Stellungnahme. des Kommissariats der Deutschen Bischöfe

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Transkript:

Stellungnahme des Kommissariats der Deutschen Bischöfe zum Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere Regelung der vertraulichen Geburt Referentenentwurf des BMFSFJ vom 30.10.2012 Mit dem Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere Regelung der vertraulichen Geburt bemüht sich das BMFSFJ nach langjährigen Diskussionen, dem Phänomen von Kindesaussetzungen und tötungen entgegenzutreten. Das BMFSFJ greift damit unter anderem den Vorschlag des Deutschen Ethikrates aus dem Jahr 2009 auf, ein Gesetz zu schaffen, das der Mutter eine medizinische betreute Entbindung und eine Kindesabgabe unter einer zeitlich begrenzten größtmöglichen Vertraulichkeit ermöglicht. Dabei stützt sich das BMFSFJ auf die seit Beginn des Jahres vorliegende Studie des Deutschen Jugendinstitutes Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland. Diese hält eine die Schaffung einer eindeutige(n) Rechtslage und eine bessere Information über vorhandene Beratungs und Hilfestrukturen für erforderlich. Die katholische Kirche hat die Diskussionen der vergangenen Jahre nicht nur intensiv beobachtet, sondern inhaltlich begleitet und auch mitgestaltet. Als Trägerin von Einrichtungen der Schwangerschaftsberatung, staatlich anerkannter Adoptionsvermittlungsstellen und Entbindungseinrichtungen kennen wir die Notlage sowohl der Schwangeren als auch der Kinder und die Schwierigkeit, beide Interessen in Einklang zu bringen. Unser Grundanliegen ist es, jene Frauen, die sich in einer Notlage und Ausnahmesituation befinden, in der sie glauben, ihr Kind nach der Geburt nicht bei sich behalten zu können, mit möglichst niedrigschwelligen Angeboten der Unterstützung zu erreichen und damit unter Umständen das Leben des Kindes zu bewahren und der Mutter ein Leben mit dem Kind zu ermöglichen. Die Hilfe und Unterstützungsmöglichkeiten für Mutter und Kind lassen sich erheblich verbessern, wenn das Hilfesystem mehr Möglichkeiten zum Kontakt mit der Mutter vorsieht. Hierbei ist aus unserer Sicht das Recht des Kindes, Kenntnis über die eigene Abstammung zu erhalten, für das Kind selbst von unschätzbarer Bedeutung. Die Ergebnisse der Studie des Deutschen Jugendinstitutes bestärken uns hierin, zumal der Anonymitätswunsch der Mutter in der Regel nicht gegenüber dem Kind besteht, sondern gegenüber ihrem sozialen Umfeld. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir den Gesetzentwurf und sein Grundanliegen des Schutzes des ungeborenen Lebens, der medizinischen Versorgung von Mutter und Kind sowie der Suche nach Lösungen, welche die Annahme des Kindes durch die Mutter nach der Geburt ermöglichen. Allerdings haben wir erhebliche Bedenken, ob mit den vorliegenden Regelungen diese Ziele auf der Basis eines ausgewogenen Interessensausgleichs zwischen Mutter und Kind tatsächlich erreicht werden können.

Das Interesse der Mutter und das Recht des Kindes In der Problem und Zielbeschreibung des Referentenentwurfes wird die aktuelle Situation der anonymen Kindesabgabe zutreffend als nicht befriedigend bezeichnet. Es wird besonders hervorgehoben, dass es in Deutschland kein flächendeckend tragfähiges Angebot gibt, das den Interessen der abgebenden Mutter und denen des Kindes gleichermaßen gerecht wird. 1 Nach unserer Auffassung ist es mit dem vorgelegten Entwurf nicht gelungen, dieses Defizit zu beheben. Im Fokus des entwickelten Verfahrens steht fast ausschließlich die Schwangere, die Berücksichtigung der Rechte des Kindes ist nicht hinreichend in die Normen eingegangen. Um den Schutzes des ungeborenen Lebens und der medizinischen Versorgung der Mutter gewährleisten zu können, muss der Zugang zur schwangeren Frau, niedrigschwellig, flächendeckend und rund um die Uhr gegeben sein. Ist dieser Zugang jedoch erfolgt, kann das Interesse der Mutter auf Anonymität und Sicherheit in ihrem sozialen Umfeld keinen Vorrang vor dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung haben. Letzteres muss das weitere Verfahren mindestens genauso bestimmen wie das Interesse der Mutter an Anonymität. Bedauerlicherweise ist insoweit lediglich in der Eingangsberatung im Entwurf die Beratung 1. Stufe gemäß 2 Abs. 4 SchKG E vorgesehen, dass der Schwangeren alle geeigneten Hilfen angeboten und mit der Schwangeren erörtert werden, die ihr die Aufgabe der Anonymität und die Annahme des Kindes ermöglichen. Die später vorgesehenen Regelungen der 2. Stufe ( 25 ff. SchKG E) fokussieren ausschließlich darauf, der Schwangeren eine medizinisch betreute Entbindung zu ermöglichen ( 25 Abs. 2 SchKG E). Im Übrigen soll sie lediglich über die Rechte des Kindes und die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Herkunft informiert und ihr gegenüber auf die Niederlegung entsprechender Hintergrundinformationen hingewirkt werden. Schon hier fehlt es an einer durchgängigen Berücksichtigung der Rechte des Kindes. Hinzu kommt, dass das für die Frau vorgesehene voraussetzungsfreie und unüberprüfbare Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe ihrer wahren Daten in die Adoptionsakte zum unwiederbringlichen Verlust des Rechts des Kindes auf Kenntnis der Abstammung führt. Hierdurch wird, anders als in der Begründung beschrieben, dauerhaft in die Grundrechte des Kindes eingegriffen. 2 Die sensible Abwägung der Rechtsgüter 3 bei der Ausgestaltung des Modells ist in Bezug auf das Kind insoweit nicht gelungen. Die Rechte des Vaters seien nur am Rande erwähnt. Gerade vor dem Hintergrund der Rechtsprechung der letzten Jahre, die das Recht des Vaters auch des unehelichen stärken (u.a. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Bezug auf Art. 8 EMRK) sind an die vorgelegten Regelungen Anfragen zu richten, die hier aber nicht weiter ausgeführt werden sollen. 1 Vgl. BMFSFJ Referentenentwurf vom 30.10.2012, S. 1 2 BMFSFJ Referentenentwurf vom 30.10.2012, S. 15 3 BMFSFJ Referentenentwurf vom 30.10.2012, S. 2 2/6

Das System der Beratung zur vertraulichen Geburt, 2, 25 ff SchKG E Mit dem vorgeschlagenen zweistufigen Beratungssystem, das niedrigschwellig, jederzeit erreichbar, verlässlich und dauerhaft sein soll, wird beabsichtigt, es der Schwangeren in ihrer schwierigen Situation leichter (zu machen), sich zu öffnen und Hilfe anzunehmen. 4 Wir bezweifeln, dass das vorgeschlagene Beratungskonzept diesem Ansatz gerecht wird: Es ist vorgesehen, dass die Schwangere in ihrer Not in jeder Schwangerenberatungsstelle um Hilfe nachsuchen kann. Hier sollen mit ihr gemeinsam Lösungen gesucht werden, die ihr ein Leben mit dem Kind ermöglichen. Mit dem Schritt in die Beratungsstelle überwindet die Schwangere die größte Hürde auf dem Weg zum Schutz von Mutter und Kind. Sie muss ihre Problemlage darlegen, fasst Vertrauen zur Beraterin und öffnet sich dem gemeinsamen Aufbau eines vertrauensvollen Miteinanders. Finden sich keine Lösungen zum Leben mit dem Kind, bleibt ihr nur die (vorübergehende) Anonymität, so muss sie an eine anerkannte Beratungsstelle zur vertraulichen Geburt weitervermittelt werden. Damit wird der Beratungsund Hilfeprozess massiv gestört. Die Schwangere wird das Beratungsverhältnis kaum als dauerhaft und verlässlich erleben. Es ist durchaus zu befürchten, dass eine Weitervermittlung an die anerkannte Beratungsstelle zum Rückzug der Schwangeren aus dem Beratungsprozess führt. Um dies zu vermeiden, ist es geboten, die Beratung ohne Brüche zu gestalten. Die derzeit existierenden Schwangerschaftsberatungsstellen sind bestens geeignet und in der Lage, mit entsprechender Qualifikation und ggf. etwas Unterstützung (s. hierzu den Vorschlag des Hintergrunddienstes in der Stellungnahme von DCV und SkF) den gesamten Prozess der vertraulichen Geburt zu begleiten. Eine gesonderte Zulassung von nur einigen wenigen Beratungsstellen zur vertraulichen Geburt, in der Begründung wird von 16 bis maximal 48 gesprochen, ist aus unserer Sicht daher weder erforderlich noch sachlich geboten. Zudem können die existierenden Beratungsstellen das Ziel des flächendeckenden bundesweiten und ausreichenden Angebotes ( 27 Abs. 1 S. 1 SchKG E) leichter realisieren als eine begrenzte Anzahl von Sonderberatungsstellen. Dies wird auch von den Verfasserinnen und Verfassern des Entwurfes gesehen, die explizit von der großen Akzeptanz und dem hohen fachlichen Ansehen 5 der Schwangerschaftsberatungsstellen, die durch den Anspruch auf unbedingte anonyme Beratung in 2 Abs. 1 (SchKG) noch gesteigert 6 wurde, sprechen. Die Notwendigkeit einer zusätzlichen ausdrücklichen Anerkennung als Beratungsstelle zur vertraulichen Geburt scheint vor diesem Hintergrund überzogen und eher kontraproduktiv. Zudem baut das Gesetz mit seinem vorgesehenen Verfahren unnötige Doppelstrukturen auf. Viele der im Entwurf beschriebenen, von der Beratungsstelle zur vertraulichen Geburt zu leistenden Schritte und Beratungsinhalte werden bereits heute von den Adoptionsvermittlungsstellen vorgenommen und sind diesen gesetzlich zugewiesen. Zu den Tätigkeiten der Adoptionsvermittlungsstellen gehört insbesondere die Beratung der abgabewilligen Mutter, der Suche nach Lösungen, die die Annahme des Kindes ermöglichen, Informationen und Beratung über das Adoptionsverfahren, Beratung und Begleitung nach Abschluss des Adoptionsverfahrens, auch noch nach Jahren, Berücksichtigung der Wünsche der abgebenden Mutter und der Blick auf die Rechte des Kindes und die für seine Entwicklung notwendigen In 4 BMFSFJ Referentenentwurf vom 30.10.2012, S. 13 5 BMFSFJ Referentenentwurf vom 30.10.2012, S. 29 f 6 BMFSFJ Referentenentwurf vom 30.10.2012, S. 30 3/6

formationen über Herkunft und Geburtsumstände etc. Dies alles sind Aufgaben, die auch im vorgeschlagenen Verfahren der vertraulichen Geburt wesentlich sind. Wir schlagen daher ein einstufiges Verfahren vor, das die unterschiedlichen Kompetenzen aus der Beratung der Schwangerschaftsberatungsstellen und der Adoptionsvermittlung sinnvoll zusammenführt und durch Kooperation eine umfassende Betreuung der Mutter ermöglicht. Damit ist ein gerechter Ausgleich der Interessen der Mutter und der Rechte des Kindes besser zu erreichen. Beide Schwangerschaftsberatungsstellen und Adoptionsvermittlungsstellen können Anlaufstelle für die Schwangere sein und sind es heute bereits. Sie sollten sich gegenseitig einbeziehen. Etwas anderes sollte nur dann gelten, wenn die Schwangere dieser Kooperation ausdrücklich widerspricht. Zum weiteren Verfahren seien an dieser Stelle nur einige Fragen aufgeworfen: 1. Bedarf es einer dritten Stufe der Beratung, wenn die Schwangere zuerst eine Adoptionsvermittlungsstelle aufsucht, was heute bereits regelmäßig der Fall ist? Die vorgelegte Regelung legt die Vermutung nahe, dass die Adoptionsvermittlung die Frau zunächst an die Beratungsstelle der ersten Stufe verweisen muss, die nach kurzer Zeit die Beratung der Schwangeren an eine Beratungsstelle zweiter Stufe abgeben müsste. 2. Wie soll die Kontrolle der Personenstandsdaten der Frau erfolgen? ( 26 Abs. 2 Satz 1 SchKG E) 3. Auf der Herkunftsurkunde soll das Geburtsdatum des Kindes vermerkt werden ( 26 Abs. 2 Satz 2 SchKG E). Wie wird sichergestellt, dass die Beraterin von der Geburt erfährt? 4. Wie intensiv muss die Beraterin die Bereitschaft der Schwangeren fördern, dem Kind möglichst umfassend Informationen über seine Herkunft und die Abgabe mitzuteilen? ( 25 Abs. 3 SchKG E) 5. Wie wird sichergestellt, dass die Beratungsstelle, die die Mutter über den bevorstehenden Ablauf des Vorhabens informieren muss (vgl. 25 Abs. 4 SchKG E), von einem bevorstehenden Adoptionsverfahrensabschluss auch erfährt? 6. Wie erfährt das Bundesamt für Familien und zivilgesellschaftliche Aufgaben, welche Adoptionsvermittlungsstelle die Adoptionsakte führt ( 26 Abs. 2 Satz 4 SchKG E). 7. Welches ist das zuständige Jugendamt, das von der Beratungsstelle informiert werden muss? ( 26 Abs. 5 SchKG E) Ist es das Jugendamt am Ort der Beratung oder das Jugendamt am Ort der Entbindung. Diese offenen Fragen müssen dringend geklärt werden, zumal 27 Abs. 1 Satz 2 SchKG E vorsieht, dass die Beratungsstellen Gewähr für die Durchführung der vertraulichen Geburt nach den Bestimmungen dieses Abschnitts übernehmen müssen. Das Widerspruchsrecht der Mutter Erhebliche Bedenken unsererseits bestehen gegen das in 30 SchKG E vorgesehene voraussetzungsfreie und nicht überprüfbare Widerspruchsrecht der Mutter. Sicherlich wird nur in seltenen Fällen die Situation der Mutter fünfzehn bis sechzehn Jahre nach der Geburt des Kindes noch so sein, dass für sie die Offenlegung der Daten über die Abstammung dem Kind gegenüber unzumutbar erscheint. Jedoch rechtfertigt auch die Annahme nur einer geringen Fallzahl nicht die mit 30 SchKG E verbundene schwere Verletzung der Grundrechte des Kindes. Das Widerspruchsrecht der Mutter sollte in Anlehnung an die Regelung in 64 4/6

Personenstandsgesetz so ausgestaltet werden, dass eine Weitergabe der Daten nur im Falle des Vorliegens eienr Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnlich schützenswerter Belange unterbleiben kann. Im Interesse des Kindes muss das Vorliegen dieser Gründe zudem gerichtlich überprüfbar sein. Es ist daher vorzusehen, dass dem Kind gegen den Widerspruch der Mutter auf Übersendung des Klarnamens an die Adoptionsvermittlungsakte der Rechtsweg eröffnet wird. Wir weisen zudem daraufhin, dass die Kenntnisnahme der Abstammung durch das Kind nicht automatisch zum Bekanntwerden der Mutterschaft in ihrem sozialen Umfeld führen muss. Adoptionsvermittlungsstellen haben hinreichende Erfahrung im sensiblen Umgang mit der Kontaktaufnahme und Zusammenführung von Mutter und Kind. Dieser Erfahrungsschatz sollte genutzt werden, zumal die Mutter in der Regel nicht gegenüber ihrem eigenen Kind ein Bedürfnis nach Anonymität hat, sondern sich dieses ausschließlich auf ihr nahes räumliches und soziales Umfeld bezieht. In der Studie Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland heißt es dazu zusammenfassend: Vor dem Hintergrund der identifizierten Bedarfe der hilfesuchenden Frauen, scheint es angebracht ein Hilfe und Angebotskonzept zu entwickeln, das selektive Anonymitätsbedürfnisse gegenüber bestimmten Personengruppen und Institutionen (z.b. Krankenkasse oder Herkunftsfamilie) berücksichtigt, aber die Kontaktaufnahme zu anderen, beispielsweise zum Kind unterstützt. 7 Entbindung ohne vorherige Beratung In der Studie des Deutschen Jugendinstitutes wird deutlich gemacht, dass zwei Drittel aller anonymen Kindesabgaben durch eine anonyme Geburt in einer Klinik erfolgen. Das bedeutet, dass der größte Teil der betroffenen Schwangeren erst kurz vor der Niederkunft, meist bereits in den Wehen befindlich, ohne Beratung in einer Klinik erscheinen und dort entweder falsche Angaben machen oder den ausdrücklichen Wunsch nach einer anonymen Geburt äußern. Für diese Personengruppe findet sich lediglich die Vorgabe, dass die Leitung der geburtshilflichen Einrichtung unverzüglich eine Beratungsstelle zur vertraulichen Geburt über den Sachverhalt zu informieren hat, 28 S. 1 SchKG E. Damit hat die Klinikleitung alles Erforderliche getan. Die unterrichtete Beratungsstelle trägt Sorge dafür, dass der Frau die Beratung zur und Durchführung der vertraulichen Geburt nach Maßgabe dieses Abschnittes unverzüglich durch persönliches Aufsuchen in der Geburtshilfeeinrichtung angeboten wird, auch wenn die Geburt bereits erfolgt ist. 28 S. 2 SchKG E. In Anbetracht der relativ großen betroffenen Personengruppe erscheint diese Regelung nicht ausreichend. Zudem bleiben Fragen offen: Zum Beispiel stellt sich die Frage ob 28 S. 1 SchKG E eine im Hinblick auf 203 StGB ausreichende Befugnisnorm darstellt. Denn die Geburt eines Kindes ist sicherlich ein dem Straftatbestand des 203 StGB unterfallendes zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis. Ferner berücksichtigt die Regelung nicht den Umstand, dass ein recht hoher Anteil anonym Gebärender falsche Angaben macht. Diese Frauen sind somit nicht als Fall des 28 SchKG E identifizierbar. Die Beratungsstelle wird nicht informiert werden. Zudem ist völlig offen, wie die Zusammenarbeit zwischen Entbindungsklinik und Beratungsstelle angelegt sein soll. Auch wenn die Zahl von ca. 100 Schwangeren pro Jahr, die ihre Anonymität wahren wollen, nicht besonders hoch ist, so ist eine gute Basis der Zusam 7 Deutsches Jugendinstitut e. V., Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland Fallzahlen, Angebote, Kontexte, München 2011 5/6

menarbeit zwischen Klinik und Beratungsstelle nicht weniger wichtig. Auch dies spricht dafür nicht nur einige wenige zugelassene Beratungsstellen der vertraulichen Geburt mit dem Verfahren zu betrauen, sondern alle Schwangerenberatungsstellen einzubeziehen. Durch die unterschiedlichsten Regelungen der vergangenen Jahre erhält die Einbindung psychosozialer Beratung, sei es im Rahmen der Pränatal und Gendiagnostik oder der Spätabbrüche, in klinische Abläufe einen immer höheren Stellenwert. Auf diese, wenn auch erst sich langsam einspielende Kooperation, sollte nicht verzichtet werden. Berlin, den 27. November 2012 6/6