Von der Hattie-Studie zur Unterrichtsdiagnostik. Tuyet Helmke Hanau, 20.02.2014



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Transkript:

Von der Hattie-Studie zur Unterrichtsdiagnostik Tuyet Helmke Hanau, 20.02.2014 Helmke 2013

Übersicht Die Hattie-Studie Allgemeine Botschaften Typen des Umgangs Missverständnisse Konsequenzen für Schule und Lehrerbildung

2009 (Englisch) 2013 (Deutsch) 2012 (Englisch) 2014 (Deutsch)

Klaus Zierer zur Hattie-Studie

Vier allgemeine Botschaften 1) Empirische Orientierung 2) Auf die Qualität kommt es an 3) Lehrperson als Regisseur 4) Feedback, Feedback, Feedback!

1) Empirische Orientierung Empirische Orientierung: Fokussierung auf nachweislich lernwirksame Prozesse ("What works?"), belastbare Daten, wissenschaftliches Fundament statt unbelegter Behauptungen, Ideologie, Heilslehren, Spekulation, Prophetie Lehrpersonen als Evaluatoren ihrer eigenen Wirkungen

2) Die Qualität zählt Es kommt auf Merkmale der Qualität an; auf das WIE, weniger auf das OB (Tiefenmerkmale) "Was zählt, sind weniger die Methoden an sich, sondern die Prinzipien des effektiven Lehrens und Lernens. (Hattie, 2013, S. 288) weniger wichtig: Strukturen, Methoden, Rahmenbedingungen (Oberfläche)

3) Lehrperson als Regisseur Aktive Rolle der Lehrkraft im Klassenzimmer: Lehrergesteuerter, aber die Schüler aktivierender und an ihren Lernvoraussetzungen anknüpfender Unterricht "Die Vorstellung, dass Schüler sich natürlicherweise entwickeln, wenn der Lehrer als ein Moderator lediglich Material und Gelegenheit gibt, ist zwar sympathisch. Leider aber gibt es wenig Evidenz, dass das funktioniert." (Hattie, 2013)

4) Feedback: keine Einbahnstraße Der Fehler, den ich machte, war, in Feedback etwas zu sehen, was die Lehrpersonen den Lernenden geben. Erst als ich entdeckt habe, dass Feedback besonders wirksam ist, wenn es der Lehrperson von den Lernenden gegeben wird, begann ich, es besser zu verstehen. (Hattie, 2013, S. 206)

Feedback vom zum Lehrer Schüler Lernen Einblicknahme in den Lernprozess und gezielte Rückmeldung an den Schüler Sichtbarmachung des eigenen Lernens durch mündliche Äußerungen, schriftliche Aufgaben, Portfolio u.a. Lehren Feedbackkonferenz, Abgleich von Selbst- u. Schülereinschätzung Schülerfeedback zum Unterricht

1. Ignorieren 2. Feiern Vier Typen des Umgangs mit der Hattie-Studie 3. Missverstehen 4. Kritisch reflektieren

Drei Missverständnisse 1. Missverständnis der Effektstärke 2. Verwechslung von Frontalunterricht und "Direkter Instruktion" 3. Engführung auf ein Bildungsziel

Missverständnis 1: Effektstärke Bei offenem Unterricht lernen die Schüler nichts, da d=0? Richtig: Offener Unterricht hat gegenüber normalem Unterricht keinen Mehrwert für die Schulleistung, ist per se weder besser noch schlechter (möglicherweise allerdings aufwändiger). Er könnte jedoch lernwirksam sein: bei guter Vor- und Nachbereitung, Einblicknahme in individuelle Lernprozesse, passgenauem Feedback, Evaluation des Ertrages

Individualisiertes Lernen: Bilanz Individualisierung ist zwar per se kaum lernwirksamer als traditioneller, nicht individualisierender Unterricht. Das spricht nicht gegen das Prinzip des individualisierten Lernens, sondern gegen die derzeitige Praxis Entscheidend ist die Qualität, das WIE (nicht das OB) Dosierung und Timing Hohe Lehrererwartungen Haltung und Engagement der Lehrperson Koppelung mit Tiefenmerkmalen der Unterrichtsqualität: lernförderliches Klima, kognitive Aktivierung, sichtbares Lernen Professioneller kollegialer Austausch über Lehren und Lernen

Missverständnis 2: Verwechslung von Frontalunterricht mit Direkter Instruktion

Elemente der Direkten Instruktion Prüfung der individuellen Lernvoraussetzungen (Diagnostik) Rückblick auf die vorangegangene Stunde Darstellende Stoffvermittlung Zeit für angeleitetes Üben mit Prüfung des individuellen Verstehens (Feedback) Monitoring des Lernprozesses mit korrigierenden Rückmeldungen (Feedback) Rückblick, Zusammenfassung und Kontrolle des Lernfortschritts

3) Keine Verabsolutierung des Zielkriteriums "fachliche Leistungen" Fachliche Kompetenzen, intelligentes Wissen (Weinert) Fachübergreifende Schlüsselkompetenzen Sprach- und Lesekompetenzen Lern- und Medienkompetenzen Soziale Kompetenzen Interkulturelle Kompetenzen Werte, Orientierungen, Einstellungen Franz E. Weinert

Vier Konsequenzen für Schulpraxis und Lehrerbildung 1) Konzentration auf Prinzipien wirksamen Lehrens und Lernens statt Fixierung auf Methoden 2) Entscheidend: Investitionen in die Kompetenz der Lehrer, in eine exzellente Lehrerbildung 3) Gelegenheiten für kriteriengeleiteten, evidenzbasierten Austausch über Unterricht und Lernfortschritte schaffen und geeignete Werkzeuge dafür zur Verfügung stellen 4) Lehren und Lernen sichtbar machen: Berücksichtigung der Schülerperspektive

Hattie: Feedback zum Unterricht Der wichtigste Aspekt besteht darin, im Klassenzimmer Situationen zu schaffen, in denen die Lehrpersonen mehr Feedback über ihren Unterrichtsstil erhalten können. (2013, S. 15)

Von der Hattie-Studie zur Unterrichtsdiagnostik

Wahrnehmung und Realität Wie gut kenne ich meinen Unterricht?

Wozu Unterrichtsdiagnostik? Ich war als Lehrer mein Leben lang im Blindflug ich wusste nie, wie gut oder schlecht der Unterricht war, es gab keine Daten. (Dubs, 2011)

Projekt DESI der KMK: Videostudie - 105 Klassen der 9. Jahrgangsstufe, alle Bundesländer, alle Schularten Interview mit den Lehrkräften direkt nach der videografierten Englischstunde "Wie viel Prozent der gesamten Sprechzeit der vergangenen Stunde haben Sie selbst ungefähr gesprochen?"

Prozent Sprechanteil: Selbsteinschätzung der Lehrperson 25 20 15 10 5 0 bis 20% 20-30% 30-40% 40-50% 50-60% 60-70% 70-80% über 80% Sprechanteil der Lehrkraft an der gesamten Sprechzeit

Prozent Sprechanteil: Geschätzte versus gemessene Zeit (Videografie) 40 35 Selbsteinschätzung tatsächlicher Anteil 30 25 20 15 10 5 0 bis 20% 20-30% 30-40% 40-50% 50-60% 60-70% 70-80% über 80%

Notwendigkeit einer Außensicht Selbsteinschätzungen reichen nicht aus Orientierung über Stärken und Schwächen: Voraussetzung für gezielte Weiterentwicklung des Unterrichts Andernfalls: Gefahr des Stocherns im Nebel Nötig: evidenzbasierte, empirisch fundierte Standortbestimmung, "fremder Blick"

Unterrichtsdiagnostik mit EMU-Instrument http://www.unterrichtsdiagnostik.info/ Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung

EMU im Auftrag der KMK entwickelt Adressaten: Schulpraxis, Lehreraus- und fortbildung, Schulaufsicht (Zielvereinbarungen) Selbsterklärend, modular aufgebaut Bietet eigene Gestaltungsmöglichkeiten kostenfrei, keine Registrierung o. PIN, kein Passwort Wird kontinuierlich verbessert und ergänzt Bietet Unterstützung und Support an Ist in mehreren Bundesländern in die reguläre Aus- und Fortbildung integriert

EMU umfasst Texte Fragebögen Software Foliensatz Video für Trainingszwecke Alles herunterladbar unter www.unterrichtsdiagnostik.info

Kernelemente von EMU Gegenstand: konkrete Unterrichtsstunde oder Unterrichtseinheit Kriteriengeleitete Beurteilung mit einem wissenschaftlich fundierten Verfahren Abgleich von Perspektiven Unterrichtende Lehrperson Hospitierende Lehrperson Klasse

EMU - zweischrittiges Vorgehen 1. Zerlegung des Unterrichts in einzelne Qualitätsmerkmale (Analyse) 2. Zusammenfügung des so erhaltenen Bildes in Gestalt eines Profils, das alle Qualitätsmerkmale umfasst (Synthese) Resultat: Ein ganzheitliches, aber differenziertes Bild des Unterrichts, das Stärken und Schwächen verdeutlicht

EMU - drei Perspektiven 1. Lehrersicht Vorteil: Möglichkeit, Hypothesen zu Prüfen; Kenntnisse über Klassenkontext Nachteil: Referenzeffekt und Arbeitsgedächnisbelastung 2. Kollegensicht Vorteil: uneingeschränkte Sich; wenige Arbeitsgedächnisbelastung Nachteil: keine Kenntnis über Klassenkontext 3. Schülersicht Vorteil: Hinweis, wie der Unterricht bei denen ankommt; Kenntnis über Lehrer-Klasse-Kontext Nachteil: methodischer und didaktischer Verständniseffekt Die Vorteile werden bei EMU miteinander verknüpft

- Pädagogische - - - - Gegenstandsbereiche der Diagnostik LEHRPERSON Professionswissen und Kompetenzen in den Bereichen Unterrichten Diagnostizieren Erziehen Beraten Innovieren Orientierungen, Erwartungen, Einstellungen UNTERRICHT (Angebot) Qualität der Unterrichtsprozesse Qualität des Lehr- Lern-Materials Unterrichtszeit: Lerngelegenheiten Wahrnehmung und Interpretation Zusammensetzung der Klasse hinsichtlich Vorkenntnisse, Herkunftssprache, Intelligenz, Lernmotivation sozialer, selbstregulativer, interkultureller Kompetenzen LERNAKTIVITÄTEN (Nutzung) Aktive Lernzeit im Unterricht Außerschulische Lernaktivitäten WIRKUNGEN (Ertrag) Fachliche und fachübergreifende Kompetenzen Diagnostik eigenen Wissens und eigener Kompetenzen der Qualität und Quantität des eigenen Unterrichts der Unterrichtswahrnehmung der Lernbedingungen und Lernprozesse der Lernergebnisse ( Kompetenzdiagnostik )

Fachübergreifende Merkmale der Unterrichtsqualität 1. Effiziente Klassenführung 2. Klarheit, Strukturiertheit 3. Konsolidierung, Sicherung 4. Aktivierung 5. Motivierung 6. Lernförderliches Unterrichtsklima 7. Schülerorientierung 8. Kompetenzorientierung 9. Umgang mit Heterogenität 10. Angebotsvielfalt

Hattie: Vier wirkungsmächtige Faktorenbündel Kognitive Aktivierung: Anspruchsvolle Aufgaben, hohe Erwartungen, reziprokes Lehren und Lernen, Lernstrategien, Kooperatives Lernen Klarheit, Strukturiertheit, aktive Lehrerrolle, effiziente Klassenführung Lernförderliches motivierendes Unterrichtsklima: Positive Lehrer-Schüler-Beziehung, Fehlertoleranz, Respekt und Wertschätzung, Motivation und Selbstvertrauen Feedback: das Lernen sichtbar machen; sich in die Perspektive der Schüler/innen versetzen, formative Evaluation, Tests mit Feedback

Basisbereich (Identische Items für alle drei Perspektiven) Fächerübergreifende Merkmale der Prozessqualität Klassenführung Klarheit/ Strukturierung Lernförderliches Klima u. Motivierung Aktivierung

Beispielitem, Bereich "Lernförderliches Klima" Unterrichtende Lehrperson Hospitierende Lehrperson Wenn ich eine Frage gestellt habe, hatten die Schüler/innen ausreichend Zeit zum Nachdenken Wenn die Kollegin eine Frage gestellt hat, hatten die Schüler/innen ausreichend Zeit zum Nachdenken Schülerfragebogen Wenn die Lehrerin eine Frage gestellt hat, hatte ich ausreichend Zeit zum Nachdenken

Lernförderliches Klima und Motivierung Mit Schülerbeiträgen ist die Kollegin wertschätzend umgegangen Die Kollegin war freundlich zu den Schülern/innen Die Kollegin hat die Schüler/innen ausreden lassen, wenn sie dran waren Wenn die Kollegin eine Frage gestellt hat, hatten die Schüler/innen ausreichend Zeit zum Nachdenken Die Kollegin hat auflockernde Bemerkungen gemacht Die Kollegin hat die Schüler/innen für Beiträge zum Unterricht angemessen gelobt

Bereich Bilanz Lehrperson Ich habe die Lernziele dieser Unterrichtsstunde erreicht Schüler/innen Ich habe in dieser Unterrichtsstunde etwas gelernt Im Hinblick auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schüler/innen war das Unterrichtsangebot angemessen Der Unterrichtsstoff war für mich viel zu leicht eher zu leicht gerade richtig eher zu schwer viel zu schwer

Zusatzbereiche Verwendung des EMU-Itempools, z.b. Umgang mit Vielfalt Lehrersprache Kognitive Aktivierung Kooperatives Lernen: Qualität von Gruppenarbeit Orientierung an den Bildungsstandards Nutzung anderer Unterrichtsbeobachtungsbögen Entwicklung eigener Items!

Schülerfragebogen zur Qualität der Gruppenarbeit (40 Items) Vorgaben Zeitnutzung Regeln Kooperation Arbeitsklima, Feedback Präsentation, Diskussion Bilanz

Lehrerfragebogen zur Kognitiven Aktivierung (43 Items) Visualisieren Reduzieren Elaborieren, Reflektieren Korrigieren, Evaluieren Recherchieren Selbststeuern

Fachspezifische Schülerfragebögen https://www.sep.isq-bb.de/unterricht/fragebogensekundar.html

Modulare Architektur

Modulare Anwendung: nur Logbuch Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Lehrer Kollege Schüler Lehrer Kollege Schüler Klassenführung Klarheit und Strukturiertheit Lernförderliches Klima, Motivierung X X X Aktivierung Bilanz Zusatzbereich X X X

Modulare Anwendung: Kollegiales Feedback Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Lehrer Kollege Schüler Lehrer Kollege Schüler Klassenführung x x Klarheit und Strukturiertheit x x Lernförderliches Klima, Motivierung x x Aktivierung x x Bilanz x x Zusatzbereich x x

Modulare Anwendung: Schülerfeedback Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Lehrer Kollege Schüler Lehrer Kollege Schüler Klassenführung Klarheit und Strukturiertheit Lernförderliches Klima, Motivierung x x Aktivierung Bilanz Zusatzbereich

Modulare Anwendung: Veränderung Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Lehrer Kollege Schüler Lehrer Kollege Schüler Klassenführung x x x x x x Klarheit und Strukturiertheit x x x x x x Lernförderliches Klima, Motivierung x x x x x x Aktivierung x x x x x x Bilanz x x x x x x Zusatzbereich x x x x x x

EMU in der Schulpraxis

Einstieg: Infoveranstaltung

Kickoff-Veranstaltung in der Schule (Pädagogischer Tag, Studientag, SchiLF, Projekttag) Einführung (Kollege, Gast, Experte) Unterrichtsvideo zeigen Liste Bearbeitung des Beobachtungsbogens (oder eines Teiles davon) Pause: Dateneingabe Austausch, Reflexion in Tandems/Gruppen Datenbasierte Diskussion im Plenum

Programmoberfläche bei einer Unterrichtsanalyse im Team

Visualisierung der Ergebnis

Unterrichtsanalyse im Team: Verteilung

Unterrichtsanalyse im Team: Durchschnittsprofil

Wo sind Stärken und Schwächen? ERSTE ERHEBUNG Verteilung der Antworten Gruppenprofil Mein Profil 1:stimme nicht zu / 2: stimme eher nicht zu 3: stimme eher zu / 4: stimme zu Klassenführung 1 2 3 4 N 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 1 Der Unterricht hat pünktlich begonnen 7 17 2 Die Klassenregeln waren den Schüler/innen klar 21 3 Die Schüler/innen konnten ungestört arbeiten 22 4 Den Schüler/innen war im Laufe der Unterrichtsstunde jederzeit klar, was sie tun sollten 5 Die gesamte Unterrichtsstunde wurde für den Lernstoff verwendet 21 0 0 0 0 0 0 4 8 0 1 4 15 11 8 10 17 3 3 12 22 Lernförderliches Klima und Motivierung 1 2 3 4 N 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 10 9 6 Mit Schülerbeiträgen ist die Lehrperson wertschätzend umgegangen 22 7 Die Lehrperson war freundlich zu den Schülern/innen 22 8 Die Lehrperson hat die Schüler/innen ausreden lassen, wenn sie dran waren 21 0 0 2 0 1 16 3 4 9 11 9 Wenn die Lehrperson eine Frage gestellt hat, hatten die Schüler/innen ausreichend Zeit zum Nachdenken 2 7 11 0 20 10 10 Die Lehrperson hat auflockernde Bemerkungen gemacht 22 4 4 4 11 Die Lehrperson hat die Schüler/innen für Beiträge zum Unterricht angemessen gelobt 5 22 12 5 0 Klarheit und Strukturiertheit 1 2 3 4 N 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 6 12 Die Lehrperson hat klar auf früher unterrichteten Stoff hingewiesen 3 21 12 0 13 Es gab anschauliche Beispiele 4 22 7 8 3 14 Die wichtigsten Punkte wurden zusammengefasst 22 14 15 Die Lehrperson hat darauf geachtet, dass die Schüler/innen sich klar ausdrücken 8 22 16 Den Schüler/innen war klar, was sie in dieser Stunde lernen sollten 8 22 16 2 5 12 1 0 0 0 0

Wo sind Stärken und Schwächen? ERSTE ERHEBUNG Verteilung der Antworten Gruppenprofil Mein Profil 1:stimme nicht zu / 2: stimme eher nicht zu 3: stimme eher zu / 4: stimme zu Klassenführung 1 2 3 4 N 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 1 Der Unterricht hat pünktlich begonnen 7 17 2 Die Klassenregeln waren den Schüler/innen klar 21 3 Die Schüler/innen konnten ungestört arbeiten 22 4 Den Schüler/innen war im Laufe der Unterrichtsstunde jederzeit klar, was sie tun sollten 5 Die gesamte Unterrichtsstunde wurde für den Lernstoff verwendet 21 0 0 0 0 0 0 4 8 0 1 4 15 11 8 10 17 3 3 12 22 Lernförderliches Klima und Motivierung 1 2 3 4 N 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 10 9 6 Mit Schülerbeiträgen ist die Lehrperson wertschätzend umgegangen 22 7 Die Lehrperson war freundlich zu den Schülern/innen 22 8 Die Lehrperson hat die Schüler/innen ausreden lassen, wenn sie dran waren 21 0 0 2 0 1 16 3 4 9 11 9 Wenn die Lehrperson eine Frage gestellt hat, hatten die Schüler/innen ausreichend Zeit zum Nachdenken 2 7 11 0 20 10 10 Die Lehrperson hat auflockernde Bemerkungen gemacht 22 4 4 4 11 Die Lehrperson hat die Schüler/innen für Beiträge zum Unterricht angemessen gelobt 5 22 12 5 0 Klarheit und Strukturiertheit 1 2 3 4 N 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 6 12 Die Lehrperson hat klar auf früher unterrichteten Stoff hingewiesen 3 21 12 0 13 Es gab anschauliche Beispiele 4 22 7 8 3 14 Die wichtigsten Punkte wurden zusammengefasst 22 14 15 Die Lehrperson hat darauf geachtet, dass die Schüler/innen sich klar ausdrücken 8 22 16 Den Schüler/innen war klar, was sie in dieser Stunde lernen sollten 8 22 16 2 5 12 1 0 0 0 0

Unterrichtsanalyse im Team: Antwortverteilung Wo gibt es Konsens, wo Dissens und warum? Bewusst- und Explizitmachung subjektiver, impliziter Theorien Herstellung eines gemeinsamen Merkmalsverständnisses

Unterrichtsanalyse im Team: Antwortverteilung Wo gibt es Konsens, wo Dissens und warum? Kategoriengeleitete/r Unterrichtsreflexion/Austausch

Unterrichtsanalyse im Team: Durchschnittsprofil versus Individualprofil Leitfragen zur Interpretation der Ergebnisse Katalysator für die Reflexion eigener subjektiver Theorien

Individualfeedback

Warum Individualfeedback? Erweiterung des eigenen Verhaltensrepertoires durch Beobachtungslernen Chance für Erprobung neuer Methoden im bewertungsfreien Raum mit Feedback Bewusstmachung eingefahrener Routinen, Öffnung subjektiver Theorien Stärkung von Gesundheit und Berufszufriedenheit durch Erfahrung von Austausch und Unterstützung Vertiefung der kollegialen Kooperation und Professionalisierung durch kriteriengeleitete und evidenzbasierte Reflexion über Unterricht

Möglichkeiten der Professionalisierung Feedback erhalten und geben im beurteilungsfreien Raum: Aufbau einer professionellen Unterrichtsbeobachtungsund -bewertungskompetenz Weiterentwicklung der Planungs-, Durchführungs- und Reflexionskompetenz Verbesserung der kommunikativen Kompetenz im Hinblick auf kollegiale Beratung und Teamarbeit Sensibilisierung für Heterogenität Aufbau einer Haltung Team statt Einzelkämpfer Ist-Standbestimmung

Hattie (2013) zur evidenzbasierten Unterrichtsreflexion im Team Begegnungen unter Lehrpersonen: Hier diskutieren, bewerten und planen sie ihren Unterricht im Licht der Feedback-Evidenz.. Dies ist nicht (nur) kritische Reflexion, sondern kritische Reflexion im Licht der Evidenz, also im Licht empirischer Belege zu ihrem Unterricht (S.281)

Vorbereitung Mit Regeln des Gebens und Nehmens von Feedback vertraut machen (siehe: http://www.unterrichtsdiagnostik.de/video) Tandempartner/in suchen (freiwillig) Lesen der relevanten Texte Materialen vorbereiten, Zeitpunkte für die Hospitationen festlegen

Ablauf der Hospitation Wechselseitiges Hospitieren der Tandempartner, anschließend Bearbeitung der Fragebögen:

Punkte für das Reflexionsgespräch Wie ist das Gesamtprofil beschaffen (positive und negative Ausprägungen)? Wo herrscht Konsens zwischen den Perspektiven, wo Dissens? Was könnten Gründe dafür sein? Wie sind die Schülerantworten verteilt? Wo zeigen sich Stärken und Schwächen?

Gesprächsanlass und dann? Diagnostik ist kein Selbstzweck es müssen zielgerichtete Maßnahmen folgen Standortbestimmung abgeleitete Konsequenzen Möglichkeiten der Maßnahmen je nach Sachlage und Ressourcen Der wechselseitige Austausch über Unterricht im Rahmen von Hospitationen ist selbst bereits eine der effektivsten Lernformen in der Lehrerbildung und -fortbildung

Schülerfeedback

Hattie: Die Sichtweise der Schüler ist entscheidend Es kommt nicht so sehr darauf an, ob Lehrpersonen exzellent sind oder von ihren Kolleginnen und Kollegen als exzellent eingeschätzt werden, sondern ob sie von ihren Lernenden für exzellent gehalten werden. Es sind die Lernenden, die in den Klassen sitzen und merken, ob ihre Lehrperson das Lernen mit ihren Augen sieht und ob die Qualität der Beziehung förderlich ist. (2013, S. 139)

Schülerfeedback Gibt Hinweise auf Stärken und Schwächen des Unterrichts Hilft zu erkennen, wie Unterricht ankommt Ist Ausdruck der Wertschätzung der Lernenden Lässt Schüler Partizipation erfahren Sensibilisiert für Heterogenität in der Klasse Das Schülerfeedback ist selbst eine Maßnahme der Unterrichtsentwicklung

Abgleich Lehrer-Schülerperspektive Schülerprofil Lehrerprofil

Triangulation Schüler Kollegen Lehrer

Wenn man die Brille der Lehrperson so ändern kann, dass sie das Lernen mit den Augen ihrer Lernenden sieht, wäre das schon mal ein exzellenter Anfang (Hattie, 2013, S. 298)

Systematische und kontinuierliche Unterrichtsentwicklung

Dreischritt Diagnose Schülerfeedback, Unterrichtsbeobachtung, kollegiales Feedback durch Hospitation Intervention, Maßnahme, Unterrichtsentwicklung Fortbildung, Training, Microteaching, Lerngemein-schaften, "Lesson study", Qualitätszirkel, Lernen von guten Beispielen u.a. Evaluation Wiederholung der Diagnose, um Veränderungen zu erfassen

Veränderungsmessung

Praxis der Unterrichtsdiagnostik

Beurteilung einer Unterrichtsvideosequenz 1. Beobachten Sie die Videosequenz möglichst aufmerksam und genau. 2. Beurteilen Sie anschließend die Videosequenz anhand des Fragebogens in EINZELARBEIT.

Zur Vertiefung