TRENDS & TECHNOLOGIE STEUERUNGSTECHNIK Funktionale Bandbreite: Bei der Motion Control-Steuerung lassen sich innerhalb eines Programmablaufs Einzelachsen, Technologieverbunde und Bahnverbunde mit ein und denselben Achsen positionieren. Das ermöglicht Einsätze in vielen fertigungsnahen Bahnsteuerungs-Anwendungen. Bereichsübergreifende Programmiersprache SPS und CNC vereint Viele Maschinen enthalten sowohl SPS- als auch Einzelachsen-, Technologie- und Bahnsteuerungsfunktionen. In solchen Fällen waren Anwender bisher dazu gezwungen, mehrere verschiedene Systeme einzusetzen. Mit JetWeb Motion Control deckt Jetter jetzt die gesamte Bandbreite dieser Funktionen mit einem System und einer Programmiersprache ab. 28 Es ist nicht ungewöhnlich, dass in einer Produktionslinie mit verschiedenen Fertigungsstationen, einem Materialfluss und einer zugehörigen Handhabung drei verschiedene Steuerungen verbaut sind. Eine speicherprogrammierbare Steuerung übernimmt dabei die klassischen SPS-Funktionen sowie die Positionierung von Einzelantrieben. Für komplexere Technologiefunktionen kommen Antriebssteuerungen zum Einsatz und zu guter Letzt gibt es auch noch die Robotersteuerung für den Handlingroboter. Alle diese Funktionen lassen sich aber auch mit einem System realisieren JetWeb Motion Control (MC). Eine zentrale Eigenschaft der Lösung ist es, dass alle angelegten Technologie- und Bahnverbunde als Objekte betrachtet werden. Dadurch lassen sie sich innerhalb des Programms beliebig wiederver AUTOR Dipl.-Ing. (FH) Martin Buchwitz ist Leiter MarketingKommunikation bei der Jetter AG in Ludwigsburg. IEE 52. Jahrgang 5-2007
STEUERUNGSTECHNIK TRENDS & TECHNOLOGIE KOMPAKT Im Bewusstsein vieler Anwender ist tief verankert, dass es für die Realisierung komplexer Antriebsfunktionen einen Roboter braucht und dieser auch nur von Roboterexperten programmiert werden kann. JetWeb MC bietet sich hier als eine Alternative an. Jeder, der JetWeb-Steuerungen mit dem Strukturierten Text programmieren kann, ist dazu in der Lage, auch Technologie- und Bahnsteuerungsfunktionen zu realisieren. Dafür sorgen u. a. die Objekt- und die Zustandsorientierung. wenden. Eine weitere Besonderheit ist die Zustandorientierung. Dabei befindet sich jedes Objekt zu jedem Zeitpunkt in einem definierten Zustand, der dem System und damit auch dem Anwender bekannt ist. Zu jedem Zustand stellt JetWeb MC somit die entsprechenden Funktionalitäten zur Verfügung. Im Falle eines Anlagenstopps ist damit eine klare Definition für das Weiterfahren möglich. Programmieren komplexer Antriebe muss nicht kompliziert sein Viele Anwender von Steuerungssystemen haben Hochachtung vor komplexen Antriebsfunktionalitäten, was sie davon abhält, sich selbst an die Realisierung solcher Funktionen zu machen. Dies ist insofern berechtigt, als dass die Roboterprogrammierung sowie die Realisierung von Bahnfunktionen sehr speziell sind und die Aufgabe an sich komplex ist. Anders sieht es bei der Motion Control-Lösung JetWeb MC aus. Dort lassen sich Bahnsteuerungen genau so einfach programmieren wie SPS-, Einzelachsen- und Technologiefunktionen. Mit einer einzigen Sprache können Programmierer einen Programmfluss schreiben, der alle diese Funktionen enthält. Dabei kommt der Strukturierte Text zum Einsatz, der durch leistungsfähige Befehle ergänzt wird. Parallele Prozesse lassen sich in 100 parallelen Programmen (Multitasking) darstellen. Fließender Übergang In JetWeb MC besteht die Möglichkeit, ein und dieselbe Achse sowohl als Einzelachse als auch in einem Technologieverbund oder einem Bahnverbund zu positionieren. Damit lassen sich fließende Übergänge innerhalb eines Ablaufs realisieren. Dabei kann zum Beispiel eine Vorschubachse ein Teil, welches auf einem Band liegt, in eine Spannvorrichtung befördern. Danach wird diese Spannvorrichtung mittels einer Technologiefunktion spezifisch bewegt. Auch daran ist die erste Vorschubachse mit zwei weiteren Antrieben wieder beteiligt. Der dritte Schritt erfordert eine Bahnsteuerungsfunktion für eine Roboterkinematik, auch hier gehört die erste Vorschubachse zum Bahn- IEE 52. Jahrgang 5-2007 29
TRENDS & TECHNOLOGIE STEUERUNGSTECHNIK Steuerung in Bewegung Zu den Eigenschaften und den Zukunftsaussichten von JetWeb Motion Control befragte IEE-Chefredakteur Frank Nolte Matin Jetter, den CEO der Jetter AG. Herr Jetter, SPS und CNC sind zwei Systeme mit unterschiedlicher Software für verschiedene Anwendungsbereiche. Warum bringen Sie solche unterschiedlichen Programme zusammen? Wir definieren unsere Motion ControlLösung als eine Plattform für Roboterfunktionalität, CNC-Funktionalität, Technologiefunktionen und Einzelachsen mit Sonderfunktionen. Bereits an dieser Definition sieht man, dass es keine klare Abgrenzung, sondern fließende Übergänge gibt. Auch bei der SPS-Technologie verschwimmen die Grenzen aufgrund der Anforderungen der Maschinen immer mehr. Allerdings tut sich die klassische SPS konzeptbedingt etwas schwer damit, diese Verschmelzung nahtlos zu vollziehen. Das JetWeb-Konzept hingegen ist von Anfang an auf Motion Control-Funktionalität angelegt. Ablauforientierte Programmierung, Multitasking und Strukturierter Text als Programmiersprache eignen sich an der Stelle einfach viel besser als hardwarenahe Programmierung und zyklischer Speicherdurchlauf. Bei der Kombination von zwei Spezialisten muss man immer Kompromisse in der Funktionalität eingehen. Worauf muss ein Anwender bei JetWeb Motion Control verzichten? Vor allem darauf, sich um steuerungsspezifische Eigenheiten kümmern zu müssen und betriebssysteminterne Eigenheiten und Abläufe zu verstehen. Darauf verzichtet er aber gerne, da er sich so auf den eigentlichen Prozess konzentrieren kann. Selbstverständlich kann die JetWeb-Motion Control nicht zu 100 % alle Applikationen abdecken. Im Rahmen der bereits implementierten Funktionalität muss der Anwender keinerlei Abstriche machen. Ganz im Gegenteil profitiert er vom fließenden Übergang von SPS-Funktionalität, Regelungstechnik, Einfachachsen und Bahnsteuerung. Die Software bietet umfangreiche Funktionalitäten sowie viele Programmierungs- und Parametrierungsmög- Martin Jetter: Die Plattform JetWeb Motion Control deckt ein breites Spektrum an Antriebsaufgaben ab, so dass man in einem System nur noch eine Steuerung benötigt. lichkeiten. Lässt sie sich dabei überhaupt noch bedienen? Bedienbarkeit und Übersichtlichkeit ist eine Grundvoraussetzung. Diesem Anspruch wird Jetter mit drei Hauptmerkmalen gerecht. Ein Bahn- oder Technologieverbund lässt sich mit der selben Einfachheit programmieren wie eine Einzelachse. Das erreichen wir durch einen objektorientierten Ansatz und ein klar definiertes Zustandsmodell für jede Achse und jeden Verbund. Zum Beispiel werden drei Einzelachsen als ein Bahnverbund definiert. Dieser stellt als Objekt automatisch spezifische Funktionalitäten zur Verfügung, etwa das Verfahren des Tool-Center-Point entlang einer Geraden im Raum. Dabei parametriert der Anwender in SI-Einheiten nur noch Zielkoordinaten, Geschwindigkeit und Beschleunigungsrampen für Alles übersichtlich im Griff: Die definierten Einzelachsen können auch als Teil eines Technologie- oder Bahnverbundes verfahren werden. Die Definition der Zusammensetzung sowie der physikalischen Maßeinheiten erfolgt mithilfe einer übersichtlichen Oberfläche. 30 IEE 52. Jahrgang 5-2007
TRENDS & TECHNOLOGIE STEUERUNGSTECHNIK die Bewegung des TCP, analog zur Programmierung einer Einzelachse. JetWeb Motion Control wurde ja seit seiner Vorstellung wesentlich weiter entwickelt. Was haben Sie geändert? In der ersten Phase wurden vornehmlich die Grundfunktionalitäten in Anwendungen rund gemacht. In den vergangenen zwei Jahren nahmen wir wesentliche Erweiterungen im Bereich Bahn- und Technologieverbund vor. So wurden z. B. verschiedene Kinematiken implementiert und im Bereich der Technologiefunktionen die Kurvenscheibenfunktionalität erweitert und verfeinert. Beispielsweise können in Echtzeit ganze Polynomzüge berechnet werden, wo man früher über ein externes Tool Kurvenzüge fest vorgeben musste. Ist die Software mit ihren ganzen Bahnsteuerungs- und Technologiefunktionen für viele Antriebsaufgaben nicht überdimensioniert? Auch diesem Punkt tragen wir Rechnung. Im Moment ist die Software in zwei Stufen skaliert, zukünftig in drei. Die erste Stufe stellt die wichtigsten Funktionen für Einzelachs- und Technologiefunktionalität zur Verfügung. In der zweiten Stufe sind die erweiterten Technologie- und verbund. Dies ist möglich, da JetWeb MC Technologieverbunde und Bahnverbunde mit beliebigen Achsen definieren und auch wieder lösen kann das Ganze innerhalb eines Programmflusses. Daraus ergibt sich eine sehr große Flexibilität und funktionale Bandbreite. Durch die Auflösung der klassischen Grenzen zwischen E/A- Steuerung, Bedienung, Vernetzung und Antriebstechnik bietet unser System maximale Flexibilität. Bahnsteuerungsfunktionalitäten implementiert. Zukünftig ist es auch geplant, eine dritte Stufe für Bahnsteuerungsfunktionalität einzuführen, da wir hier noch ein weites Feld von höheren, meist auch rechenintensiveren Aufgaben vor uns sehen. Wie stellen Sie sich die Zukunft von JetWeb Motion Control vor? Die JetWeb Motion Control ist eine Plattform, die vor allem für zukünftige Anforderungen ausgelegt ist. Wie bereits angedeutet, werden die Anforderungen in diesem Bereich weiter wachsen. Demzufolge wird unser Fokus auf kundenspezifischen Wünschen liegen und wir beabsichtigen, die so gewonnene Funktionalität der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Wir sehen uns mit JetWeb MC bestens für die zukünftigen Aufgaben gerüstet und werden diese weiter mit viel Elan angehen. Dynamisches Umschalten von Kurvenscheiben Die Basis für die ständige Weiterentwicklung von JetWeb MC sind die verschiedenen Kundenprojekte. Dabei hat sich gezeigt, dass ein Steuerungssystem grundsätzliche Funktionalitäten bieten, aber auch flexibel auf die Kundenanforderungen anpassbar sein muss. Eine neue Möglichkeit der Motion Control-Lösung ist das dynamische Umschalten von Kurvenscheiben. Dadurch lassen sich beispielsweise komplexe Beschleunigungsund Geschwindigkeitsprofile realisieren. Die Kurvenscheibendefinition erfolgt durch einfache Funktionsaufrufe im Programm. Die Parameter dieser Kurvenscheibe sind wiederum physikalische Randbedingungen, beispielsweise der Master- und der Slaveweg, wo die Angaben als Geschwindigkeit, Beschleunigung und Ruck am Anfang und am Ende der Bewegung eingegeben werden. Jet- Web MC berechnet daraus automatisch die Kurvenscheibe zum Beispiel in Form eines Polynoms siebten Grades in Echtzeit. Somit können auch Kurvenzüge on the fly geändert werden, ohne auf den nächsten Maschinen-Takt warten zu müssen. Das System in der Praxis Die Eigenschaften von JetWeb MC lassen sich anhand einiger Anwendungsbeispiele veranschaulichen. Die beschriebene fließende Umschaltung von Technologieverbund zu Bahnverbund nutzt unter anderem ein Hersteller von Verpackungsmaschinen. Einem Fließband entnimmt ein Scara-Roboter Teile und legt diese in einen speziellen Träger ab. Dabei ist der Roboter auf das Band zu synchronisieren. Einige der Antriebe werden für beide Funktionen benötigt für die Technologiefunktion Kurvenscheibe bei der Entnahme der Teile und bei der Ablage durch die Roboterkinematik in den Träger. Die einzelnen Antriebe lassen sich in dem jeweiligen Verbund beliebig ein- und auskoppeln. Bei einem Hersteller von Maschinen für die Kunststofffensterfertigung kommt JetWeb MC für das Verputzen der Fensterrahmen zum Einsatz. Die Realisierung geschieht jetzt mit der Motion Control- Lösung wesentlich komfortabler als früher mit Koordinationsfunktionen mit Linear- und Kreisinterpolation. Sämtliche Parameter sind direkt in physikalischen Einheiten eingebbar. Zunächst werden die physikalischen Verhältnisse einmalig definiert, dann das Koordinatensystem. Diese Daten übersetzt JetWeb MC in die jeweiligen Maschinenkoordinaten. Das komfortable für den Anwender ist, dass sich alle Funktionen mit einer Steuerung realisieren lassen und das alles innerhalb eines Programms. Die Anwendung im Bereich der Verpackungstechnik umfasst fünfzehn Achsen sowie mehr als hundert digitale Ein- und Ausgänge. Alle Antriebe und die für den Prozess erforderlichen SPS-Funktionen werden mit der Steuerung JetControl 647 realisiert. Lästige Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Systemen entfallen komplett. infodirect 768iee0507 www.iee-online.de Produktflyer Link zur Software Link zum Thema Antriebsintegration 32 IEE 52. Jahrgang 5-2007