Impact: elektronisches Publizieren im Internet- Zeitalter aus bibliothekarischer Sicht Walther Umstätter Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Der Impact-Faktor (IF) ist grundsätzlich vom Science Citation Index (SCI) und dessen Zeitschriftenauswahl bestimmt. Beim IF wird verglichen, wie viele Referenzen im SCI auf wie viele Publikationen einer Zeitschrift in einem bestimmte Zeitraum entfallen. Der IF ist weniger ein Qualitätsindikator, als ein Zeichen dafür, wie bekannt, umstritten, allgemein verfügbar Aufsätze in einer Zeitschrift sind. Die am höchsten zitierten Arbeiten im SCI betreffen meist Methoden. Darwin, Luhmann, Marx... werden wegen ihrer Fragwürdigkeit zitiert. Citation Classics weil sie meist als ungelöste Probleme an die Nachwelt weiter gegeben werden.
Gründe, warum Aufsätze nicht zitiert werden die Uncitedness: 1. Eine Arbeit ist irrelevant. (Garfield I) 2. Sie ist dem Autor nicht bekannt Findability (Garfield II) 3. Sie ist so bekannt, dass man die Quelle unerwähnt lassen kann. (Garfield III) 4. Mangelhafter Zugang. (Availability) 5. Sie ist schwer verständlich. 6. Die Erwähnung der Arbeit würde zu lange Erklärungen erfordern. 7. Das Ergebnis scheint fragwürdig; die Falsifikation ist aber z.z. noch nicht möglich. 8. Bestimmte Arbeiten (Autoren) sollen nicht bekannter gemacht werden. 9. Die Zeitschrift versucht bestimmte Konkurrenzzeitschriften nicht zu erwähnen. 10. Die Falsifikation von Publikationen der Peer-Reviewer vermeidet man besser. 11. Die Publikation lässt keine Referenzen zu. 12. Die Zahl an Seiten pro Aufsatz ist zu begrenzt.
Die Bedeutung des Impact Factors Zeitschriften, die viele Zitationen auf sich ziehen sind für Wissenschaftler und Bibliotheken unverzichtbar, denn Wissenschaft bedeutet oft Präzision oder Verifikation, nach Popper aber hauptsächlich Falsifikation. Der Zusammenhang von Zitation und Bibliotheksbenutzung ist seit langem bekannt. (Umstätter, W., Rehm, M. und Dorogi, S.: Die Halbwertszeit in der naturwissenschaftlichen Literatur. Nachr. f. Dok. 33 (2) S.50-52 (1982) Der Zusammenhang von IF und Preis einer Zeitschrift ist nur schwach ausgeprägt, da der Zeitschriftenkauf nicht vom IF abhängt.
Beeinflussungen des Impact Faktors Zeitschriften die viel zitieren werden meist auch viel zitiert, weil sie entsprechend viele Aufsätze enthalten. There is a widespread but mistaken belief that the size of the scientific community that a journal serves affects the journal's impact. (http://www.garfield.library.upenn.edu/papers/journalimpactcmaj1999.pdf Garfield, E. "Journal impact factor: a brief review Canadian Medical Association Journal, 161(8), p.979-80, 1999) Durch die wachsende Zahl an Referenzen pro Aufsatz und den Journal Self Citation-Anteil, steigt der IF im SCI seit Jahren um 0,08/J an.
Anstieg der Referenzen im SCI Im SCI wuchs die Zahl der referenzences per paper um 4 Ref. in 5 Jahren konstant an. Bei einem Anteil von ~ 10 % Journal Self Citation entspricht das einem Anstieg von 0,08 mehr Zitationen/J Die IFs wachsen parallel dazu, und trennen Zeitschriften mit hohem IF immer stärker von denen mit geringem IF.
Anstieg des IF im SCI Im SCI wuchs der durchschnittliche IF in den letzen Jahren linear um 0,07/J
Impact-Faktor und Fachgebiet Review-Zeitschriften haben einen erhöhten IF. Auch Englisch ist vorteilhaft. Nicht selten heben einzelne hochzitierte Aufsätze den IF der Zeitschrift deutlich an. Zentrale Themen des SCI, wie Biochemie, haben höhere IFs. Bioscience kann im Durchschnitt einen IF verzeichnen, der um das 7,5fache über dem der Mathematik liegt.
Citation Impact of Open Access Articles Brody, T.; Stamerjohanns, H.; Vallières, F.; Harnad, S.; Gingras, Y. Oppenheim, C. and Hitchcock, S.: Citation Impact of Open Access Articles vs. Articles available only through subscription ("Toll-Access")
Citation Impact of Open Access Articles Open Access führt zu ~100% erhöhtem IF.
OA articles compared to non-oa articles remained twice as likely to be cited Eysenbach, G.: Citation Advantage of Open Access Articles. PLoS Biology www.plosbiology.org 4 (5) e157 S.0692-0698 (May 2006) Articles published as an immediate OA article on the journal site have higher impact than self-archived or otherwise openly accessible OA articles. We found strong evidence that, even in a journal that is widely available in research libraries, OA articles are more immediately recognized and cited by peers than non-oa articles published in the same journal. OA is likely to benefit science by accelerating dissemination and uptake of research findings. Havemann, F. fand 2004 eine etwa doppelt so rasche Kenntnisnahme bei E-prints. http://www.ib.hu-berlin.de/~fhavem/e-prints.pdf Metcalfe, T.S.: The Citation Impact of Digital Preprint Archives for Solar Physics Papers arxiv:astro-ph/0607079 v2 16 Oct 2006 Papers that are posted to a digital preprint archive are typically cited twice as often as papers that are not posted.
Zwei Welten: In (im SCI) and Out (nicht im SCI) Die Verdopplung der IFs bei Zeitschriften die im SCI erfasst sind, sollte man nicht gleichsetzen mit solchen außerhalb des SCI. When ranked by Impact Factor, OA journals are represented more heavily among the lower-ranking journals in their subjects, despite important exceptions. (Marie E. McVeigh from Thomson October 2004: Open Access Journals in the ISI Citation Databases: Analysis of Impact Factors and Citation Patterns A citation study from Thomson Scientific) Die sog. Online-Dokumentation hat seit ~30 Jahren die Findability mit immer mehr Datenbanken bis hin zu Google Scholar verbessert. Seit ~2000 erhöhte sich auch die Availability vieler Dokumente außerhalb des SCI erheblich. Gleichzeitig steigerte sich das Renommee der im SCI erfassten Quellen.
Das Angebot an E-Dokumenten In 1984, the average academic scientist used the library 77 times. From 1990-1993, academic scientists averaged 119 uses of the library. (Tenopir, Carol, and Donald W. King (2000a) Towards Electronic Journals: Realities for Scientists, Librarians, and Publishers. Washington, D.C.: Special Libraries Association. http://www.sla.org) Es ist zu befürchten, dass viele der digitalen Angebote z.z. nur ein Anreiz sind, um die Nutzer an diese neue Availability zu gewöhnen. Die erhöhte Findability hat in Bibliotheken seit Jahren zu verstärkten Nachfragen geführt. Die hohen Kosten bei Verlagsprodukten mit hohem IF entstehen nicht zuletzt durch die Aufwendungen für die Reklame dieser Produkte. Das Directory of Open Access Journals (DOAJ) enthielt am 25.10.06 2.435 Journals im Directory (3 Tage davor 7 weniger) im Verhältnis zu ~100.000 laufenden Zeitschriften.
Angebote im Rahmen elektronischer Publikationen 1. MEDLINE unterscheidet drei Gruppen: a. FUTON (full text on the Net) b. abstracts only c. NAA (no abstract available). 2. Angebote, die nur für relativ viel Geld zugänglich sind 3. Angebote, die zwar billig sind, aber bei denen die Hürde der Bezahlung besteht (z.b. Account, Kreditkarte, Nachnahme, etc.). 4. Angebote, die zwar kostenlos sind, aber Angaben zum Namen des Bestellers, Adresse etc. erfordern. 5. Angebote, die in Bibliotheken gedruckt vorliegen, und zusätzlich für Geld elektronisch abrufbar sind. 6. Angebote, die beispielsweise über SFX elektronisch kostenlos abrufbar sind, wenn man einer bestimmten Bibliothek als Benutzer angehört. 7. Angebote, die man nur erhält, wenn man Reklame in Kauf nimmt. 8. Angebote, die nur zeitweilig kostenlos elektronisch abrufbar sind. z.b. nach einem (halben) Jahr. z.b. nur für ein halbes Jahr (zur Anlockung). 9. Angebote, die die Autoren selbst finanzieren (publish-or-perish).
Angebote und Nachfrage Wir beobachten eine Verschiebung vom Kauf von Wissen zum kostenlosen Angebot der Autoren ihres publizierten Wissens. Autoren tun dies aus Prioritätsgründen und wegen des publish-or-perish. Wissen, das für ~50.000 erarbeitet wurde, wird vom Autor für ~1.500 $ bzw. 2.500 $ pro Manuskript zusätzlich publiziert. Deutschland brachte bisher noch nicht einmal 50 auf, um für ~50.000 erworbenes Wissen dokumentarisch zugänglich zu machen. Die Regierung der USA bring > 55 Mrd. $ für die Wissenschaft auf und sieht nicht ein, warum Steuerzahler bei der Publikation noch einmal dafür zahlen soll. (http://business.guardian.co.uk/story/0,,1772094,00.html)
publish or perish Die DFG unterstützt die Kultur entgeltfrei zugänglicher Publikationen (Open Access), denn der ungehinderte Zugang erhöht den Verbreitungsgrad wissenschaftlicher Erkenntnisse, steigert somit die Sichtbarkeit der Autoren und trägt zu deren größerem Renommee bei. Zu dem der Nation auch. (Umstätter) European Science Foundation Policy Briefing Open access: Restoring scientific communication to its rightful owners April 2003: no-cost open access dissemination of author-copyrighted documents may become the norm in the future, Bibliotheken haben meist 80% Availability. Das ist aber nicht nur ein Zeichen für ihre gute Erwerbungspolitik, sondern auch ein Zeichen für die Erfahrung der Nutzer, obwohl die erhöhte Findability dazu führte, dass Wünsche an die Bibliothek oft über den eigenen Bestand hinausgehen.
Availability Der Bedarf an Wissenschafltichen Bibliotheken stieg in den letzen Jahrzehnten bemerkenswerterweise stetig an, und setzt sich in der Internetnutzung fort. In fact, open access would today have the result of reducing accessibility to scientific research because it is only available on the internet. In this country that would exclude some 20 25% of scientists; globally it would exclude over 50% of scientists. Web citations comprised 9% of citations in 1996, swelled to 21% House of Commons Science and Technology Committee Scientific Publications: Free for all? Tenth Report of Session 2003-04 Volume II: Oral and Written Evidence Ordered by the House of Commons to be printed Wednesday 7 July (2004)
Das Angebot an E-Dokumenten Dass das Angebot an frei verfügbaren Dokumenten über Open Access vergleichsweise langsam angestiegen ist, zeigt u.a. die Untersuchung von Curti, M. et al. Curti, M.; Pistotti, V.; Gabutti, G.; Zeccato, A.; Tinelli, C.; Clersy, C. (2001): The Electronic Edition of Scientific Journal may Influence the Determination of their Own Impact Factor? http://pacs.unica.it/alghero2001/proceedings/curti.ppt
Open Access Policy Im US-Senat wurde ein Gesetzentwurf "Federal Research Public Access Act" (FRPAA) eingebracht, der festlegen soll, dass alle US-Bundeseinrichtungen (>100 Mio. US-$/J für Forschung) den freien Online-Zugang spätestens 6 Monate nach Erscheinen in einer Peer-Reviewed-Zeitschrift ermöglichen. Das gilt für EPA, NASA, NSF und NIH PubMed Central ist schon seit längerem dafür bekannt dies zu realisieren. Der US-Senat will damit die "Open Access Policy" überwachen. Voraus ging schon eine längere Diskussion über den Zeitverzug von 6 oder 12 Monaten. Die Digitalisierungsbestrebungen von Google mit 10 Mio. Digitalisaten, sind im Rahmen der Mass Digitization: Implications for Information Policy zu sehen. (Mass Digitization: Implications for Information Policy)
Zukunftsperspektiven Es gibt auch in der Wissenschaft und insbesondere in der Pseudowissenschaft Autoren die viel Geld für ihre Publikationen verlangen können und dies auch tun. Die meisten zahlen aber dafür publizieren zu dürfen. Insofern gibt es keinen einheitlichen Markt in der Nationalökonomie des Geistes (A.v. Harnack 1921) Die Wissenschaft muss daher stärker als bisher zwischen Amüsement, Unterhaltung, Pseudowissenschaft und evidence based science unterscheiden, und ebenso zwischen bezahlten und zu bezahlenden Publikationen. Eine hohe Auflage ist ebenso wenig wie eine hohe Zitationsraten oder ein hoher er IF ein Qualitätskriterium. Entscheidend ist aber, ob eine wissenschaftliche Arbeit verfügbar ist oder nicht.