1 Predigt: Johannes 17,20-23: Die Einheit der Jünger in Jesus Christus: das Zeugnis für die Welt. Th. Graf, Pfr. Joh. 17,20 Ich bitte aber nicht allein für sie (die damaligen Jünger um Jesus), sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, 21 damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. Liebe Gemeinde, In den Evangelien wird uns immer wieder berichtet, wie sich Jesus zum Gebet zurückgezogen hat, aber über den Inhalt seiner Gebete erfahren wir kaum etwas, ausser bei der Auferweckung des Lazarus von den Toten; dem Gebet Jesu im Garten Gezehmane und den sieben Worten Jesu am Kreuz und in dem sogenannten hohepriesterlichen Gebet Jesu im 17. Kapitel des Johannesevangeliums. So könnte man sagen, dass immer, wenn in den Evangelien über den Inhalt von Jesu Gebet berichtet wird, es um Leben und Sterben geht: so steht auch das Hohepriesterliche Gebet Jesu an der exponierten Stelle im Johannesevangelium, nämlich gerade im Anschluss an die Abschiedsreden an seine Jünger und vor Beginn der Passionsgeschichte, wo Jesus vor seinem Vater einsteht für die Jünger, die ihm bis hierher gefolgt sind und die er bald verlassen muss.
2 Jesus ist sich bewusst, dass das, was auf seine Jünger zukommt, nicht einfach sein wird, und so steht er in der Fürbitte für sie ein, die zwei zentrale Anliegen hat: 1. Bewahrung vor dem Bösen, das in der Welt geschieht und zweitens die Fürbitte um Einheit unter seinen Nachfolgern. Dieser Bitte Jesu um Einheit möchte ich heute ein ganz klein wenig nachgehen, denn es ist wirklich ein weites Feld, das hier angesprochen ist. Doch hören wir hinein, in das Gebet Jesu für seine Jünger: Joh. 17,20 Doch nicht nur für diese (Jünger) hier bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben; 21 dass sie alle eins seien, so wie du, Vater in mir bist und ich in dir, damit auch sie in uns seien, und so die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, so wie wir eins sind: 23 ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, so wie du mich geliebt hast. Wir haben gerade zwei Wochen hinter uns, wo es um die Einheit der Christen in der Welt ging: Die Allianzgebetswoche in der zweiten Woche im Januar und die ökumenische Gebetswoche für die Einheit der Christen in der dritten Woche im Januar. Wer diese Wochen bewusst begangen hat, hat gemerkt, wie umkämpft gerade dieses Ringen um Einheit in unseren Kirchen und Gemeinschaften ist. Dabei geht es um nichts Geringeres als die Einheit in Jesus Christus: Wo
3 zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt. 18,20) hier spricht Jesus selbst das Geheimnis der Einheit an: sie ist da verheissen, wo sich seine Gemeinde in seinem Namen versammelt. Durch Jesus haben wir Zugang zum himmlischen Vater, das war ja Thema der Predigt vor einer Woche; damit sind wir Miterben seines Reiches: da gibt es keine Kirchenmauern; keine Friedhöfe; keine Glaubenskriege mehr. Je mehr Offenbarung wir von Gottes Reich empfangen, desto unwichtiger werden diese Dinge. Dieses Eins-Sein in Jesus ist der Zustand der absoluten Gnade und der Ort der Offenbarung Gottes in dieser Welt: darum ist diese Einheit so unendlich kostbar und selten: weil sie überaus angegriffen und von der Welt umkämpft ist. So erstaunt es auch nicht, dass die Christen in dieser Welt die am heftigsten verfolgte Volksgruppe ist: je grösser die Einheit; je heller das Licht: desto böser die Bösen und schnell zum Gericht. Allein im letzten Jahr wurden 4136 Christen wegen ihres Glaubens umgebracht ( nur die dokumentierten Fälle). Das sind 48% mehr als 2017. Der Druck auf die Christen nimmt weltweit zu. Unter Verfolgung zu leben ist nur in der Gemeinschaft möglich. Darum wächst wohl die Gemeinde Christi dort am schnellsten, wo sie am heftigsten verfolgt wird (vgl. Joh. 17,14-16).
4 Doch wie kommen wir in diese Einheit mit einander? Der Schlüssel dazu ist unser Gebet und unsere Fürbitte und unserm daraus folgenden Handeln in der Welt: denn die Einheit der Christen ist nicht ein Selbstzweck, das heisst, damit es uns besser geht, sondern damit die Welt erkennt, dass du, himmlischer Vater, mich, Jesus gesandt hast und sie liebst, gleich wie du mich liebst. Mit anderen Worten: Die Einheit der Christen in der Welt ist das Zeugnis der Gegenwart Gottes in der Welt. Das erinnert an Johannes 3,16-18. Ein Beispiel wie Jesus sich mit seiner Gemeinde verbunden hat ist die Geschichte von Saulus, der die Jesusjünger verfolgte, wo er konnte. Sicher ein frommer und schriftgelehrter Mann, der sich von Jerusalem aufmachte, um die Christen auch in Damaskus zu verfolgen. Und auf dem Weg dorthin umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel her und Saul fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? da fragt Saul nach: Herr, wer bist du? und die Antwort lautete: Ich bin Jesus, den du verfolgst (Apg. 9,3-5). Dies ist die Einheit, um die es in der Gemeinde Jesu geht. Es geht um die Begegnung mit dem Auferstandenen Jesus. Nach dieser Gottesbegegnung verschwand Saulus für etwa 14 Jahre in der Stille dessen, was wir nicht wissen (Gal. 2,1), um dann als der Apostel Paulus seine ausgedehnten Missionsreisen zu
5 unternehmen und viele Gemeinden unter den Heiden zu gründen. Diese Begegnung mit dem Auferstandenen Jesus: Ich bin Jesus, den du verfolgst. ist wohl der Grund geworden für die für die gewaltige Aussage des Paulus in Bezug auf die Jüngerinnen und Jünger Jesu zu allen Zeiten:... Ihr aber seid Christi Leib (1 Kor. 12,27). Die Leib Christi Aussage kommt nur in den Paulusbriefen vor und zwar etwa 34 mal kommt Paulus auf diese Einheit zu sprechen des Leibes zu sprechen, wo Jesus das Haupt ist und wir, seine Gemeinde, die Glieder an diesem Leib. Erinnern wir uns an das Gebet Jesu in unserem Predigttext, wo Jesus zu seinem Vater betet: 22 Und ich habe ihnen (den Nachfolgern Jesu) die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, so wie wir eins sind: 23 ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, so wie du mich geliebt hast. Ich versuche das zu verstehen. Diese Einheit der Christen ist also nicht ein Selbstzweck in der Herrlichkeit Gottes zu leben, sondern ist Zeugnis für die Welt, dass Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass er in Jesus Fleisch geworden ist und seit dem ersten Pfingsten die Seinen durch den heiligen Geist sammelt und zusammenführt, heilt, tröstet, auferbaut und
6 ermahnt damit sie EINS seien, wie er mit seinem Vater eins ist: damit alle Menschen erkennen können, dass Jesus Gottes Sohn ist und Gott sie alle liebt! An dieser Stelle spüre ich, wie wichtig diese Einheit ist für die Gemeinde. Und damit ist nicht gemeint, dass wir alle einheitlich sind, sondern wie in einem Körper jedes Glied und Organ eine besondere Funktion hat, die mit anderen vernetzt ist, so hat in einer lebendigen Gemeinde jedes Gemeindeglied seinen Platz, seine Bestimmung und Berufung. Da gibt es keine Konkurrenz, Neid und Missgunst: das sind alles Anzeichen, dass Verletzungen da sind und Vergebung und Versöhnung nötig ist. Von daher versteht man auch die Aussage:...wenn ein Glied leidet, so leiden alle mit; und wenn ein Glied sich freut, so freuen sich alle mit ( 1. Kor 12,26); oder:...einer Trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen (Gal. 6,2). Paulinisch gesprochen, hat Jesus keine Organisation gegründet, sondern einen Organismus berufen, der sich Gemeinde nennt. Und seine Gemeinde, das sind wir. Wie spüren wir einander? Und können wir darüber reden? Nehme ich mir die Zeit, was ich von Gott her höre, auch umzusetzen: den Worten auch Taten folgen zu lassen; seinen Willen zu tun: oder habe ich mich so arrangiert,
7 dass immer alles rund läuft; nach meinem; nach unseren Plänen und nicht nach Gottes Willen? Höre ich in dieser Stunde diesen Ruf Jesu in diese Gemeinschaft der Gläubigen immer mehr hineinzuwachsen, wo er das Haupt ist? - So wie das Gebet Jesu der Schlüssel zur Einheit mit dem Vater ist, so ist das Gebet der Gemeinde der Schlüssel zur Einheit seines Leibes. Letzthin habe ich den Spruch gehört: Das Gebet ist nicht alles; aber ohne Gebet ist alles nichts. Mir fällt die Geschichte eines Rumänischen Pastors ein, der um seines Glaubens willen unter schlimmen Umständen im Gefängnis sass. Eines Tages, als er grosse Not litt, liess in Gott in einer (offenen) Vision alle Menschen schauen, die für ihn und seine Situation in diesem Augenblick vor dem himmlischen Vater in der Fürbitte für ihn einstanden: es war, als wenn sich der Himmel über ihm geöffnet hatte und er wurde durch diese Berührung mit der Gegenwart Gottes so auferbaut und gestärkt. Hier wird die übernatürliche Einheit in Jesus Christus spür- und erlebbar. Und das wünsche ich uns allen: dass wir wachsen in den vielfältigen Gaben, die Gott für uns bestimmt hat und uns berufen hat, sie füreinander einzusetzen, damit sein
8 Leib wachse und gedeihe, damit die Welt erkennt, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. Lass und so vereinigt werden, wie Du mit dem Vater bist, bis schon hier auf dieser Erden kein getrenntes Glied mehr ist. Und allein von deinem Brennen nehme unser Licht den Schein; Also wird die Welt erkennen, dass wir deine Jünger sein. (KGB 793,7 Graf von Zintzendorf). Amen