG Grundsätze im Gesetz technische Einzelregelungen in der Anlagenverordnung In 62 und 63 WHG hat der Bundesgesetzgeber ein neues Regelungskonzept zur Anwendung gebracht. Die grundlegenden Anforderungen an den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in Anlagen vor allem der Besorgnisgrundsatz und der
Grundsatz des bestmöglichen Schutzes sind in 62 und 63 WHG weiterhin auf gesetzlicher Ebene geregelt, während alle anderen Regelungen in der Anlagenverordnung des Bundes getroffen werden sollen. Durch die bundesrechtliche Regelung sollen die Anforderungen an den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in Anlagen in ganz Deutschland vereinheitlicht werden. Die Regelungen in den Anlagenverordnungen der Länder (vgl. die Muster- Anlagenverordnung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser vom 8./9. November 1990, fortgeschrieben im März 2001 Muster-VAwS) sollen künftig von der Bundesregierung erlassen werden. Das stellen die Verordnungsermächtigungen in 62 Abs. 4 WHG klar. In den ersten Jahren nach Inkrafttreten des neuen WHG ist die vorgesehene Anlagenverordnung des Bundes allerdings nicht erlassen worden. 2 Die Rechtslage bis zum Inkrafttreten der AwSV Schließung einer Regelungslücke im WHG Der Bund hatte zunächst am 31. März 2010 eine Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (BGBl. I S. 377) erlassen, die am 10. April 2010 in Kraft getreten ist. Die Verordnung war aber als bloße Übergangsverordnung erlassen worden, die mit Inkrafttreten der neuen Anlagenverordnung am 1. August 2017 nun außer Kraft treten wird. Sie hat die Gesetzeslücke geschlossen, die dadurch entstanden war, dass am 1. März 2010 mit dem alten Wasserhaushaltsgesetz die Bestimmungen in 19i WHG a.f. Pflichten des Betreibers, 19k WHG a.f. Besondere Pflichten beim Befüllen und Entleeren und 19l WHG a.f. Fachbetriebe ersatzlos aufgehoben wurden. Diese Regelungen enthielten Pflichten beim Einbau, der Aufstellung, Instandsetzung, Instandhaltung und Reinigung von Anlagen, Pflichten, die Anlagen durch Sachverständige überprüfen zu lassen, Pflichten, die beim Befüllen und Entleeren von Anlagen zu beachten sind, sowie Regelungen zu Fachbetrieben. In der Übergangsverordnung waren für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten der endgültigen Anlagenverordnung Regelungen getroffen worden, die inhaltlich den bisherigen 19i bis 19l WHG a.f. entsprachen. Landesrechtliche Vorschriften galten weiterhin Zugleich wurde durch 1 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung vom 31. März 2010 klargestellt, dass die landesrechtlichen Vorschriften vor allem in den Anlagenverordnungen der Länder bis auf Weiteres weitergelten.
Weil sich der Erlass der Anlagenverordnung des Bundes stets hinauszögerte, wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie vom 6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) für die Länder eine subsidiäre Verordnungsermächtigung geschaffen. In 23 Abs. 3 WHG wurden die Landesregierungen ermächtigt, Rechtsverordnungen nach 62 Abs. 4 WHG zu erlassen, solange und soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung noch nicht Gebrauch gemacht hat. Damit wurde die Fortgeltung der landesrechtlichen Vorschriften in den Anlagenverordnungen der Länder im Wasserhaushaltsgesetz ausdrücklich bestätigt. Erweiterung der Verordnungsermächtigung Durch das Gesetz vom 6. Oktober 2011 wurde auch die Verordnungsermächtigung in 62 Abs. 4 WHG erweitert und in den Nummern 1 bis 6 neu gefasst, um klarzustellen, dass alle vorgesehenen Regelungen in der neuen Anlagenverordnung auf diese Ermächtigung gestützt werden können. Präzisierungen wurden vor allem hinsichtlich folgender Regelungen vorgenommen: Mitwirkungspflichten vom Anlagenbetreiber bei der Einstufung wassergefährdender Stoffe die Einsetzung einer Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe die Einführung technischer Regeln die Eigen- und Fremdüberwachung die Fachbetriebspflicht in der Anlagenverordnung 3 Das Verfahren bis zur Verkündung der AwSV Referentenentwurf Das Normsetzungsverfahren für eine Anlagenverordnung des Bundes ebenfalls bezeichnet als Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, seit dem Entwurf zum Stand 31. August 2012 aber abgekürzt als AwSV war bereits 2010 eingeleitet worden. Bereits zum ersten Entwurf des Bundesumweltministeriums einer Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (E- VAUwS) mit Stand 24. November 2010 war eine umfassende Anhörung aller beteiligten Kreise in Wirtschaft und Industrie, bei den Umwelt- und Fachverbänden durchgeführt worden. Der Referentenentwurf sah eine Reihe neuer Regelungen vor: Anforderungen für aufschwimmende flüssige Stoffe ( 2 Nr. 4, 11, 22) Einstufung von Abfällen in Wassergefährdungsklassen oder als nicht wassergefährdend ( 3, 4, 6, 7, 8, 11, Anhang 1 und 2)
Forderung nach einer qualifizierten Planung ( 14): Schon bei der Planung der Anlage muss berücksichtigt werden, dass die Anlage die Anforderungen einhalten kann. Eine festgelegte Bezeichnung oder ein Gütesiegel für die Planer war jedoch nicht vorgesehen. Erweiterung der Pflichten beim Befüllen oder Entleeren ( 16) Neu war z.b. auch die Verpflichtung des Betreibers oder eines Dritten (z.b. des Lieferanten der Stoffe), der eine Anlage befüllt oder entleert, sich vom Vorliegen einer nach 26 Abs. 9 erforderlichen Prüfplakette zu überzeugen. erweiterte Meldepflichten bei Betriebsstörungen ( 17 Abs. 2) Nachweis eines betrieblichen Qualitätssicherungssystems durch Sachverständigenorganisationen ( 32 Abs. 3 Nr. 4) Anforderungen an Biogasanlagen (Anhang 9) Hinzu kamen zahlreiche Übergangsbestimmungen für bestehende Einstufungen ( 39), bestehende Anlagen ( 40) und für Fachbetriebe, Sachverständigenorganisationen und bestellte Personen ( 41). Änderungen des Referentenentwurfs aufgrund der Anhörung Aufgrund der zahlreichen Stellungnahmen zum Referentenentwurf hatte das Bundesumweltministerium insgesamt sechs Fachanhörungen durchgeführt, in denen die Änderungs- und Ergänzungsvorschläge intensiv erörtert worden waren. Die Ergebnisse dieser Diskussionen wurden in einem überarbeiteten Entwurf mit dem Stand 27. Januar 2012 zusammengefasst. Darin wurden gegenüber dem ersten Referentenentwurf gravierende Änderungen vorgenommen: Das Bundesumweltministerium löste sich von der bisherigen Regelungstechnik der Länder und des ersten Referentenentwurfs, in der Verordnung selbst nur die (technischen und organisatorischen) Grundsatzanforderungen zu regeln und die besonderen Anforderungen für bestimmte Anlagen in Anhängen zur Anlagenverordnung zu formulieren (siehe Anlage 1 zur Muster-VAwS und die Anhänge 6 bis 10 zum ersten Referentenentwurf der VAUwS). Stattdessen wurden die Rückhalteanforderungen für bestimmte Anlagen in den 25 bis 38 in den Verordnungstext übernommen. Die praktische Folge war, dass die Verordnung länger wurde und nun 70 Paragrafen umfasste; im Gegenzug waren vier Anhänge entfallen. Ob die Entscheidung, alle Regelungen in den Verordnungstext zu nehmen, sich auch dann bewährt, wenn künftig Bedarf für Sonderregelungen für bestimmte Anlagen entstehen sollte, bleibt abzuwarten. Hier könnte sich das Verfahren als schwerfälliger erweisen.
Bei den Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersaft (JGS- Anlagen) hielt das Bundesumweltministerium dagegen an der bisherigen Regelungstechnik fest. Die maßgeblichen Vorschriften für JGS-Anlagen wurden in Anhang 6 zur VAUwS, weil für diesen Teil eine strategische Umweltprüfung durchgeführt werden musste. In der Verordnung selbst waren nur wenige Vorschriften für diese Anlagen vorgesehen. Dabei war der Widerspruch zwischen Regelung und Begründung bei 51 VAUwS bemerkenswert. Hier wurde für JGS-Anlagen und Biogasanlagen ein Mindestabstand von 50 Metern zu Quellen und Trinkwasserbrunnen festgelegt, obwohl nach der DVGW- Richtlinie W 101 ein Abstand von 100 Metern zu verlangen ist, um zu verhindern, dass Fäkalkeime oder andere Schadstoffe in das Trinkwasser gelangen. Dem in der Begründung genannten Argument des Schutzes bestehender Anlagen könnte durch eine Übergangs- oder Bestandsschutzregelung ausreichend Rechnung getragen werden. Warum für neu zu planende und zu errichtende JGS- und Biogasanlagen dagegen ein aus fachlicher Sicht zu geringer Mindestabstand zugelassen werden soll, wurde nicht recht klar. Neu aufgenommen worden war im überarbeiteten Verordnungsentwurf eine Bagatellklausel, die den Anwendungsbereich auf Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen beschränkt, deren Volumen bei flüssigen Stoffen 0,22 Kubikmeter oder deren Masse bei gasförmigen oder festen Stoffen 0,2 Tonnen überschreitet. Diese neue Regelung in 1 Abs. 3 VAUwS soll in Schutzgebieten und Überschwemmungsgebieten nicht gelten. Den Besorgnisgrundsatz bzw. den Grundsatz des bestmöglichen Schutzes müssen auch die Anlagen einhalten, die unter die Bagatellklausel fallen. Der Umfang der Stoffe, die vom Betreiber nicht eingestuft werden müssen und als allgemein wassergefährdend bezeichnet werden, wurde zur Vereinfachung des Vollzugs erweitert. Dies betrifft insbesondere feste Gemische, zu denen auch feste Abfälle gehören, sofern sie wassergefährdende Eigenschaften haben. Die Regelungen zu Sachverständigenorganisationen und Güte- und Überwachungsgemeinschaften wurden grundlegend überarbeitet und neu strukturiert. Notifizierung bei der EU-Kommission Vor einer Befassung des Bundesrats musste der Entwurf der Anlagenverordnung des Bundes bei der EU-Kommission notifiziert werden. Das geschah erstmals mit der Notifizierungsfassung vom 22. Juli 2013, die gemäß der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der
Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft der EU-Kommission notifiziert wurde. Beschluss der Bundesregierung Beratungen im Bundesrat Im Februar 2014 beschloss die Bundesregierung die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) und leitete sie dem Bundesrat zu, um die gemäß Artikel 80 Abs. 2 Grundgesetz erforderliche Zustimmung herbeizuführen. In der Verordnung waren Regelungen vorgesehen für: die Einstufung von Stoffen in eine Wassergefährdungsklasse oder als nicht wassergefährdend die Anforderungen an die Umgangsanlagen die Pflichten des Anlagenbetreibers die Sachverständigenorganisationen, Güte- und Überwachungsgemeinschaften und die Fachbetriebe Nicht enthalten waren Anforderungen an Anlagen für Jauche, Gülle und Silagesickersaft sowie Anforderungen für Umschlagsanlagen des intermodalen Verkehrs; insoweit sollten die bisherigen landesrechtlichen Regelungen fortgelten. Nach intensiven Beratungen in den Ausschüssen beschloss der Bundesrat in seiner Sitzung am 23. Mai 2014, der Verordnung nur mit einer langen Reihe von Maßgaben zuzustimmen. Dazu gehörten vor allem folgende Maßgaben: Der gesamte Regelungskomplex zu JGS-Anlagen soll in die Verordnung aufgenommen werden. Das beginnt bei den Begriffsbestimmungen des 2 AwSV, die ergänzt werden sollen, hat seinen Schwerpunkt bei der Einfügung der Anforderungen an JGS-Anlagen, die in Anhang 7 zusammengefasst werden, und führt in der Konsequenz zu einer Vervollständigung der Ordnungswidrigkeitentatbestände bei Verstößen gegen Anforderungen an JGS- Anlagen in 65 AwSV. Bei Anlagen zum Umschlagen wassergefährdender Stoffe und JGS-Anlagen (Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersaft) muss der bestmögliche Schutz der Gewässer vor Verunreinigung oder sonstiger nachteiliger Veränderung erreicht werden ( 62 Abs. 1 Satz 3 WHG). Die Abgrenzung und Zuordnung der Vorlage- und Gärrestbehälter von Biogasanlagen von räumlich entfernten Behältern (in 2 AwSV) sowie ein Verbot von Erdbecken für die Lagerung von Gärresten aus Biogasanlagen ( 37 AwSV). Dazu kommt eine Nachrüstpflicht mit einer Mindestlagerkapazität von neun Monaten bei bestehenden Biogasanlagen, die innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung zu erfüllen ist ( 68 AwSV).
Weitere Schritte zum Erlass der AwSV Das Bundesumweltministerium legte darauf am 20. Juli 2015 die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (Anlagenverordnung AwSV) noch mal der EU-Kommission zur erneuten Notifizierung vor. In der neu notifizierten Fassung wurden sämtliche Änderungen berücksichtigt, die der Bundesrat in seiner Zustimmung mit Maßgaben im Beschluss vom 23. Mai 2014 gefordert hatte. Damit wurden insbesondere die Regelungen zu den Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften (JGS-Anlagen) entsprechend dem Beschluss des Bundesrats in den Text der Verordnung und die Begründung aufgenommen. Die JGS-Regelungen waren und sind jedoch Teil des Nationalen Aktionsprogramms zum Schutz von Gewässsern vor Nitrateinträgen aus Anlagen. Daher musste zu diesem Teil des Entwurfs der Anlagenverordnung zusätzlich eine strategische Umweltprüfung durchgeführt werden. Die Grundlage für dieses Verfahren war im nationalen Recht bereits 2013 in 62a WHG geschaffen worden. Die Reichweite der wasserrechtlichen Verpflichtungen bei bestehenden JGS-Anlagen blieb jedoch in der Bundesregierung und zwischen den Ländern Gegenstand weiterer Diskussionen, die schließlich in den gemeinsamen Antrag der Länder Rheinland-Pfalz und Bayern vom März 2017 mündeten, der Anlagenverordnung mit einem geänderten Vorschlag für bestehende JGS-Anlagen zuzustimmen. Dem folgte der Bundesrat mit Beschluss vom 31. März 2017 (BR-Drucksache 144/16 [Beschluss]). Damit war der Weg frei zur Verkündung der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) vom 18. April 2017 (BGBl. I S. 905). 4 Aufbau und Inhalt der AwSV vom 18. April 2017