Positionspapier Obsorge



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Transkript:

Positionspapier Obsorge Juli 2012 Liechtensteinstr. 57 2 Tel. + 43 1 214 44 99 www.bjv.at Austria 1090 Wien Fax + 43 1 214 44 99-10 office@bjv.at ZVR-Zahl 902252246

Inhaltsverzeichnis 1. Präambel... 3 2. Situationsanalyse... 3 2.1 Definition Eltern und Kinder in der Familie. Familien in Zahlen... 3 2.2 Kinder getrennter Eltern... 4 2.3 Obsorge... 4 2.4 Kindeswohl... 4 3. Argumente und Forderungen... 5 3.1 Verpflichtender Papa-Monat... 6 3.2 Bei der Obsorge beide Elternteile gleichermaßen in Erwägung ziehen... 6 3.3 Obsorge und Besuchsregelung... 7 Gemeinsame Obsorge... 7 Besuchsregelung... 8 Modell Doppelresidenz... 8 Schlichtungsstellen... 9 4. Quellen und weiterführende Literatur... 10 2 10

1. Präambel Derzeit wird auf ministerieller Ebene an einer Gesetzesnovelle des Familienrechts, insbesondere in den Bereichen Obsorge, Besuchs- und Namensrecht gearbeitet. Anlass für die Reform war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte 1, das Vätern von unehelich geborenen Kindern das Recht auf einen Antrag auf Sorgerechtzugesprochen hat. Für die Bundesjugendvertretung (BJV) geht es bei ihren Forderungen immer darum, dass die Rahmenbedingungen für alle Kinder und Jugendlichen in Österreich nachhaltig verbessert werden. In der Diskussion über das Kindschaftsrechts- Änderungsgesetz stellen wir daher das Wohl des Kindes und seine Bedürfnisse in den Vordergrund. Wir wollen mit diesem Positionspapier Ansätze und Maßnahmen aufzeigen, welche bei der Neugestaltung des Familienrechts die Familien während und nach der Umbruchsphase (Scheidung, Trennung) nachhaltig unterstützen können. 2. Situationsanalyse 2.1 Definition Eltern und Kinder in der Familie. Familien in Zahlen Nach dem Kernfamilien-Konzept der Vereinten Nationen bilden Ehepaare und Lebensgemeinschaften mit oder ohne Kinder bzw. Elternteile mit Kindern (Ein-Eltern- Familien) eine Familie. Kinder sind alle mit ihren beiden Eltern oder einem Elternteil im selben Haushalt lebenden leiblichen, Stief- und Adoptivkinder, die ohne eigene Partner im Haushalt leben und selbst noch keine Kinder haben ohne Rücksicht auf ihr Alter 2. 2011 gab es in Österreich insgesamt 2.342.300 Familien, 60 Prozent davon mit Kindern. Die Familienformen haben sich im Wandel der Zeit verändert und die Zahl der neuen Familienformen (Patchworkfamilien, Lebensgemeinschaften und Ein- Eltern-Familien) nahm in den letzten Dekaden kontinuierlich zu. Wohnten 1985 erst 73.000 unverheiratete Paare in einem gemeinsamen Haushalt (37,6 Prozent davon mit Kindern), so waren es 2011 schon rund 338.000 Lebensgemeinschaften (davon 43,2 Prozent mit Kindern). 2011 gab es 107.400 Ein-Eltern-Familien mit Kindern unter 15 Jahren (100.000 Mütter und 7.400 Väter) sowie 83.600 Patchworkfamilien. 1 Vgl. Bundeskanzleramt Rechtsinformationssystem: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Fall Sporer gegen Österreich, 2011. 2 Vgl. Statistik Austria: Statistiken zu Ehescheidungen 3 10

2.2 Kinder getrennter Eltern Jährlich sind ca. 20.000 Kinder und Jugendliche von der Scheidung (bzw. Trennung) ihrer Eltern betroffen, die Statistik erfasst nicht jene Kinder und Jugendliche, deren Eltern unverheiratet waren. In ca. 90 Prozent aller Scheidungen wird die Obsorge einvernehmlich vereinbart, in der Regel entscheidet sich ca. die Hälfte aller Paare für die gemeinsame Obsorge. Nur bei ca. 1.200 Fällen kann keine Einigung getroffen werden 3. 2.3 Obsorge Laut dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch bedeutet Obsorge, dass die Eltern das Kind zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten sowie das Kind in allen anderen Angelegenheiten zu vertreten haben 4. 2.4 Kindeswohl In der Debatte rund um die Obsorge wird das Wohl des Kindes als Hauptargument von allen Beteiligten verwendet. Das Kindeswohl ist jedoch ein sehr interpretationsbedürftiger Begriff. Wir beziehen uns auf die von Univ.Prof.in Springer- Kremser vorgeschlagene Definition des Kindeswohls und fordern, diese zur Gänze in einen Familienrechts- Gesetzestext zu übernehmen: In allen Angelegenheiten, die die Obsorge oder den persönlichen Verkehr betreffen, ist das Wohl des minderjährigen Kindes entsprechend seinem kognitiven und emotionalen Entwicklungsstand (Kindeswohl) als oberster Gesichtspunkt in Betracht zu ziehen und bestmöglich zu gewährleisten. Bei der Beurteilung und Sicherung des Kindeswohls sind insbesondere folgende Kriterien im Einzelnen zu berücksichtigen. 1. die Bedürfnisse, Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und kognitiven Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes (Förder- und Förderungsprinzip); 2. die Angewiesenheit des Kindes auf Pflege, angemessene Versorgung und eine sorgfältige Erziehung (Prinzip der Erziehungsfähigkeit der Eltern); 3. die Angewiesenheit des Kindes auf Unterhalt; 4. das Bedürfnis des Kindes nach stabiler emotionaler Zuwendung und sicheren Bindungen (Prinzip der Beziehungsqualität und Bindungssicherheit); 5. den Anspruch des Kindes, keinen Loyalitätskonflikten oder Schuldgefühlen ausgesetzt zu sein; 3 Vgl. Statistik Austria: Statistiken zu Familien 4 Vgl. Bundeskanzleramt Rechtsinformationssystem: Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, 144 4 10

6. die Meinung und der Wille des Kindes in Abhängigkeit von dessen Verständnis und der Fähigkeit zur Meinungsbildung (Prinzip der Selbstbestimmung); 7. die Angewiesenheit des Kindes auf körperliche und seelische Sicherheit; 8. das Risiko für das Kind oder für seine Familienmitglieder, körperlicher, sexueller oder seelischer Gewalt, einschließlich miterlebter Gewalt oder sonstigen Übergriffen ausgesetzt, entführt oder festgehalten zu werdenden oder sonst zu Schaden zu kommen 5. 3. Argumente und Forderungen Aus unserer Sicht darf eine neue Obsorge-Regelung nicht als isolierte Maßnahme betrachtet werden. Sie kann im besten Fall als ein Baustein einer vollständigen Familienrechtsreform, die aktuelle gesellschaftliche Gegebenheiten berücksichtigt, gesehen werden. Es ist daher besonders wichtig, die Bedürfnisse verschiedener Familien zu schützen und ihren Mitgliedern gewisse Rechte und Pflichten, die im Alltag erforderlich sind, einzuräumen. Dabei ist es uns besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass Gesetze besonders für jene gemacht werden müssen, die sie auch brauchen. Im Fall der Familienrechtsänderung ist es uns deshalb ein Anliegen, dass die Probleme, mit denen Kinder während konfliktreicher Trennungen konfrontiert sind, im Zentrum stehen und den Betroffenen bestmögliche Unterstützung durch das Gesetz garantiert wird. Es gilt auch, realistisch zu bleiben und nicht ausschließlich davon auszugehen, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse in allen Bereichen insbesondere in Fragen des Familienlebens und der Verteilung von Pflegeaufgaben zwischen Männern und Frauen durchwegs positiv verändert haben. Viele Probleme, mit denen Paare konfrontiert sind, sind noch immer dieselben wie schon vor Jahrzehnten, für die Möglichkeiten zur völlig gleichberechtigten Kindererziehung und -betreuung fehlen noch immer die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Unseres Erachtens müssen das Wohl des Kindes, seine Bedürfnisse und Wünsche stets im Mittelpunkt jeglicher Entscheidung stehen. Die nachfolgenden Forderungen fassen unsere wichtigsten Forderungen zum Thema Obsorge und Besuchsrecht zusammen. 5 Zitiert nach Univ.Prof.in Marianne Springer-Kremser. Diese Definition wurde gewählt, da sie auch den Diskussionen über den derzeit vorliegenden Gesetzesentwurf zu Grunde liegt. Die Definition stammt aus der Sitzung der Arbeitsgruppe "Obsorge- und Besuchsrecht" am 30. Jänner 2012. 5 10

3.1 Verpflichtender Papa-Monat Kindererziehung scheint noch immer Frauensache zu sein, was im Falle einer Scheidung/Trennung besonders deutlich wird. Immerhin sind 92Prozent (105.700) der AlleinerzieherInnen in Österreich Frauen 6. Eine gerechte Aufteilung der Erziehungsarbeit zwischen Männern und Frauen soll daher ein Grundsatz moderner Familienpolitik werden. Es sollen daher gute Rahmenbedingungen für Väter geschaffen werden, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Daher fordern wir: [ ] einen verpflichtenden Vaterschutzmonat, bei dem der jeweilige Vater analog zu den gesetzlichen Regelungen für den Mutterschutz für einen Monat nicht arbeiten darf, jedoch bei voller Bezahlung. Dadurch wird die Hemmschwelle für Männer, überhaupt in Karenz zu gehen, niedriger und auch ArbeitgeberInnen werden Frauen nicht von vornherein bei Karrieresprüngen ablehnen, weil diese im Fall einer Schwangerschaft dem Mutterschutz unterliegen. Bei Männern wäre dies beim verpflichtenden Vaterschutzmonat, wenn auch für einen kürzeren Zeitraum, ebenfalls möglich 7. Durch den Papa-Monat wird Vätern die Möglichkeit gegeben, eine engere Beziehung zu ihren Kindern von Anfang an aufzubauen und sich aktiver in die Erziehung ihrer Kinder einzubringen. Das Modell soll so gestaltet sein, dass ein Rechtsanspruch für Väter garantiert wird. Darüber hinaus sollen ausreichend Anreize geschaffen werden, sodass Väter zusätzlich auch Karenz in Anspruch nehmen. Die Finanzierung dieses Papa-Monats wäre sichergestellt, wenn ein Monat des Kindergeldbezugs nach vorne gezogen wird. Dabei sollte der Vater parallel zum Wochengeld der Mutter schon das Kinderbetreuungsgeld beziehen können. 3.2 Bei der Obsorge beide Elternteile gleichermaßen in Erwägung ziehen Im Sinne einer auf Gleichberechtigung der Geschlechter basierenden Familienpolitik sollen enge Bindung, Engagement und Pflichtbewusstsein beider Eltern in einem gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden. Dies soll dazu führen, dass die Obsorge im Falle einer alleinigen Obsorge tatsächlich derjenigen Person zugesprochen wird, die sich bestmöglich um das Kind kümmert. Es muss daher dringend eine Sensibilisierungsoffensive bei den RichterInnen durchgeführt werden, die darauf abzielt, ihnen ein neues Familienbild und alternative gesellschaftliche Rollenzuschreibungen zu vermitteln. 6 Vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2009 7 Vgl. Bundesjugendvertretung, 2007 6 10

3.3 Obsorge und Besuchsregelung Es muss immer wieder aufgezeigt werden, dass Kinder eigene Wünsche und Bedürfnisse haben, die nicht ident sind mit denjenigen der Erwachsenen 8. Was Kinder brauchen oder wollen, ändert sich im Laufe ihrer Entwicklung die Berücksichtigung der sich ändernden Emotionen von Kindern in den Jahren ihres Heranwachsens, muss bei der Entscheidung über Obsorge und Besuchsregelung einen hohen Stellenwert haben. Kinder haben ein Recht auf beide Elternteile, sie haben aber keine Pflicht dazu, allen Forderungen oder Wünschen von Einzelpersonen gerecht zu werden, egal ob Mutter oder Vater. Gemeinsame Obsorge Im Trennungsfall sollen hinsichtlich der Obsorge-Regelung Lebensgemeinschaften der Ehe gleichgestellt werden. Beide Elternteile sollen nach Trennung oder Scheidung die Möglichkeit haben, einen Antrag auf gemeinsame Obsorge zu stellen. Das Kindeswohl soll im Zentrum der Diskussion rund um gemeinsame Obsorge stehen. Deshalb darf bei der richterlichen Entscheidung über die gemeinsame Obsorge keine Automatik herrschen. In jedem Fall ist vom Gericht zu prüfen, ob eine gemeinsame oder alleinige Obsorge eines Elternteils eher dem Kindeswohl entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kinder besonders nach einer Trennung der Eltern Stabilität und klare Verhältnisse brauchen. In Fällen häuslicher oder sexueller Gewalt ist mit besonderer Rücksicht auf das Kindeswohl eine Entscheidung zu setzen. Das Sehen und Erleben von Gewalthandlungen kann sich traumatisierend auf die kindliche Entwicklung auswirken. Wenn Kinder Gewalt gegen Frauen oder andere Familienmitglieder miterleben, muss das auch als Gewalt, von der die Kinder betroffen sind, gesehen werden. Kindesbedürfnisse und die kognitive und emotionale Entwicklung sollten beim Entscheidungsprozess altersgerecht miteinbezogen werden In besonders strittigen Fällen darf, ohne begleitende deeskalierende Maßnahmen, keine Entscheidung über gemeinsame Obsorge ausgesprochen werden. Grundsätzlich ist vom Gericht sicherzustellen, dass Beziehungskonflikte der Eltern nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Bei unehelichen Kindern sollte weiterhin die Mutter bei der Geburt die alleinige Obsorge erhalten. Die gemeinsame Obsorge kann jederzeit bei Gericht vereinbart und bei einer Trennung beibehalten werden. 8 Vgl. Kinder- und Jugendanwaltschaft, 2011, S. 1 7 10

Für Eltern, die vor der Geburt des Kindes keinen gemeinsamen Haushalt gegründet haben, soll es Beratungsmöglichkeiten geben, die die Komplexität der Obsorge erklären und sie bei der Entscheidung unterstützen. Die gemeinsame Obsorge wäre erst nach einer sechsmonatigen Nachdenkfrist zu vereinbaren. Im Allgemeinen fordert die BJV eine Informationskampagne seitens der zuständigen Ministerien zum Themenkomplex Obsorge und Besuchsrecht, um für alle Eltern und Erziehungsberechtigten zu garantieren, dass sie mit den geltenden Regeln vertraut sind. Besuchsregelung Kinder haben das Bedürfnis nach Sicherheit und verlässlichen Beziehungen 9. Für die kindliche Entwicklung ist die Möglichkeit zum regelmäßigen, störungsfreien Kontakt zu seinen Bezugspersonen (Eltern, Pflegeeltern, Stiefeltern, Großeltern) unabkömmlich. Bei der Obsorge- und Besuchsregelung soll daher dieser Aspekt im Mittelpunkt stehen. Die Besuchsregelung soll von beiden Eltern eingehalten werden. Bei Beziehungskonflikten, die über die Besuchsregelung ausgetragen werden, sollen Schlichtungsstellen miteinbezogen werden Die BJV versteht das Besuchsrecht als Recht des Kindes auf beide Eltern, aber nicht das Recht der Eltern auf ihr Kind. Die Bedürfnisse der Kinder können und dürfen sich im Laufe der Zeit auch ändern, Elternteile haben dies zu berücksichtigen und zu respektieren. Kinder müssen mitreden dürfen, ihr Wunsch nach Besuch soll gehört werden und sie müssen auch Nein sagen dürfen. Modell Doppelresidenz Das Modell der Doppelresidenz im neuen Familienrecht festzuschreiben, erachten wir nicht als sinnvoll. Unter Doppelresidenz ist zu verstehen, dass Kinder sowohl bei der Mutter als auch beim Vater leben und einem (von beiden Elternteilen festzulegenden) Rhythmus von einem zum anderen Elternteil wechseln. Es gibt jetzt schon Paare, die ihre Erziehungsaufgaben nach diesem Modell teilen, allerdings kann so etwas nur funktionieren, wenn sich die Eltern wirklich gut verstehen und gleichzeitig auch die finanziellen Ressourcen zur Verfügung haben. Kindern und ihren Eltern darf keine Doppelresidenz vom Gericht auferlegt werden, wenn ein Elternteil dagegen ist. Weiters muss die Frage aufgeworfen werden, welche Auswirkungen diese Form auf den Unterhalt für das Kind hätte wir sind der Meinung, dass der Unterhalt für das Kind in jedem Fall gesichert und gewährleistet werden muss. 9 Vgl. Kinder- und Jugendanwaltschaft, 2011, S. 3 8 10

Neben diesem Aspekt lässt der Gesetzesentwurf außerdem viele Fragen offen; die Einführung der Doppelresidenz hätte eine Reihe von weiteren Gesetzesänderungen zur Folge (z.b. Meldegesetz). ExpertInnen, die (auch) in Beratungen rund um den neuen Gesetzestext involviert waren, haben sich mehrheitlich gegen die Fixierung der Möglichkeit im neuen Familienrecht ausgesprochen. Im Sinne unserer Vorstellungen zum Kindeswohl und den schon angeführten Punkten zum neuen Gesetz spricht sich auch die BJV gegen die Verankerung der Doppelresidenz aus. Schlichtungsstellen Das Gesetz kann zwischenmenschliche Beziehungen nicht regeln, deshalb soll die Antragstellung auf gemeinsame Obsorge durch professionelle Beratung und, wenn notwendig, Mediation unterstützt werden. Die BJV unterstützt den Vorschlag der Kinder- und Jugendanwaltschaft 10, vom Gericht unabhängige Schlichtungsstellen einzurichten. Die Schlichtungsstellen sollen Eltern flächendeckend und kostenlos in der Trennung/Scheidung beraten und ihnen helfen, eine für alle Familienmitglieder vertretbare Lösung zu finden. Ein professionelles Team von BeraterInnen, KonfliktmanagerInnen und MediatorInnen soll die Familien bei der Konfliktklärung begleiten. Die Kosten, die im Fall einer notwendigen Mediation anfallen, dürfen nicht auf die Eltern abgewälzt werden, sondern müssen von den zuständigen Stellen getragen werden. 10 Vgl. Kinder- und Jugendanwaltschaft, 2010 9 10

4. Quellen und weiterführende Literatur Bundesjugendvertretung: Positionspapier Frauenpolitische Forderungen, 2007. Bundeskanzleramt Rechtsinformationssystem: Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), http://www.ris.bka.gv.at/geltendefassung.wxe?abfrage=bundesnormen&gesetzesnu mmer=10001622 [zuletzt aufgerufen: 24.06.2014] Bundeskanzleramt Rechtsinformationssystem: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte. Fall Sporer gegen Österreich. 3. Feber 2011. www.ris.bka.gv.at/dokument.wxe?abfrage=justiz&dokumentnummer=jjt_20110203 _AUSL000_000BSW35637_0300000_000 [zuletzt aufgerufen: 24.06.2014] Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz: Studie: Alleinerziehende in Österreich- Lebensbedingungen und Armutsrisiken, 2011. http://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/3/3/7/ch2170/cms13872661 16632/band7_-_alleinerziehende.pdf [zuletzt aufgerufen: 24.06.2014] Bundesministerium für Justiz, Arbeitsgruppe: Obsorge- und Besuchsrecht, 30. Jänner 2012 Kinder- und Jugendanwaltschaft: Positionspapier Kinder getrennter Eltern. 11. August 2011. www.kja.at/index.php/materialiend/positionspapiere/file/10-kindergetrennter-eltern [zuletzt aufgerufen: 24.06.2014] Kinder- und Jugendanwaltschaft: Presseaussendung Schlichtungsstellen. 17. August 2010. www.kija.at/images/stories/presse/aussergerichtliche_schlichtungsstelle.pdf [zuletzt aufgerufen: 24.06.2014] Statistik Austria: Statistiken zu Ehescheidungen. www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/scheidungen/index.html [zuletzt aufgerufen: 24.06.2014] Statistik Austria: Statistiken zu Familien. www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/haushalte_familien_lebensformen/f amilien/index.html [zuletzt aufgerufen: 24.06.2014] 10 10