Maßnahmen gegen Lärmbelastung am Arbeitsplatz Von Raumdämmung bis zur Gehörschutzausrüstung Autor: Peter Hammelbacher, BGHM Mehr als zwei Millionen Jahre vor unserer Zeit beginnt in der afrikanischen Savanne die Entwicklung des Menschen und seines Gehörs. Im Laufe von hunderttausenden Jahren passte sich unser Gehör evolutionsgeschichtlich optimal an Geräusche eben dieser Umgebung an. Sei es an das Windrauschen, ein Wasserplätschern, Rascheln oder auch Tierlaute. Um nicht im Schlaf von wilden Rautieren angefallen zu werden war es notwendig, dass unser Gehör und unser Gehirn nie schlafen. Daher kann uns unser Gehör im Gegensatz zu den Augen nachts vor unliebsamen Besuch warnen, weil unser Gehirn aus allen uns umgebenden Geräuschen (überlebens-)wichtige Informationen herausfiltert und bewertet. 24 Stunden täglich - ob wir wollen oder nicht. Zurück in der Gegenwart möchte ich Sie bitten, sich zu erinnern, was Sie im letzten Urlaub bei einem Waldspaziergang, einer Bergwanderung oder an einem einsamen Strand wahrgenommen und gehört haben. Auf eine solche natürliche Geräuschkulisse ist unser Gehör sozusagen geeicht. Doch ganz im Gegensatz dazu verhält es sich in unserer industrialisierten Welt, in der wir scheinbar permanent von Lärmquellen wie dem Auto, Motorrad, Flugzeug, der Eisenbahn oder auch vom Rasenmäher des Nachbarn umgeben sind. Viele Menschen denken daher, sich bereits daran gewöhnt zu haben. Doch Gewöhnung an Lärm? Die Wissenschaft zweifelt daran und kommt vermehrt zur Erkenntnis, dass eine Lärmgewöhnung nicht möglich sei. In der heutigen Arbeitswelt trifft unser Gehör auf eine viel umfangreichere Geräuschkulisse. Sie reicht vom relativ ruhigen Einzelbüroarbeitsplatz bis hin zu Arbeitsplätzen mit extrem starken Lärm. Wie es jeweils gelingen kann, auch in der unnatürlichen Arbeitswelt die Geräuschkulisse möglichst angenehm zu gestalten, zeigen Ihnen die nachstehenden, beispielhaften Erläuterungen. 1. Das Einzelbüro für die Chefin, den Chef (40 bis 50 db(a))
Ausgangslage: Hier soll es möglichst ruhig sein, denn konzentriertes Arbeiten und Nachdenken über weitreichende Entscheidungen benötigen ein störungsarmes Umfeld. - Möglichst keine Schallquellen im Büro, wie z.b. Klimaanlage, laut tickende Uhr oder eine laute PC-Lüftung. - Möglichst gute Schalldämmung, damit kein Lärm über Fenster, Wände oder Türen ins Büro gelangt. Außerdem soll auch nicht jeder mithören, wenn vertrauliche Gespräche mit der Chefin oder dem Chef stattfinden. - Die Raumdämpfung mit absorbierenden Raumelementen (z.b. Akustikdecke) ist solange zweitrangig, solange die Chefin/der Chef mit Telefonhörer telefoniert und nicht freispricht, z. B. in Form einer Videokonferenz. Dann kehrt sich die Situation um. Wenn der Gesprächspartner noch etwas verstehen soll, ist eine möglichst geringe Nachhallzeit notwendig. Während wir uns in einem persönlichen Gespräch auf den Gesprächspartner konzentrieren und Störgeräusche sehr erfolgreich ausblenden können, kann das ein Mikrofon nicht und überträgt jedes Geräusch, auch das Echo des Raums. 2. Das Großraumbüro (50 bis 65 db(a)) Ausgangslage: Hier soll Kommunikation auf kürzestem Weg möglich sein. Wenn es hoch hergeht und schnell Absprachen getroffen werden müssen, sollen das alle mitbekommen können. Im Gegenzug soll auch jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter die eigenen Aufgaben erledigen können. - Für Großraumbüros ist es schlicht unmöglich, eine optimale Akustik für alle Fälle zu erreichen. Stattdessen gilt es, den besten Kompromiss zu finden. - Der erste Schritt ist die Lärmdämpfung durch großzügige Absorberflächen, die meist an der Decke angebracht werden. Das wirkt auch dem Lombard-Effekt entgegen, wonach in einer lauten Umgebung Personen immer lauter sprechen.
- Der zweite Schritt ist das Aufstellen von (absorbierenden) Trennwänden zwischen den Arbeitsplätzen, denn die Akustikdecke unterbindet den Direktschallanteil keineswegs. - Durch die Reduzierung des Nachhalls durch die Absorberflächen sinkt der Lärmpegel, aber die Sprachverständlichkeit und damit die Ablenkung von der Arbeitsaufgabe steigt. Dem sollen die Trennwände und eine nicht zu dichte Belegung des Großraumbüros entgegenwirken - Ebenso können durch Teppichböden Geräusche von gehenden Personen oder rollenden Bürostühlen reduziert werden. 3. Das Klassenzimmer (60 bis 70 db(a)) Ausgangslage: Hier befinden sich viele Personen in einem Raum. Es gibt viel Bewegung, viele Geräusche und Gespräche und dies oftmals gleichzeitig, z.b. bei Gruppenarbeiten. Der Grundgeräuschpegel ist oft hoch. Da in Klassenräumen meist kein Teppichboden vorhanden ist, verursacht jedes Tisch- oder Stühlrücken Lärm. Außerdem befinden sich Schulen oft an verkehrsstarken Orten, die als Lärm eine zusätzliche Lärmkulisse im Schulgebäude hervorrufen - insbesondere bei gekippten Fenstern zwecks Belüftung. - Hier wäre eine hohe Lärmdämpfung bei maximaler Sprachverständlichkeit gut. - Wie im Großraumbüro: Erster Schritt ist die Lärmdämpfung durch großzügige Absorberflächen, meist an der Decke angebracht. Das wirkt auch dem o. g. Lombard- Effekt entgegen. Dies kommt Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schüler gleichermaßen zugute. - Im Gegensatz zum Großraumbüro machen Trennwände im Klassenzimmer keinen Sinn, aber ein Absorber an der Rückwand verhindert, dass sog. Flatterechos zwischen schallharten, parallelen Wänden die Sprachverständlichkeit verschlechtert. 4. Das Restaurant, die Kneipe (50 bis 85 db(a))
Ausgangslage: Viele Menschen sitzen auf engem Raum zusammen und unterhalten sich. Hier tritt der Lombard-Effekt in seiner reinsten Form auf, weshalb er auch Kneipeneffekt genannt wird. Personen, die auf ein Hörgerät angewiesen sind, meiden daher laute Gaststätten. - Um die einsetzende Lärmspirale nach oben zu begrenzen, ist eine hohe Lärmdämpfung notwendig. Die Sprachverständlichkeit spielt eine untergeordnete Bedeutung. - Eine schallabsorbierende Decke wirkt sich hier sehr positiv aus. - Eine Gliederung des Gastraumes streut die horizontale Schallausbreitung. - Gepolsterte Sitzgelegenheiten erhöhen die Schallabsorption zusätzlich. 5. Die Autowerkstatt (80 bis 85 db(a)) Ausgangslage: Ab der dort auftretenden Lärmbelastung wird es für das Gehör gefährlich. Nach der Arbeit mit hoher Lärmexposition sind die Ressourcen des Gehörs - genauer gesagt des Innenohrs - aufgebraucht. Bei ausreichend langer Erholungszeit für das Gehör nach der Lärmeinwirkung besteht kein bzw. nur ein geringes Risiko für einen lebenslangen Gehörschaden. Allerdings ist die Geräuschbelastung in der Autowerkstatt nicht jeden Tag gleich. Manchmal ist es leiser, manchmal lauter insbesondere, wenn z.b. viele Reifenwechsel stattfinden. Daher sind Vorsorgemaßnahmen zu treffen. - Um den Lärm zu begrenzen, darf der Schall von der Decke und den Wänden nicht komplett reflektiert werden, sondern muss zu mindestens 30% absorbiert werden. - Der Schallpegel muss bei Verdopplung des Abstandes zur Schallquelle um mindestens 4 db(a) abnehmen. - Die Unternehmerin oder der Unternehmer muss die Gefährdungsbeurteilung um die Gefährdung durch Lärm ergänzen. - Die Beschäftigten müssen von der Unternehmensleitung über die Gefahren des Lärms unterwiesen werden.
- Den Beschäftigten ist kostenloser Gehörschutz bereitzustellen und eine Vorsorgeuntersuchung anzubieten. 6. Die Stahlbauhalle 85 bis 100 db(a) Ausgangslage: Drastisch formuliert könnte man sagen: Wäre Lärm giftig, müssten hier alle Beschäftigten mit Atemschutzgerät herumlaufen. In dieser akustischen Umgebung ist das Gehör nicht nur durch Dauerlärm einem Risiko für eine Schädigung ausgesetzt. Im ungünstigsten Fall kann ein einzelner Schlag mit dem 10kg-Hammer auf eine Stahlplatte zum sofortigen und lebenslangen Gehörschaden führen. Man spricht in diesen Fällen von einem Knalltrauma. Beim Dauerlärm ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Beschäftigten die keinen Gehörschutz tragen, einen Gehörschaden entwickeln. Folglich sind hier die gesetzlichen Vorgaben am umfangreichsten und strengsten. - Auch hier müssen Decken und Wände den Schall nicht komplett reflektieren, sondern zu mindestens 30% absorbieren. - Der Schallpegel muss bei Verdopplung des Abstandes zur Schallquelle um mindestens 4 db(a) abnehmen. - Unternehmensverantwortliche müssen die Gefährdungsbeurteilung um die Gefährdung durch Lärm ergänzen. Dazu ist eine fachkundige Ermittlung der Lärmbereiche notwendig. - Die Lärmbereiche sind an den Zugängen zu kennzeichnen. - Die Beschäftigten müssen vor Aufnahme der Tätigkeit eine Pflichtvorsorgeuntersuchung absolvieren. Diese ist dann nach 12 Monaten und später im Abstand von höchstens 36 Monaten regelmäßig zu wiederholen. - Den Beschäftigten ist kostenloser Gehörschutz bereitzustellen. - Die Unternehmerin oder der Unternehmer muss die Beschäftigten über die Gefahren des Lärms unterweisen. Sie müssen durch praktische Übungen den richtigen Gebrauch der bereitgestellten Gehörschutzmittel lernen. - Für den Gehörschutz besteht eine Tragepflicht. - Der Arbeitgeber muss ein Lärmminderungsprogramm aufstellen, um die Belastung seiner Belegschaft zu senken.
Weitere Informationen unter anderem zur LärmVibrationsArbeitsschutzVerordnung und den zugehörigen Technischen Regeln: www.bghm.de, Webcode 599. Allgemeine Erläuterungen rund um das Thema Lärm und seine Vermeidung: www.bghm.de, Webcode 454 oder unter www.dguv.de, Webcode d544997. Veröffentlichung Erschienen in der Zeitschrift Ergonomiemarkt, Ausgabe 3/2018. Kontakt Sollten Sie als Medienvertreterin oder -vertreter auf Autorensuche für Fachartikel oder Themen sein, kontaktieren Sie uns gerne per E-Mail an presse@bghm.de