Zusammenfassung zum Referat: Einfluss der Zeitperspektive auf Entscheidungen -Construal Level Theory-



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Transkript:

Professur Wirtschafts-, Organisations- und Sozialpsychologie SS 2007 Zusammenfassung zum Referat: Einfluss der Zeitperspektive auf Entscheidungen -Construal Level Theory- Alexander Zill Vorgelegt im Rahmen des Seminars Urteilen und Entscheiden im sozialen Kontext Leiter der Lehrveranstaltung: Dipl.-Psych. Anna Steidle Tag der Abgabe: 22.07.2007 Kontakt: Alexander Zill ale.zil.@gmx.de

Einfluss der Zeitperspektive auf Entscheidungen 1 Einleitung Entscheidungen spielen in unserem Leben eine große Rolle. Jeden Tag treffen wir unzählige von ihnen, die uns mehr oder weniger bewusst sind. Wenn wir zum Beispiel an einen Unfallort eintreffen, müssen wir relativ schnell entscheiden, ob wir den Verletzten helfen oder weiterfahren. Ein weiteres Beispiel wäre eine Vorstandssitzung in einem Unternehmen, wo man sich für eine von drei möglichen Werbestrategien entscheiden müsste. Doch was ist überhaupt eine Entscheidung? Es handelt sich hierbei um Situationen, in denen sich eine Person zwischen mindestens zwei Optionen mehr oder weniger überlegt, konfliktbewusst, abwägend und zielorientiert, entscheiden muss. Entscheidungssituationen können sich dabei in vielerlei Hinsicht von einander abheben, zum einen ob Objekte (Medikamente, Wohnungen) oder Handlungen (Anweisungen an eine Person, Helfen bei einem Unfall) im Mittelpunkt der Betrachtung stehen oder zum anderen können die Konsequenzen von Entscheidungen sicher oder unsicher sein (Jungermann, Pfister & Fischer, 1998). So vielfältig sich eine Entscheidungssituation gestalten kann, so verschiedenartig können auch die Einflüsse auf Entscheidungen sein. Je verfügbarer relevante Informationen zum Beispiel sind, desto größer der Einfluss Verfügbarkeitsheuristik (Stroebe, Jonas & Hewstone, 2002). Auch die Wahrnehmung sich auf die Entscheidung auswirken. Als Beispiel die Kontrollillusion beim Würfeln, indem man annimmt, dass langsames Würfeln zu niedrigen Zahlen führt und schnelles Würfeln zu einer hohen Zahl (Langer, 1975). Kontexteffekte bilden eine weitere Möglichkeit auf Entscheidungen einzuwirken. Ein Beispiel hierfür sind die Positionseffekte, bei denen vor allem Informationen des Beginns (Primacy- Effekt) und des Abschlusses (Recency-Effekt) eines Gespräches oder Textes am besten erinnert werden (Schwarz, Bless & Wänke, 1998). Von weiterer Relevanz der Wahrscheinlichkeitsschätzung eines Geschehnisses sind Hindsight Bias. Die Wahrscheinlichkeitsschätzung über ein bestimmtes Ereignis ist höher, wenn es stattgefunden hat, im Gegensatz zur Befragung der gleichen Personen vor dem Ereignis (Stroebe et al., 2002). Diese kleine Auswahl von Einflüssen auf Entscheidungen soll in der nachfolgenden Arbeit um die zeitliche Perspektive ergänzt werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung wird die Construal Level Theory von Liberman und Trope (2003) stehen. Aufbauend auf dem theoretischen Rahmen werden ausgewählte praktische Anwendungen aufgezeigt. In der Schlussbetrachtung werden die wichtigsten Aspekte des Einflusses der Zeitperspektive auf Entscheidungen noch Mal aufgegriffen.

Einfluss der Zeitperspektive auf Entscheidungen 2 1. Construal Level Theory (CLT) von Liberman & Trope Vorüberlegungen Menschen klassifizieren Objekte und Ereignisse in Kategorien. Diese Kategorisierung beinhaltet eine implizite Annahme über zentrale Bestandteile. Diese zentralen Bestandteile ermöglichen es verschiedene Objekte und Ereignisse in eine Kategorie einzuordnen, während die peripheren Bestandteile vernachlässigt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Kategorie Tisch. Wenn es um die Ähnlichkeit zu anderen Tischen geht, wird vor allem die Funktion eines Tisches ein zentrales Merkmal sein (etwas darauf abstellen) und nicht die Farbe, Größe oder Anzahl der Tischbeine. Umfassende Kategorien von Objekten, Handlungen und Ereignissen werden auch als Schema bezeichnet. Bei solchen Schemata gibt es natürlich individuelle Schwankungen was zentral und peripher ist, aber in der Regel bestehen große Übereinstimmungen innerhalb einer Kultur. Des Weiteren kennzeichnen diese meist eine hierarchische Struktur. Das heißt, dass Merkmale, welche in der Hierarchie eine hohe Repräsentation aufweisen, eher global, abstrakt und übergeordnet sind (bspw.: Thema einer Fachtagung) und Merkmale, mit einer niedrigen Repräsentation, lokal, situativ und untergeordnet sind (bspw.: Zeit, Pausen, Raumbelegung bei einer Fachtagung) (Liberman & Trope, 2003). CLT Liberman und Trope bezeichnen globale und abstrakte Konzepte als High-Level Konstrukte und lokale und untergeordnete als Low-Level Konstrukte. Beide gehen davon aus, dass menschliche Entscheidungen von der wahrgenommen psychologischen Distanz zum Objekt oder Ereignis abhängen und somit Einfluss auf die Aktivierung der Repräsentationsebene haben (Liberman & Trope, 2003). In der weiteren Betrachtung soll lediglich die zeitliche Distanz näher erläutert werden. Die Annahme von Liberman und Trope ist, dass dieselbe Information, wenn sie Objekte oder Ereignisse in der entfernten Zukunft betrifft, als High- Level Konstrukt analysiert wird. In zwei Studien (Libermann & Trope, 1998) untersuchten sie den Zusammenhang zwischen zeitlicher Distanz und dem Konstruktlevel. Im ersten Teil der Studie sollten sich die Versuchspersonen vorstellen, dass sie in eine neue Wohnung umziehen morgen oder nächste Jahr. Außerdem mussten sie eine Beschreibung dieser beiden Szenarien (morgen oder nächstes Jahr) vornehmen. Aus der inhaltlichen Analyse dieser Beschreibungen ging hervor, dass ein Umzug in einem Jahr High-Level repräsentiert wurde

Einfluss der Zeitperspektive auf Entscheidungen 3 (Neustart oder neuer Lebensabschnitt) und ein Umzug am nächsten Tag Low-Level repräsentiert wurde (einpacken oder tragen von Kartons). Im zweiten Teil der Studie wurden den Personen Aktivitäten präsentiert, an die sich zwei Umformulierungen anschlossen (High- Level oder Low-Level), wobei sie sich für eine entscheiden mussten. Ein Beispiel für solch eine Aktivität war eine Tür zu schließen. Die beiden Umformulierungen waren zum einen, Schlüssel in das Schlüsselloch stecken Low-Level und zum anderen das Haus sichern High-Level. Zusätzlich zu dieser Manipulation wurde noch die zeitliche Distanz variiert (morgen oder nächstes Jahr). Auch hier zeigte sich, dass High-Level Aussagen mehr in der Bedingung entfernte Zukunft (nächstes Jahr) gewählt wurden (Liberman & Trope, 1998). Aus diesen beiden Erkenntnissen scheint ein bidirektionaler Zusammenhang (s. Abbildung 1) zwischen zeitlicher Distanz und Level of Construal hervorzugehen. Die zeitliche Distanz beeinflusst die Bewertung von zukünftigen Ereignissen und die mentale Repräsentation zukünftiger Ereignisse wirkt sich auf die wahrgenommene zeitliche Distanz aus. Somit ist die Annahme von Liberman und Trope bestätigt. Je größer die wahrgenommene zeitliche Distanz ist, umso so wahrscheinlicher werden High-Level Merkmale eines Objektes oder Ereignisses präferiert (Liberman & Trope, 2003). Die nachfolgenden Abbildungen (s. Abbildung 1 und Abbildung 2) fassen die wichtigsten Aspekte der Construal Level Theory noch einmal zusammen. zeitliche Distanz nah vs. fern Construal Level Low vs. High Bewertung und Verhalten Abbildung 1: Bidirektionaler Zusammenhang mit Auswirkungen auf Bewertung & Verhalten. High-Level Low-Level nah fern Zeitliche Distanz Abbildung 2: Anstieg von High-Level & Low-Level Präferenzen in Abhängigkeit von der zeitlichen Distanz.

Einfluss der Zeitperspektive auf Entscheidungen 4 2. Praktische Anwendungen der CLT Dieser Teil der Arbeit beschäftigt sich zum einen damit, wie sich das Konstruktlevel im Zusammenhang mit der zeitlichen Distanz auf die Bewertung und das Verhalten auswirkt. Zum anderen wird aufgezeigt, wie sich High-Level und Low-Level Konstrukte gezielt einsetzen lassen, um eventuellen negativen Auswirkungen von Ereignissen vorzubeugen. Als Beispiel für den Einfluss von zeitlicher Distanz und Konstruktlevel auf die Bewertung und das Verhalten eignet sich Wahrscheinlichkeitseinschätzung und Auszahlungshöhe bei Gewinnspielen und Wetten. Die Auszahlungshöhe ist der entscheidende Aspekt, warum man eine Wette eingeht oder am Lotto teilnimmt High-Level. Wohingegen die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen ein untergeordnetes Ziel eines Gewinnspiels ist Low- Level. Hinzu kommt, dass eine Kontrolle der Wahrscheinlichkeit nicht möglich ist. Die CLT müsste vorhersagen, dass der Einfluss der Wahrscheinlichkeit bei einer Wette über die Zeit abnimmt, während der Einfluss der Auszahlungshöhe über die Zeit zunehmen sollte (Liberman & Trope, 2003). In einer Studie von Sagristano, Liberman & Trope (2002) wurde diese Vorhersage (s. Abbildung 3) bestätigt. Versuchspersonen sollten die Attraktivität einer Wette einschätzen und anschließend noch selbst Mitbieten. Variiert wurde die Wahrscheinlichkeit der Wette und der erwartete Nutzen (Auszahlung). Eine hohe Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, war mit einem niedrigen Nutzen gepaart (sichere Wette) und eine geringe Wahrscheinlichkeit mit einem hohen Nutzen gekoppelt (riskante Wette). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sichere Wetten in naher Zukunft und riskante Wetten in ferner Zukunft attraktiver eingeschätzt werden. Attraktivität 4,5 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,1 0,3 0,5 0,7 0,9 Wahrscheinlichkeit Nahe Zukunft Ferne Zukunft Abbildung 3: Ergebnisse aus der Studie von Sagristano, Liberman &Trope 2002 (in Anlehnung an Liberman &Trope 2003).

Einfluss der Zeitperspektive auf Entscheidungen 5 In weiteren Studien wurden die Versuchspersonen zu den Gründen ihrer Entscheidung bei Gewinnspielen befragt. Sie bestätigten die oben angesprochenen Ergebnisse. Sie verwenden mehr wahrscheinlichkeitsbezogene Gründe, wenn es sich um Wetten in der nahen Zukunft handelt, anstatt betragsbezogene Gründe (umgekehrt in der fernen Zukunft) (Liberman &Trope, 2003). Dieses Beispiel verdeutlicht, welchen Einfluss die Zeitperspektive und das Konstruktlevel auf Bewertungen und Verhalten haben. Wofür könnte nun eine Kontrolle von High-Level und Low-Level Konstrukten nützlich sein? Sie ermöglicht es bestimmte zeitliche Entscheidungsmuster zu verändern und somit eventuelle negative Folgen einer Entscheidung im Vorhinein zu verhindern (Liberman & Trope 2003). Denkt man an die Debatte um den Klimawandel so wird dort versucht, Dinge, die weit in der Zukunft liegen und somit abstrakt und unkonkret sind (High-Level), in eine nahe konkrete Perspektive zu versetzen (Low-Level). Mit Hochrechnungen und Simulationen versucht man, die konkreten Auswirkungen des Klimawandels aufzuzeigen. Da es sich aber dennoch um ein weit entferntes Ereignis handelt, ist mit diesem Perspektivenwechsel die Möglichkeit gegeben, Präventivmaßnahmen einzuleiten und die negativen Auswirkungen zu verhindern. Das Anwenden solcher mentaler Fragen über zukünftige Ereignisse hat zum Beispiel auch Vorteile in Prüfungen oder Bewerbungsgesprächen. Wenn man sich ein Bewerbungsgespräch im Vorhinein vorstellt, kann dies helfen beruhigter und besser vorbereitet in dieses Gespräch zu gehen, weil man abschätzen kann, was einen erwarten wird (Liberman & Trope, 2003). Ein Problem, welches auftreten kann, wenn man sich nicht mit mentalen Fragen über zukünftige Ereignisse beschäftigt, sind Planungsfehler. Das zentrale Kriterium für Planungsfehler ist, dass Zeitpläne zu optimistisch formuliert werden. Gründe hierfür sind die Vernachlässigung von Erfahrungswerten, möglicher Störvariablen und das Fehlen von Informationen bei zukünftigen Ereignissen. Ein Beispiel hierfür wäre das Schreiben einer Diplomarbeit und die geschätzte Dauer bis zur Abgabe. Studenten unterschätzen in der Regel die Zeitspanne für die Erstellung einer Diplomarbeit. Mögliche Störvariablen, wie Erkrankung oder aber das Ablehnen des Themas vom Betreuer werden unterschätzt. Die Erfahrung einer zu spät abgegeben Hausarbeit wird auf externale Ursachen zurückgeführt (Ablenkung durch Freunde). Außerdem fehlt es an konkreten Informationen zur schrittweisen Zielerreichung (Werth, 2004). Mentale Fragen ermöglichen es Low-Level Aspekte zukünftiger Ereignisse präsent zu machen und somit die Chance zu erhöhen negative Folgen (Planungsfehler) abzuwenden.

Einfluss der Zeitperspektive auf Entscheidungen 6 Schlussbetrachtung Es zeigt sich, dass neben den bereits in der Einleitung angesprochenen Einflussmöglichkeiten auf Entscheidungen auch die zeitliche Perspektive sich entscheidend auf unser Verhalten auswirkt. Die Construal Level Theory von Liberman und Trope eignet sich sehr gut zur Erklärung des Einflusses von zeitlicher Distanz und Konstruktlevel (High vs. Low) auf unsere Bewertungen und Verhaltensweisen. Die CLT geht davon aus, dass Menschen Objekte und Ereignisse in Kategorien klassifizieren. Umfassende Kategorien werden dabei als Schema bezeichnet. Die Merkmale dieser Schemata können eher abstrakt, global und übergeordnet sein (High-Level) oder aber situativ, lokal und untergeordnet (Low-Level). Nach der CLT müssten High-Level Merkmale eher Ereignisse in der entfernten Zukunft beschreiben und Low-Level Merkmale Ereignisse in der nahen Zukunft. In mehreren Studien wurde diese Vorhersage bestätigt und sogar ein bidirektionaler Zusammenhang zwischen zeitlicher Distanz und Konstruktlevel gefunden. Im zweiten Teil der Arbeit wurde gezeigt, dass die CLT von praktischer Bedeutung ist, wenn es um unsere täglichen Entscheidungen geht (Planungsfehler). Neuere Forschungen zeigen, dass die CLT auch auf andere psychologische Distanzen anwendbar ist, wie zum Beispiel die räumliche, soziale und hypothetische Distanz. Bei Untersuchungen zu diesen einzelnen Distanzen kam man auf die gleichen Ergebnisse, wie bei der zeitlichen Distanz. Zum Beispiel werden Orte, die eine hohe räumliche Distanz aufweisen eher mit globalen, abstrakten und übergeordneten Merkmalen (High-Level) beschrieben, als Orte die räumlich nah sind (Trope, Liberman & Wakslak, 2006). Doch wie stehen diese vier Dimensionen im Verhältnis zueinander? Welche Dimensionen dominieren bei gleichzeitiger Aktivierung? Dieser spannenden Forschungsfrage gilt es in den nächsten Jahren nachzugehen.

Einfluss der Zeitperspektive auf Entscheidungen 7 Literatur Jungermann, H., Pfister, H.-R., & Fischer, K. (1998). Die Psychologie der Entscheidung. Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Langer, E. J. (1975). The illusion of control. Journal of Personality and Social Psychology, Vol 32(2), 311-328. Liberman, N., & Trope, Y. (1998). The role of feasibility and desirability considerations in near and distant future decisions: A test of temporal construal theory. Journal of Personality and Social Psychology, 75, 5 18. Liberman, N., & Trope, Y. (2003). Construal level theory of intertemporal jugdment and decision. In G. Loewenstein, D. Read & R. Baumeister (Eds.), Time and decision: Economic and psychological perspectives on intertemporal choice (pp. 245-276). New York, NY, US: Russell Sage Foundation. Sagristano, M. D., Trope, Y.,& Liberman, N. (2002) Time-dependent gambling: Odds now, money later. Journal of Experimental Psychology: General, Vol 131(3), 364-376. Schwarz, N., Bless, H. &Wänke, M. (1998). Context Effects in Product Line Extentions: Context Is Not Destiny. Journal of Consumer Psychology, 7(4), 299-322. Stroebe, W., Jonas, K., & Hewstone, M. (Hrsg.) (2002). Sozialpsychologie: Eine Einführung. Berlin: Springer. Wakslak, C. J., Trope, Y., & Liberman, N. (2006). Seeing the Forest When Entry is Unlikely: Probability and the Mental Representation of Events. Journal of Experimental Psychology: General, 135, 641-653. Werth, L. (2004).Psychologie für die Wirtschaft. Grundlagen und Anwendungen. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.