Sandrippel Rhythmische Prozesse an der Grenze des Wassers zum Festen

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Transkript:

Sandrippel Rhythmische Prozesse an der Grenze des Wassers zum Festen Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der andern, Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz, Auf ein heiliges Rätsel. aus J. W. v. Goethe, Die Metamorphose der Pflanzen In rhythmischen Vorgängen offenbart sich das Leben des Menschen, der Tierund Pflanzenwelt, aber auch das der ganzen Erde. Im Bereich der unbelebten Natur vermitteln rhythmische Bewegungen und Formen den Eindruck einer gewissen Lebendigkeit und zeigen damit eine Verwandtschaft mit Lebensvorgängen. Formen und Gestalten werden in größter Vielfalt durch die Lebewesen hervorgebracht. Diese sind die Meister der Gestaltbildung und Verwandlung in der Natur. Treten Form schaffende Bewegungen im Bereich des Unbelebten auf, dann sind die Prozesse von besonderem Interesse, die solche Bewegungen hervorbringen. Die Bewegungen der Flüssigkeiten mit den ihnen eigenen Instabilitäten (siehe auch den Beitrag Instabilitäten in WASSERZEICHEN Nr. 8) besitzen besondere Möglichkeiten für das Entstehen von periodischen, rhythmischen Formen. Nicht nur die Wasseroberfläche ist zu vielgestaltigen Wellenbildungen fähig (WASSERZEICHEN Nr. 26), auch die Grenze der Flüssigkeit zum Festen hin bietet die Möglichkeit zu rhythmischen Bewegungen und Formen, wenn der Untergrund eine gewisse Gestaltbarkeit aufweist, wie beispielsweise feiner Sand. Sandrippel Wellenformen im Beweglich-Festen Sandboden wird von strömendem Wasser, aber auch vom Wind, zu wellenförmigen Erhebungen und Vertiefungen geformt, wenn die Strömung genügend stark ist. An Stränden sind sie häufig anzutreffen, auf Sandflächen, die zeitweise vom Wasser überflutet sind, aber auch auf dem sandigen Grund von nicht zu flachem Wasser: kleine, regelmäßige Hügel und Täler, wie Wasserwellen in die Sandoberfläche geformt. Man nennt sie Rippel oder Rippelmarken (in Anlehnung an das englische ripple marks ) oder auch Riffel und Riffelungen. Als bewegungslose Form vermitteln sie in ihrer Welligkeit immer noch einen Eindruck von der Wasserbewegung, durch die sie entstanden sind. In gleichmäßiger (stationärer) Strömung bilden sich die asymmetri- 23

Abb. 1: Strömungsrippel im zuvor überfluteten Sand, nachdem das Wasser abgelaufen ist: Form als Folgeerscheinung von Bewegung. schen Strömungsrippel, während bei rhythmisch wechselnder Strömung die symmetrischen Oszillationsrippel entstehen. Wellenrippel sind Oszillationsrippel, die durch Wellen der Wasseroberfläche hervorgerufen werden, wenn die Wassertiefe nicht zu gering und nicht zu groß ist, so dass eine genügend starke horizontale Wechselströmung am Boden zustandekommt. Für die Entstehung dieser Gebilde ist entscheidend, dass ein Prozess vorhanden ist, der die Tendenz hat, sich selbst zu verstärken. Die Strömung bringt, wenn sie eine bestimmte kritische Geschwindigkeit überschreitet, Sandkörner in Bewegung und reißt sie mit. Indem sich Körner an eine Erhebung anlagern, wird diese größer und bietet mehr Fläche für weitere Sandanlagerung (Instabilität durch positive Rückkopplung). Das Eigenartige dabei ist, dass die Form des Bodens die Strömung bestimmt, diese aber ihrerseits den Boden formt. Die Bewegung bewirkt die Form, die ihrerseits die Bewegung lenkt. Solche Wechselursachen-Verhältnisse sind typisch bei Lebensprozessen. Selbst im 24

Abb 2: Strömungsrippel entstehen, wenn Wasser gleichmäßig über feinen Sand strömt. Hier wurde die gleichmäßige Strömung durch eine rotierende Bewegung im Uhrzeigersinn im runden Gefäß verwirklicht. Um das zu erreichen, wurde außen, nahe der Gefäßwand, mit mäßiger Geschwindigkeit gerührt. Bereich des Unbelebten vermitteln sie immer noch einen ästhetischen Eindruck von Lebendigkeit. Strömungsrippel Material, Durchführung und Beobachtung In einem runden Gefäß (Topf oder Behälter mit ebenem Boden) von 15 bis 30 cm Durchmesser mit 5 bis 15 cm Wasserfüllung wird eine kleine Menge (mehrere Esslöffel) feiner Sand, beispielsweise Vogelsand, durch Rühren in kreisende Bewegung gebracht. Dabei kommt es darauf an, genügend lange und gleichmäßig zu rühren, denn der Vorgang der Rippelbildung kommt nur langsam in Gang. Rührt man mit einem Stab nahe der Wand und lässt dann die rotierende Flüssigkeit ohne Rühren weiterkreisen, lagert sich der zuerst aufgewühlte Sand zur Mitte hin ab und es formen sich kleine Erhebungen, die den Rand der Sandanhäufung gliedern. Die in der gleichmäßigen Strömung entstehenden Rippel sehen asymmetrisch aus mit einer flacheren Anströmund einer steileren Abströmseite. An der Orientierung der markanten Erhebungen ist zu erkennen, dass die kreisende Strömung in Bodennähe eine Tendenz zur Mitte des Gefäßes aufweist, wie man es beispielsweise auch in einer Teetasse (mit Teeblättchen) nach dem Umrühren beobachten kann. 25

Abb 3: Hier wurde mit geringerer Geschwindigkeit im Gegenuhrzeigersinn außen, nahe der Gefäßwand gerührt. Abb 4: Es wurde mit größerer Geschwindigkeit, sonst wie in Abb. 3 im Gegenuhrzeigersinn außen, nahe der Gefäßwand gerührt. Die Anzahl der Rippel, die den Umfang der Form gliedern, nimmt mit zunehmender Geschwindigkeit ab. Abb. 5: Strömungsrippel in der gleichmäßig kreisenden Strömung, von der Seite gesehen. Anströmrichtung von rechts. Der beim Aufstieg der Strömung (im Bild rechts) mitgerissene Sand gerät beim Abstieg in einen Wirbel (Mitte) und wird wieder abgelagert. Abb. 6: Rührt man in der Mitte des Gefäßes, entstehen gering ausgeprägte Rippel. Die Strömung ist in Wandnähe langsamer als im Bereich des Rührwerkzeugs und überschreitet nur weiter innen die kritische Geschwindigkeit, die nötig ist, um Sand mitzunehmen. 26

Oszillationsrippel Material, Durchführung und Beobachtung In einem etwa zur Hälfte mit Wasser gefüllten kastenförmigen Gefäß (Wanne, Kunststoffbehälter, Aquarium) wird feiner Sand, beispielsweise Vogelsand, so auf dem Boden verteilt, dass der Gefäßboden überall mit Sand bedeckt ist. Durch rhythmisches Hin- und Herbewegen des Beckens kann man Beckenschwingungen hervorrufen (WASSERZEICHEN 26 S. 29 f.). Sind diese genügend stark, dann formen sich am Boden allmählich Rippelmuster, deren Erhebungen symmetrisch geformt sind: Beide Seiten haben gleich großes Gefälle. Abb. 7: Oszillationsrippel, entstanden durch abwechselnd hin- und herbewegtes Wasser, was hier durch Beckenschwingungen (rhythmisches Hinund Herbewegen des ganzen Beckeninhalts) bewirkt worden ist. Die Erhebungen haben auf beiden Seiten ungefähr gleich große Abhänge. Die Entstehung der Strömungs- und Oszillationsrippel gilt unter Wissenschaftlern als noch nicht vollständig verstanden. Die physikalische Beschreibung der formbildenden Vorgänge ist sehr kompliziert und ganz verschieden von derjenigen bei Oberflächenwellen. Ungeachtet dessen zeigt sich im Bild der Rippel eine Verwandtschaft mit den gänzlich anders entstehenden Wellen. Hier wie dort stellt sich in der Wellenbewegung und im ruhigen Bild der Rippelformen ein Erlebnis von Lebendigkeit ein, das vom Rhythmus des periodischen Wechselspiels und besonders von der Variation des sich Wiederholenden getragen ist. Die Abweichungen vom perfekt Gleichförmigen, die lebendigen Unregelmäßigkeiten der Formen tragen wesentlich zu diesem Erlebnis bei. Bereits durch die Sinneswahrnehmung, durch das Anschauen solcher Formen und durch denkendes Hinzufügen der formschaffenden Bewegungen kann man sich in zarter Weise erfrischt und belebt fühlen. Es ist das Wasser selbst, das Leben vermittelt und das uns noch in seinen Werken etwas davon ahnen und erleben lässt. Michael Jacobi 27