Wie Pestizide die Intelligenz von bestäubenden Insekten stören

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Transkript:

Wie Pestizide die Intelligenz von bestäubenden Insekten stören Randolf Menzel Freie Universität Berlin http://www.bcp.fu-berlin.de/biologie/ arbeitsgruppen/neurobiologie/ag_menzel/index.html Neubrandenburg November 2018

Intelligentes Planen, Suchen, Auswählen und Entscheiden https://pixabay.com/de/supermarkt-

The intelligent solution of pollination Selmansberger

Die intelligente Bestäubung von Blüten 300 Millionen Jahre gemeinsame Evolution von Blütenpflanzen und Bestäubern - Geben (Pflanze) und Nehmen (Bestäuber): eine Geschäftsbeziehung - Anpassung der Blütensignale und der Wahrnehmung - Blütenpflanzen züchten sich die intelligenten Bestäuber Was die intelligenten Bestäuber alles lernen müssen - Wie komme ich sicher wieder zu meinem Nest zurück (Versorgung der Larven): Navigation - Wo gibt es gerade Nektar und Pollen (Wasser, Harz): Wahrnehmen, Suchen, Auswählen, Manipulieren, Lernen - Ist die Energiebilanz positiv (Aufwand und Ertrag): als einzelnen Tier, als Kolonie - Was wird benötigt (Nektar oder Pollen): soziale Kommunikation Lernen und Gedächtnis: Die Regeln in der Natur erkennen: Tagesrhythmik, von einander lernen (soziale Kommunikation) Selmansberger

Blumenfarben für Insekten Die Schönheit der Blumen ist in der Evolution der letzten 300 Millionen Jahre für die bestäubenden Insekten entstanden, nicht für uns

Die Duftwelt ist eine komplexe Welt Bienen riechen und fühlen mit den Antennen -Duft -Berührung -Wind -Temperatur -Feuchte -CO 2 -elektrostatische Felder 60.000 Sinneszellen auf jeder Antenne sind allein in den Porenplatten versammelt

Umkehr % Richtigwahl Bienen lernen nicht nur einfache Aufgaben: Spiegel symmetrische von unsymmetrischen Formen unterscheiden Testmuster Asymmetrie Symmetrie Symmetrie Asymmetrie Dressurmuster Abstrahieren Bienen? Giurfa et al.1996

Wenn man die Navigation der Bienen verstehen will, muss man wissen, wo sie herumfliegt Verfolgen der Bienen mit einem speziellen Radargerät Harmonisches Radar

Aus dem Film More than Honey

Zum Navigieren erlernen Bienen die Landschaftsstruktur in den Sonnenkompass einzupassen dritte Orientierungsflüge

Schwänzeltanz: die tanzende Biene codiert die Richtung und Entfernung zu einer Nahrungsquelle/neue Niststelle. Die Folgebienen bestimmen daraus den Ort zu dem sie fliegen sollen Richtung: Flug relativ zum Sonnenstand Tanz: relative zur Schwerkraft. Entfernung: Flug mit den Augen (optischer Fluß) Tanz: Länge/Zeit des Schwänzellaufs

Das Bienengehirn ist winzig (1 qmm) und enthält knapp 1 Million Nervenzellen Wir kennen schon viele Nervenzellen und wissen was sie tun

Nahezu alle Pestizide wirken als Gehirndrogen - insbesondere in den für komplexe Leistungen zuständigen Regionen Die komplexesten Verhaltenssteuerungen im Insektengehirn finden in den Pilzkörpern statt. Nikotinischer Acetylcholin Rezeptoren. Bei höheren Dosen ist dies tödlich, bei sehr niedrigen Dosen stört dies die Gehirnprozesse: Wahrnehmen, Lernen, Erinnern, Orientieren, Navigieren, Kommunizieren

Die Wirkung von Neonikotinoide und andere Insektizide Kontakt- und Fraßgifte. Über die Wurzeln (gebeizter Samen) oder über die Blättern (Spritzen) aufgenommen. Gelangen sie in alle Teile der Pflanzen (Pollen, Nektar, Gutationssaft) und in die Pfützen und den Staub vom Acker. Neonicotinoide und andere Insektizide wirken auf das Gehirn und andere Körperteile: Acetamiprid, Clothianidin, Imidacloprid, Nitenpyram, Thiacloprid, Thiamethoxam, Nithiazin. Zur Zeit wird vor allem Thiacloprid (Calypso, Biscaya) und Mospilan (Acetamiprid) verwendet, wobei sich die Anwendungsvorschriften ständig ändern (z.b. kein Spritzen in die Blüte, kein Beizen von Samen bestimmter Pflanzen, z.b. Raps aber nicht Erbse). Gegen Rapsglanzkäfer, Kartoffelkäfer, Blattläuse, weiße Fliege, u.m. In Frankreich sind seid kurzem alle Neonicotinoide verboten (in der Verfassung verankert). EFSA (European Food Safety Authority): Für 3 Wirkstoffe ist die Anwendung in der EU verboten: Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam (dagegen strengt die erzeugende Industrie ein Gerichtsverfahren am Europäischen Gerichtshof an)

Zahl der resistenten Insekten Arten Die große Gefahr und der Grund für neue Insektizide: Zunahme der Resistenz von Insekten Arten seit Einführung der Neonicotinoide Jahre Bass et al. 2015

Andere Insektizide, die auf den selben Rezeptor wirken: Sulfoxaflor: Sulfoximine, Dow Chemicals, in Europa seit August 2015 zugelassen, in den USA zur Zeit nicht zugelassen (Gerichtsurteil: Schutz der Bestäuber. Es gibt praktisch nur Untersuchungen der Firma Dow Chemicals, und in deren Veröffentlichungen sind die wichtigen Daten geschwärzt. Auf eine neuen Arbeit gehe ich später ein. Flupyradifuron: Butenolide, Sivanto von Bayer Crop. Laboruntersuchungen an Bienen führt bei einer Dosis von 1,2 Mikrogramm pro Biene zu deutlich reduzierten Wahrnehmungs- und Lernleistungen. Anträge auf Zulassung liegen bei den Behörden vor. Wir haben ganze Bienen Kolonien der Substanz ausgesetzt. Daten werden gerade ausgewertet. Cyantraniliprol: Lumiposa, wirkt auf ein anderes Molekül (Ryanidin Rezeptor, insbesondere in Muskeln von Nicht-Wirbeltieren. Hochtoxisch für Bienen. Jetzt in Polen zugelassen. Empfehlungen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): 48 Std. vorher Imker benachrichtigen, wenn die Bienenvölker näher als 60 m entfernt stehen. Fibronil: viele Namen, BASF, wirkt auf GABA Rezeptor, Verdacht: Krebs erzeugend. In Deutschland nur noch ausnahmsweise als Beizmittel zugelassen (im Freien: Drahtwürmer Kartoffel, Gemüse), in Gewächshäuser. Verboten: Mais, Sonnenblumen

Das Problem mit den Neonikotinoiden und anderen Insektiziden Nektar, Pollen Nicht Ziel Insekten Schädliche Insekten Aufnahme durch Pflanzen Direkte Vergiftung Verlust an Futter Boden Bodenbewohner Samen Oberflächen Wasser Wasserorganismen Insektenlarven Beizen von Samen: 1 17 ng Neonicotinoide pro g. Im Pflanzensaft sind dann 5 10 ng pro g (= ppb)

Konzentrationen, Mengen und Dosen Konzentration: ppb: part per billion= 1 Anteil in 1 Milliarde, also: 1 ng/g = 1 g in 1000 m 3 Wasser Menge von Neonicotinoiden in Pflanzen 1 10 ng/g Thiamethoxam in Pollen und Nektar 0.5 36 ng/g Imidacloprid in Sonnenblumen Pollen bis 90 ng/g Thiacloprid im Pollen von Obstblüten Innerhalb der Kolonie, die Rapsblüten aus gebeiztem Samen ausgesetzt waren: 6.6-23 ng/g Imidacloprid in Pollen oder Honig 10 14 ng/g Clothianidin in Pollen oder Honig

Zahl der Wasserorganismen Gewässerbelastung mit dem Neonicotinoid Imidacloprid beeinträchtigt im Wasser lebende Nicht-Wirbeltiere und indirekt Fische und Vögel Holland 579 Probeentnahmestelle 750,000 Wasseranalysen 300,000 Bioproben Konzentration von Immidacloprid im Wasser (ng/l) Deutschland: Bäche und kleine Flüsse: 1,7 Millionen Proben, 478 Pestizide und Metaboliten Gefährliche Konzentrationen wurden in 26% der Flüsse gefunden. Diese waren nahe zu 4 mal höher wenn sie in der Nähe von Ackerbau Flächen waren.

Gewicht in g Insekten Biomasse (g) 1400 Rückgang 70 % 1000 600 200 1960 1970 1980 1990 2010 2000 Jahre Zwei Standorte Einführung der Neonicotinoide Sorg et al. 2013

Wildbienen und Hummeln sind mehr gefährdet als Honigbienen Wildbienen Dichte Hummel Brutzellen Unbehandelter Samen Rundlöff et a. 2015 Nature Gebeizter Samen Blühender Raps Unbehandelter Samen Gebeizter Samen

Zahl der Pollen Sammlerinnen Zahl der Drohnen Chronische Exposition Sulfoxaflor (5 ng/g) Die Aufnahme von Sulfoxaflor reduziert die Zahl der Drohnen und der Brut bei Hummeln Kontroll-Volk Behandeltes Volk (5 ng/g) Kontroll-Volk Behandeltes Volk (5 ng/g) Wochen Lebensdauer H. Siviter, M.J.F. Brown and E. Leadbeater (2018) Sulfoxaflor exposure reduces bumblebee reproductive success. Nature 561, 109 112,,

Honigbienen Neonikotinoide in Raps Pollen: Königin reduziert die lebenden Spermien in der Königin Die Königin legt weniger Arbeiterinnen Eier Neonicotinoide Kontrolle Neonicotinoide Kontrolle Weniger Spermien in der Spermatheka Weniger Arbeiterinnen Eier gelegt Bern (Schweiz) Pollen behandelt mit 4 ng/g Thiamethoxam und 1 ng/g Clothianidin (vergleichbar mit dem Gehalt an Neonicotinoiden in Raps Pollen) Williams et al. 2015 Neonicotinoid pesticides severely affect honeybee queen Scientific Reports 5:14621

Warum scheint es als ob Bienenvölker nicht (oder massiv: Kolaps) auf Pestizidbelastung reagieren? Das Bienenvolk ist ein Superorganismus, ein vielfältig und hoch geregeltes System. Solche Systeme sind robust. Systemtheorie: synergistisch und antagonistisch geregeltes Wirkungsgefüge Komplexe und verborgene Kompensationsvorgänge gegen störende Eingriffe Nichtlinearität und Chaos: plötzliches Zusammenbrechen bei scheinbar geringen Störungen. Imker kümmern sich um diesen Superorganismus Da die Wahrscheinlichkeit nach Aufnahme von Neonicotinoiden in den Stock zurück zu kehren geringer ist reichern sich die Pestizide dort nur im geringen Umfang an und die akut schädlichen Einflüsse werden nicht erfasst, weil die Bienen im Stock nicht gemessen werden.

Laborexperimente: Lernen von Düften durch Belohnung Dressur belohnter Duft Gedächtnis belohnter Duft Gedächtnisbildung

Clothianidin stört die Bildung des Gedächtnisses PER (%) 80 60 40 20 0 Lernen Acquisition Acquisition Extinction Acquisition PER (%) PER (%) 80 80 60 60 40 40 20 20 PER (%) * 80 60 40 20 Control Control Control Treated Treated Treated 0 0 Acq.1 0 Acq.2 Acq. 3 Acq.1 Acq.2 Acq.1 Acq.3 Acq.2 3 Acq. 3Ext.1 Ext.2 Ext.3 1 2 3 1 2 3 ** * Erinnerungstests Clothianidin 0,33 ng/bee 6 Std nach Lernen ** * Kontroll-Tiere Behandelte Tiere (N=6 Control 7) (N=6 Treated Control 6) Treated Tison. Menzel 2017

Thiacloprid stört die Bildung des Gedächtnisses PER (%) 80 60 40 20 0 Lernen Acquisition PER (%) 80 80 * 60 60 PER (%) 40 40 20 20 Acquisition Acquisition Extinction PER (%) * 80 60 40 20 Control Treated 0 0 Acq.1 0 Acq.2 Acq. 3 Acq.1 Acq.2 Acq.1 3Acq.2 Ext. Acq. 3 1 Ext. 2 Ext. 3 1 2 3 1 2 3 ** * Thiacloprid 64 ng/bee 6h nach Lernen Erinnerungstests ** ** Kontroll-Tiere Behandelte Tiere Control (N=6 Control Treated 7) (N=6 4) Treated Tison. Menzel 2017

Im Laborexperiment zeigt sich, dass Clothianidin und Thiacloprid die Gedächtnisbildung und den Gedächtnisabruf massiv stören. Dosis: 0,33 ng /Biene Clothianidin; 64 ng/ Biene Thiacloprid Die dabei verwendeten Dosen liegen im Bereich was Bienen z.b. von gebeiztem Raps aufnehmen können Clothianidin: 10ng/ml Nektar, Biene sammelt 50 µl, dann nimmt also ca 0,5 ng in einem Sammelflug auf Thiacloprid ca. 100 ng Nektar/Biene (z.b. Calypso). Tödliche Dosen (LD50 Werte): 18ng/Bienen bei Imidacloprid; 22ng/Biene bei Clothianidin; Thiacloprid etwa 150 fache Dosis. Wirken sich solche Dosen auch auf das natürliche Verhalten von Bienen aus? Navigation (Heimfindevermögen), Kommunikation (Schwänzeltanz)

Wie Bienen ihr Landschaftsgedächtnis erlernen und in den Sonnenkompass einpassen zweite Orientierungsflüge 10 verschiedenen Bienen dritte Orientierungsflüge Degen. Menzel 2015

Wie wir das Landschaftsgedächtnis testen: Dressieren, Einsammeln, Transportieren und Freilassen H Routenflüge F? Heimflug? Heimkehrende Bienen versetzt Auflass Stelle Können sie auch ihr Landschaftsgedächtnis verwenden um zum Stock zurück zu kehren? Routengedächtnis (Vektorflug)

Die Biene war vom Stock (H) über 200 m nach Osten zur Futterstelle (Fs) dressiert Als sie an Fs nach dem Füttern abfliegen wollte, wurde sie eingefangen und zur Stelle R8 transportiert. Dort mit einem Transponder ausgestattet und fliegen gelassen. Riley. Menzel 2005

Es lassen sich drei Phasen der Heimkehrflüge unterscheiden: - Vektorflug (Routengedächtnis) - Suchflug - Heimflug (bestehend aus Suchflug und Rückflug) B C 800 800 600 Rückflug (Landschaftsdächtnis) H 600 400 Vektorflug (Routen- H gedächtnis) 400 R7 R2 00 [m] 200 400 600 [m] 200 Suchflug 200 400 600

Die akute Wirkung von 3 verschiedenen Neonikotinoiden auf die Navigation homing flight m Entwässerungskanal H dressierte Route Clothianidin: 1.3 ng/tier Imidacloprid: 3.7 ng bzw. 5.5 ng/tier Thiacloprid : 0.75 µg (= 750 ng/tier) Behandelte Bienen kommen seltener zum Stock zurück als nicht behandelte Bienen Futterstelle Übergang vom Vektorflug zum Heimflug ist gestört vector flight Kontroll-Biene Thiacloprid behandelte Biene m Die Länge des Heimfluges ist signifikant länger bei der Clothianidin Gruppe Die Zeit für den Heimflug ist signifikant länger bei der Clothianidin und der Thiacloprid Gruppe Fischer.. Menzel 2014

Kumulierte Heimkehr Frequenz Die chronische Wirkung sehr geringer Thiacloprid Dosen auf die Navigation Thiacloprid Konzentration: 0,02 mm entspricht: 5,4 ng/µl, entspricht 170 ng/tier pro Sammelflug Tier nimmt ca 2 ng pro Flug auf Kontroll-Tiere Behandelte Tiere Flugdauer in Minuten Außerdem tanzen diese behandelten Tiere weniger und benötigen eine sehr viel höhere Zuckerkonzentration um ihre Sammeltätigkeit aufrecht zu erhalten. Tison. Menzel 2016

Besuchsrate an der Futterstelle Die Besuchsrate nimmt ab, eine höhere Zuckerkonzentration ist nötig und die Tänze werden eingestellt Zahl von Tänzen Kontroll-Tiere Besuchsrate an der Futterstelle Behandelte Tiere Juli August 160 Tänze Boxplot by Group Variable: feeder Zucker konzentration an der Futterstelle waggle per hour 140 120 100 80 60 40 20 202 treated 203 control Average sucrose concentration a the control feeder and the feeder of treated bees Kontroll- Tiere6 Behandelte Tiere 0-20 Tison. Menzel 2016 Thiacloprid 202 203 Experiment Kontrolle Median 25%-75% Min-Max

7g Thiacloprid verdünnt auf 50 l ergibt 140 ng/µl Wenn die Biene 30 µl auf gespritzten Blüten sammelt nimmt sie auf einem Sammelflug 420 ng Thiacloprid auf. Wir fanden drastische Effekte bei 170 ng/sammelflug = 2ng/Flug (chronisch); und bei 64 ng/tier (akut) auf Gedächtnisabruf Bereits bei 10 bis 100 facher Verdünnung signifikante Abnahme der Gedächtnisbildung B4

ng pro Tier LD50 100.000 praktisch nicht toxisch 10.000 1000 100 schwach toxisch mittelstark toxisch Thiacloprid nicht tödliche Wirkungen: Einmalige Aufnahme: Gedächtnisschädigung 10 stark toxisch 1 Tödliche Wirkung von Mehrmalige Aufnahme Schädigung des Gedächtnisses, der Navigation, der Kommunikation der Sammelmotivation Thiacloprid Imidacloprid De-Toxifizierung von Thiacloprid durch ein bestimmtes Enzym (Cytochromoxidase)

Neonicotinoide stören die Gedächtnisbildung in Laborexperimenten und die Navigation und Kommunikation massiv - Akute subletale Dosen, die Sehen und Fliegen nicht stören, beeinträchtigen massiv Gehirnfunktionen, die dem Lernen und der Navigation zugrunde liegen. - Wenn Tiere chronisch sehr geringe Dosen aufnehmen und in den Stock transportieren, dann reichert sich das Pestizid im Tier (und auch im Stock) an und beeinträchtigt die Navigation. Außerdem benötigen sie sehr viel höhere Zuckerkonzentration um ihr Sammelverhalten aufrecht zu erhalten. Der Schwänzeltanz wird nahezu ganz eingestellt. - Die wirksamen Dosen liegen in dem Bereich denen die Bienen in der Landwirtschaft ausgesetzt sind. - Cocktail-Effekt: Formulierungen wirken stärker (z.b. Calypso). Mischungen von Pestiziden (Insektizide, Acarizide, Fungizide) führen zu potenzierten Wirkungen.

Wirkung des Herbizids Glyphosat (round up) auf die Navigation RS RS F F H and R H and R 1,0 0,8 Second release 1,0 0,8 Second release 1,0 0,8 Direkte Heimflüge 1,0 First release First release 0,8 Direct Direct Indirect Indirect Direct Indirect Direct Indirect Indirekte N.S N.S Heimflüge 0,6 0,4 Proportion of bees 0,6 0,4 Proportion of bees 0,6 0,4 0,2 Proportion of bees 0,6 0,4 0,2 Glyphosat stört die Navigation von Bienen bei Dosen wie sie in der Landwirtschaft auftreten 0,2 0,0 0,2 0,0 0,0 (22) (14) (22) (14) (10) (4) (10) (4) (10) (9) (10) (9) (8) (2) (8) (2) 0 mg/l 0 mg/l2.5 mg/l2.5 mg/l5 mg/l 5 mg/l 10 mg/l10 mg/l Kontrolltiere: Keine Aufnahme Kontrolle Treatment Treatment (12) (4) (6) (12) (1)(4) (8)(6) (2)(1) (1) (8) (3)(2) (1) (3) 0,0 0 mg/l 2.5 mg/l 0 mg/l 5 2.5 mg/l mg/l 10 mg/l 5 mg/l 10 mg/l Treatment Treatment World Health Organisation (WHO): wahrscheinlich krebserregend Aufnahme von 10 mg/l Glyphosat Glyphosat Balbuena.Menzel 2015

Dr. Bonmatin (Centre National de la Recherche Scientifique, Frankreich): "Die heutigen Erkenntnisse bestätigen die Notwendigkeit, den massiven Einsatz von systemischen Pestiziden zu beenden, einschließlich der dringendsten vorbeugenden Verwendung bei der Saatgutbehandlung. Die Verwendung dieser Pestizide steht im Gegensatz zu umweltverträglichen landwirtschaftlichen Praktiken. Es bietet keinen wirklichen Nutzen für die Landwirte, verringert die Bodenqualität, schadet der Biodiversität und verunreinigt Wasser, Luft und Nahrung. Es gibt keinen Grund mehr, diesen Weg der Zerstörung fortzusetzen. "

Es lässt sich nicht leugnen, dass der Verlust an Artenvielfalt und die Schädigung bestäubender Insekten in unserer Landschaft von dem übermäßig starken Einsatz von Pestiziden mit bedingt werden. Imker haben eine besondere Verantwortung, weil sie diese Schäden an ihren Völkern sehen. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse. Unsere web sites: http://www.neurobiologie.fu-berlin.de/menzel/forschungsthematik-menzel.html http://www.neurobiologie.fu-berlin.de/umweltspäher/startseite_bienenumweltspaeher.html http://www.neurobiologie.fu-berlin.de/umweltspäher/spendeninfo.html Finanzielle Unterstützung unserer Forschungen: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Hertie Stiftung, Dr. Klaus Tschira Stiftung, OLIN Stiftung, Freie Universität Berlin

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