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Transkript:

Predigt Neustädter Marienkirche Himmelfahrt 2017 Die Jünger aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott. Mit diesen Worten, liebe Gemeinde, endet die Himmelfahrterzählung, die wir als Evangeliumslesung gehört haben. Mit diesen Worten endet zugleich das Lukasevangelium als Ganzes. Es endet dort, wo es begonnen hatte, im Jerusalemer Tempel, wo dem Priester Zacharias die Geburt eines Sohnes verheißen worden war. Vom Tempel in Jerusalem erzählt auch der für den Himmelfahrtstag in diesem Jahr vorgeschlagene Predigttext. Er steht im Alten Testament, im Ersten Buch der Könige, Kapitel acht, Verse 22-30. Ich lese die Übersetzung der revidierten Lutherbibel. 22 Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel 23 und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; 24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. 25 Nun, HERR, Gott Israels, halte deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast: Es soll dir nicht fehlen an einem Mann, der vor mir steht, der da sitzt auf dem Thron Israels, wenn nur deine Söhne auf ihren Weg achthaben, dass sie vor mir wandeln, wie du vor mir gewandelt bist. 26 Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. 27 Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? 28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, auf dass du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir: 29 Lass deine Augen offen stehen über diesem Hause Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein. Du wollest hören das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte betet, 30 und wollest erhören das Flehen deines Knechts und deines Volkes Israel, wenn sie hier bitten werden an dieser Stätte; und wenn du es hörst in deiner Wohnung, im Himmel, wollest du gnädig sein. Liebe Gemeinde, wir sind Zeugen bei der Weihe des Tempels in Jerusalem. Wir sind Zeugen eines wahrhaft historischen Ereignisses. Dessen Auswirkungen sind bis heute lebendig. Obwohl der Tempel schon seit langem nicht mehr steht. Aber der Berg Zion, auf dem der Tempel errichtet worden war, gilt vielen Menschen als heilig. Einige

2 glauben sogar, sie müssten diese Heiligkeit mit Gewalt bewahren oder wiederherstellen. Das ist ein schreckliches Missverständnis! Um das Jahr 950 vor Christus wurde dieser Tempel errichtet. Im Jahre 586 wurde er zerstört. Viele Jerusalemer wurden nach Babylon verschleppt. Dort, am Ufer des Euphrat, standen viele Tempel. Aber einen Tempel für den Gott Israels durfte es nur in Jerusalem geben davon waren die Israeliten überzeugt. An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten so singt die Gemeinde im 137. Psalm. Nach der Rückkehr des Volkes aus Babylon, in der Zeit des persischen Statthalters Esra, wird in Jerusalem ein neuer Tempel gebaut und im Jahre 515 geweiht. Fünfhundert Jahre später lässt König Herodes diesen Zweiten Tempel in großartiger Weise erweitern. In den letzten Jahrzehnten vor Jesu Geburt entsteht jene gewaltige Tempelanlage, von der die Evangelien berichten. Meister, siehe, was für Steine und was für Bauten! sagen Jesu Jünger voll Staunen und voll Bewunderung. Der jüdische Historiker Flavius Josephus hat diesen Tempel ganz genau beschrieben, so dass man Modelle und Zeichnungen danach anfertigen kann. Im Jahre 70 geht auch dieser Tempel in Flammen auf, bei der Eroberung Jerusalems am Ende des Jüdischen Krieges. Er wird nie wieder aufgebaut. Israel hat keinen Tempel mehr. Aber die Klagemauer erinnert daran, dass es einst diesen Tempel gegeben hatte. Manche träumen von einem Dritten Tempel. Aber ein solcher Bau wäre eine politische Katastrophe. Denn mittlerweile gilt der Tempelberg auch den Muslimen als heilig und als unantastbar. Dort stehen die Al-Aqsa-Moschee und der Felsendom, wichtige heilige Orte des Islam. Manchmal wird sogar behauptet, es habe dort niemals einen jüdischen Tempel gegeben. Warum ist ein solcher Ort so wichtig? Ein Tempel ist weit mehr als ein vielleicht prächtiges Gebäude. Ein Tempel wird verstanden als Ort, an dem Gott selbst unmittelbar gegenwärtig ist. Dort werden Opfer für Gott vollzogen. Und so ist ein Tempel etwas ganz anderes als eine Kirche, etwas anderes auch als eine Synagoge. In frühester Zeit hatte es im Land Israel solche Opferstätten an vielen Orten gegeben. Aber dann war man zu der Überzeugung gekommen, es dürfe nur eine Opferstätte geben nur in Jerusalem. Wann sich diese Vorstellung durchsetzte, lässt sich nicht sagen. Die in unserem Text erzählte Szene setzt jedenfalls voraus, dass der Jerusalemer

3 Tempel schon zur Zeit des Königs Salomo das einzige Heiligtum in Israel war, das Haus des HERRN, wie es an vielen Stellen der Bibel heißt. Unser Text führt uns ins 10. Jahrhundert vor Christi Geburt. David ist gestorben jener König, der mit List, mit militärischer Macht und auch mit großem politischem Geschick ein großes Reich geschaffen hatte. Israel im Norden und Juda im Süden waren vereinigt. Die dazwischen auf einem Berg gelegene Stadt Jerusalem war erobert worden und war nun als Stadt Davids die Hauptstadt des ganzen Landes. Das Erste Buch der Könige schildert in seinen ersten Kapiteln den Bau des Königspalastes und den Bau des Tempels. Eingehend wird die kostbare Ausstattung beschrieben. Dann erzählt das 8. Kapitel von der Weihe des Tempels. Feierlich tragen der König und die Priester die heiligen Geräte in das Heiligtum. Sie tragen auch die Bundeslade mit den Gebotstafeln Zeichen des Bundes Gottes mit seinem Volk. Aber als der Gottesdienst beginnen soll, erfüllt eine Wolke den Tempel. Es war die Herrlichkeit des HERRN, die das Haus des HERRN erfüllte so lesen wir. Gott selbst ist gegenwärtig. Da wendet sich der König an das Volk, das vor dem Tempel steht und hält eine kurze Rede. Er preist Gott, der das Volk aus Ägypten geführt hat und der dann David als König des Volkes erwählt hat. David hatte einen Tempel errichten wollen, das Haus Gottes. Aber Gott hatte das nicht zugelassen: Nicht du sollst das Haus bauen, sondern dein Sohn. Dieses Wort an David hat Gott jetzt wahr gemacht, sagt Salomo: Denn ich bin zur Macht gekommen an meines Vaters David statt. Ich sitze auf dem Thron Israels, wie der HERR zugesagt hat. Davids hatte ja mehrere Söhne. Aber ausgerechnet Salomo war zur Herrschaft gelangt. Das war nicht selbstverständlich gewesen. Bei dieser Thronfolge war vieles nicht mit rechten Dingen zugegangen davon berichtet das Zweite Samuelbuch sehr genau. Aber man war davon überzeugt, dass eben dieser etwas krumme Weg dem Willen Gottes entsprach. Ich habe gebaut ein Haus dem Namen des HERRN, des Gottes Israels, sagt Salomo. Und damit, so scheint es, ist seine kurze Rede auch schon wieder zuende. Aber Salomo spricht weiter. Jetzt spricht er eigentlich nicht mehr als König. Jetzt handelt und spricht er eher wie ein Priester. Jetzt geschieht das, was uns der für die Predigt vorgeschlagene Text sagt und worauf wir nun etwas genauer hören wollen.

4 Salomo breitet seine Hände aus zum Himmel und wendet sich an Gott. Er spricht ein öffentliches Gebet. Nicht allein Gott soll hören, was Salomo zu sagen hat. Sondern auch das Volk soll es hören. HERR, Gott Israels, so betet Salomo, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich. Das ist ein merkwürdiger Beginn für ein Gebet. Gibt es denn neben dem Gott Israels womöglich auch andere Götter? Vielleicht nicht von gleichem Rang, aber offenbar doch vorhanden? Vielleicht dachte das Volk Israel zu jener Zeit tatsächlich noch nicht monotheistisch. Vielleicht waren die Israeliten wirklich noch nicht von der Einzigkeit ihres Gottes überzeugt. Aber eines ist klar: Gott, zu dem Salomo betet, ist der eine Gott Israels. Andere Völker haben andere Götter. Aber Israel wird sie nicht anerkennen. Du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen. Mit diesen Worten beschreibt Salomo das Wesen Gottes. Gott ist nicht eine religiöse Idee. Sondern Gott handelt für die Menschen. Gott wendet sich barmherzig seinen Knechten zu, so sagt es Salomo. Wir dürfen das Wort Knechte nicht falsch verstehen. Gemeint sind nicht Sklaven. Gemeint ist nicht, dass die Menschen von Gott womöglich unterdrückt werden. Im Gegenteil: Manchmal wird ein Prophet Knecht Gottes genannt. Und vor allem auch der König wird als Knecht Gottes bezeichnet. Das ist ein Ehrentitel, nicht etwa ein Zeichen für die Niedrigkeit des Königs. Hier aber spricht Salomo von den Knechten Gottes in der Mehrzahl. Vielleicht denkt er an die Könige, die in Zukunft regieren werden. Aber vielleicht sind auch alle Menschen gemeint, alle Israeliten. Vielleicht sagt Salomo in seinem Gebet ganz ausdrücklich, dass Gottes Bund nicht nur dem König gilt, sondern allen Menschen seines Volkes und dass Gott ihnen seine Barmherzigkeit erweist. Aber dann spricht Salomo doch wieder allein vom König: Du, Gott, hast gehalten deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage.

5 Diese Worte sind bemerkenswert. Der Bau des Tempels ist erfolgreich abgeschlossen. Die feierliche Einweihung hat bereits ihren Anfang genommen. Jetzt könnte Salomo davon sprechen, was er geleistet hat. Er könnte stolz sein auf das Erreichte. Aber Salomo rühmt sich nicht, sondern er dankt dafür, dass Gott seine Zusage erfüllt hat. Salomo überlegt auch nicht, was vielleicht noch fehlt. Er sinnt nicht darüber nach, was vielleicht noch verbessert werden könnte. Sondern er ist einfach dankbar und zufrieden: Es ist geschafft. Und so preist er nun Gott: Du hast es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. Diese Haltung kann durchaus ein Vorbild sein auch für uns, die wir manchmal meinen, wir müssten alles immer noch weiter perfektionieren. Nun, HERR, Gott Israels, sagt Salomo, halte deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Und dann spricht er das aus, was Gott dem David zugesagt hatte: Es soll dir nicht fehlen an einem Mann, der vor mir steht, der da sitzt auf dem Thron Israels, wenn nur deine Söhne auf ihren Weg achthaben, dass sie vor mir wandeln, wie du vor mir gewandelt bist. Eigentlich soll dieser Vers in der Predigt übergangen werden. So jedenfalls sieht es die Perikopenordnung vor. Vielleicht ist dieser Vers eine spätere Ergänzung. Denn er blickt voraus in die kommende Geschichte. Er spricht davon, dass Gottes Verheißung weit über die Gegenwart hinaus reichen wird. Die Dynastie des Königs David wird jetzt und künftig regieren so wird es hier gesagt. Das erinnert an die Worte, die der Prophet Nathan im Namen Gottes dem David gesagt hatte: Ich will ich dir einen Nachkommen erwecken, der von deinem Leibe kommen wird. Ihm will ich sein Königtum bestätigen, und er soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will seinen Königsthron bestätigen ewiglich. Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein. Dein Haus und dein Königtum sollen beständig sein in Ewigkeit vor dir, und dein Thron soll ewiglich bestehen. In dieser Zusage ist auch die Hoffnung des Volkes Israel auf den kommenden Messias enthalten, der deshalb Sohn Davids genannt wird. Daran erinnert dieser Vers in dem Gebet Salomos, und darum sollten wir ihn nicht ausklammern. Allerdings wird diese Verheißung jetzt mit einer Bedingung verbunden: Das alles soll geschehen, wenn nur deine Söhne auf ihren Weg achthaben, dass sie vor mir wandeln, wie du vor mir gewandelt bist.

6 Noch einmal: Vielleicht wurde dieser Gedanke erst später in die Überlieferung von der Tempelweihe eingefügt. Vielleicht spiegelt sich hier die spätere geschichtliche Erfahrung. Die Nachfolger Davids und Salomos haben wirklich nicht immer auf den Weg Gottes geachtet. Das sagen die Königsbücher an vielen Stellen. Das, so meinte man, war die Ursache dafür, dass das Nordreich Israel und dann auch der Staat Juda unterging und dass der Tempel zerstört wurde. Aber diese Worte sprechen vor allem die Mahnung aus, dass sich die Könige an Gottes Weisung halten sollen. Gottes Verheißung gibt es nicht zum Null-Tarif. Der König, der sich als Knecht Gottes versteht, soll so leben und so handeln, wie es Gottes Geboten entspricht. Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. Salomo ist davon überzeugt, dass Gottes Verheißung gilt und dass sie auch in Zukunft gelten wird. Trotzdem verbindet er diese Überzeugung mit der Bitte an Gott, er möge diese Zusage auch wirklich einhalten. Das ist kein Zeichen von Unsicherheit. Kein Zeichen von Skepsis oder gar von Misstrauen. Sondern Salomo weiß, dass Gott in seinem Handeln souverän ist. Niemand, auch kein König, kann vor Gott einen Anspruch anmelden. An dieser Stelle könnte Salomos Gebet zuende sein. Eigentlich fehlt nur noch ein bekräftigendes Amen. Aber Salomo spricht weiter. Jetzt wird aus seinem Gebet ein Selbstgespräch. Salomo sinnt darüber nach, ob das eigentlich stimmt, was er da gerade gesagt hat. Ich habe gebaut ein Haus dem Namen des HERRN, des Gottes Israels das waren Salomos Worte gewesen. Darf ich wirklich so sprechen? fragt Salomo nun offenbar selbstkritisch. Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Viele Religionen, zumal in der antiken Welt, sprechen davon, dass ihr Gott wirklich auf Erden wohnt. Oder dass es jedenfalls heilige Orte gibt, an denen Gott in besonderer Weise anwesend ist. Gilt das womöglich auch für den Gott des Volkes Israel? Gilt es für den Jerusalemer Tempel? Der Tempel wird ja ganz ausdrücklich das Haus Gottes genannt. Tatsächlich ist mit einem Tempel die Vorstellung verbunden, dass Gott wirklich dort wohnt. Das meint natürlich nicht, dass Gott fest an diese Wohnung gebunden ist und dass er den Tempel gar nicht verlassen kann. Aber Haus Gottes meint doch, dass man am Tempel Gott in besonderer Weise begegnet. Dazu wurde der Tempel ja gebaut.

7 Jetzt aber fragt Salomo selbstkritisch: Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? In dieser Frage ist die Antwort schon enthalten: Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen, sagt Salomo. Wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Das ist am Ende keine Frage, sondern es ist eine klare Aussage: Nein dieses Haus kann Gott gar nicht fassen. Salomo spricht hier von dem Haus, das er gebaut hat. War es denn wirklich Salomo, der diesen Tempel errichtet hat? Mir fällt dazu ein Gedicht von Bert Brecht ein: Wer baute das siebentorige Theben? In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich? Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer siegte außer ihm? Nicht Salomo hat den Tempel gebaut, würde Bert Brecht sagen. Und er hätte ja Recht diese Arbeit hatten andere getan. Aber das weiß auch die biblische Erzählung. Achtzigtausend Arbeiter, so sagt das Buch der Könige, hatten in den Steinbrüchen die Bausteine herausgehauen. Siebzigtausend hatten die Zedern gefällt, deren Holz benötigt wurde. Dreitausenddreihundert Amtleute hatten die Arbeiten überwacht. Wir brauchen diese Zahlen nicht wörtlich zu nehmen. Aber sie zeigen an, dass der Tempel kein Zauberschloss war, das eines Morgens fertig da stand so, als wären wir in einem Märchen aus 1001 Nacht. Die künstlerische Arbeit hatte übrigens ein fremder Kunstschmied geleistet Hiram, kein Israelit, sondern ein Ausländer, ein Mann aus dem Stadtstaat Tyrus. Der Tempel war das Ergebnis menschlicher Arbeit. Sieben Jahre hatte der Bau gedauert. Dessen ist sich Salomo an diesem Tag der Tempelweihe durchaus bewusst, denke ich. Auch deshalb, weil all diese Arbeit ja bezahlt werden musste. Von Zwangsarbeit ist jedenfalls nicht die Rede. Der Tempel ist Menschenwerk. Gott aber ist unaussprechlich groß. Und so kann der Tempel gar nicht Gottes Zuhause sein. Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen, sagt Salomo. Das Wort Himmel meint hier etwas anderes als das blaue oder graue oder auch mit Sternen übersäte Firmament über uns.

8 Die Bibel weiß zwar noch nichts vom Weltall, wie wir es zu erforschen versuchen. Aber die Bibel weiß sehr viel von der Unendlichkeit und Ewigkeit Gottes. Das zeigen Salomos Worte. Dieses Haus, das ich gebaut habe das kann gar nicht der Ort sein, wo Gott Wohnung nimmt. Aber wo wohnt Gott? Mit dem schlichten Satz Gott ist im Himmel lässt sich Gottes Wirklichkeit nicht aussagen. Auch das weiß Salomo. Deshalb sagt er, wie in einem hymnischen Lied: Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen. Und dann bittet er noch einmal: Wende dich zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, auf dass du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir. Und dann wird Salomos Bitte an Gott ganz konkret und direkt: Lass deine Augen offen stehen über diesem Hause Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein. Und Salomo wiederholt: Du wollest hören das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte betet, und wollest erhören das Flehen deines Knechts und deines Volkes Israel, wenn sie hier bitten werden an dieser Stätte; und wenn du es hörst in deiner Wohnung, im Himmel, wollest du gnädig sein. Gott wohnt nicht im Jerusalemer Tempel. Gott ist im Himmel. Mehr noch: Gott ist jenseits aller Himmel. Und doch soll Gott hören, was das Volk sagt und worum es bittet. Aber braucht man dann überhaupt einen Tempel? Die nach Babylon verschleppten Israeliten hatten die Erfahrung gemacht, dass sie eigentlich keinen Tempel brauchten. Denn sie hatten gemerkt, dass Gott selbst keinen Tempel braucht. Das ist auch die jüdische Erfahrung nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70. Und das entspricht auch unserem Glauben: Wir brauchen keine heiligen Orte, denn Gott braucht keinen heiligen Ort. Wo wohnt Gott? Wenn wir sagen, dass Gott im Himmel ist, dann wissen wir, dass damit kein bestimmter Ort gemeint ist, der irgendwo in einer irgendwie messbaren Entfernung zu suchen und zu finden wäre. Ebenso wie Salomo sind wir dessen gewiss, dass Gott bei uns ist und dass Gott uns hört, wo immer wir sind. Liebe Gemeinde, was hat das Tempelweihgebet des Königs Salomo mit dem Feiertag Christi Himmelfahrt zu tun?

9 In der Schriftlesung aus dem Lukasevangelium haben wir gehört, wie der auferstandene Christus seine Jünger an das erinnert,was er ihnen zuvor gesagt hatte: Christus wird leiden und auferstehen von den Toten am dritten Tage, und in seinem Namen wird unter allen Völkern gepredigt werden die Buße zur Vergebung der Sünden. So spricht der Auferstandene zu seinen Jüngern; und dann, so heißt es bei Lukas weiter, führte er sie hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Jesus fuhr auf gen Himmel. Lukas ist der einzige im Neuen Testament, der das schreibt. Dabei spricht er von der Himmelfahrt beinahe so, als gebe es tatsächlich einen räumlichen Abstand zwischen der Erde unten und dem Himmel oben. Kennt Lukas die Worte des Königs Salomo nicht oder hat er sie vergessen? Salomo weiß, dass Gott seine Wohnung nicht im Tempel hat. Aber Salomo weiß auch, dass Gott auch nicht irgendwo im Himmel wohnt, in großer Entfernung. Vermutlich hat auch Lukas das nicht anders verstanden. Auch Lukas will uns nicht sagen, dass Jesus am Himmelfahrtstag die Erde in Richtung Himmel verließ und dass er dann zu einem Ort gelangte, der irgendwo in weiter Ferne liegt. Mit den Worten des Lukas sprechen wir im Glaubensbekenntnis davon, dass Christus aufgefahren ist in den Himmel. Und gemeinsam mit vielen anderen biblischen Texten sagen wir, dass Christus sitzt zur Rechten Gottes. Aber wir wissen, dass damit nicht ein bestimmter Ort gemeint ist. Am Ende des Matthäusevangeliums wird erzählt, wie der auferstandene Jesus seinen Jüngern begegnet und sie hinaussendet in alle Welt zum Predigen und zum Taufen. Anders als Lukas weiß Matthäus nichts von einer Himmelfahrt. Im Gegenteil: Bei Matthäus verheißt Jesus seinen Jüngern und damit auch uns seine Gegenwart: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Beide Erzählungen stehen nebeneinander im Neuen Testament. Sie scheinen einander zu widersprechen. Aber wir sollen und können in unserem Glauben beides zusammendenken die Himmelfahrt, von der Lukas spricht, und zugleich die Gegenwart Jesu Christi, die uns Matthäus bezeugt. Ich bin bei euch, sagt Jesus bei Matthäus. Für dieselbe Botschaft hat Lukas das Bild von der Himmelfahrt gewählt. Man könnte sagen: Auf diese Weise hat Lukas die

10 Botschaft von der Gegenwart Christi gleichsam zu malen versucht. Nicht zufällig ist Lukas in der kirchlichen Tradition bisweilen als Maler vorgestellt. Gott lässt seinen Namen wohnen auf Erden, sagt Salomo. Er sagt zugleich, dass der Himmel und der Himmel Himmel Gott nicht fassen können. Das ist nicht die Einsicht in unser menschliches Nichtwissen. Sondern es ist im Gegenteil das Wissen unseres Glaubens. Es gilt gerade heute, am Feiertag Christi Himmelfahrt. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen 2017 Prof. em. Dr. Andreas Lindemann